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Hand und Handgelenk
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Hand und Handgelenk

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Die Buchreihe „Meistertechniken in der operativen Orthopädie und Unfallchirurgie“ erlaubt es dem operativ tätigen Orthopäden und Unfallchirurgen, den Autoren - alle sind Meister ihres Faches - beim Operieren direkt über die Schulter zu schauen. Beschrieben werden häufige, aber erfahrungsgemäß schwierige Probleme und Techniken so, dass der erfahrene, aber im jeweiligen Gebiet nicht hochspezialisierte Operateur den jeweiligen Eingriff mit höherer Sicherheit auszuführen vermag. Alle Beschreibungen lassen sich direkt in die Praxis umsetzen: die Operationsverfahren werden step-by-step dargestellt und mit zahlreichen Fotos und brillanten Grafiken visualisiert. Initiiert und begleitet wird die Reihe durch Prof. Dr. med. D. Kohn und Prof. Dr. med. T. Pohlemann. Der vorliegende 3. Band "Hand und Handgelenk" wurde von Prof. Dr. med. Frank Unglaub herausgegeben.
LanguageDeutsch
PublisherSpringer
Release dateSep 25, 2019
ISBN9783662594520
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    Hand und Handgelenk - Frank Unglaub

    © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2020

    F. Unglaub (Hrsg.)Hand und HandgelenkMeistertechniken in der operativen Orthopädie und Unfallchirurgiehttps://doi.org/10.1007/978-3-662-59452-0_1

    1. Partielle Aponeurektomie bei Rezidiv-Dupuytren

    Peter Hahn¹   und Christian K. Spies¹  

    (1)

    Handchirurgie, Vulpius Klinik, Bad Rappenau, Deutschland

    Peter Hahn (Korrespondenzautor)

    Email: peter.hahn@vulpiusklinik.de

    Christian K. Spies

    1.1 Prinzip

    1.2 Indikationen/Kontraindikationen

    1.3 Präoperative Planung

    1.3.1 Sensibilität

    1.3.2 Durchblutung

    1.3.3 Haut

    1.3.4 Gelenke

    1.3.5 Sonografie

    1.3.6 Röntgen

    1.3.7 Antikoagulation

    1.3.8 Kontraindikationen

    1.4 Operative Technik

    1.4.1 Allgemeines

    1.4.2 Zugang

    1.4.3 Arthrolyse des Mittelgelenks

    1.4.4 Nerven- und Gefäßverletzungen

    1.4.5 Ringband-Insuffizienz

    1.4.6 Hautdefekte

    1.5 Postoperatives Management

    1.6 Ergebnisse

    1.7 Komplikationen

    Literatur

    1.1 Prinzip

    Die Dupuytrensche Kontraktur neigt unabhängig von der Therapie zu Rezidiven. Nicht jeder neu aufgetretene Knoten oder Strang gilt als Rezidiv. Das Rezidiv ist definiert als eine passive Beugekontraktur von mindestens 20° in einem betroffenen Gelenk gegenüber dem Befund ca. 6–12 Wochen nach dem Ersteingriff (Kan et al. 2017). Außerhalb des primären Therapiegebietes auftretende Beugekontrakturen werden nicht als Rezidiv bezeichnet, sondern als Progression oder Ausweitung. Die Unterscheidung ist wichtig, da sich sowohl die Operationstechnik als auch die Prognose unterscheiden.

    Die Wahrscheinlichkeit, ein Rezidiv zu entwickeln, ist mit verschiedenen Faktoren assoziiert, die als Diathese bezeichnet werden und einen aggressiven Verlauf bedingen. Nach Hindocha et al. (2006) gehören dazu:

    Nordeuropäische Abstammung

    Familiäre Belastung

    Bilaterales Auftreten

    Ektopische Läsionen

    Männliches Geschlecht

    Erstauftreten <50 Jahre

    Je mehr dieser Faktoren zutreffen, je häufiger ist mit Rezidiven zu rechnen.

    Dieses Kapitel beschäftigt sich nur mit der operativen Therapie der Rezidive und nicht mit den eventuell möglichen Therapien durch erneute Behandlung mit Kollagenase oder durch Nadelaponeurotomie (Spies et al. 2016a, b; Volt und Werker 2017).

    Die besondere Problematik der Rezidiveingriffe besteht darin, dass es durch die vorhergehenden Maßnahmen häufig zu tief greifenden Veränderungen sowohl an Haut, Nerven, Gefäßen und Gelenken kommt, die einzeln oder in Kombination zu Problemen beim Rezidiveingriff führen können.

    Neben den im Folgenden erläuterten Rezidiveingriffen haben natürlich auch andere Verfahren, wie die Mittelgelenkarthrodese und in schweren Fällen die Strahlresektion, einen Stellenwert in der Behandlung der Dupuytrenschen Kontraktur (Pillukat et al. 2017).

    1.2 Indikationen/Kontraindikationen

    Der primäre Parameter für den Rezidiveingriff ist der durch die Beugekontraktur bedingte Funktionsverlust und nicht das erneute Auftreten von Knoten oder Strängen. Die Beeinträchtigung durch die Beugekontraktur ist jedoch individuell sehr verschieden und hängt stark von den persönlichen Bedürfnissen des einzelnen Patienten ab.

    Bei der Indikationsstellung sind eine Vielzahl von Faktoren zu berücksichtigen, die einzelnen oder in Kombination das weitere Vorgehen bestimmen. Hierzu gehören:

    Hautverhältnisse (Narben, Kontrakturen, Qualität der Haut)

    Ausmaß der Kontrakturen (Anzahl der Finger, Ausmaß, Verteilung)

    Sensibilität der Kuppe

    Trophische Störungen

    Alter, Beruf, persönliche Anforderungen des Patienten

    Anzahl und Art der vorangegangenen Operationen

    Medikamente, speziell Antikoagulation

    Nikotinabusus

    So besteht zum Beispiel bei Fingern mit Sensibilitätsstörungen nach Ersteingriff die Gefahr, dass neben dem Nerv auch die begleitende Arterie verletzt wurde und es dann beim Rezidiveingriff zu Durchblutungsstörungen bis hin zum Fingerverlust kommen kann. Mehrfache Voroperationen, narbig veränderte Haut, Kälteintoleranz, asensible Finger, Nikotinabusus und trophische Störungen können einzeln oder in Kombination die Indikation zum Rezidiveingriff relativieren. Patienten mit mehreren negativen Faktoren werden häufig besser mit einer Arthrodese oder als Ultima Ratio mit einer Strahlresektion versorgt.

    Gute Ergebnisse lassen sich aber nach minimal-invasiven Verfahren, wie z. B. einer Nadelaponeurotomie, erzielen, da dies i. d. R. nur zu begrenzten Vernarbungen führt. Pseudorezidive, die allein durch die ungenügende Schnittführung bei der Primäroperation und den daraus resultierenden Narbenkontrakturen bedingt sind, können häufig durch Z-Plastiken, Transpositionslappen oder Vollhaut-Transplantate verbessert werden.

    Auch die Erfahrung der Operateure der vorangegangenen Operationen spielt eine wesentliche Rolle. So ist bei erfahrenen Operateuren eher mit weniger Problemen beim Rezidiv zu rechnen, als wenn die vorangegangene Operation von einem handchirurgisch nicht versierten Operateur womöglich ohne Lupenbrille und ohne ausreichende Analgesie vorgenommen wurde. Eine Befragung des Patienten, speziell auch über den Ablauf der Operation, kann richtungsweisende Einsichten bringen. Umgekehrt kann die Präparation der Strukturen aber wesentlich komplexer sein, wenn ein handchirurgisch versierter Operateur voroperiert hat, da diese häufig auch die Strukturen dorsal der Gefäße präparieren und hier dann auch Vernarbungen vorliegen.

    1.3 Präoperative Planung

    Die sorgfältige klinische Untersuchung der betroffenen Finger und der Hand stellen die Conditio sine qua non für die Planung dar.

    1.3.1 Sensibilität

    Die Sensibilität an den Fingerkuppen lässt sich einfach mit der Zwei-Punkte-Diskrimination bestimmen und ist ein Hinweis auf Nervenverletzungen. Verminderte Feuchtigkeit der Fingerkuppe, speziell einseitig, ist ein Hinweis auf eine erlittene Nervenverletzung. Um die Feuchtigkeit der Fingerkuppe zu testen, wird diese am besten mit der dorsalen, trockenen Seite des Zeigefingers des Untersuchers getestet. Nervenkompressionen (CTS, SNUS) sollten klinisch und ggfs. neurologisch ausgeschlossen werden. Falls Neurome bestehen, wird deren subjektive Schmerzhaftigkeit erfragt, da nur schmerzhafte Neurome operativ versorgt werden (s. u.).

    1.3.2 Durchblutung

    Fehlende Sensibilität kann ein Hinweis auf eine begleitende Gefäßverletzung sein, da Nerv und Arterie anatomisch benachbart sind. Bläulich verfärbte Finger, Kälteintoleranz und Nikotinabusus sind Warnsignale für mögliche postoperative Durchblutungsstörungen. In Zweifelsfällen kann die Doppler-Untersuchung der Finger-Arterien Auskunft über die Durchblutung geben.

    1.3.3 Haut

    Neben der Betrachtungen und Palpation der Narben und Hautveränderungen auf der palmaren Seite der Hand zeigt die Verschieblichkeit der Haut über der Streckseite des Grundgliedes, ob mit speziellen Weichteilproblemen zu rechnen ist. Lässt sich dort die Haut nur wenig anheben, so ist damit zu rechnen, dass die Verschieblichkeit der Gewebe auf der Beugeseite ebenfalls sehr gering ist. Dies sollte immer Anlass zur Planung von Lappenplastiken geben.

    1.3.4 Gelenke

    Präoperativ müssen die Bewegungsausmaße der beteiligten Gelenke dokumentiert werden. Ob zusätzlich zur Entfernung des Dupuytren Gewebes eine Arthrolyse erforderlich ist, lässt sich präoperativ nicht entscheiden, ist jedoch bei Rezidiven mit höhergradigen Kontrakturen wahrscheinlich.

    1.3.5 Sonografie

    Der erfahrene Untersucher erkennt in der Regel Ringbandverletzungen durch das sogenannte „Bowstringing". Bei hochgradigen Kontrakturen und festen Narben in der Kombination mit starker Strangbildung ist die Sonografie ein gutes Mittel, um die Diagnose zu erhärten. Dies erleichtert die präoperative Planung und die Aufklärung über die aufwändigere postoperative Behandlung bei Ringband-Rekonstruktionen.

    1.3.6 Röntgen

    Bei fortgeschrittenen Gelenkkontrakturen, fraglichen Verletzungen in der Vorgeschichte, Polyarthrose oder arthritischen Veränderungen (PCP, Gicht) an den Gelenken, ist vor der Operation ein Röntgenbild im seitlichen Strahlengang sinnvoll, um Veränderungen auszuschließen, die einen Rezidiveingriff unmöglich machen. Die seltene Kombination von Dupuytren im PIP und Gicht bedingter Osteitis im DIP kann ein zweizeitiges Vorgehen erforderlich machen.

    1.3.7 Antikoagulation

    Speziell die vermehrte Einnahme von Medikamenten zur Antikoagulation kann zu Problemen führen. Aus eigener Erfahrung ist die Einnahme von ASS unproblematisch. Marcumar und insbesondere NOAK bereiten jedoch häufig perioperative Probleme. Eine Umstellung nach den Empfehlungen von Ahrens et al. (2016) ist sinnvoll, muss aber immer in Absprache mit dem behandelnden Hausarzt erfolgen.

    1.3.8 Kontraindikationen

    Im Einzelfall muss das Risiko einer weitergehenden Funktionsminderung bis hin zum Fingerverlust gegen den möglichen Nutzen abgewogen werden. Es handelt sich immer um individuelle Entscheidungen, die zusammen mit dem Patienten von einem erfahrenen Operateur gefällt werden müssen. Ein trophisch gestörter Finger stellt in der Regel eine Indikation für eine verkürzende Arthrodese dar.

    1.4 Operative Technik

    1.4.1 Allgemeines

    Die Operation erfolgt, wie in der Handchirurgie üblich, bei ausgelagertem Arm in Oberarmblutleere unter atraumatischer Operationstechnik. Eine Lupenbrillenvergrößerung ist auf jeden Fall erforderlich, ein Operationsmikroskop für die Rekonstruktion von Nerven oder Gefäßen sollte bereitstehen.

    Der Operateur sollte das gesamte Spektrum der Handchirurgie beherrschen, speziell sollten ausreichende Erfahrungen in der Mikrochirurgie vorhanden sein.

    Die Hand wird auf einer „Bleihand" fixiert.

    1.4.2 Zugang

    Der operative Zugang muss die individuellen Veränderungen, bedingt durch die Narben der Voroperation und sekundäre Kontrakturen, berücksichtigen. In der Regel ist damit zu rechnen, dass bei Rezidiveingriffen, insbesondere bei höhergradigen Kontrakturen Hautdefizite bestehen (Abb. 1.1). Daher sind in den meisten Fällen Lappenplastiken einzuplanen.

    ../images/469771_1_De_1_Chapter/469771_1_De_1_Fig1_HTML.jpg

    Abb. 1.1

    Rezidiv-Dupuytren vor Operation

    Die Schnittführung erfolgt deswegen modifiziert unter Berücksichtigung der Planungen für einen Transpositionslappen von der lateralen Seite des Fingers (Abb. 1.2).

    ../images/469771_1_De_1_Chapter/469771_1_De_1_Fig2_HTML.jpg

    Abb. 1.2

    Schnittführung mit mediolateraler Inzision zur Planung eines Transpositionslappen

    Nach Präparation der Hautlappen erfolgt die Darstellung der Narben und die sorgfältige mikrochirurgische, atraumatische Präparation der Gefäße und Nerven. Präzise anatomische Kenntnisse der normalen und pathologischen Anatomie der Hand erleichtern und beschleunigen die Präparation wesentlich.

    Der erfahrene Operateur kennt sowohl die kritischen Stellen der Präparation als auch die Schlüssel-Lokalisationen, an denen sich die Strukturen in der Regel gut auffinden lassen.

    Eine häufig anzutreffende Pathologie ist der Abduktor-Strang am Kleinfinger, der das ulnare Gefäß-Nervenbündel nach radial verdrängt. Es erleichtert die Präparation, wenn man die typischen Eintritts- und Austrittsstellen der Nerven kennt (Abb. 1.3) und die Präparation entsprechend gestaltet.

    ../images/469771_1_De_1_Chapter/469771_1_De_1_Fig3_HTML.jpg

    Abb. 1.3

    Typische Verdrängung des Gefäß-Nervenbündels nach radial durch den Abduktor-Strang. Beginn der Verlagerung (Punkt A) und Ende der Verlagerung (Punkt B). Dazwischen kann der Strang gefahrlos lateral abgelöst werden

    Nach Entfernung von tiefen Narben und Kontrakturgewebe verbleibt in der Regel eine Beugekontraktur im Mittelgelenk, bedingt durch die Sekundärveränderungen am Gelenk (Abb. 1.4). Sofern die passive Beugekontraktur größer als 20° ist, ist eine Arthrolyse des Gelenkes sinnvoll. Diese erfolgt schrittweise in der von Hohendorff et al. (2016) beschriebenen Technik.

    ../images/469771_1_De_1_Chapter/469771_1_De_1_Fig4_HTML.jpg

    Abb. 1.4

    Intraoperativer Situs, beide Gefäß-Nervenbündel dargestellt, Ringbänder sichtbar erhalten

    1.4.3 Arthrolyse des Mittelgelenks

    Die Hautligamente (Grayson und Cleland) sind durch die vorhergehende Präparation bereits gelöst. Die weitere Präparation erfolgt dann schrittweise. Hierbei wird nach jedem einzelnen Schritt geprüft, ob sich das Gelenk bereits strecken lässt. Bei der Überprüfung der Streckfähigkeit des Gelenkes ist insbesondere darauf zu achten, dass es zu keiner Überstreckung kommt, da dies sonst zu einer Instabilität führen würde.

    Der nächste Schritt besteht in einer Inzision der Beugesehnenscheide zwischen A2 und A3 Ringband (Abb. 1.5). Danach werden die Check-rein Ligamente distal abgelöst (Abb. 1.6) und dann die akzessorischen Kollateralbänder inzidiert. Nach diesen Schritten sollte sich das Mittelgelenk frei strecken lassen (Abb. 1.7). Ist dies nach sorgfältiger Arthrolyse nicht möglich, so liegen knöcherne Veränderungen vor.

    ../images/469771_1_De_1_Chapter/469771_1_De_1_Fig5_HTML.jpg

    Abb. 1.5

    Beginn der Arthrolyse mit Inzision zwischen A2 und A3 Ringband

    ../images/469771_1_De_1_Chapter/469771_1_De_1_Fig6a_HTML.jpg../images/469771_1_De_1_Chapter/469771_1_De_1_Fig6b_HTML.png../images/469771_1_De_1_Chapter/469771_1_De_1_Fig6c_HTML.png

    Abb. 1.6

    a, b Ablösen der Check-rein Ligamente c Durchtrennen der akzessorischen Kollateralbänder d, e Ablösen der palmaren Platte

    ../images/469771_1_De_1_Chapter/469771_1_De_1_Fig7_HTML.jpg

    Abb. 1.7

    Volle Streckung nach Arthrolyse. Großer Defekt der Beugesehnenscheide zwischen A2 und A3 Ringband

    1.4.4 Nerven- und Gefäßverletzungen

    Sofern es bei der Operation zu Verletzungen der Nerven oder Gefäße kommt, sollten diese umgehend mikrochirurgisch versorgt werden. Vorbestehende Neurome werden nur operativ versorgt, wenn sie anamnestisch schmerzhaft waren, da eine Rekonstruktion zur Wiederherstellung der Sensibilität bei dem durchschnittlichen Alter der Patienten in der Regel nicht zum Erfolg führt. Schmerzhafte Neurome können entweder durch Rückkürzung oder durch End-zu-Seit-Naht auf intakte Nerven therapiert werden.

    Veraltete Gefäßverletzungen werden in der Regel nicht operativ versorgt. Entscheidend ist jedoch die Rekapillarisierung nach Öffnen der Blutsperre. Speziell bei Rezidiveingriffen muss man sich bewusst sein, dass bereits die Verletzung eines Gefäßes vorliegen kann und somit die Schädigungen eines weiteren Gefäßes zu akuten Durchblutungsstörungen führt. Da höhergradige Kontrakturen zur Verkürzung der Gefäße und Nerven führen, kann die intraoperative Streckung dieser Strukturen ausreichen, eine Durchblutungsstörung zu provozieren.

    1.4.5 Ringband-Insuffizienz

    Bei hochgradiger Beugekontraktur in Verbindung mit Narben und Dupuytren-Strängen ist der präoperative Nachweis einer Ringband-Insuffizienz erschwert. Eine Sonografie kann in Einzelfällen die Diagnose erhärten. Speziell bei unerfahrenen Voroperateuren und postoperativen Infekten oder Wundheilungsstörungen bei den vorhergehenden Operationen muss man mit biomechanisch relevanten Ringband-Insuffizienzen rechnen.

    Häufig bestehen dann Kombinationen aus Ringband-Insuffizienz und langstreckigen Verwachsungen der Beugesehnen, sodass in Zusammenhang mit der Präparation und der Arthrolyse eine Tenolyse erforderlich ist.

    Die Rekonstruktion der Ringbänder ist auf verschiedene Weisen möglich. Am häufigsten kommen hier distal gestielte FDS-Zügel oder freie Transplantation der Palmaris-longus-Sehne mit Einflechtung in die Reste des Beugesehnenkanals oder als Umschlingung um den Knochen in Frage.

    1.4.6 Hautdefekte

    Hautdefekte sind bei Rezidiveingriffen häufig. Diese sind durch die lang anhaltende Kontraktur in Verbindung mit Narben bedingt. Selbst bei relativ einfach anmutenden Rezidiven können die Hautdefekte nach der Präparation überraschende Ausmaße annehmen. Es ist daher wichtig, bereits im Vorfeld Lappenplastiken einzuplanen, da es bei fehlender Planung und „Standard-Schnitten wie Bruner, „Mini-Bruner und Längsschnitt mit Z-Plastik schwierig bis unmöglich werden kann, die beugeseitigen Defekte zu decken.

    Am häufigsten kommt ein Transpositionslappen in Höhe des Grundglieds zur Anwendung (Abb. 1.8 und 1.9). Bei der primären Schnittführung muss die Lappenplanung bereits in die Schnittführung einbezogen werden. Der durch den Lappen entstandene Defekt wird dann entweder mit Vollhaut aus der ulnaren Raszetta oder in Einzelfällen durch Verschiebung des distalen Anteils des Schnittes gedeckt.

    ../images/469771_1_De_1_Chapter/469771_1_De_1_Fig8_HTML.jpg

    Abb. 1.8

    Hautdefekt nach Strangresektion und Arthrolyse

    ../images/469771_1_De_1_Chapter/469771_1_De_1_Fig9_HTML.jpg

    Abb. 1.9

    Lateraler proximaler Transpositionslappen zur Defektdeckung

    In einzelnen Fällen kann durch Bildung eines weiteren, mehr dorsal gelegenen Lappens der Defekt im Sinne eines biloped flap gedeckt werden (Lukas und Lukas 2016).

    Entsteht bei der Schnittführung modifiziert nach Bruner wider Erwarten ein Hautdefekt, so kann ein distaler Transpositionslappen auf Höhe des Mittelgliedes für die Defektdeckung benutzt werden.

    Der Hautverschluss kann sowohl mit nicht resorbierbarem als auch mit resorbierbarem Material erfolgen. Letzteres ist für die Patienten angenehmer, da die Entfernung der Fäden in den häufig stark verkrusteten Narben unangenehm ist.

    Nach dem Wundverschluss (Abb. 1.10) erfolgt ein steriler Wundverband mit ausreichender Kompression, bei uns nach wie vor mit Stahlwolle, die sich außerhalb des sterilen Verbands befindet und keinen Kontakt zur Haut hat. Eine dorsale Gipsschiene komplettiert die Verbandanordnung.

    ../images/469771_1_De_1_Chapter/469771_1_De_1_Fig10_HTML.jpg

    Abb. 1.10

    Situs am ersten postoperativen Tag

    Ob die Blutleere erst nach dem Verband geöffnet wird oder schon vor der Hautnaht, hängt entscheidend von der Erfahrung des Operateurs ab. Viele erfahrene Operateure öffnen die Blutleere erst nach dem Verband und kontrollieren dann die Rekapillarisierung.

    1.5 Postoperatives Management

    Der Arm muss postoperativ hochgelagert werden. Speziell bei Rezidiveingriffen empfehlen wir eine zweitägige stationäre Kontrolle, da eine engmaschige Überwachung der Rekapillarisierung sinnvoll ist.

    Die Gipsschiene mit Kompression wird am ersten postoperativen Tag entfernt. Alle Patienten mit Rezidiveingriffen erhalten eine thermoplastische statische Schiene (Sandwich-Schiene) (Abb. 1.11). Ab dem ersten oder zweiten postoperativen Tag wird mit Handtherapie begonnen (Turesson 2018).

    ../images/469771_1_De_1_Chapter/469771_1_De_1_Fig11_HTML.jpg

    Abb. 1.11

    Lagerung-Orthese zur Nachbehandlung nach Rezidiv, sogenannte Sandwich-Schiene

    In der ersten postoperativen Phase, ca. drei Wochen, ist eine Kontrolle und Pflege der Wunden erforderlich. Speziell wenn Lappenplastiken oder Hauttransplantationen erforderlich waren, müssen diese auf drohende Wundheilungsstörungen überprüft werden.

    Kommt es zu Hautnekrosen, so müssen diese frühzeitig und konsequent entfernt und chirurgisch versorgt werden, da es sonst zu Infekten von Ringbändern und/oder Beugesehnen kommen kann.

    Ab etwa dem 10. Tag p. o. sollte die beim Dupuytren häufig verhärtete Oberhaut chirurgisch vom Wundrand her entfernt werden, da die darunter liegenden Areale sonst zu Infektionen neigen.

    Verhärtete Narben reagieren gut auf Druckbehandlung durch Narbenmassage oder Silikongelfolie.

    Schwellungen der Hand, die bei der Dupuytrenschen Erkrankung nicht selten sind, werden durch konsequente Hochlagerung, Kompressionshandschuh und ggfs. Lymphdrainage behandelt. Die Nachbehandlung der Dupuytrenschen Kontraktur ist immer langwieriger als Patient und Arzt es sich vorstellen. Darauf müssen die Patienten hingewiesen werden, auch wenn die Wunde in der Regel nach ca. drei Wochen abgeheilt ist (Abb. 1.12), erfordern die Hand und die Haut noch weitere langfristige Pflege und Therapie.

    ../images/469771_1_De_1_Chapter/469771_1_De_1_Fig12_HTML.jpg

    Abb. 1.12

    Situs vier Wochen nach Operation. Narbe noch gerötet

    1.6 Ergebnisse

    Es gibt nur wenige retrospektive Studien zu Ergebnissen der Rezidiveingriffe. In einer Gruppe von 18 Patienten waren 10 (56 %) mit dem Ergebnis zufrieden, 8 (44 %) jedoch nicht.

    Eine notwendige Arthrolyse erscheint aus den vorliegenden Ergebnissen ebenfalls sinnvoll, da die Resultate der Arthrolyse beim Rezidiveingriff nahezu identisch mit den Resultaten beim Primäreingriff sind (Hohendorff et al. 2016).

    1.7 Komplikationen

    Die häufigsten Komplikationen sind Hämatome, speziell bei Patienten mit Antikoagulation und Durchblutungsstörungen der Lappenplastiken bis hin zu Nekrosen. Durch eine sorgfältige präoperative Planung, atraumatisches intraoperatives Vorgehen und eine präzise postoperative Wundpflege lassen sich diese Probleme aber minimieren.

    Wenn Probleme auftreten, ist ein entschiedenes Handeln mit frühzeitiger Revision aber wichtig. Nekrotische Hautareale müssen rechtzeitig entfernt und durch geeignete plastische Deckung ersetzt werden. Andernfalls kommt es zur Schädigung tiefer gelegener Strukturen bis hin zum Funktions- oder Fingerverlust. Sekundär heilende Hautareale führen zur Narbenkontraktur und konterkarieren die Operationsabsicht.

    Literatur

    Ahrens C, Unglaub F, Hohendorff B, Müller LP, Spies CK (2016) Die perioperative Handhabung von Antikoagulantien in der elektiven Handchirurgie – eine Literaturübersicht. Handchir Mikrochir Plast Chir 48(3):127–135Crossref

    Hindocha S, Stanley JK, Watson S, Bayat A (2006) Dupuytren’s diathesis revisited: evaluation of prognostic indicators for risk of disease recurrence. J Hand Surg Am 31:1626–1634Crossref

    Hohendorff B, Biber F, Sauer H, Ries C, Spies C, Franke J (2016) Die ergänzende Mittelgelenkarthrolyse bei der operativen Behandlung einer Dupuytren’schen Beugekontraktur am Finger. Oper Orthop Traumatol 28:4–11Crossref

    Kan HJ, Verrijp FW, Hovius SER, Van Nieuwenhoven CA, Dupuytren Delphi Group, Selles RW (2017) Recurrence of Dupuytren’s contracture: a consensus-based definition. PLOS ONE 12:1–10

    Lukas B, Lukas M (2016) Lappenplastiken bei fortgeschrittenem Morbus Dupuytren. Oper Orthop Traumatol 28(1):20–29Crossref

    Pillukat T, Walle L, Stüber R, Windolf J, van Schoonhoven J (2017) Rezidiveingriffe beim Morbus Dupuytren. Orthopäde 46(4):342–352Crossref

    Spies CK, Hahn P, Müller LP, Löw S, Sellei RM, Oppermann J (2016a) The efficacy of open partial aponeurectomy for recurrent Dupuytren’s contracture. Arch Orthop Trauma Surg 136:881–889Crossref

    Spies CK, Müller LP, Skouras E, Bassemir D, Hahn P, Unglaub F (2016b) Die perkutane Nadelaponeurotomie der Dupuytren-Kontraktur. Oper Orthop Traumatol 28(1):12–9. https://​doi.​org/​10.​1007/​s00064-015-0417-5.Crossref

    Turesson C (2018) The role of hand therapy in Dupuytren disease. Hand Clin 34:395–401Crossref

    Vlot MA, Werker PMN (2017) Effectiveness of percutaneous needle fasciotomy for second or higher recurrence in Dupuytren contracture. In: Werker P, Dias J, Eaton C, Reichert B, Wach W (Hrsg) Dupuytren disease and related diseases – the cutting edge. Springer, Cham, S 179–184Crossref

    © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2020

    F. Unglaub (Hrsg.)Hand und HandgelenkMeistertechniken in der operativen Orthopädie und Unfallchirurgiehttps://doi.org/10.1007/978-3-662-59452-0_2

    2. Rekonstruktion der palmaren Fingermittelgliedbasis mit einem „Hemi-Hamatum"-Transplantat

    Frank Unglaub¹  , Martin Langer²   und Christian K. Spies¹  

    (1)

    Handchirurgie, Vulpius Klinik, Bad Rappenau, Deutschland

    (2)

    Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie, Universitätsklinikum Münster, Münster, Deutschland

    Frank Unglaub (Korrespondenzautor)

    Email: frank.unglaub@vulpiusklinik.de

    Martin Langer

    Email: martinfranzlanger@me.com

    Christian K. Spies

    2.1 Prinzip

    2.2 Indikationen/Kontraindikationen

    2.3 Präoperative Planung

    2.3.1 Röntgen

    2.3.2 Dünnschicht-CT

    2.3.3 MRT

    2.4 Operative Technik

    2.4.1 Chirurgische Lagerung und Assistenz

    2.4.2 Operationstechnik

    2.5 Postoperatives Management

    2.6 Ergebnisse

    2.7 Komplikationen

    2.8 Fallbeispiel

    Literatur

    Zusatzmaterial online

    Zusätzliche Informationen sind in der Online-Version dieses Kapitel (https://​doi.​org/​10.​1007/​978-3-662-59452-0_​2) enthalten.

    2.1 Prinzip

    Der palmare Anteil der Mittelgliedbasis wird durch ein eingepasstes osteochondrales Transplantat aus der karpometakarpalen Gelenkfläche des Os hamatum rekonstruiert (Williams et al. 2002). Insbesondere durch die Rekonstruktion der palmaren Lippe der Mittelgliedbasis und der Crista wird die Stabilität des Mittelgelenks unter Erhalt der Beweglichkeit erreicht. Die Osteosynthese erfolgt durch zwei bis drei Schrauben, die von palmar eingebracht werden.

    2.2 Indikationen/Kontraindikationen

    Die klassische Indikation für ein „Hemi-Hamatum"-Transplantat ist eine Trümmerfraktur der palmaren Mittelgliedbasis mit einem Gesamtausmaß von 40 % oder mehr in der seitlichen Röntgenaufnahme. Häufig besteht gleichzeitig eine dorsale Subluxationsstellung der Mittelgliedbasis. Die Rekonstruktion erfolgt, wenn keine Möglichkeit einer geschlossenen/offenen Reposition und Osteosynthese besteht. Sowohl akute Frakturen, als auch bereits in Fehlstellung verheilte Frakturen mit chronischer dorsaler Instabilität ohne

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