Bioökonomie im Selbststudium: Nachhaltigkeit und ökologische Bewertung
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Bioökonomie im Selbststudium - Christine Rösch
Book cover of Bioökonomie im Selbststudium: Nachhaltigkeit und ökologische Bewertung
Zertifikatskurs Bioökonomie
Weitere Bände in der Reihe https://link.springer.com/bookseries/16188
Christine Rösch, Rüdiger Schaldach, Jan Göpel und Martina Haase
Bioökonomie im Selbststudium: Nachhaltigkeit und ökologische Bewertung
../images/489961_1_De_BookFrontmatter_Figa_HTML.pngLogo of the publisher
Christine Rösch
Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Karlsruhe, Deutschland
Rüdiger Schaldach
Center for Environmental Systems Research (CESR), Universität Kassel, Kassel, Deutschland
Jan Göpel
Center for Environmental Systems Research (CESR), Universität Kassel, Kassel, Deutschland
Martina Haase
Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Karlsruhe, Deutschland
ISSN 2524-7107e-ISSN 2524-7115
Zertifikatskurs Bioökonomie
ISBN 978-3-662-61382-5e-ISBN 978-3-662-61383-2
https://doi.org/10.1007/978-3-662-61383-2
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2020korrigierte Publikation2021
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Planung/Lektorat: Stephanie Preuß
Springer Spektrum ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer-Verlag GmbH, DE und ist ein Teil von Springer Nature.
Die Anschrift der Gesellschaft ist: Heidelberger Platz 3, 14197 Berlin, Germany
Die Originalversion des Buchs wurde revidiert. Ein Erratum ist verfügbar https://doi.org/10.1007/978-3-662-61383-2_6
Inhaltsverzeichnis
1 Einführung in die Nachhaltigkeit 1
1.1 Definition und historische Entwicklung 1
1.2 Nachhaltigkeitspolitik 4
1.3 Dimensionen der Nachhaltigkeit 5
1.4 Strategien zur Erreichung von Nachhaltigkeit 6
1.5 Nachhaltigkeit und Bioökonomie 8
2 Normen, Indikatoren und Zertifizierung nachhaltigen Wirtschaftens 13
2.1 Normen nachhaltigen Wirtschaftens 13
2.2 Nachhaltigkeitsindikatoren 14
2.3 Zertifizierung nachhaltigen Wirtschaftens 15
3 Zielkonflikte zwischen Nachhaltigkeitszielen der Bioökonomie und öffentlicher Diskurs 25
3.1 Grundlagen 25
3.2 Zielkonflikte im Klimaschutz 26
3.3 Zielkonflikte bei der Nutzung von Land- und Wasserressourcen 27
3.4 Zielkonflikte beim Schutz von Biodiversität 28
3.5 Lösungsansätze 29
3.6 Gesellschaftlicher Diskurs 30
4 Methoden zur ökologischen Bewertung 33
4.1 Übersicht 33
4.2 Ökologische Bewertung des Konsums auf nationaler Ebene 35
4.3 Bewertung auf Technologie und Produktebene 46
5 Fallstudien 57
5.1 Ökobilanzierung des bioliq®-Verfahrens 57
5.2 Analyse einer zukünftigen Biomasseproduktion in Brasilien 65
6 Erratum zu: Bioökonomie im Selbststudium: Nachhaltigkeit und ökologische Bewertung E1
Literatur 77
© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2020
C. Rösch et al.Bioökonomie im Selbststudium: Nachhaltigkeit und ökologische BewertungZertifikatskurs Bioökonomiehttps://doi.org/10.1007/978-3-662-61383-2_1
1. Einführung in die Nachhaltigkeit
Christine Rösch¹ , Rüdiger Schaldach² , Jan Göpel² und Martina Haase¹
(1)
Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Karlsruhe, Deutschland
(2)
Center for Environmental Systems Research (CESR), Universität Kassel, Kassel, Deutschland
Christine Rösch (Korrespondenzautor)
Email: christine.roesch@kit.edu
Rüdiger Schaldach
Email: schaldach@usf.uni-kassel.de
Jan Göpel
Email: jan.goepel@usf.uni-kassel.de
Martina Haase
Email: martina.haase@kit.edu
Das Konzept der Nachhaltigkeit hat sich aus einer Handlungsanleitung für die Forstwirtschaft zu einem global anerkannten Ziel-Konsens entwickelt. Das gilt spätestens, seit die Vereinten Nationen die universellen Nachhaltigkeitsziele (SDGs) beschlossen und vereinbart haben, diese gemeinsam zu erreichen (UN 2017). Dennoch gibt es eine große Diskrepanz hinsichtlich dessen, was als nachhaltig bezeichnet wird. Nicht alles, was sich nachhaltig nennt, erfüllt die ökonomischen, ökologischen und sozialen Anforderungen der Nachhaltigkeit.
Die Entwicklung nachhaltiger Wirtschaftsweisen und Gesellschaften bringt Veränderungen mit sich und erhöht die Komplexität von politischen und strategischen Entscheidungen. Das liegt an der Vielschichtigkeit der Systeme und deren nichtlinearen und dynamischen Interaktionen und Rückkopplungen sowie Zielkonflikten. Hinzu kommt, dass die Umsetzung des Leitbilds einer nachhaltigen Entwicklung von einem grundlegenden Dilemma geprägt ist. Mit seinen positiven Zielsetzungen wie Umweltschutz oder globale Gerechtigkeit stößt es auf breite Zustimmung. Wenn es jedoch darum geht, betriebliche und volkswirtschaftliche Prozesse oder gar individuelles Verhalten zu ändern, entstehen massive Interessenskollisionen auf unterschiedlichen Ebenen.
1.1 Definition und historische Entwicklung
Der Begriff der Nachhaltigkeit geht auf den Freiberger Oberberghauptmann Carl von Carlowitz (1645–1714) und die Waldwirtschaft zurück (Carlowitz HC 2000). Carlowitz zufolge sollte in einem Wald nur so viel abgeholzt werden wie nachwachsen kann. Damit sollte der Raubbau am Wald verhindert und seine Regenerationsfähigkeit sichergestellt werden. Die Rede war von einer „klugen Art der Waldbewirtschaftung und einer „nachhaltenden
Nutzung des Waldes. Das Prinzip Nachhaltigkeit sollte sicherstellen, dass ein regeneratives, natürliches System in seinen wesentlichen Eigenschaften dauerhaft erhalten bleibt. Damit war der Grundstein zum Verständnis von Nachhaltigkeit als ressourcenökonomisches Prinzip gelegt.
Deutlich weiter als die auf natürliche Ressourcen begrenzte Sichtweise von Carlowitz geht die Definition der sogenannten Brundtland-Kommission, die ihren Ursprung im Brundtland-Bericht von 1987 hat. Unter Vorsitz der damaligen norwegischen Ministerpräsidentin Gro Harlem Brundtland wurde im Bericht der „World Commission on Environment and Development (WCED 1987) erstmals folgende Definition von Nachhaltigkeit festgeschrieben: „Dauerhafte Entwicklung ist Entwicklung, die die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, dass künftige Generationen ihre Bedürfnisse nicht befriedigen können.
Inhaltlich ist bei dieser Definition der Aspekt der räumlichen wie zeitlichen (zwischen heutigen und zukünftigen Generationen) Gerechtigkeit maßgebend. Vorrangiges Ziel ist eine gerechtere Verteilung von Wachstum und Wohlstand sowie der Lebenschancen und -qualität, damit die Kluft zwischen reichen Industriestaaten und armen Entwicklungsländern nicht weiter zunimmt. Die Brundtland-Definition ist seit den 1980er Jahren das politische Leitprinzip für eine nachhaltige Entwicklung.
Einige Jahre später verständigte sich die internationale Staatengemeinschaft auf der UN-Konferenz zu Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro auf das Leitbild der nachhaltigen Entwicklung (Sustainable Development). In der Rio-Deklaration von 1992 wird hervorgehoben, dass die Ressourcen der Erde künftig so zu nutzen seien, dass alle Länder gerechte Entwicklungschancen erhalten, ohne dass dadurch die Entfaltungschancen zukünftiger Generationen geschmälert würden (UN 1992).
Im Jahr 2000 wurde auf der Millenniumskonferenz der Vereinten Nationen die Millenniumserklärung mit vier programmatischen Handlungsfeldern für die internationale Politik definiert:
Frieden, Sicherheit und Abrüstung,
Entwicklung und Armutsbekämpfung,
Schutz der gemeinsamen Umwelt und
Menschenrechte, Demokratie und gute Regierungsführung.
Aus dieser Erklärung leitete eine Arbeitsgruppe aus Vertretern der UNO, der Weltbank, der OECD und mehreren NGOs im Jahr 2001 acht internationale Entwicklungsziele ab, Diese acht Ziele für das Jahr 2015 wurden als Millennium-Entwicklungsziele (englisch: Millennium Development Goals, MDGs) bekannt (Abb. 1.1).
../images/489961_1_De_1_Chapter/489961_1_De_1_Fig1_HTML.pngAbb. 1.1
Millennium-Entwicklungsziele für das Jahr 2015.
(Quelle: Vereinte Nationen 2015)
Die Umsetzung der von Kritikern als überambitioniert und unrealistisch bezeichneten MDGs stellte die Weltgemeinschaft vor enorme Herausforderungen. Auch wurde bemängelt, dass die Industriestaaten den Entwicklungsländern mit den Millenniumszielen vorschreiben würden, was diese zu tun hätten. Dennoch konnten die UN nach Ablauf des gesteckten Zeitraums von 15 Jahren eine positive Bilanz zum Erreichen der MDGs ziehen (Vereinte Nationen 2015).
In Anlehnung an den Entwicklungsprozess der MDGs und mit der Überzeugung, dass sich die globalen Herausforderungen nur gemeinsam lösen lassen, wurde im Jahr 2015 von den Vereinten Nationen die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung beschlossen. Im Unterschied zu den MDGs, die insbesondere für die Entwicklungsländer relevant waren, gilt die Agenda 2030 für alle Staaten gleichermaßen, also für Entwicklungs-, Schwellen- und Industrieländer. Das Kernstück der Agenda 2030 bildet ein ehrgeiziger Katalog mit 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs), die bis 2030 umgesetzt werden sollen (UN 2017; Abb. 1.2). Die 17 SDGs berücksichtigen erstmals alle drei Dimensionen der Nachhaltigkeit: Soziales, Umwelt, Wirtschaft. Sie sind gleichwertig, unteilbar und bedingen einander.
../images/489961_1_De_1_Chapter/489961_1_De_1_Fig2_HTML.pngAbb. 1.2
Nachhaltigkeitsziele „Sustainable Development Goals" der Vereinten Nationen (Grafik: Bundesregierung)
Die 17 SDGs wurden in 169 Unterziele aufgeteilt. Dazu gehören 232 Indikatoren, die Auskunft über den Grad der Zielerreichung geben sollen. Dieser globale Indikatorenrahmen wurde von der „Inter-Agency and Expert Group on SDG Indicators (IAEG-SDGs)" entwickelt und von der Generalversammlung der Vereinten Nationen im Juli 2017 verabschiedet (UN 2017).
1.2 Nachhaltigkeitspolitik
Die deutsche Nachhaltigkeitspolitik orientiert sich – abgestimmt mit der europäischen und internationalen Politik – an den Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen. In ihrem Zentrum steht die „Nationale Nachhaltigkeitsstrategie" mit konkreten Zielen und klar definierten Indikatoren zur Messung der Zielerreichung (Bundesregierung