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Software Due Diligence: Softwareentwicklung als Asset bewertet
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Software Due Diligence: Softwareentwicklung als Asset bewertet

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Dieses praxisnahe Buch gibt einen Einblick in die Besonderheiten und vermeintlichen Geheimnisse der Softwareentwicklung. Dabei werden Methoden aufgezeigt, um die in der Softwareentwicklung versteckten Vermögenswerte zu ermitteln und transparent zu machen.
Software durchdringt immer mehr Bereiche in Industrie und Wirtschaft. IT-Management und Softwareentwicklung, die aktuell vielerorts noch als reine Unterstützungs-Funktionen betrachtet werden, könnten sich im Zuge der Digitalisierung in den nächsten Jahren in vielen Unternehmen zu Kernkompetenzen entwickeln. Um hierfür die aus unternehmerischer Sicht richtigen Weichenstellungen vornehmen zu können, ist eine Positionsbestimmung die Voraussetzung.  Die Zielgruppen
Das Buch richtet sich an Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Investoren, Business-Angels, M&A-Verantwortliche bei Banken sowie Inhaber und Geschäftsführer von Softwareunternehmen oder Unternehmen, in denen die Softwareentwicklung einen wesentlichen Beitrag zur Wertschöpfung liefert.
LanguageDeutsch
Release dateNov 2, 2017
ISBN9783662530627
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    Software Due Diligence - Christian Demant

    © Springer-Verlag GmbH Deutschland 2018

    Christian DemantSoftware Due Diligencehttps://doi.org/10.1007/978-3-662-53062-7_1

    1. Einleitung

    Christian Demant¹ 

    (1)

    Stuttgart, Deutschland

    Versuchen Sie sich ein mittelständisches Softwareunternehmen mit insgesamt 50 Mitarbeitern vorzustellen. Wie hoch schätzen Sie den Lagerbestand? Wie viel Zeit dürfte ein Rundgang durch die Produktionsstätten in Anspruch nehmen?

    Beide Fragen erscheinen zu Recht etwas seltsam. Bei der ersten Frage versucht man sich anschaulich vorzustellen, welche Waren und halbfertigen Erzeugnisse in einem Lager eines Softwareunternehmens auf die Auslieferung bzw. Weiterverarbeitung warten könnten. Erfahrene Computer-Nutzer werden sich vielleicht an die etwa einen halben Schuhkarton großen, mit Folie verschweißten Pappschachteln erinnern, in denen noch bis vor einigen Jahren Betriebssysteme und Anwendungssoftware auf einem Datenträger zusammen mit ein paar Handbüchern zum Kunden geliefert wurden. Wie viele dieser Schachteln lassen sich wohl in einem 50 Quadratmeter großen Raum mit Standard Deckenhöhe und einem halben Dutzend Industrieregalen stapeln? Mitglieder der so genannten „Generation Z", die nach 1995 geboren sind, werden die Frage nach dem Lagerbestand vermutlich überhaupt nicht verstehen, weil sie abseits vom Download keinen anderen Lieferweg mehr für Software kennen.

    Widmen wir uns der zweiten Frage, dem Rundgang durch die Produktionsstätten. Die „Produktion" erfolgt in Softwareunternehmen üblicherweise durch Entwickler an einem PC-Arbeitsplatz im Rahmen einer sitzenden Tätigkeit. Der Gesetzgeber sieht in den Regelungen zum Arbeitsschutz mindestens zwölf Quadratmeter Bürofläche pro Mitarbeiter in einem Großraumbüro vor. Kompakt angeordnet lässt sich ein Team von z. B. drei Dutzend Softwareentwicklern auf knapp 400 Quadratmeter Bürofläche unterbringen, was einer üblichen Flächengröße bei Büroimmobilien in den Großstädten entspricht. Eine Begehung dieses einen Büros sollte ein Durchschnitts-Erwachsener auch ohne Sportabzeichen in wenigen Minuten erledigen können. Auch die zweite Frage erscheint daher merkwürdig, sowohl anlässlich der Wortwahl als auch aufgrund des verschwindend geringen Zeitbedarfs, um die angesprochene Aufgabe zu erledigen.

    In allen mir vorliegenden Fachbüchern und Abhandlungen zum Thema Unternehmensanalyse bzw. Due Diligence lassen sich Ausführungen zu den eingangs dieses Kapitels gestellten zwei Fragen finden. Die einschlägige Fachliteratur beschäftigt sich ausführlich mit Fragen der Produktions- und Lagerkapazitäten, wirft dabei besorgt einen Blick auf die Ausschussquoten in der Produktion und fordert von den Due Diligence Teams zur Informationsgewinnung eine ausführliche Besichtigung der Produktions- und Betriebsstätten. Diese Themenauswahl zeigt eine etwas überholte, Maschinenbau zentrierte Denkweise, die unterstellt, dass die produzierten Güter mindestens ein umbautes Volumen von zehn Kubikmetern einnehmen und dass für deren Produktion mehrere Gebäude in Sporthallen-Dimension mit Deckenkran erforderlich sind. Verweise auf die Prüfung und Analyse „komplexer Technologien finden sich in der Literatur, wenn überhaupt, nur an untergeordneter Stelle. Vor diesem Hintergrund ist es durchaus nachvollziehbar, warum der bereits erwähnte M&A-Experte, mit dem ich mich über die Bewertung von Software und Softwareentwicklung unterhalten hatte, meine Frage nach der Vorgehensweise mit „Pi mal Daumen beantwortete. Das Thema Software scheint in der Praxis der Due Diligence noch nicht so richtig angekommen zu sein. Das möchte ich mit diesem Buch ändern.

    1.1 Sinn und Zweck einer Due Diligence

    Die „Due Diligence hat sich als ein multidimensionales Analyseinstrument zur Aufdeckung von Chancen und Risiken im Zusammenhang mit Unternehmenstransaktionen bewährt. Der Begriff Due Diligence findet mit seiner wörtlichen Übersetzung der „gebührenden Sorgfalt weder im englischen noch im deutschen Sprachgebrauch eine direkte Verwendung. In der Fachsprache der Betriebswirte und Juristen wird unter einer Due Diligence eine gründliche und systematische Analyse eines Unternehmens verstanden. Eine Vielzahl von Übersetzungen stellt sogar eine direkte Verbindung zur Transaktionspraxis her, indem von Prospektprüfung, Kaufprüfung oder Wertfeststellungsverfahren die Rede ist. Folgt man den Ausführungen des Due Diligence Spezialisten Wolfgang Koch, dann sind aufgrund der Gleichheit der Vorgehensweise, der verwendeten Verfahren und der zum Einsatz kommenden Analyseinstrumente die Begriffe Due Diligence und Unternehmensanalyse insbesondere im Rahmen einer Unternehmensbewertung „synonym verwendbar". [1]

    Eine Due Diligence wird in der Regel anlassbezogen durchgeführt, Inhalt und Schwerpunkt der Analyse werden durch den jeweiligen Zweck konkretisiert. Das wichtigste Anwendungsgebiet einer Due Diligence ist die Vorbereitung von Unternehmensakquisitionen. Für den Verkauf von Unternehmen oder Unternehmens-Anteilen oder z. B. für die Durchführung einer Venture Capital Finanzierung ist eine Bewertung des Unternehmens die elementare Voraussetzung. Unternehmensbewertungen sind allerdings keine triviale Angelegenheit. Ein Grund hierfür ist, dass es ausgerechnet im überregulierten Deutschland an klaren gesetzlichen Regelungen zu diesem wichtigen Thema fehlt. Orientierung bietet sich den üblicherweise mit Bewertungen beauftragten Wirtschaftsprüfern durch die von einem Experten-Gremium aufgestellten Bewertungs-Grundsätze.¹ Die auch von staatlicher Seite anerkannten Richtlinien stellen jedoch lediglich einen branchenneutralen Rahmen für die Herangehensweise bei einer Bewertung dar. Viele Detailfragen bleiben unbeantwortet und der Verantwortung des Bewerters überlassen.

    Erschwerend kommt hinzu, dass jede Art von Unternehmensbewertung zwangsläufig mit einem Unsicherheitsproblem behaftet ist, da auf Seiten des betrachteten Unternehmens vorgenommene Planungen eine wichtige Einflussgröße darstellen. Planungen unterliegen jedoch grundsätzlich einer Wahrscheinlichkeit. Absolute Sicherheit gibt es nicht, aber das Maß an vorhandener Unsicherheit lässt sich durch sorgfältige Informationsbeschaffung und Analyse reduzieren. An diesem Punkt übernimmt die Due Diligence ihre wichtige Funktion. Mit einer sorgfältig durchgeführten Due Diligence verbessert sich die Datenbasis für eine Bewertung und die Stakeholder wissen, was sie erwartet.

    Eine Due Diligence kann auch ohne konkreten Anlass auf freiwilliger Basis durchgeführt werden. Ein Unternehmen simuliert für sich intern einen bevorstehenden Akquise-Prozess und stellt sich testhalber den Anforderungen des M&A-Marktes. Die Due Diligence dient dabei dem Unternehmen zur eigenen Positionsbestimmung und hilft Stellen mit Verbesserungspotenzial zu identifizieren, indem die Verantwortlichen sich temporär die Sicht eines externen Kaufinteressenten zu eigen machen. Regelmäßig durchgeführt können die im Rahmen der Analyse generierten Daten über den Ist-Zustand des Unternehmens als Eingangssignal für das Aufbauen eines Regelkreises verwendet werden. Eine Due Diligence als Führungsinstrument bzw. „Check-up" einzusetzen ist auch aus meiner Sicht eine sehr hilfreiche Anwendungsart.

    1.2 Besonderheiten bei der Analyse von Softwareunternehmen

    Eine umfangreiche Unternehmensanalyse erstreckt sich über viele Teilbereiche. Neben betriebswirtschaftlichen, rechtlichen und steuerlichen Fragestellungen müssen im Rahmen einer Analyse auch unternehmensspezifische technische Aspekte begutachtet werden. Hier kommen die Wirtschaftsfachleute verständlicherweise an ihre Grenzen, denn technisch orientierte Teilbereiche einer Due Diligence können nur mit einschlägigem Fachwissen beurteilt werden.

    Insbesondere Softwareunternehmen stellen ein Due Diligence Team vor sehr spezifische Herausforderungen, denn die Herstellung von Software unterscheidet sich beträchtlich von traditionellen Produktionsprozessen und in der Softwarebranche gelten im Vergleich zu anderen Branchen sehr spezielle Spielregeln. Die Frage nach Lagerkapazitäten z. B. wird bei den Verantwortlichen in einem Softwareunternehmen maximal Kopfschütteln hervorrufen. Auch sollte eine Besichtigung der „Produktionsstätten" in kleinen und mittleren Betrieben nur selten zeitaufwändig sein, denn gerade im Bereich der Mittelständler gibt es viele Hightech-Software-Schmieden, die die gesamte (Software-)‌Produktion bzw. Entwicklung in einem ungefähr 150 Quadratmeter großen Büro erfolgreich unterbringen.

    Nachfolgend möchte ich exemplarisch einige besondere Merkmale von Softwareunternehmen auflisten:

    Minimale Gründungskosten: Abseits der üblichen Personalkosten sind die erforderlichen Anfangs-Investitionen bei Gründung eines Software-Startups meistens gering. Für viele Geschäftsmodelle reicht es, über einen schnellen Internet-Anschluss zu verfügen, die Mitarbeiter jeweils mit einem leistungsfähigen Notebook auszustatten und eine gängige Entwicklungsumgebung zu lizensieren. Die Verfügbarkeit unterschiedlichster Cloud-Services, die auch im Entwicklungsprozess eingesetzt werden können, reduziert den Kapitalbedarf noch weiter und eröffnet auch kleinen Unternehmen den Zugang zu einer IT-Infrastruktur, die sich vor zehn Jahren nur finanzstarke Großunternehmen leisten konnten.

    Abstrakte Geschäftsmodelle: Die Anzahl der möglichen Geschäftsmodelle ist ähnlich schwierig zu überblicken wie die Zahl möglicher Anwendungsgebiete für Software. Softwareunternehmen bedienen sich bei der Vermarktung ihrer Software sehr unterschiedlicher Lizensierungsmodelle: Abo, pay per use, Festpreis, Site-, OEM-, Einzelplatz- oder Mehrfach-Lizenz, pay per download, in-app payment, Abrechnung nach Datenvolumen, Anzahl von Events oder Nutzungszeiten. Softwareunternehmen sind meistens in der Lage, ihr Geschäftsmodell kurzfristig zu ändern. Digitale Ökosysteme spielen in den Geschäftsmodellen zunehmend eine wichtige Rolle.

    Immaterielle Vermögenswerte: Die Mitarbeiter und die Rechte am geistigen Eigentum bilden in Softwareunternehmen die wesentlichen Vermögenswerte. Die Bedeutung der Produktionsmittel ist gering.

    Hohe Skalierbarkeit: Auch kleine Teams können bei fast gleichbleibend niedrigen Produktionskosten in großem Umfang weltweit Software verkaufen und innerhalb kurzer Zeit sehr hohe Kunden- bzw. Nutzerzahlen erreichen.

    Indirekte Abhängigkeiten: Softwareunternehmen sind oftmals von externen Parteien abhängig, obwohl zu diesen keine Geschäftsbeziehung unterhalten wird. Beispiele hierfür sind die Nutzung von Open Source Software und die Einbindung von lizenzkostenfreien Web Services.

    Hohe Dynamik: Sowohl die Technologien als auch die Märkte entwickeln sich in der Softwarebranche äußerst dynamisch. Neue Technologien kommen auf den Markt, bestehende Technologien ändern sich häufig, nicht mehr wettbewerbsfähige Technologien werden von den Anbietern kurzfristig wieder vom Markt genommen.

    Hohe Komplexität: Die professionelle Herstellung von hoch-qualitativer Software ist ein vielschichtiger und intellektuell anspruchsvoller Prozess. Viele Entwicklerteams scheitern an der Komplexität und müssen Softwareprojekte vor Fertigstellung abbrechen.

    Hohe Mobilität des Wissens: Mitarbeiter, die einen Großteil des Wissens in ihren Köpfen haben, können abgeworben werden oder verlassen das Unternehmen von sich aus. Softwareunternehmen können wichtige Erfolgsfaktoren kurzfristig verlieren.

    Jedes einzelne der hier aufgeführten charakteristischen Merkmale eines Softwareunternehmens leistet einen Beitrag zur Differenzierung von den traditionellen Herstellungsprozessen. Auch ohne Kenntnis der sehr spezifischen Eigenheiten der Herstellung von Software sollte klar sein, dass die übliche Herangehensweise bei der Analyse traditioneller Produktionsbetriebe bei Anwendung auf ein Softwareunternehmen kaum belastbare Ergebnisse liefern kann. Eine differenzierte Sachlage erfordert eben eine differenzierte Herangehensweise. Finden die spezifischen Besonderheiten der Herstellung und Vermarktung von Software bei der Analyse keine angemessene Berücksichtigung, dann sind Enttäuschungen und Fehlentscheidungen vorprogrammiert. Es kommt daher in der Praxis gar nicht so selten vor, dass sich einige Monate nach einer Unternehmensakquisition die erworbene Software zusammen mit der dahinterstehenden Softwareentwicklung überraschend als wertlos herausstellt.

    1.3 Was dieses Buch leistet

    Eine professionelle Produktion ist auch bei der Herstellung von Software Voraussetzung für hochqualitative Erzeugnisse. Um sich einer realistischen Beurteilung eines Softwareunternehmens anzunähern, sind eine detaillierte Kenntnis des Stands der Technik und der branchenüblichen Risiken, denen die Unternehmen, das Management und die Entwickler bei der Implementierung von Software ausgesetzt sind, Voraussetzung.

    Die einschlägigen Richtlinien zur Bewertung immaterieller Vermögenswerte sehen für die Begutachtung technologieorientierter Betriebe das Einholen von Expertenrat vor. Das Buch setzt genau an dieser Schnittstelle zum „normalen" Due Diligence Prozess an und betrachtet die besonderen Gegebenheiten bei der Analyse eines Herstellers von Software. Aus meiner langjährigen Erfahrung als Unternehmer und Softwareentwickler zeige ich auf, worauf bei der Analyse eines Softwareunternehmens zu achten ist, an welchen Stellen sich wertreibende Faktoren finden lassen und durch welche Defizite Werte vernichtet werden. Due Diligence Teams, die sich an dem im Buch vorgestellten Analyse-Prozess orientieren, sollten bei der Beurteilung von Softwareunternehmen zu besseren Ergebnissen kommen und könnten ihren Auftraggebern zukünftig so manche unangenehme Überraschung ersparen.

    1.4 Für wen dieses Buch geschrieben ist

    Ob Unternehmenskauf oder -verkauf, ob Umstrukturierung, Sanierung, Nachfolgeregelung oder Erbauseinandersetzung: Das Buch adressiert primär die Personen, die in klassische, anlassbezogene Due Diligence Prozesse beruflich involviert sind und zunehmend mit Fragestellungen in Bezug auf Software und Softwareentwicklung konfrontiert werden. Dazu zähle ich Wirtschaftsprüfer, einschlägig qualifizierte Steuerberater und Unternehmensberater, die die Besonderheiten der Softwarebranche kennenlernen möchten.

    Das Buch sollte auch den Auftraggebern von Unternehmensanalysen wertvolle Hinweise liefern. Hierbei denke ich an Investoren jeder Art, sowohl institutionelle als auch private. Analyse und Bewertung von Unternehmen spielen auch immer eine Rolle bei Rating, Bonitätsbeurteilung und Kreditvergabe. Spezialisten in diesen Bereichen werden mit den in diesem Buch gewährten Einblicken in die Softwareentwicklung zukünftige Geschäftsvorgänge mit Softwareunternehmen aus einem neuen, möglicherweise kritischeren Blickwinkel betrachten.

    Wie bereits besprochen kann eine Due Diligence auch rein unternehmensintern als Führungswerkzeug verwendet werden. Software Due Diligence adressiert daher ganz allgemein Unternehmer, Inhaber und Geschäftsführer von technologieorientierten Unternehmen, die selbst keinen und nur einen geringen Zugang zu Software- und IT-Themen haben und die aus neutraler Expertensicht erfahren möchten, wie nach Stand der Technik effizient Software hergestellt wird. Die in diesem Buch geführte Diskussion über die üblichen Schwachstellen in Softwareunternehmen sollte in vielen Firmen den Ausgangspunkt für Wert steigernde Optimierungsmaßnahmen bilden können.

    Besonders hilfreich sollten meine Ausführungen sein, wenn geplant ist das Unternehmen oder Anteile daran in naher Zukunft zu verkaufen. Es ist absolut üblich, dass Inhaber keine Erfahrung mit dem Thema M&A haben, schließlich verkauft ein Unternehmer seinen Betrieb nicht wiederkehrend, sondern in der Regel genau einmal. Viele Inhaber überschätzen darüber hinaus im Vorfeld eines Verkaufs den Wert der eigenen Software-Entwicklungen, weil ihnen die erforderlichen Fachkenntnisse für eine objektive Beurteilung der Arbeitsergebnisse der Mitarbeiter fehlen. Das Buch bietet in dieser Situation Anregungen für einen grundlegenden Perspektivenwechsel. Mit dem Wissen, worauf es Investoren bei der Analyse von Softwareunternehmen ankommt, lassen sich die Verkaufsverhandlungen und der Due Diligence Prozess zum Zwecke einer Wertsteigerung rechtzeitig professionell vorbereiten.

    Selbst für fachkundige Abteilungs- und Teamleiter in der Softwareentwicklung sollte das Buch eine nützliche Positionsbestimmung ermöglichen, schließlich kann eine Zweitmeinung nie schaden. Das Buch Software Due Diligence ist prädestiniert für neu eintretende Vorstände, Geschäftsführer, Bereichs- oder Abteilungsleiter, die erstmals Führungsverantwortung im Bereich Softwareentwicklung (mit) übernehmen und sich schnell in ihr neues Verantwortungsgebiet einarbeiten möchten.

    Aufgrund der kontinuierlich ansteigenden Bedeutung von Software in Gütern und Produkten sollte es zwangsläufig mehr Interesse an einer Software Due Diligence geben. Das Buch sollte daher einer wachsenden Anzahl von Lesern interessante Informationen liefern.

    1.4.1 Anredeform

    Anstelle „Programmiererin und Programmierer oder „Gutachterin und Gutachter verwende ich im Buch zwecks Vereinfachung immer nur die männliche Form. Wenn also im Buch z. B. von einem Softwareentwickler die Rede ist, dann möchte ich ausdrücklich betonen, dass ich damit auch die geschätzten Softwareentwicklerinnen selbstverständlich miteinschließe.

    1.5 Was dieses Buch nicht bietet

    Due Diligence steht synonym für Unternehmensanalyse und ausdrücklich nicht für Unternehmensbewertung. Das Buch liefert daher keine Arbeitsanweisung für die Berechnung eines reellen Euro-Wertes für ein Softwareunternehmen. Eine konkrete Bewertung eines Softwareunternehmens ist eine komplexe und vielschichtige Aufgabe, die nur in Kooperation zwischen Wirtschaftsfachleuten und Software-Experten durchgeführt werden kann. Im Buch wird detailliert beschrieben, welcher Weg bei der Analyse eingeschlagen werden muss, um sich dem Wert eines Unternehmens zu nähern. Eine Software Due Diligence ist eine notwendige Voraussetzung für jede Form von seriöser Bewertung eines Softwareunternehmens.

    Aufgrund der großen Bandbreite der Software-Industrie können in einem Buch unmöglich alle Aspekte und Sonderfälle bei der Entwicklung der unterschiedlichsten Software berücksichtigt werden. Ich bin mir bewusst, dass einige Fachexperten insbesondere in Nischenbereichen der Softwareentwicklung meine Darstellung als unvollständig ansehen werden. Aufgrund meiner langjährigen Tätigkeit im Bereich der technisch orientierten Softwareentwicklung lässt sich eine gewisse Ausrichtung meiner Ausführungen in Richtung industrieller Anforderungen sicher nicht verleugnen. Das sollte allerdings kein Nachteil sein, denn technisch orientierte Software spielt in den hochentwickelten Industriestaaten wie Deutschland traditionell eine große Rolle und wird auch für eine erfolgreiche Umsetzung des Zukunftsprojektes Industrie 4.0 von zentraler Bedeutung sein. Diejenigen Leser, die ihr Spezialgebiet zu wenig berücksichtigt sehen, mögen mir dies nachsehen.

    Im Sinne einer guten Lesbarkeit bediene ich mich diverser Vereinfachungen. So steht bei meinen Ausführungen der Hersteller genau eines Standards-Softwareproduktes im Mittelpunkt der Betrachtungen. Zusätzlich habe ich mich entschieden, die mit der Softwareentwicklung verbundenen möglichen Dienstleistungen nur oberflächlich zu betrachten. Ich möchte nicht ausschließen, dass ich in einer zukünftigen Ausgabe des Buches in einigen meiner Betrachtungen weiter differenzieren und zusätzliche Aspekte aufnehmen werde. Anregungen hierzu nehme ich gerne dankend entgegen.

    Eine wichtige Klarstellung möchte ich noch anfügen: Software Due Diligence ist nicht „IT Due Diligence". Eine IT Due Diligence befasst sich mit einer Analyse der IT-Infrastruktur eines Unternehmens.

    1.6 Wie dieses Buch strukturiert ist

    Den Anfang der Ausführungen bildet die Herleitung eines Berechnungsverfahrens für den Wert eines Softwareunternehmens. Die Ausgangsbasis hierfür liefert das Ertragswertverfahren, das sich in der Unternehmensbewertung bewährt hat und entsprechend weit verbreitet ist. Ausgehend von der Erläuterung eines üblichen Bewertungsprozesses wird die Notwendigkeit der Durchführung einer Software Due Diligence aufgezeigt. Im nachfolgenden Kapitel wird vorgestellt, wie die Analyse eines Softwareunternehmens rein praktisch durchgeführt werden kann. Wie holt sich ein Prüfer die benötigten Informationen? Wie kommt ein neutraler Dritter an die Interna heran?

    Anschließend stelle ich in fünf Kapiteln ausführlich den Software-Entwicklungsprozess dar. Die Reihenfolge der Betrachtungen orientiert sich dabei an den logischen Abhängigkeiten. Ausgangspunkt für jede Art von Softwareentwicklung bilden die Mitarbeiter im Unternehmen. Die Mitarbeiter bzw. Entwickler (siehe Kap.​ 4) arbeiten mit Unterstützung von Werkzeugen (siehe Kap.​ 5) innerhalb eines übergeordneten Ordnungsrahmens aus Prozessen (siehe Kap.​ 6) und erzeugen mit ihrer Arbeitsleistung den Programmcode (siehe Kap.​ 7), aus dem eine (lauffähige) Anwendung generiert wird (siehe Kap.​ 8).

    Grundsätzlich steht das Aufdecken von Risiken und die Identifikation von Schwachstellen jeweils im Mittelpunkt der nachfolgenden Betrachtungen. Mit fortgeschrittener Programmier- und Management-Erfahrung lassen sich bei der Begutachtung eines Softwareunternehmens viele typische Probleme entdecken, die im Zuge einer Bewertung mindestens zu einer Abwertung führen müssen. Bei der Betrachtung des Software-Entwicklungsprozesses geht es aber auch ganz allgemein darum, einen Blick hinter die Kulissen zu werfen. In den Kapiteln „Entwicklertools, „Prozesse für die Softwareentwicklung und „der Quellcode werden daher die üblichen „Best Practices sowie der Stand der Technik ausführlich eingeführt und erläutert.

    1.7 Begriffe, verwendete Sprache

    Die Software-Industrie ist voll von Anglizismen und kryptischen Abkürzungen. Schon nach kurzer Recherche kann man auf skurrile Satzkonstruktionen treffen, die Fachbegriffe wie Build, Deployment, DevOps, Load Balancing, Microservice und Storage in zwei Zeilen zu einer aus Expertensicht sinnvollen Aussage kombinieren.

    Leider lässt sich Fachvokabular in der Auseinandersetzung mit Softwarethemen nicht vermeiden. Ich versuche jedoch die Begriffe einzuführen und die Bedeutung von Abkürzungen bei der erstmaligen Verwendung zu erläutern. Abkürzungen nutze ich im Text nur, wenn diese innerhalb der Softwarebranche im üblichen Sprachgebrauch verwendet werden. Im Zweifel schreibe ich die Begriffe im Sinne einer besseren Lesbarkeit aus. Entsprechend der Zielgruppe des Buches ist es mir bei meinen Ausführungen zu den Themen Software und Softwareentwicklung ein wichtiges Anliegen, auch Lesern ohne tiefere IT-Kenntnisse wertvolle Informationen zu geben.

    1.7.1 IT/ITK

    Der Fokus dieses Buchs liegt dem Titel entsprechend auf der Betrachtung von Unternehmen, die Software herstellen. Software ist im Bereich Informationstechnik (IT, häufig synonym auch englisch „Information Technology") angesiedelt und von reiner IT ist es auch nicht mehr weit zu Informations- und Telekommunikationstechnologie (ITK, manchmal auch IKT). Wer heute ein technologieorientiertes Unternehmen gründet, wird sich häufig unter allen drei Oberbegriffen wiederfinden, dem Geschäftszweck entsprechend mit unterschiedlicher Ausprägung. Auf eine Unterscheidung zwischen IT und ITK verzichte ich allerdings bewusst, weil es die Abkürzung ITK im Gegensatz zu IT definitiv nicht in den üblichen Sprachgebrauch geschafft hat. Ich tendiere dazu, den Begriff IT-Unternehmen zu verwenden für Betriebe, deren Kernkompetenz ganz klar in der Software liegt, die aber einen nicht unbeträchtlichen Teil ihrer Wertschöpfung mit der Herstellung, dem Veredeln, dem Handel und/oder der Vermietung von Hardware-Komponenten generieren. Bitte sehen Sie es mir nach, wenn meine Wortwahl nicht immer 100 % stimmig ist.

    Literatur

    [1]

    Koch W (2011) Praktiker-Handbuch Due Diligence. 3. Aufl. Schäffer-Poeschel, Stuttgart, S 181

    Fußnoten

    1

    Die Bewertungs-Grundsätze finden sich in so genannten „Verlautbarungen" des Instituts der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V. (abgekürzt IDW). Das IDW ist ein eingetragener Verein mit Sitz in Düsseldorf, in dem über 80 % der Wirtschaftsprüfer in Deutschland organisiert sind.

    © Springer-Verlag GmbH Deutschland 2018

    Christian DemantSoftware Due Diligencehttps://doi.org/10.1007/978-3-662-53062-7_2

    2. Wert der Software

    Christian Demant¹ 

    (1)

    Stuttgart, Deutschland

    2.1 Einführung

    Der Wert einer Software bezieht sich nicht auf das, was als Preis mit einem Aufkleber auf der DVD-Kunststoff-Hülle oder im App-Store im Beschreibungstext unterhalb des Anwendungs-Icons angegeben ist. Als Wert betrachte ich überschlägig den Unternehmenswert eines Softwareunternehmens, der sich aus diversen Vermögenswerten zusammensetzt. Ein wesentlicher Werttreiber ist das vom Unternehmen hergestellte Softwareprodukt inklusive des dafür bereits implementierten Quellcodes. Darüber hinaus gehört auch das über die Jahre kumulierte Entwicklungs-Know-how in der dahinterstehenden Softwareentwicklung angemessen bei jeglicher Bewertung berücksichtigt.

    Die wenigsten Angestellten werden sich in ihrem Berufsleben jemals Gedanken zum Thema Unternehmensbewertung machen, zumal 2015 lediglich 15,3 % dieser Berufsgruppe in Deutschland über Aktienbesitz verfügten. [6] Das trifft ganz besonders auf angestellte Softwareentwickler zu, die um (betriebs-)‌wirtschaftliche Fragestellungen gerne einen großen Bogen machen (siehe Abschn.​ 4.​1.​14). Mit der Übernahme von unternehmerischer Verantwortung sieht das erfahrungsgemäß anders aus. Ich kann mich an meinen ersten Kontakt mit dem Thema noch gut erinnern und möchte diesen an den Beginn dieses Kapitels stellen.

    Praxis

    Mit dem Thema Unternehmensbewertung wurde ich erstmals ca. fünf Jahre nach dem Sprung in die Selbständigkeit konfrontiert. Auf einer Fachmesse sprach mich ein Manager eines größeren börsennotierten US-Hightech-Unternehmen recht unverblümt auf eine mögliche Akquisition an und lud mich zu einem vertiefenden Gespräch in sein Headquarter ein. Wir tauschten per E-Mail ein paar betriebswirtschaftliche Informationen aus, unterzeichneten gegenseitig ein Non-Disclosure Agreement (abgekürzt NDA), und schon wenige Wochen nach der ersten Begegnung saß ich im Flugzeug über dem Atlantik. Da sich mein damaliges Unternehmen, das ich 1993 mit einem ehemaligen Arbeitskollegen zusammen gegründet hatte, positiv entwickelte, bestand aus unternehmerischer Sicht kein Handlungsbedarf. Ich betrachtete den bevorstehenden Termin daher als relativ unverbindlich, wollte aber auf jeden Fall die Chance nutzen, den Ablauf eines Aufeinandertreffens mit einem potenziellen Käufer im Land von „Big Business" kennenzulernen. Dennoch hatte ich insgeheim die Hoffnung, vielleicht doch einen Deal abschließen zu können, der unser Unternehmen aufgrund der offenkundigen Synergien schnell in eine andere Liga hätte katapultieren können. Das mehrstündige Meeting mit dem CFO, dem temporär anwesenden CEO und weiteren Führungskräften des potenziellen Käufers war in vieler Hinsicht eine wertvolle Erfahrung.

    Selbstverständlich wurde nach einiger Zeit auch über einen möglichen Kaufpreis gesprochen. Die zentrale, für mich damals durchaus ernüchternde Erkenntnis der Diskussion über den Kaufpreis war, dass der Unternehmenswert sehr stark von der individuellen Sichtweise bzw. von den mit einer Transaktion verbundenen Zielen abhängig ist. Meine Sichtweise auf den Unternehmenswert war damals bestimmt durch optimistische Zukunftserwartungen hinsichtlich des Marktpotenzials der von mir verantworteten Software, verbunden mit der Annahme, dass sich nach der Transaktion die bestehenden Vertriebskanäle des Käufers zusätzlich nutzen ließen. Leider erwies sich meine Einschätzung hinsichtlich der Motivation der Gegenseite überraschend als komplett falsch. Das US-Unternehmen war überhaupt nicht an meinem Softwareprodukt interessiert, sondern wollte lediglich ein eingespieltes Team von hochqualifizierten jungen Technikern und Ingenieuren innerhalb eines interessanten Zielmarktes übernehmen und dort zeitnah für die eigene Organisation einspannen. Kern des Kaufangebots waren neben einer Art „Liquidationsprämie" für die Abwicklung des Unternehmens ein durchaus interessantes Job-Angebot für mich, verbunden mit einem attraktiven Übernahme-Angebot für die höher qualifizierten Mitarbeiter. Als Kaufpreis wurde eine runde Summe angeboten, die sich einprägsam kommunizieren ließ und die sich aus Sicht des Käufers gegenüber den Aktionären gut hätte vertreten lassen ohne allzu viel Aufsehen im Markt zu erregen. Bereits auf der Fahrt zurück zum Flughafen wurde mir klar, dass ich meine Software nicht für eine internationale Management-Karriere aufgeben würde.

    Die Bewertung eines Unternehmens oder ganz allgemein eines Vermögensgegenstandes ist von vielen Faktoren abhängig. Neben dem Bewertungsanlass spielt, wie im Praxisbeispiel gezeigt, auch die Motivation eines potenziellen Käufers eine entscheidende Rolle für die Bestimmung eines Wertes. Bewertungsfragen sind daher vielschichtig und gehören zu den schwierigsten betriebswirtschaftlichen Themenkomplexen. Wie ein Softwareunternehmen dennoch möglichst realistisch bewertet werden kann, welche Verfahren dabei in der Transaktionspraxis zur Anwendung kommen und welche Besonderheiten dabei in der Softwarebranche zu berücksichtigen sind, wird nachfolgend erörtert. Zielsetzung meiner Ausführungen ist es herzuleiten, an welcher Stelle in einem Bewertungsprozess eine Software Due Diligence durchgeführt werden muss und welchen Beitrag die Analyse von Software und Softwareentwicklung zu einer verbesserten Informationslage liefern kann.

    Zwecks besserer Verständlichkeit habe ich mich bei den nachfolgenden Ausführungen für diverse Vereinfachungen entschieden. Steuerliche Aspekte z. B., die möglicherweise Einfluss auf die gewählte Vorgehensweise haben könnten, lasse ich bewusst außen vor. Für eine detaillierte Auseinandersetzung mit den Themen Unternehmensbewertung und Due Diligence möchte ich auf die betriebswirtschaftliche Fachliteratur verweisen.

    2.2 Immaterieller Vermögensgegenstand Software

    Nach dem Blick auf Barbestände und Bankguthaben ist die Frage nach dem im Unternehmen vorhandenen Betriebsvermögen ein erster Ausgangspunkt für eine Wertbetrachtung. Vermögen wird gebildet durch Vermögensgegenstände, die sich in der Bilanz eines Unternehmens auf der Aktiva-Seite finden. Bei Vermögensgegenständen denkt der Laie (und besonders der Softwareentwickler) primär an die Betriebsausstattung , die im Rahmen des Anlagevermögens bilanziert wird. Es zählt zu den Besonderheiten der Softwarebranche, dass ein Unternehmen mit einer minimalen Betriebsausstattung gegründet und erfolgreich betrieben werden kann. Größter Kostenpunkt sind die leistungsfähigen Arbeitsplatz- bzw. Entwicklungsrechner inklusive der jeweils zwei Monitore für die Programmierer. Weder für die erforderlichen Büromöbel noch für die IT-Infrastruktur sind größere Anfangsinvestitionen erforderlich, wenn die heute verfügbaren leistungsfähigen Cloud-Lösungen konsequent genutzt werden. Die finanziellen Anfangshürden für die Gründung eines Softwareunternehmens sind aktuell so niedrig wie noch nie.

    Eine Betrachtung der Vermögensgegenstände im Unternehmen ist allerdings mit der Betriebsausstattung noch nicht zu Ende. Bei den Vermögensgegenständen unterscheidet man zwischen materiellen und immateriellen Vermögensgegenständen. „Immaterieller Vermögensgegenstand ist durchaus ein bemerkenswerter Bezeichner, schließlich definiert sich ein „Gegenstand normalerweise durch eine physische Ausdehnung, eine Form und ein Gewicht, das durch das Material, aus dem der Gegenstand aufgebaut ist, gebildet wird. Da ein „immaterieller Gegenstand für mich etwas Metaphysisches aufweist, verabschiede ich mich vom weit verbreiteten Begriff Vermögensgegenstand wieder und verwende nachfolgend den Bezeichner „immaterieller Vermögenswert, der in der Literatur und in den Gesetzes-Kommentaren zunehmend als Ersatzbegriff Verbreitung findet.¹

    Als immaterielle Vermögenswerte, also als Vermögenswerte ohne physische Substanz, gelten u. a.

    Computersoftware,

    Patente,

    Marken,

    Internet-Domains,

    Kundenlisten und

    Distributoren-Netzwerke.

    Ein weiteres, anschauliches Beispiel für einen immateriellen Vermögenswert stellt ein Franchise-Vertrag dar. Es ist allgemein bekannt, dass der Franchise-Nehmer z. B. einer Burger-Kette mit dem Abschluss des Franchise-Vertrages eine nicht zu vernachlässigende „Eintrittsgebühr" bezahlen muss. Aus Sicht des Franchise-Gebers stellt daher die Möglichkeit, gegen Lizenzgebühr Nutzungsrechte an den eigenen Marken einzuräumen und Burger-Brat-Know-how dem Franchise-Nehmer zu übertragen einen Wert dar, genau genommen einen immateriellen Vermögenswert.

    Sowohl die internationalen Rechnungslegungsstandards (International Accounting Standards, abgekürzt IAS) als auch das deutsche Bilanzrecht stellen gewisse Anforderungen an ein Wirtschaftsgut , sich als Vermögenswert zu qualifizieren. Als Voraussetzung gilt u. a. die Verfügungsmacht über diesen Vermögenswert (d. h. rechtliches oder wirtschaftliches Eigentum) sowie eine selbständige Verwertbarkeit, auch als Einzelveräußerbarkeit bezeichnet. Der Vermögenswert muss auch selbständig z. B. über die Herstellungs- oder die Anschaffungskosten bewertbar sein. Meine Internet-Domain „software-due-diligence.de ist ein weiteres Beispiel für einen immateriellen Vermögenswert. Es spräche nichts dagegen, die Nutzungsrechte gegen entsprechendes Entgelt an einen interessierten Dritten zu verkaufen. Für „demantindustriesoftware.de hingegen wäre eine selbständige Verwertbarkeit unabhängig von meiner gleichnamigen GmbH fraglich. Diese Domain qualifiziert sich also nicht als Vermögenswert.

    Beziehen wir die Anforderungen auf das Thema Softwareentwicklung: Eine von einem Unternehmen selbst entwickelte Standardsoftware, die am Markt Kunden im Rahmen einer Lizensierung zur Nutzung angeboten wird oder die sich komplett, d. h. in Form des Quellcodes, jederzeit veräußern ließe, stellt seit der letzten großen Reform des deutschen Bilanzrechts im Jahre 2009 („Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz , abgekürzt BilMoG) einen immateriellen Vermögenswert dar. Ein entscheidender Punkt bei dieser Zuordnung ist, dass sich aus dem Wirtschaftsgut ein künftiger wirtschaftlicher Nutzen ziehen lässt. Der wirtschaftliche Nutzen kann auch in Kosteneinsparungen liegen, die sich aus der Eigenverwendung des selbst geschaffenen immateriellen Vermögenswertes ergeben. Bei einer Eigenverwendung ist es allerdings schwieriger den Nachweis eines wirtschaftlichen Nutzens zu führen, als wenn monatlich Lizenzgebühren von Dritten fließen, die entsprechend verbucht werden. Ein von mir programmiertes Skript für das automatisierte Backup meiner Daten auf einen Filehosting-Dienst im Internet qualifiziert sich sicher nicht unmittelbar als Vermögenswert, auch wenn ich einige Zeit und Energie für die Implementierung aufgewendet habe. Dem Skript fehlt ein wirtschaftlich nutzbares Potenzial. Die Wahrscheinlichkeit, dass ich die paar Zeilen Quellcode verkaufen oder in irgendeiner Form einem Dritten ein kostenpflichtiges Nutzungsrecht einräumen könnte, ist aufgrund des überschaubaren Leistungsumfangs und der hochgradig proprietären Implementierung gering. Nur eine auch für andere Marktteilnehmer „brauchbare Software stellt einen Vermögenswert dar. Die in vielen Softwareunternehmen dutzendfach vorhandenen kleineren Tools und Skripte, die von den Entwicklern teils in wochenlanger mühsamer Kleinarbeit für den Chef oder die Sekretärin² zur besseren Bearbeitung von firmenspezifischen Verwaltungsaufgaben programmiert werden, sind sowohl mangels „Separierbarkeit " als auch mangels einfach zu quantifizierendem wirtschaftlichen Nutzen rein bilanztechnisch wertlos (siehe auch Abschn.​ 4.​1.​9). Die Programmierung von nicht wirtschaftlich verwertbarer Software fällt abgesehen von einer Ausnahme (s. u.) in die Kategorie Hobby.

    In der oben begonnenen Betrachtung der Vermögenswerte in einem Softwareunternehmen ist folglich die selbst entwickelte Software zu ergänzen. Die in der Fachterminologie des BilMoG als „selbst geschaffen" bezeichnete Software bildet in den allermeisten Softwareunternehmen den zentralen Vermögenswert, demgegenüber die bereits angeführte Betriebsausstattung wertmäßig oftmals vernachlässigbar ist. Wie wird dieser Wert konkretisiert?

    2.3 Bewertung eines Softwareunternehmens

    Wie oben bereits vorgebracht ist die Bewertung eines Unternehmens u. a. vom Bewertungsanlass abhängig. Ein möglicher Bewertungsanlass kann z. B. der Kauf oder Verkauf eines Unternehmens bzw. von Unternehmensanteilen sein oder das Ausscheiden eines Gesellschafters . In einem Erbfall interessiert sich die Finanzverwaltung für die Bewertung von betrieblichem Vermögen, bei Umsetzung von erfolgsabhängigen Entlohnungsregelungen benötigt das Management möglicherweise einen Unternehmenswert als Berechnungsbasis. Grundsätzlich existieren drei unterschiedliche Kategorien von Bewertungsmethoden :

    Einzelwertbasierte Methoden

    Marktpreisorientierte Methoden

    Kapitalwertorientierte Methoden

    Innerhalb dieser Methoden werden unterschiedliche Verfahren angewendet. Jedes Verfahren liefert einen anderen Wert. Das Berechnungsergebnis muss immer in Verbindung mit einer Wahrscheinlichkeit gesehen werden, was die Eignung des angewendeten Verfahrens für das spezifische Bewertungsobjekt betrifft. Es gibt daher keinen objektiven Unternehmenswert.

    Nachfolgend werde ich einige Verfahren kurz vorstellen und ihre jeweilige Eignung für die Bewertung eines Softwareunternehmens diskutieren. Dabei werde ich aufzeigen, an welchen Stellen die üblicherweise von Wirtschaftsprüfern durchgeführten Arbeiten bzw. Bewertungen ihre Grenzen haben. Zusätzlich werde ich begründen, warum sich nur mithilfe der Daten einer explizit durchgeführten „Software Due Diligence" die in vielen Softwarefirmen vorhandenen teils erheblichen Bewertungsrisiken zuverlässig identifizieren lassen.

    2.4 Substanzwertverfahren

    Beim Substanzwertverfahren konzentriert man sich auf die bilanzierungsfähigen Vermögenswerte zu einem Bewertungsstichtag. Ziel des Verfahrens ist es zu ermitteln, welche Mittel aufzuwenden wären, um das Unternehmen in seiner derzeitigen Ausstattung neu zu errichten. Man spricht daher auch vom Reproduktionswert. Unterstellt man vereinfacht die vorhandene Büroausstattung sowie die bereits entwickelte Software als die zentralen Vermögenswerte in einem Softwareunternehmen, dann entspräche der Substanzwert der Summe aus dem Wiederbeschaffungswert der Betriebsausstattung und der Büroeinrichtung sowie den Herstellungskosten der Software.

    Unter der Voraussetzung, dass sich die selbst entwickelte Software als Vermögenswert qualifiziert hat (s. o.), werden die für die Entwicklung tatsächlich entstandenen Aufwendungen in einem Softwareunternehmen primär anhand der Lohnkosten (Entwicklerarbeitstage) ermittelt, ggfs. unter Einbeziehung der aus Dienstverträgen mit freien Entwicklern resultierten Rechnungsbeträge. Wie Herstellungskosten im Detail zu ermitteln sind, ist im Handelsgesetzbuch detailliert geregelt (§ 255 Abs. 2 HGB), seit 2009 explizit auch für „selbst geschaffene immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens (§ 255 Abs. 2a HGB). Die Regelungen erlauben es auch die Kosten für die Weiterentwicklung der Software nach der Fertigstellung der ursprünglichen ersten Version zu berücksichtigen. Voraussetzung sind „wesentliche Änderungen, die zu einer erheblichen Verbesserung der Software führen, über den ursprünglichen Zustand (d. h. Softwareversion 1.0) hinaus.

    In der Praxis der Unternehmensbewertung spielt das Substanzwertverfahren so gut wie keine Rolle mehr. Der Ansatz erinnert stark an manche ökonomischen Überlegungen aus der vorindustriellen Zeit, als der Preis einer Ware aufgrund der Arbeit festgesetzt werden sollte, die sich in der Ware „materialisiert" hat. Mit dem Substanzwert wird primär das investierte Kapital betrachtet. Was das Unternehmen zukünftig erwirtschaften kann ist jedoch ohne Belang, es fehlt der Bezug zu zukünftigen Erträgen. In zahlreichen Kommentaren wird zurecht darauf hingewiesen, dass nicht als Vermögenswert aktivierbare Bestandteile eines Unternehmens, wie beispielsweise das angestellte Personal und das in der Organisation vorhandene Prozess-Know-how, sowie Werte, die aus der Kombination von einzelnen Vermögenswerten entstehen, beim Substanzwertverfahren nicht berücksichtigt werden. Wie wir in den weiteren Ausführungen sehen werden, ist exakt diese Kombination in der Softwareentwicklung von großer Bedeutung.

    Aus Sicht eines Softwareentwicklers möchte ich nachfolgend zum Substanzwertverfahren zwei weitere kritische Punkte zusätzlich ansprechen, die gegen die Verwendung dieses Verfahrens sprechen.

    2.4.1 Forschung versus Entwicklung

    Bei der Berechnung der Herstellungskosten unterscheidet der Gesetzgeber zwischen Forschung und Entwicklung (§ 255 Abs. 2a HGB). Die beiden Begriffsdefinitionen möchte ich hier explizit wiedergeben:

    Forschungist die eigenständige und planmäßige Suche nach neuen wissenschaftlichen oder technischen Erkenntnissen oder Erfahrungen allgemeiner Art, über deren technische Verwertbarkeit und wirtschaftliche Erfolgsaussichten grundsätzlich keine Aussagen gemacht werden können."

    Entwicklungist die Anwendung von Forschungsergebnissen oder von anderem Wissen für die Neuentwicklung von Gütern oder Verfahren oder die Weiterentwicklung von Gütern oder Verfahren mittels wesentlicher Änderungen."

    Entwicklung liefert laut Gesetz einen Beitrag zu den Herstellungskosten, Forschung hingegen nicht. Bilanztechnisch liegt Forschung damit auf der Ebene Hobby. Um zwischen Forschung und Entwicklung unterscheiden zu können, fordert der Gesetzgeber im Prinzip ein leistungsfähiges Controlling in Forschung und Entwicklung (abgekürzt F&E), damit das Unternehmen alle bezüglich der Herstellungskosten relevanten Informationen liefern kann. „Können Forschung und Entwicklung nicht verlässlich voneinander unterschieden werden" darf das Unternehmen keine Aktivierung von Herstellungskosten vornehmen, d. h. es hat laut Bilanzrecht keine Vermögenswerte generiert.

    Diese Vorgaben gehen aus meiner Sicht an der Wirklichkeit in vielen kleinen und mittleren Unternehmen (KMU), die den Standardfall in der Unternehmenslandschaft darstellen, vorbei. Die Vorgaben gehen ganz besonders an der betrieblichen Realität in KMU der Softwarebranche vorbei. In einem kleinen, hochproduktiven Entwicklerteam hat keiner die Zeit noch die Lust, im Detail die eigenen Programmierleistungen entsprechend den Vorgaben des Gesetzgebers zu kategorisieren und stundengenau zu quantifizieren. Insbesondere bei den immer populärer werdenden „agilen" Entwicklungsprozessen steht das Ziel funktionierende Software zu schreiben vor der Anfertigung jeglicher Dokumentation (siehe auch Abschn.​ 6.​10.​14). Unabhängig vom zusätzlichen bürokratischen Aufwand durch die Erfassung der projektbezogenen Arbeitszeiten ist die Kategorisierung nach Forschung und Entwicklung meiner Meinung nach absolut schwammig. Ich stelle es mir spannend vor, mit einem Betriebsprüfer zu diskutieren, in welchem Umfang die z. B. im Zuge einer Produktentwicklung im Bereich Künstliche Intelligenz erforderlichen vorbereitenden Arbeiten, wie

    die Einarbeitung in die Programmierung von Boards mit Graphics Processing Units (GPUs),

    ein Leistungsvergleich der am Markt angebotenen Programmierschnittstellen für die Parallelisierung von Computerprogrammen (wie z. B. OpenMP, MPI, CUDA)

    als Forschung oder als Entwicklung zu sehen sind? Ist das Einbauen des Boards in den Rechner noch Forschung? Nach dem Einbauen des Boards kann jedenfalls noch keine Aussage über eine technische Verwertbarkeit gemacht werden. Ohne das Board im Rechner wiederum lässt sich keine GPU-Software entwickeln. Verteilen sich die insgesamt 100 benötigten Arbeitstage bis zur Fertigstellung einer veräußerbaren Software auf 50 Tage Forschung und 50 Tage Entwicklung oder 2 Tage Forschung und 98 Arbeitstage Entwicklung? Ich würde mir zutrauen, für beide Varianten fundiert zu argumentieren. Die Abgrenzung zwischen Forschungs- und Entwicklungskosten ist jedenfalls nicht klar geregelt. Daher ergibt sich bei der Berechnung der Herstellungskosten von Software erheblicher Spielraum.

    2.4.2 Leistungsunterschiede bei Programmierern

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