Wirtschaftsstrafrecht in der Unternehmenspraxis: Einführung und wichtige Grundlagen
By Daniel Graewe and Larissa Senuysal
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Daniel Graewe und Larissa Senuysal gehen in diesem essential vor dem Hintergrund der historischen Entwicklung und der kriminologischen Grundlagen praxisnah und anschaulich auf den allgemeinen Teil des Wirtschaftsstrafrechts ein, wobei sie den Fokus auf die Sicht des Unternehmens legen. Mit typischen Fallkonstellationen verdeutlichen die Autoren dabei die Materie. Das Wirtschaftsstrafrecht ist ein topaktueller und hochkomplexer Teil des Rechtssystems. Kaum ein anderes Teilgebiet des Strafrechts entwickelt sich so dynamisch und ist gleichzeitig so präsent in den Medien vertreten – wie etwa „VW-Abgasaffäre“, „Deutsche Bank“, „Karstadt“. Vor diesem Hintergrund ist es für Manager, Mitarbeiter und Gesellschafter von Wirtschaftsunternehmen essenziell, zumindest die Basics auf diesem Gebiet zu beherrschen.
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Wirtschaftsstrafrecht in der Unternehmenspraxis - Daniel Graewe
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019
Daniel Graewe und Larissa SenuysalWirtschaftsstrafrecht in der Unternehmenspraxisessentialshttps://doi.org/10.1007/978-3-658-24479-8_1
1. Einleitung
Daniel Graewe¹ und Larissa Senuysal²
(1)
Institut für angewandtes Wirtschaftsrech, NORDAKADEMIE Hochschule der Wirtschaft, Elmshorn, Schleswig-Holstein, Deutschland
(2)
Landgericht Dortmund, Dortmund, Nordrhein-Westfalen, Deutschland
Daniel Graewe (Korrespondenzautor)
Email: daniel.graewe@nordakademie.de
Larissa Senuysal
Email: larissa.senuysal@lg-dortmund.nrw.de
Das Wirtschaftsstrafrecht ist ein aktueller, praxisrelevanter und komplexer Teilbereich des Strafrechts. Immer wieder sorgen spektakuläre und komplexe Fälle in den Medien für Aufsehen. Beispielhaft seien hier nur die Verfahren „VW-Abgasaffäre, „Deutsche Bank
oder „Karstadt" genannt.
1.1 Aktualität und Komplexität
Da das Wirtschaftsstrafrecht immer wieder auf neue Erscheinungsformen und Ausprägungen der Wirtschaftskriminalität reagieren muss, ist es ständigen Veränderungen und Erweiterungen unterworfen. Die zunehmende Internationalisierung, Technisierung und Digitalisierung des modernen Wirtschaftslebens führen zu einer enormen Komplexität und zur Entwicklung neuer Formen von Wirtschaftskriminalität. Kaum ein anderes Teilgebiet des Strafrechts entwickelt sich daher so dynamisch wie das Wirtschaftsstrafrecht. Innerhalb der Strafrechtswissenschaft nimmt das Wirtschaftsstrafrecht aufgrund seiner speziellen Struktur, seiner besonderen Auswirkungen sowie der Problematik der Strafverfolgung und Sanktionierung damit eine Sonderstellung ein.
Auch ist das Wirtschaftsstrafrecht in hohem Maße akzessorisch; viele Regelungen finden sich nicht nur im Strafgesetzbuch (StGB), sondern in zahlreichen Nebengesetzen. Demzufolge gibt es auch keine abschließende Kodifizierung einschlägiger Wirtschaftsstrafnormen in einem einzigen Gesetz.
Schließlich sind auch die Strafverfolgungsorgane bei der Verfolgung von Wirtschaftsstraftaten mit besonderen Herausforderungen konfrontiert. Aus der wesentlich geringeren Wahrnehmbarkeit und Kontrollmöglichkeit von Wirtschaftsstraftaten in Unternehmen folgt eine erheblich niedrigere Anzeigenquote. Betroffene Unternehmen fürchten zudem Image- und Reputationsverluste, wenn Gesetzesverstöße bekannt werden. Zudem bedingt die sachliche und rechtliche Schwierigkeit der Fälle inhaltlich komplexe und langwierige Strafverfahren.
1.2 Historische Entwicklung
Mit dem Gesetz zur Vereinfachung des Wirtschaftsstrafrechts vom 26.07.1949 (WiStG 1949) sollten nach dem Inkrafttreten des Grundgesetzes im Jahr 1949 die Rahmenbedingungen für eine wettbewerbsorientierte soziale Marktwirtschaft geschaffen werden. Vereinfacht formuliert sollte der Staat nur noch den Ordnungsrahmen der Wirtschaft bestimmen, indem er eine Wettbewerbsordnung schafft, durch die Nichtleistungswettbewerb (Monopolbildung, Verdrängungswettbewerb usw.) unterbunden wird. In diesem Gesetz wurde das seinerzeit geltende Wirtschaftsstrafrecht kodifiziert und erstmals eine Aufteilung in Straftaten und Ordnungswidrigkeiten vorgenommen. Die strafrechtlichen Normen aus Kriegs- und Vorkriegszeit wurden deutlich reduziert. Das Gesetz zur weiteren Vereinfachung des Wirtschaftsstrafrechts vom 09.07.1954 (WiStG 1954) führte zu einer drastischen Reduzierung zahlreicher Tatbestände des WiStG 1949. Das auch in der Folgezeit in seinem Regelungsgehalt weitergehend reduzierte Wirtschaftsstrafgesetz hat heute kaum noch praktische Bedeutung. Sein Regelungsgehalt beschränkte sich auf einige wenige Straf- und Bußgeldtatbestände zum Sicherstellungs- und Preisrecht (Wittig, § 3 Rn. 9).
Das zwischenzeitlich bereits mehrfach novellierte Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG) vom 25.03.1952 unterschied erstmals grundlegend zwischen Ordnungswidrigkeiten und Straftaten. Wenn eine Handlung ausschließlich mit Geldbuße bedroht war, handelte es sich um eine Ordnungswidrigkeit, welche die Verwaltungsbehörden zu verfolgen und sanktionieren befugt waren. War die Handlung ausschließlich mit Strafe bedroht, lag eine Straftat vor, bei der ausschließlich die Staatsanwaltschaft ermittlungsbefugt war (§§ 1, 27 OWiG 1952). Mit der Zielsetzung, eine Trennung zwischen Exekutive und Judikative zu gewährleisten, wurde den Verwaltungsbehörden die Befugnis zur Verfolgung von Strafsachen und zum Erlass von Strafen aberkannt. Ausschließlich die Staatsanwaltschaften waren hierzu befugt. An die Stelle der Strafe (Freiheits- oder Geldstrafe) trat die Sanktion der Geldbuße, welche die Verwaltungsbehörden bei Vorliegen einer Ordnungswidrigkeit zu verhängen berechtigt