Generations- und Führungswechsel im Familienunternehmen: Mit Gefühl und Kalkül den Wandel gestalten
By Bernd LeMar
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In keinem Bereich der Wirtschaft ist angewandte Psychologie so notwendig wie in Familienunternehmen. Der Autor beschreibt die Verbindung von Familie und Unternehmen als eine Liaison von Gefühl und Kalkül. Ein dynamisches Leben in Familie und Betrieb bringt viele Vorteile mit sich. Die entstehende Dynamik will jedoch auch gemeistert werden. Dies erfordert von allen Beteiligten eine hohe soziale Kompetenz. Für den schnellen Leser sind zentrale Themen des Buches in einem Dialog mit einem Familienunternehmer zusammengefasst und optisch als „Gesprächsthemen“ hervorgehoben. In Verbindung mit vielen ansprechenden Abbildungen werden die Inhalte in leicht fassbarer Weise praxisnah aufgezeigt.
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Generations- und Führungswechsel im Familienunternehmen - Bernd LeMar
Bernd LeMar
Generations- und Führungswechsel im FamilienunternehmenMit Gefühl und Kalkül den Wandel gestalten
A46435_2_De_BookFrontmatter_Figa_HTML.pngBernd LeMar
München, Deutschland
ISBN 978-3-642-54691-4e-ISBN 978-3-642-54692-1
DOI 10.1007/978-3-642-54692-1
Springer Heidelberg Dordrecht London New York
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
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Vorwort zur 2. Auflage
Familienunternehmen sind nach wie vor die Grundpfeiler unserer Wirtschaft –, dies zeigte sich 2008 und in den Folgejahren auch in der Banken‐ und Finanzkrise, in der die von Familien geführten Unternehmen eine solidere und verantwortlichere Form des Wirtschaftens aufwiesen als viele börsennotierte Konzerne. So wie eine funktionierende Familie zentrales Element einer gesunden Gesellschaft ist, so sind funktionierende Familienunternehmen zentrale Elemente für ein gesundes Wirtschaftsleben.
Seit vielen Jahren bin ich motiviert, für Familienunternehmen tätig zu sein. Grundlage dieser Motivation ist die Einsicht, dass die entscheidenden Herausforderungen unserer Zeit weniger von der politischen Kaste gemeistert werden oder von den Vorständen der Konzerne oder von den Bankern. Diese Personenkreise sprechen zwar von der großen Verantwortung, die sie der nächsten Generation gegenüber haben, wenn es um Abbau der Staatsverschuldung geht, um Umwelt‐ und Klimaziele oder um Demokratisierung von Gesellschaften. Das konkrete Handeln ist jedoch in den meisten Fällen nicht auf Nachhaltigkeit ausgerichtet, sondern auf den nächsten Wahlerfolg bzw. den kommenden Quartalsbericht, um so den persönlichen Erfolg und die Karriere zu sichern. Somit bleibt für konstruktives Handeln für die nächste Generation wenig übrig.
Für Familienunternehmer dagegen ist die kommende Generation etwas sehr Konkretes. Es sind ihre Kinder und Enkelkinder, die sie mit großen Augen anschauen und mehr erwarten als unverbindliche Phrasen. Und wenn sie groß sind, sind sie eine wandelnde Herausforderung, die am Ende auch noch erbberechtigte Gesprächspartner sein wollen, die nicht unverbindlich abgespeist werden wollen, sondern sich eine konkrete Auseinandersetzung wünschen.
So gibt es immer wieder Nachfolger, die von ihrem Großvater als Gründer, von Tanten oder Onkel der früheren Generationen nachhaltig inspiriert sind und sich für Inhalte einsetzen, die von Werten getragen werden. Auf diese Weise entstehen werthaltige Strategien mit entsprechenden Produkten und Dienstleistungen, die in ihrer Nachhaltigkeit auch vor folgenden Generationen zu verantworten sind.
Verantwortungsvolle Familienunternehmer stehen allerdings auch vor einer großen Herausforderung. Der Wandel des Systems „Familie hat enorme Auswirkungen für das Familienunternehmen, bei dem rein sprachlich schon als erster Begriff die „Familie
steht. Die Veränderung der Familie zeigt sich zum Beispiel darin, welch große Bedeutung das entsprechende Ministerium in den letzten Jahren in der Öffentlichkeit gewonnen hat. Das veränderte Rollenverständnis von Mann und Frau und die Diskussion um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sind anspruchsvolle Themen. Jene Unternehmerfamilien, die für sich dazu innovative Lösungen gefunden haben, sind auch in der Lage, diese ihren Mitarbeitern anzubieten. Wer da überkommene Formen überwindet und innovative Strukturen schafft, wird auch auf dem Arbeitsmarkt entsprechende Mitarbeiter finden, die das ganze menschlich‐ökonomische System kreativ voranbringen.
Für alle, die in einer solchen Organisationsform eingebunden sind, sei es als Eigentümer, Führungskraft, Mitarbeiter oder Berater, besteht die Möglichkeit, einen Beitrag zu leisten, wirtschaftliche Prozesse in einem menschengerechten Kontext zu gestalten. Bei der Umsetzung dieser Zielsetzung möchte ich Ihnen mit meinem Buch ein Begleiter sein.
Danksagung
Die Bilder und Grafiken, die in der Zusammenarbeit mit Judith Steixner und Sabine Dirksen entstanden sind, illustrieren auch in der 2. Auflage in anschaulicher Weise die behandelten Themen. Ich möchte den beiden Grafikerinnen sowie allen anderen Unterstützern sehr herzlich danken, die mir wertvolle Anregungen gaben, um diese 2. Auflage auf den Weg zu bringen.
Der Autor
Zunächst in verschiedenen gewerblichen Berufen tätig, entschied sich Dr. Bernd LeMar für das Studium der Betriebswirtschaft und der Psychologie. Längere Aufenthalte in Frankreich und in den USA ergänzten seine Erfahrungen.
Seit 1990 ist Bernd LeMar Geschäftsführer der Unternehmensberatung „Kommunikation & Resonanz. Sein Spezialgebiet ist die Arbeit mit Familienunternehmen. Der Autor weist auch in seinem Buch „Menschliche Kommunikation in Medienzeitalter
(Springer, Heidelberg) auf die wichtige Rolle der Kommunikation beim Generationswechsel hin.
Kontakt:
bernd@lemar.de
www.lemar.de
A46435_2_De_BookFrontmatter_Figb_HTML.jpgInhaltsverzeichnis
AbbildungsverzeichnisXV
1 Besonderheiten von Familienunternehmen 1
1.1 Sie sind meine Zielgruppe 3
1.1.1 Gesprächsthema: Begleitung im Dialog 5
1.1.2 Unterschiede von Familienunternehmen und Nicht‐Familienunternehmen 6
1.2 Bedeutung des Familienunternehmens für Wirtschaft und Gesellschaft 7
1.2.1 Bedeutung der Größe des Familienunternehmens 8
1.2.2 Der Mittelstand erwirtschaftet das Bruttoinlandsprodukt 9
1.2.3 Gesprächsthema: Finanzielle Belastungen des Mittelstandes 10
1.3 Generationswechsel im Spannungsfeld familiärer und pekuniärer Interessen 11
1.4 Fokus des Buches: Die menschlichen Aspekte 13
1.4.1 Gesprächsthema: Wirtschaftliche Faktoren im Familienunternehmen 14
1.5 Psychologische Aspekte in der Fachliteratur 15
1.5.1 Ansätze zum ganzheitlichen Verständnis 16
1.5.2 Familienunternehmen als Brachland für wissenschaftliche Forschung 17
1.5.3 Forschungsstätten in den USA und Europa 17
1.5.4 Gesprächsthema: Stiftung als Lösungsbeitrag gesellschaftlicher Probleme 18
2 Familie und Unternehmen: Eine Liaison mit Gefühl und Kalkül 21
2.1 Dominanz des Materiellen über das Immaterielle 22
2.1.1 Gesprächsthema: Familienunternehmen in der Presse 25
2.2 Zwei Komponenten des Familienunternehmens 25
2.2.1 Gesprächsthema: Zum Begriff Familienunternehmen 27
2.3 Systemische Aspekte der Verbindung von Familie und Unternehmen 29
2.3.1 Wechselwirkungen zwischen Familie und Unternehmen 29
2.3.2 Chancen durch positive Wechselwirkungen 31
2.3.3 Risiken durch negative Wechselwirkungen 33
2.3.4 Am Kipppunkt von Chancen und Risiken 35
2.4 Strukturmerkmale von Familienunternehmen 39
2.4.1 Das Arbeitsergebnis als gemeinsamer Bezugspunkt 41
2.4.2 Die sieben Rollen im Familienunternehmen 43
2.4.3 Gesprächsthema: Ganzheitliches Vorgehen 46
2.5 Psychologie in der Wirtschaft 47
2.5.1 Kopf‐Entscheidungen 48
2.5.2 Bauch‐Entscheidungen 49
2.5.3 Entscheidungen auf Basis von Intuition 51
3 Die Familie: Herz des Familienunternehmens 55
3.1 Familie im Wandel 55
3.2 Folgen des Wandels für das Familienunternehmen 57
3.2.1 Tabus im Familienunternehmen 58
3.2.2 Wandel als Herausforderung 59
3.2.3 Gesprächsthema: Widerstand bei Veränderungen 61
3.2.4 Die veränderte Rolle der Frau 64
3.2.5 Gesprächsthema: Übergangszeiten 65
3.2.6 Beziehungsarbeit als Bestandteil der Arbeit 67
3.2.7 Gesprächsthema: Die Sekretärin 68
3.2.8 Gesprächsthema: Beziehungsarbeit 72
3.3 Vertrauen beim Fortschreiten der Generationen 75
3.3.1 Familienunternehmer an zwei Fronten 79
3.3.2 Vertrauen als Schlüsselbegriff 81
4 Generationswechsel und Nachfolge als Kommunikationsaufgabe 83
4.1 Der innere Dialog und die Beziehung zu sich selbst 86
4.1.1 Vater und Unternehmer 87
4.1.2 Gesprächsthema: Verhältnis Mitarbeiter und Chef 92
4.1.3 Überlegungen eines Juniors zu seinem Vater 93
4.1.4 Mutter und graue Eminenz 95
4.1.5 Arbeitskreis Familienunternehmen: Mütter 100
4.1.6 Kinder und Nachfolger 112
4.1.7 Arbeitskreis: Nachfolger in der Opferrolle 114
4.1.8 Gesprächsthema: Berichte von Unternehmerkindern 119
4.2 Kommunikation und Beziehung zwischen Partnern 134
4.2.1 Zwischenmenschliche Beziehungen 136
4.2.2 Gesprächsthema: Beziehungen 137
4.2.3 Zusammenarbeit von Senior und Junior 138
4.2.4 Gesprächsthema: Schrittwechsel beim Rücktritt 142
4.3 Kommunikation und Beziehung innerhalb der Familie 147
4.3.1 Lösung: Gemeinsames Ziel der Familie 151
4.3.2 Änderung der Aufgaben im Zuge der Generationen 158
4.3.3 Entscheidungs‐ und Wendepunkte im Nachfolgeprozess 166
4.3.4 Familientreffen als feste Einrichtung 169
4.4 Kommunikation und Beziehung zwischen Familie und Mitarbeiter 173
4.4.1 Führung von Familienunternehmen 175
4.4.2 Gesprächsthema: Zusammenarbeit von Mitarbeitern und Familienmitgliedern 176
4.4.3 Gesprächsthema: Identifikation mit dem Unternehmen 178
4.4.4 Gesprächsthema: Einführung einer Sündenbockprämie 185
4.5 Kommunikation und Beziehung des Familienunternehmens 187
4.5.1 Exkurs: Illustrationen aus der Weltliteratur 189
5 Vererben und Erben: Psychologie des Gebens und Nehmens 197
5.1 Existenzielle Themen beim Erben 199
5.1.1 Gesprächsthema: Kann Vererben gerecht sein? 201
5.1.2 Gesprächsthema: Eltern sollen dankbar sein 203
5.2 Auswirkungen psychischer Altlasten 205
5.3 Seelische Realitäten versus Vertragsrealitäten 209
5.4 Die Bedeutung des Geldes in materieller und immaterieller Hinsicht 211
5.4.1 Gesprächsthema: Geld und Unternehmertätigkeit 211
5.5 Kommunikation im Konfliktfall 213
5.5.1 Konfliktstufen 216
5.5.2 Einsatz von Metakommunikation 220
5.5.3 Arbeitskreis: Mediation im Konfliktfall 223
6 Besonderheiten in den einzelnen Generationen 227
6.1 Erste Generation: Der oder die Gründer starten 228
6.1.1 Gesprächsthema: Herzblut im Familienunternehmen 229
6.1.2 Chancen und Risiken für den Gründer 230
6.1.3 Familienunternehmen „Macher & Rechner" 233
6.2 Zweite Generation: Weiterer Auf‐ und Ausbau 234
6.2.1 Teamgeschäftsführung durch zwei Junioren 237
6.2.2 Partnerwahl und Integration der Schwiegertöchter und ‐söhne 238
6.3 Dritte Generation: Konsolidierung oder Verkauf 245
6.3.1 Äußerlich gesättigt und innerlich hungernd 246
6.3.2 Gesprächsthema: Kunst und stockende Generationsentwicklung 250
6.3.3 Änderung der Gesellschaftsstruktur 252
6.3.4 Bildung von Gremien 256
6.3.5 Familienexterne Formen der Nachfolgeregelung 257
6.3.6 Verkauf des Unternehmens 260
6.4 Vierte Generation und folgende: Weiterführung als Familienunternehmen 265
6.4.1 Das Firmenjubiläum 266
6.5 Family first 269
7 Beratung von Familienunternehmen 273
7.1 Auswahl des Beraters 274
7.1.1 Gesprächsthema: „ISO‐Zertifizierung" für psychologische Berater 275
7.1.2 Beispiel aus der Marketingberatung 276
7.1.3 Berater mit hautnaher Erfahrung 277
7.2 Anlässe für eine Beratung 279
7.3 Fachberatung und Prozessberatung 281
7.4 An den Widerständen abholen 284
7.4.1 Gesprächsthema: Psychologische Kompetenz bei Fachberatern 286
7.5 Ansatzpunkte der Beratung 287
7.5.1 Ansatzpunkt Familie 288
7.5.2 Familienaufstellungen 294
7.6 Der richtige Berater für das Familienunternehmen 296
7.7 Schlusswort 297
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1.1 Baum von außen gesehen2
Abb. 1.2 Baum mit Familiengeschichte3
Abb. 1.3 Familienunternehmen – Säulen der Wirtschaft8
Abb. 1.4 Unternehmen gehen beim Generationswechsel verloren12
Abb. 1.5 Fokus auf die familiär‐menschlichen Aspekte13
Abb. 2.1 Überschneidung von Familie und Unternehmen22
Abb. 2.2 Unter der Wut ist Angst und Trauer24
Abb. 2.3 Mauer aus Steinen und Mörtel26
Abb. 2.4 Heißluftballon am Boden30
Abb. 2.5 Heißluftballon im Himmel31
Abb. 2.6 Produktive Wechselwirkungen von Familie & Unternehmen32
Abb. 2.7 Destruktive Wechselwirkungen von Familie & Unternehmen33
Abb. 2.8 Dominoeffekt35
Abb. 2.9 Vater und Tochter in einer Doppelrolle37
Abb. 2.10 Golfspielen im Büro38
Abb. 2.11 Trennung von Golfplatz und Büro38
Abb. 2.12 System Familie – Unternehmen39
Abb. 2.13 System Beziehung – Inhalt39
Abb. 2.14 Verbindung der beiden Systemmodelle40
Abb. 2.15 Form A41
Abb. 2.16 Form B41
Abb. 2.17 Sieben‐Rollen‐Modell für Familienunternehmen43
Abb. 2.18 Entscheidung – Wissen48
Abb. 2.19 Entscheidung – Gefühl49
Abb. 2.20 Entscheidung – Intuition53
Abb. 3.1 Beziehungsarbeit69
Abb. 3.2 Beziehungsarbeit zugunsten der Familie69
Abb. 3.3 Beziehungsarbeit in der Vater‐Sohn‐Beziehung70
Abb. 3.4 Beziehungsarbeit der Ehefrau70
Abb. 3.5 Paarbeziehung als Senioren73
Abb. 3.6 Wegfall der gemeinsamen Aufgaben – Leere74
Abb. 3.7 Verantwortungsübernahme für die Lösung75
Abb. 3.8 Verhältnis Kompetenz – Generationen76
Abb. 3.9 Verhältnis Kompetenz – Generationen – Vertrauensbasis78
Abb. 3.10 Verhältnis Kompetenz – Generationen – Misstrauen78
Abb. 3.11 Arbeit an zwei Fronten79
Abb. 3.12 Misstrauen und Kontrolle80
Abb. 3.13 Vertrauen durch Vier‐Augen‐Prinzip81
Abb. 4.1 Fünf Ebenen der Kommunikation84
Abb. 4.2 Innerer Dialog87
Abb. 4.3 Lebensphasen89
Abb. 4.4 Senior vor der Übergabe90
Abb. 4.5 Gelungene Loslösung90
Abb. 4.6 Zeit für mich selbst91
Abb. 4.7 Mutter96
Abb. 4.8 Mutter bringt Autoritäten ins Spiel98
Abb. 4.9 Innige Verbindung von Mutter und Sohn99
Abb. 4.10 Ablösung des Sohnes von der Mutter99
Abb. 4.11 Konflikt zwischen Freude und Pflicht113
Abb. 4.12 Vorbereitung Familienaufstellung116
Abb. 4.13 Familienaufstellung Ist‐Zustand117
Abb. 4.14 Familienaufstellung Lösung118
Abb. 4.15 Maske als Schutz121
Abb. 4.16 Verheißung der Wahlfreiheit125
Abb. 4.17 Unrealistische Wahlfreiheit126
Abb. 4.18 Realistische Wahlfreiheit126
Abb. 4.19 Bewussten Ausgleich schaffen128
Abb. 4.20 Die perfekte Kopie129
Abb. 4.21 Die perfekte Ergänzung130
Abb. 4.22 Ausgangslage für gelingende Individuation131
Abb. 4.23 Das Vorbild im Hintergrund133
Abb. 4.24 Das Vorbild ist im Geiste immer mit dabei133
Abb. 4.25 Partnergespräche135
Abb. 4.26 Vater und Sohn in einer Doppelrolle135
Abb. 4.27 Initiative für den Nachfolgeprozess141
Abb. 4.28 Karikatur zum Generationswechsel143
Abb. 4.29 Gleitender Übergang144
Abb. 4.30 Übergang von heute auf morgen144
Abb. 4.31 Übergang in Stufen145
Abb. 4.32 Führen durch Erleben146
Abb. 4.33 Kommunikation in der Familie147
Abb. 4.34 Zu enge Familienbande148
Abb. 4.35 Ein Familienmitglied bricht aus149
Abb. 4.36 Unternehmerfamilie unter sich151
Abb. 4.37 Gemeinsame Vision in der Familie152
Abb. 4.38 Vater noch als integrierende Kraft im Familiensystem154
Abb. 4.39 Fehlende integrierende Kraft im Familiensystem154
Abb. 4.40 Fehlende Führung im System155
Abb. 4.41 Neue Führungsstruktur im System156
Abb. 4.42 Vom Vater ausgewählte integrierende Kraft156
Abb. 4.43 System mit externem Moderator157
Abb. 4.44 Modell für Einsatz von Zeit und Energie158
Abb. 4.45 Schlüsselübergabe161
Abb. 4.46 Reise nach Jerusalem163
Abb. 4.47 Bestimmung der Nachfolge164
Abb. 4.48 Neue Situation für die Nachfolgeregelung165
Abb. 4.49 Entscheidungs‐ und Wendepunkte im Nachfolgeprozess166
Abb. 4.50 Zu frühe Nachfolgeregelung167
Abb. 4.51 Zu späte Nachfolgeregelung168
Abb. 4.52 Interne Kommunikation174
Abb. 4.53 Mitarbeiterauswahl und ‐führung176
Abb. 4.54 Mitarbeiter als Stütze des Chefs180
Abb. 4.55 Projektionsvorgang auf einen Mitarbeiter181
Abb. 4.56 Projektionszeigefinger – drei Finger verdeckt182
Abb. 4.57 Projektionszeigefinger – drei Finger offen182
Abb. 4.58 Wirkungen der Projektionen auf beiden Ebenen183
Abb. 4.59 Mitarbeiter bilden den negativen Hintergrund184
Abb. 4.60 Mitarbeiter werden gewürdigt186
Abb. 4.61 Kommunikation des Unternehmens187
Abb. 4.62 Stammbaum „Familienunternehmen Solimano"192
Abb. 5.1 Generationswechsel als Führungs‐ und Vermögenswechsel198
Abb. 5.2 Dies Haus ist mein199
Abb. 5.3 Aufteilung des Vermögens202
Abb. 5.4 Matrjoschka206
Abb. 5.5 Symbol für Mehrgenerationsthemen207
Abb. 5.6 Flipchart Erben210
Abb. 5.7 Pinnwand mit Stammbaum211
Abb. 5.8 Schein‐Harmonie214
Abb. 5.9 Airbag‐Kommunikation als Schutz215
Abb. 5.10 Inhalts‐ und Beziehungsaspekt217
Abb. 5.11 Stufen der Konflikteskalation218
Abb. 5.12 Wortgefechte221
Abb. 5.13 Konflikt zwischen Familienmitgliedern221
Abb. 5.14 Metakommunikation in Aktion223
Abb. 6.1 Ratio und Emotion in der Gründerphase228
Abb. 6.2 Ratio und Emotion in späteren Generationen228
Abb. 6.3 Kommunikationsstruktur in der Gründerphase231
Abb. 6.4 Nachfolge gelöst232
Abb. 6.5 Nachfolge234
Abb. 6.6 Teamgeschäftsführung238
Abb. 6.7 Ausgangslage der Kernfamilie240
Abb. 6.8 Erweiterung der Familie durch Heirat240
Abb. 6.9 Weitere Erweiterung der Familie durch Heirat241
Abb. 6.10 Kernfamilie im Unternehmen243
Abb. 6.11 Schwiegersohn im Unternehmen244
Abb. 6.12 Bedürfnispyramide246
Abb. 6.13 Schwellen zwischen den Bedürfnisebenen248
Abb. 6.14 Unterschiedliche Charaktere der Gesellschafter253
Abb. 6.15 Drei Gremien im Familienunternehmen256
Abb. 6.16 Priorität Unternehmen258
Abb. 6.17 Gleichgewichtung Familie und Unternehmen259
Abb. 6.18 Identität von Unternehmer und Unternehmen263
Abb. 6.19 Zwei Unternehmer mit ihren Unternehmen264
Abb. 6.20 Jubiläums‐Struktogramm267
Abb. 7.1 Modell Beratungsprozess279
Abb. 7.2 Psychologischer Ansatzpunkt „Kommunikation"280
Abb. 7.3 Fach‐ und Prozessberatung greifen ineinander281
Abb. 7.4 Kommunikationsverhalten der Berater283
Abb. 7.5 Zwiespalt im inneren Dialog285
Abb. 7.6 Es läuft gut292
Abb. 7.7 Es läuft nicht mehr gut292
Abb. 7.8 Familienbaum im weiteren Wachstum298
© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014
Bernd LeMarGenerations- und Führungswechsel im Familienunternehmen10.1007/978-3-642-54692-1_1
1. Besonderheiten von Familienunternehmen
Bernd LeMar¹
(1)
München, Deutschland
Bernd LeMar
Email: bernd@lemar.de
Bei der Beschäftigung mit Familienunternehmen stehen die sichtbaren und materiellen Bereiche meist im Vordergrund. Die in Zahlen fassbaren Fakten, wie z. B. bei der Steuer‐ und Rechtsthematik, sind einer rationalen Bearbeitung leichter zugänglich. Die menschliche Seite mit ihren emotionalen und intuitiven Aspekten tritt deswegen oft in den Hintergrund. Zwar wird häufig gesagt, dass die Psychologie sehr wichtig wäre, der Blick auf diese Dimension wird jedoch selten vertieft.
Bei Unternehmertagungen, Verbandssitzungen und Kongressen wird auf die vielfältigen Möglichkeiten der Optimierung geschäftlicher Prozesse hingewiesen. Kennzeichen dieser Informations‐ und Fortbildungsveranstaltungen ist eine vorwiegend betriebswirtschaftliche und juristische Ausrichtung. Gerade im Familienunternehmen jedoch spielt die menschliche Seite eine ebenso zentrale Rolle. Das zeigt sich z. B. bei Entscheidungsprozessen. Im Familienunternehmen sind diese nicht nur rational begründet, sondern Emotion und Intuition spielen stark mit hinein, was eine besondere Dynamik mit sich bringt. Wie die menschlich‐seelischen und finanziell‐ökonomischen Angelegenheiten in ihrer Ganzheitlichkeit zusammengehören, lässt sich mit dem Bild eines Baumes illustrieren:
Vor einem großen, schönen Baum bleiben wir gerne beeindruckt stehen. Vielleicht ist Frühling, der Baum blüht gerade und wir sind davon ganz eingenommen. Oder es ist Sommer und wir bewundern die prachtvolle üppige Baumkrone. Im Herbst tragen viele Bäume Früchte und wir erfreuen uns daran. Bei allen diesen beeindruckenden Erscheinungsformen ist nicht ersichtlich, dass der Baum auch Wurzeln hat. Wir sehen sie nicht und sie sind uns deshalb nicht gleich bewusst.
Der Baum mit seinen unterschiedlichen Erscheinungsformen ist vergleichbar mit einem Familienunternehmen. Den sichtbaren Teilen des Baumes wie in Abb. 1.1 entsprechen die finanziell‐ökonomischen Aspekte des Unternehmens, die Wurzeln dagegen symbolisieren die menschlich‐seelischen Aspekte. Und so wie der Zustand der Wurzeln weitreichende Konsequenzen für den Baum hat, hat der seelische Bereich weitreichende Auswirkungen auf das Unternehmen.
A46435_2_De_1_Fig1_HTML.gifAbb. 1.1
Baum von außen gesehen
Schon das Größenverhältnis von Baumkrone und Wurzelwerk zeigt sich in deutlicher Weise in der Abb. 1.2. So ist es auch im Familienunternehmen. Das Wurzelwerk hat im übertragenen Sinn seelische Bezüge zu dem Leben der Eltern, Großeltern, Urgroßeltern und deren Familien. Die Entwicklung der Generationen wird besonders bei Jubiläumsfeiern durch das Aufzeigen der unternehmensgeschichtlichen und familiären Wurzeln hervorgehoben.
A46435_2_De_1_Fig2_HTML.gifAbb. 1.2
Baum mit Familiengeschichte
Mit der Generationsentwicklung sind immer Erbgänge verbunden. Verlaufen diese erfolgreich, kann sich der Baum des Familienunternehmens entfalten und reiche Früchte tragen, weil das Wurzelwerk gesund ist. Wenn bei einem Erbgang die Dinge zwischen mehreren Beteiligten nicht fair ablaufen und Ungerechtigkeiten stattfinden, wird die Ernte in den folgenden Jahren wegen kränkelndem Wurzelwerk nicht so ertragreich sein. Näheres wird dazu im Kap. 5 unter „Psychologie des Gebens und Nehmens" ausgeführt.
Mit großer Sorgfalt widmet sich ein beträchtlicher Teil der Fachliteratur zum Familienunternehmen den materiellen Aspekten, also dem sichtbaren Teil des Baumes. Experten bearbeiten mit viel Fachkenntnis den Baum, schneiden morsche Äste ab und gestalten die Baumkrone. Botaniker und Gärtner spüren Schädigungen in der Blattstruktur auf und beseitigen sie. Manche verstehen die hohe Kunst der Veredelung durch Aufpfropfen, was erstaunliche Ergebnisse bringt. So sind die vielen Fachbücher über die sichtbaren Strukturen des Baumes wertvoll für seine Gestaltung. Doch das Wurzelwerk darf nicht vergessen werden, da es für die Festigkeit und Pracht des Baumes ausschlaggebend ist. Darauf will dieses Buch hinweisen. Es will die psychische Ebene beleuchten, die eine erfolgskritische Komponente für die Entwicklung des Unternehmens ist. Mit diesem Buch möchte ich vor allem die Baumkronen‐Experten einladen, ihre Rückschlüsse, die sie anhand der Blätter und der Struktur des Baumes ziehen, verstärkt mit dem Wurzelwerk in Verbindung zu bringen. So wird ein Berater anhand der sichtbaren Seite eines Unternehmens zutreffende Rückschlüsse auf die menschlich‐seelischen Befindlichkeiten des Familienunternehmens ziehen und entsprechende Maßnahmen vorschlagen. Viele Sanierungsarbeiten werden dann nicht bei der Baumkrone ansetzen, sondern an den Wurzeln.
1.1 Sie sind meine Zielgruppe
Es sind vor allem drei Zielgruppen, die ich mit dem Buch ansprechen möchte:
Mitglieder von Unternehmerfamilien, die das Zusammenwirken von familiären und betrieblichen Angelegenheiten besser verstehen wollen. Das ist sowohl für die Junioren‐ wie für die Seniorengeneration von großem Interesse.
Mitarbeiter und Führungskräfte, die vielleicht besser nachvollziehen wollen, welche Einflussfaktoren in dieser Organisationsform wirksam sind.
Berater und Fachexperten, die mit Familienunternehmen zusammenarbeiten bzw. dies künftig verstärkt tun wollen.
In diesem Buch geht es nicht um Standard‐Vorgehensweisen und Rezepte, sondern es will ermutigen, die psychologischen Zusammenhänge zu erkennen, damit es in der Praxis nachhaltige Lösungen gibt. Wer sich für die Psychologie im Wirtschaftsleben interessiert, wird hier vielfältige Hinweise erhalten.
Mitglieder von Unternehmerfamilien
Besonders Sie als ein Angehöriger der Juniorengeneration sind hier angesprochen. Sie stehen vor der Aufgabe oder befinden sich mittendrin, den Betrieb Ihrer Eltern zu übernehmen. Unabhängig davon, ob Sie ihn allein, mit Ihren Geschwistern oder anderen Verwandten erben, werden Sie eine materielle Basis vorfinden und werden das Bestehende erfolgreich weiterführen wollen. Damit dies gelingt, möchte ich Ihnen empfehlen, die menschlichen Belange konsequent und bewusst weiterzuentwickeln. Diese standen für Ihre Eltern vielleicht nicht so im Zentrum, da sie damit voll beschäftigt waren, die wirtschaftliche Basis des Unternehmens zu sichern. Dank der von Ihren Eltern geleisteten Arbeit ist es Ihnen als nachfolgende Generation nunmehr möglich, sich mit der menschlichen Seite eingehender zu beschäftigen. Wünschen Sie sich zwischen den materiellen Seiten des Unternehmens und den familiär‐menschlichen Seiten ein ausgewogenes Verhältnis? Und sehen Sie das als eine Voraussetzung für die erfolgreiche Weiterführung des Familienunternehmens? Bei dieser Zielsetzung möchte ich Sie unterstützen.
In diesem Buch werde ich ganz bewusst die Rolle der Frau und die der Mutter ansprechen. Ihre Bedeutung wurde bisher unterschätzt. Ich möchte auch die Senioren als Leser gewinnen, auch wenn sie als Praktiker mit den Herausforderungen des Tagesgeschäftes ziemlich ausgelastet sind. Ich erlebte öfters, dass sie beim persönlichen Kontakt nach öffentlichen Vorträgen zum Buch gegriffen haben und sich daraus ein familieninterner Workshop entwickelte.
Mitarbeiter und Führungskräfte
Als Mitarbeiter oder Führungskraft bekommen Sie viel mit, was die Unternehmerfamilie beschäftigt. Sie sind über die Arbeit im Unternehmen eng mit ihr verbunden. Von innerfamiliären Vorgängen sind so auch Sie betroffen. Da Sie außerhalb der Familie stehen, vermitteln Sie hier und da zwischen Familienmitgliedern. Dabei können Sie in schwierige Situationen kommen. Vor allem als Führungskraft, die mit geschäftsführenden Familienmitgliedern eng zusammenarbeitet, werden Sie in diesem Buch besondere Hinweise zu Ihrer spezifischen Rolle finden und Unterstützung erhalten.
Berater und Experten
Ihnen als Berater und Experte widme ich besonders das Kap. 7 „Beratung von Familienunternehmen". Sie werden darin Anregungen für Ihre Arbeit finden und Ihr Know‐how in Bezug auf das Familienunternehmen erweitern können. Berater, die selbst aus einem Familienunternehmen kommen, finden dort einige besondere Hinweise. Ihr Vorteil, diese besondere Organisationsform selbst am eigenen Leibe erlebt zu haben, kann eine besondere Kompetenz ergeben, kann aber auch besondere Gefährdungen mit sich bringen.
1.1.1 Gesprächsthema: Begleitung im Dialog
A46435_2_De_1_Fig3_HTML.gifDamit Sie als Leserin und Leser leichter den Bezug zum Thema „Familienunternehmen herstellen können, habe ich meinen Freund Friedrich eingeladen, mich bei der Entstehung dieses Buches zu begleiten. Er ist Familienunternehmer in der 3. Generation. Wir lernten uns bei einem Kongress zum Thema „Familienunternehmen
kennen und schätzen. Während des Entstehens dieses Buches haben wir uns regelmäßig getroffen und die Belange des Familienunternehmens besprochen. Einige unserer Gespräche sind als Dialog in diesem Buch wiedergegeben.
Bernd
Ich danke dir Friedrich, dass du mitmachst, hier die Leserin und den Leser an unserem Dialog Anteil nehmen zu lassen.
Friedrich
Als du mich als Gesprächspartner für dein Buch eingeladen hast, hatte ich folgenden Leitgedanken: Ich könnte – basierend auf meinen eigenen Erfahrungen als Familienunternehmer – an verschiedenen Stellen im Buch zustimmende oder ergänzende Gedanken zu deinem Text äußern. Du musst dich aber darauf einrichten, dass es auch kontrovers werden kann. Deine Gedanken, die mich als Unternehmer betreffen, werde ich nicht nur aufgreifen, sondern manchmal auch angreifen. Hin und wieder werde ich auch persönliche Ratschläge geben.
Bernd
Du solltest dich diesbezüglich nicht zurückhalten. Gerade von einem Praktiker hört man gern Ratschläge. Ich freue mich, wenn du deine persönlichen Erfahrungen hier mit einbringst und uns so die Sichtweise eines Betroffenen zugänglich machst. Ich bin überzeugt davon, dass das Buch davon gewinnt.
Friedrich
Warum schreibst du eigentlich ein Buch über Familienunternehmen? Was ist dein Hauptanliegen dabei?
Bernd
Ich möchte die Organisationsform „Familienunternehmen" mit einem ganzheitlichen Ansatz erfassen. Somit können die großen Chancen, die ich im Familienunternehmen sehe, besser genützt werden. Ich meine nicht nur die Chancen für die unmittelbar im Unternehmen tätigen Menschen, sondern überhaupt für unsere Gesellschaft. Die Idee einer Humanisierung der Arbeitswelt lässt sich im Familienunternehmen leichter realisieren. Da ist der humane Faktor sozusagen schon eingebaut, man muss ihn nicht erst künstlich implementieren. Die Herausforderung besteht allerdings darin, die Psychologie dieser Organisationsform wahrzunehmen und bewusst zu fördern.
Friedrich
Dieser „humane Faktor" macht allerdings vielen im Familienunternehmen auch viel Kummer und Sorgen. Insgesamt gesehen – wenn ich an unsere Familie denke – sind wir aber an den Herausforderungen gewachsen. Und vor allem: Hätte es nicht das Unternehmen gegeben, wir hätten viel früher aufgehört, uns den Problemen zu stellen. Wir wären davor weggelaufen, ohne sie zu lösen. Der Leidensdruck war insoweit auch ein starker Antrieb für unsere Entwicklung. Sowohl die persönliche Entwicklung als auch die des Unternehmens.
1.1.2 Unterschiede von Familienunternehmen und Nicht‐Familienunternehmen
Die Besonderheiten eines Familienunternehmens lassen sich am besten im Vergleich mit Nicht‐Familienunternehmen aufzeigen. Die Unterschiede beider Organisationsformen sind größer als gemeinhin angenommen wird. Im Familienunternehmen ist Eigentümerschaft und Führung des Unternehmens meist identisch. Dies hat erwünschte und unerwünschte Nebenwirkungen zur Folge, die sich sowohl auf die Eigentümer als auch auf das Unternehmen nachhaltig auswirken. Einige Besonderheiten des Familienunternehmens zeigen sich an Kleinigkeiten. Nehmen wir als Beispiel die Wahl der Anrede: Die geschäftsführenden Familienmitglieder sprechen sich unternehmensintern mit dem Vornamen an, wie es ihren familiären Beziehungen entspricht. Gesprächsklima und Vertrautheit strahlen auf die Mitarbeiter aus und so werden zum Beispiel auch diese mitunter mit dem Vornamen angesprochen. Anders ist es dagegen in einem Großunternehmen, wie z. B. einer AG. Die Vorstandsmitglieder werden dort mit einer korrekten Anrede unter Verwendung der Sie‐Form angesprochen, ggf. auch mit ihren Titeln.
Ein weiterer Unterschied: In Nicht‐Familienunternehmen werden die Führungskräfte wiederholt zu Veranstaltungen eingeladen, in denen ein Supertrainer auftritt. Bei solchen Erfolgsseminaren – im Stil von „Befreie deine innere Kraft! – zeigt ein dynamischer, strahlender Managementguru, wie das vor sich geht. Solche Gurus erhalten von Familienunternehmen jedoch kaum Aufträge. Sie würden ein zu dynamisches Management kreieren und damit zu stark in die bestehende Familienkultur eingreifen. Erfolgsslogans wie „Just do it!
, „Überwinde deine Grenzen! oder „Verwandle Angst in Mut!
passen nicht so recht in die Kultur von Familienunternehmen. Da ist die Familie der bestimmende Faktor für das Wohl und Wehe des Unternehmens. Auf die vielfältigen Wechselwirkungen zwischen den menschlichen und den ökonomischen Faktoren wird hier noch näher eingegangen.
Die Unterschiede in der Dauer der Geschäftsführung sind bemerkenswert. Nach Horst Albach und Werner Freund (1989) ist der Anteil von Geschäftsführern, die mehr als 20 Jahre lang tätig sind, in Familienunternehmen etwa doppelt so hoch wie in Nicht‐Familienunternehmen. Das sorgt für die bekannte Kontinuität in der Führung von Familienunternehmen. Während in Nicht‐Familienunternehmen viel Energie beim Kampf um Vorstandsposten verbraucht wird, ist die langfristig angelegte Geschäftsführung in den Familienbetrieben ein Vorteil. Doch die Nachteile dürfen nicht verschwiegen werden. Wenn die Führung des Betriebes nach Managementprinzipien abläuft, die vor 30 Jahren gegolten haben, dann wird sich kein Mitarbeiter wohl fühlen. Und wenn sich ein inkompetenter Geschäftsführer an der Spitze festklammert, kann dieses Verhalten das Ende für die Firma bedeuten.
1.2 Bedeutung des Familienunternehmens für Wirtschaft und Gesellschaft
Familienunternehmen sind das Rückgrat unserer Volkswirtschaft.
Diese Formulierung wird immer wieder gerne gebraucht, wenn es darum geht, die große Bedeutung von Familienunternehmen zu betonen. Die Aussage wird damit belegt, dass ca. 70 % aller Unternehmen in Mitteleuropa Familienunternehmen sind, d. h., sie befinden sich im Eigentum von Familien oder diese haben maßgeblichen Einfluss auf die Unternehmensstrategie. Und noch eine weitere Zahl ist beeindruckend: Rund 75 % aller Arbeitsplätze werden von Familienunternehmen gestellt. Diese und andere Zahlen machen deutlich, dass Familienbetriebe tragende Säulen der Wirtschaft sind.
In Abb. 1.3 sind die Familienunternehmen mit „FU gekennzeichnet und die Nicht‐Familienunternehmen mit „NFU
. Demnach sind sieben von den zehn Säulen der Wirtschaft Familienunternehmen. Deren große Anzahl wird von Mittelstandsorganisationen aller Parteien sowie von Verbänden aller Branchen betont, wenn es darum geht, sich für die Interessen der Familienunternehmen einzusetzen. Diese haben nicht nur quantitativ eine große Bedeutung. Aus psychologischer Sicht erfüllen sie in einem qualitativen Sinne eine wichtige gesellschaftspolitische Aufgabe: Sie integrieren die emotionalen Aspekte des menschlichen Lebens und Arbeitens vollständiger als das andere Organisationsformen tun. So machen sie das Leben reichhaltiger, farbiger und erfüllter, manchmal aber auch zu reichhaltig und farbig, sodass sich nicht wenige Familienunternehmer fragen, wie sie die menschliche Dynamik in ihrem Unternehmen managen sollen.
Abb. 1.3
Familienunternehmen – Säulen der Wirtschaft
Nicht nur in Europa, sondern weltweit spielen Familienunternehmen eine große Rolle. In internationalen Jahreskonferenzen (z. B. im Rahmen von „Family Business Network [FBN]) wird von den „Hidden Champions
(Simon 1996, S. 121) berichtet. Viele international tätige Familienunternehmen sind in der Öffentlichkeit namentlich nicht bekannt, sie sind aber in den verschiedensten Branchen Weltmarktführer. Durch ihren Innovationsgeist üben sie nachhaltige Impulse auf die gesamte Wirtschaft aus. Deren Innovationskraft zeigt sich in der Anzahl von Patentanmeldungen, die weitaus zahlreicher sind als bei Großunternehmen.
1.2.1 Bedeutung der Größe des Familienunternehmens
Die großen und namhaften Familienunternehmen wie Freudenberg, Bahlsen, Bertelsmann, Miele, Viessmann, Oetker, Henkell, Henkel, Vorwerk, Eberspächer, Wella, Swarovski, das Softwarehaus SAP, der Handelskonzern Metro und viele andere sind für das Wirtschaftsleben zwar sehr bedeutsam, doch sie machen nur den kleineren Anteil der Unternehmen aus, in denen eine Familie den Ton angibt. Noch wichtiger für die Gesamtwirtschaft sind die vielen kleinen und mittleren Unternehmen, die in der Fachliteratur als KMU bezeichnet werden. Kennzeichnend für diese ist die Mitarbeit des Unternehmers bzw. mehrerer Familienmitglieder. Die Besonderheit dabei ist, dass Familie und Unternehmen noch stärker überlagert sind und – das will ich hier anmerken – die Frauen in dieser Organisationsform eine wichtige Rolle spielen. Die Rolle der Frau im Familienunternehmen wird unter Abschn. 3.2.4 behandelt.
Die familiären Angelegenheiten wirken noch unmittelbarer in das Tagesgeschäft hinein als bei großen Familienunternehmen. Es gibt wenig Literatur, die sich ausdrücklich mit den großen beschäftigt, wie es z. B. Veit Wagner (1994) getan hat. In einer Studie (LeMar 1991) habe ich aufgezeigt, wie große Familienunternehmen dazu tendieren, entsprechend der unterschiedlichen geschäftsführenden Persönlichkeiten spiegelbildlich entsprechende Bereichskulturen innerhalb der Organisation auszubilden. Relativ unabhängig von der Unternehmensgröße ist die menschliche Herausforderung in allen Familienunternehmen ähnlich. Deswegen wird in dem vorliegenden Buch auf die Größe des Betriebes nur dort differenziert eingegangen, wo es in Verbindung mit dem jeweiligen Thema notwendig erscheint.
Die gesellschaftspolitische Bedeutung der Familienunternehmen wird allein dadurch deutlich, dass sich einige große Konzerne aus Familienunternehmen heraus entwickelt haben. Aufgrund des Engagements von Persönlichkeiten und deren Familien sind Firmenimperien wie Siemens, Messerschmitt‐Bölkow‐Blohm, Schuckert, Philip Morris, Sony, Honda und viele weitere Unternehmen entstanden. Ausschlaggebend für deren erfolgreiche Entwicklung war nicht allein die Kreation bestimmter Produkte und Dienstleistungen, sondern vielmehr eine Unternehmensphilosophie, die über viele Jahrzehnte lebendig blieb. Die Initiative von Einzelpersonen hat die Entwicklung ganzer Branchen vorangetrieben, z. B. die der Automobilbranche durch Carl Benz und Gottlieb Daimler sowie Ferdinand Porsche oder Henry Ford. Es ist nur wenig bekannt, dass hinter diesen Persönlichkeiten auch Familien standen, die den Aufbau mit unterstützt haben. Die großen Schweizer Industriepioniere wie Carl Franz Bally, Walter Boveri, Charles Brown, Carl Geigy, Henri Nestlé, Philippe Suchard, Eduard Sulzer zeigen auf, wie sich Familienunternehmen mit zunehmender Größe und Entfernung von der Gründergeneration zu großen Publikumsgesellschaften entwickeln oder in Großkonzernen aufgehen. Als Beispiel für einen italienischen Konzern kann Fiat genannt werden, dessen Generaldirektor Giovanni „Gianni" Agnelli über viele Jahre die Geschäftsentwicklung maßgeblich beeinflusst hat. Weitere Beispiele sind das bedeutende Verlagshaus Mondadori oder der Reifenhersteller Pirelli.
1.2.2 Der Mittelstand erwirtschaftet das Bruttoinlandsprodukt
Manche großen Konzerne versteuern ihre Gewinne im Ausland. Dazu werden Schweizer Holding‐Gesellschaften oder eine der diversen Steueroasen verwendet, seien es europäische wie die Kanalinsel Jersey, Kleinstaaten wie Andorra oder Monaco oder angloamerikanische Steuerparadiese wie die Cayman Islands, die Karibischen Inseln oder die niederländischen Antillen. Auch wenn die europäischen Staaten sich einer einheitlichen Strafverfolgung von Steuersündern verpflichten, sind Mittelständler nach wie vor im Nachteil. Denn sie führen meist ihre Steuern im Inland ab und entrichten so hohe Obolusse. Ein Unternehmer kann mittels Gewerbeertrags‐ und Einkommenssteuer auf eine Abgabe von bis zu 60 % kommen. Großorganisationen nützen im Rahmen bestehender Gesetze alle vorhandenen Möglichkeiten zur legalen Steueroptimierung aus. Familienunternehmer haben dagegen nur begrenzte Möglichkeiten, indem sie zum Beispiel versuchen, private Ausgaben als firmenbedingt zu deklarieren. Hier ist ein steuerpsychologisches Motiv wirksam, „die Beute" des unternehmerischen Tuns möglichst für sich und die Familie zu erhalten. Sie zu teilen – aufgrund eines vom Staat vorgegebenen unflexiblen und wenig kreativen Systems – widerstrebt der Wesensart eines Unternehmers. Lieber investiert er seine Gewinne wieder in das Unternehmen und trägt so zum Gemeinwohl bei, indem er beispielsweise Arbeitsplätze schafft und so der Standort eine weitere Belebung erfährt.
1.2.3 Gesprächsthema: Finanzielle Belastungen des Mittelstandes
A46435_2_De_1_Fig5_HTML.gifFriedrich
Das Steuerthema ist natürlich eines, das mir als einem sogenannten Mittelständler das Blut in den Kopf treibt. In meinem Verband mittelständischer Betriebe wird immer wieder darauf hingewiesen, dass die Familienunternehmen gesellschaftspolitisch bedingte Probleme ausbaden müssen. Das kommt von der politischen Bevorzugung der Großindustrie. Es gibt Untersuchungen, die eine zunehmende Verlagerung der Steuerlast auf den Mittelstand feststellen. Dadurch stützt der Mittelstand die Entwicklung der großen Gesellschaften und Konzerne, Banken und Versicherungen. Die Bankenkrise zeigt seit 2008, wie Banker