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Schwingungen mechanischer Antriebssysteme: Modellbildung, Berechnung, Analyse, Synthese
Schwingungen mechanischer Antriebssysteme: Modellbildung, Berechnung, Analyse, Synthese
Schwingungen mechanischer Antriebssysteme: Modellbildung, Berechnung, Analyse, Synthese
Ebook1,450 pages7 hours

Schwingungen mechanischer Antriebssysteme: Modellbildung, Berechnung, Analyse, Synthese

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About this ebook

Das Buch bietet systematische Methoden zur Modellbildung von Antriebssystemen. Es erläutert diese sowohl grundsätzlich als auch speziell am Beispiel von Kranen, Rotorsystemen, Textilmaschinen, Druckmaschinen, Schneidemaschinen, KFZAntrieben, Bohrhämmern und Vibrationsmaschinen. Behandelt werden Schwingungsprobleme der Baugruppen von Maschinen, wie z.B. Motoren, Kupplungen, Zahnrad-, Ketten-, Riemen-, Schubkurbel- und Planetengetriebe. Dabei werden reale Parameterwerte von Trägheiten, Steifigkeiten und Dämpfungen sowie Ergebnisse von Schwingungsmessungen berücksichtigt.

Die Autoren gehen u.a. auf folgende Themen ein: Eigenfrequenzen und Eigenbewegungen regulärer Strukturen und deren Beeinflussung, Stabilitätsbedingungen, erzwungene Torsionsschwingungen in Fahrzeugantrieben, Schwingungen beim Anfahren und Bremsen von Maschinenantrieben, Resonanzdurchlauf von Rotoren, parameter- und selbsterregte Schwingungen (z.B. in Schneckengetrieben), optimale Positionierbewegungen, Maßnahmen zum Massen- und Leistungsausgleich, zur Schwingungsverminderung und Bedingungen für die Selbstsynchronisation von Unwucht-Erregern.

Für die 3. Auflage wurde das Buch aktualisiert und wesentlich erweitert um Abschnitte zu Torsionsschwingungen im KFZ-Antriebsstrang, zu Vibrationsförderern und zu nichtlinearen, insbesondere reibungserregten Schwingungen.

LanguageDeutsch
Release dateNov 18, 2019
ISBN9783662591376
Schwingungen mechanischer Antriebssysteme: Modellbildung, Berechnung, Analyse, Synthese

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    Schwingungen mechanischer Antriebssysteme - Hans Dresig

    © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2020

    H. Dresig, A. FidlinSchwingungen mechanischer Antriebssystemehttps://doi.org/10.1007/978-3-662-59137-6_1

    1. Einleitung

    Hans Dresig¹   und Alexander Fidlin²  

    (1)

    Lichtenau, Deutschland

    (2)

    Karlsruher Institut für Technologie, Karlsruhe, Deutschland

    Hans Dresig

    Alexander Fidlin (Korrespondenzautor)

    Email: alexander.fidlin@kit.edu

    Antriebssysteme sind das Herzstück aller Maschinen. Die technische Entwicklung (Steigerung der Drehzahlen, der Genauigkeit, der Produktivität, des Wirkungsgrades oder die Senkung des Lärm- und Schwingungspegels) verlangt bei vielen Antrieben vom Entwickler und Konstrukteur die Lösung dynamischer Probleme. Schon im Stadium der Projektierung und Konstruktion (also vor dem Musterbau) sollen dynamisch günstige Lösungen gefunden werden. Vielfach muss der Ingenieur in seiner Firma ein konkretes Problem möglichst schnell, kostengünstig, umweltfreundlich und dauerhaft lösen.

    Was kann man einem Antriebstechniker dazu für Ratschläge geben, wo jedes Erzeugnis und jedes Problem seine Besonderheiten hat? Es kann nützlich sein, die Lösung vergleichbarer Fragestellungen aus Nachbargebieten zu beachten, um die Fehler, die andere gemacht haben, zu vermeiden. Es gibt erzeugnisunabhängige allgemeine Probleme in der Antriebsdynamik. Dazu zählen:

    die Erfüllung der von der Technologie (vereinfacht gesagt: an der Kontaktstelle zwischen Werkzeug und Werkstück) gestellten Anforderungen,

    Probleme der Modellbildung (von der Problemformulierung bis zur Deutung der Mess- und Rechenergebnisse),

    gemeinsame Grundlagen aus der Physik (dynamisches Verhalten, modale und spektrale Betrachtungsweise),

    Realisierung von solchen „Standardaufgaben" wie Anfahren, Bremsen, eine Bewegung erzeugen, Resonanzdurchlauf,

    Bewertung von Parametereinflüssen.

    Man könnte die Probleme der Antriebsdynamik danach ordnen, welche Objekte wie in Bewegung versetzt, wie sie räumlich und zeitabhängig bewegt werden, also z. B.:

    bewegte Objekte:

    Punktmassen, starre Körper, Mechanismen, Stäbe, Biegebalken, Strukturen, Platten, Scheiben, Schalen,

    Bewegung im Raum:

    rotierend, vibrierend, translatorisch, auf ebenen oder räumlichen Bahnen,

    Bewegungsablauf in der Zeit:

    stetig beschleunigend oder verzögernd, unstetig (stoßartig, sprunghaft), harmonisch, periodisch.

    Aus der Kombination der verschiedenen Fälle in diesen drei Punkten resultiert die ganze Vielfalt der praktischen Fragestellungen, wie sie z. B. bei solchen Bewegungen wie

    rotierenden Bewegungen von Schleifspindeln, Textilspindeln, Wicklern, Zentrifugen, Unwuchterregern,

    vibrierenden Bewegungen von Schwingförderern, Webladen und Nadelbarren in Textilmaschinen und Rütteltischen,

    gleichförmigen Bewegungen von Zahnrad-, Planeten- und Riemengetrieben,

    ungleichmäßigen Bewegungen von Kurven-, Koppel- und Räderkoppelgetrieben

    vorkommen, oder bei unerwünschten Schwingungen in Motoren, spielbehafteten Lagern und Gelenken und bei den Abtriebsbewegungen (Positioniergenauigkeit).

    Grundlagenkenntnisse sind zeitlos gültig und auf verschiedene Erzeugnisse (auch auf noch nicht existierende!) übertragbar. Die theoretischen und experimentellen Methoden und Verfahren, die von den Bearbeitern konkreter Probleme in der Literatur erwähnt werden, wiederholen sich. Der Autor hat sich bemüht, die unveränderlichen gemeinsamen Grundlagen so zu vermitteln, dass man die in der Praxis auftauchenden Probleme einordnen und lösen kann. Dazu gehört die Deutung komplizierter Erscheinungen (auch von Rechen- oder Messergebnissen) durch die Zurückführung auf Elementarvorgänge, wozu z. B. die Beachtung von Eigenbewegungen (und als Sonderfall davon die modale Betrachtungsweise) gehört.

    Die Entwicklung der Software hat in den vergangenen Jahren große Fortschritte gemacht, so dass heutzutage Probleme lösbar sind, die noch vor einigen Jahren wegen der damit verbundenen numerischen Probleme unlösbar schienen. Es ist nicht mehr nötig, die Gleichungen aufzustellen und analytisch zu lösen, aber zum physikalischen Verständnis trägt die „Rechnung von Hand" wesentlich bei. Im vorliegenden Buch werden analytische Lösungen vorgestellt,

    wenn es um einfach lösbare Aufgaben geht,

    wenn analytische Zusammenhänge die übersichtliche Darstellung von Parametereinflüssen ermöglichen,

    wenn analytische Zusammenhänge zur Vorbereitung numerischer Auswertungen interessieren und

    wenn dimensionslose Kenngrößen eingeführt werden.

    Mit der Einsatzmöglichkeit leistungsfähiger Software sind allerdings einige neue Problemgruppen entstanden. Dazu gehören:

    höhere Anforderungen an die „Kunst der Modellbildung" (die Problembearbeiter müssen die physikalischen Zusammenhänge verstehen, bevor Software eingesetzt wird),

    neue Anforderungen an Eingabedaten (insbesondere für Erregungen, Steifigkeiten und Dämpfungen fehlen Parameterwerte),

    neue Anforderungen bezüglich der Ergebniskontrolle (Computerergebnisse bewerten, Rechenergebnisse überprüfen),

    höhere Anforderungen an die Ergebnisinterpretation und Phantasie bei der konstruktiven Umsetzung.

    Das zweite Kapitel befasst sich deshalb ausführlich mit Fragen der Modellbildung.

    Das dritte Kapitel geht auf die Besonderheiten von Torsionsschwingungen in Antriebssträngen ein.

    Das vierte Kapitel befasst sich mit gekoppelten Biege-, Längs- und Torsionsschwingungen.

    Das fünfte Kapitel widmet sich Syntheseaspekten, darunter auch mit optimalen Bewegungsabläufen und Fragen der Struktursynthese.

    Im neuen sechsten und siebenten Kapitel wird auf Probleme näher eingegangen, die aus dem Bereich der Fahrzeugantriebe stammen.

    Das neue achte Kapitel behandelt dynamische Probleme der Vibrationsförderung.

    Es werden viele Beispiele aus der Konstruktionspraxis dargestellt. Eine erzeugnisunabhängige und problemorientierte Betrachtungsweise erlaubt, Querverbindungen bezüglich der Formulierung und Lösung dynamischer Probleme herzustellen. Es kommt dem Autor darauf an, die Möglichkeiten der gezielten konstruktiven Einflussnahme auf den verschiedenen Ebenen der Problembearbeitung zu zeigen.

    Es werden die Grundlagenkenntnisse der Mathematik und Mechanik vorausgesetzt, die ein Diplomingenieur des Maschinenbaues während seines Studiums normalerweise erworben hat, z. B. Methoden zur Aufstellung von Differenzialgleichungen und Grundlagen der Matrizenrechnung. Lösungsmethoden für Gleichungen, Differenzialgleichungen und Eigenwertprobleme werden wie die handelsübliche Software als black box behandelt. Es wird auf dem im Lehrbuch der Maschinendynamik [190] vermittelten Stoff aufgebaut.

    Die Autoren stellen eigene Forschungsergebnisse vor und berücksichtigt bei der Stoffauswahl den gegenwärtigen internationalen Entwicklungsstand. Dazu wurde neben der Literatur des deutschen und englischen Sprachraums auch die sonst wenig beachtete osteuropäische Literatur ausgewertet. Am Ende vieler Kapitel erfolgt ein Ausblick auf den aktuellen Stand bei der Untersuchung des behandelten Objekts, wie er sich in Dissertationen und weiterführenden Forschungsberichten darstellt, so dass der interessierte Leser auch Anregungen für eigene weitergehende Arbeiten findet.

    © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2020

    H. Dresig, A. FidlinSchwingungen mechanischer Antriebssystemehttps://doi.org/10.1007/978-3-662-59137-6_2

    2. Modellbildung mechanischer Antriebssysteme

    Hans Dresig¹   und Alexander Fidlin²  

    (1)

    Lichtenau, Deutschland

    (2)

    Karlsruher Institut für Technologie, Karlsruhe, Deutschland

    Hans Dresig

    Alexander Fidlin (Korrespondenzautor)

    Email: alexander.fidlin@kit.edu

    2.1 Einführung in die Modellbildung

    2.1.1 Ziele der Modellbildung

    Ein reales Antriebssystem lässt sich durch kein Berechnungsmodell so abbilden, „wie es wirklich ist". Ein Berechnungsmodell ist stets das Ergebnis einer Abstraktion und soll für einen bestimmten Zweck verwendbar sein. Für ein und dasselbe Antriebssystem können durchaus unterschiedliche Berechnungsmodelle zweckmäßig sein, je nach den Fragen, die gestellt oder den Antworten, die gesucht werden.

    Man benutzt Berechnungsmodelle in der Antriebsdynamik aus drei Gründen:

    1.

    Zeit- und Kostenersparnis bei der Entwicklung neuer oder verbesserter Erzeugnisse dadurch, dass an Stelle teurer Versuchsstände (oder Messungen an der realen Maschine, deren Betrieb man unterbrechen muss) die dynamische Simulation am Computer erfolgen kann.

    2.

    Klärung physikalischer Ursachen für störende Erscheinungen (z. B. Resonanzschwingungen, Brüche, Lärm).

    Stör- und Schadensfälle haben, nachdem sie intensiv ausgewertet wurden, oft zur Verbesserung der Modellbildung und zum Modellverständnis beigetragen.

    3.

    Ermittlung optimaler Parameterwerte hinsichtlich der jeweiligen speziellen Kriterien (z. B. Materialaufwand, Energiebedarf, Steifigkeit, Lage der kritischen Drehzahlen u. a.).

    In den vergangenen Jahren haben die Möglichkeiten zur modellgestützten Analyse mechanischer Systeme an Bedeutung gewonnen, da sich durch die Leistungsfähigkeit der Computer und der Software der zeitliche und finanzielle Aufwand für Simulationsrechnungen bedeutend vermindert hat. Demgegenüber sind Prüfstandversuche zeit- und kostenaufwendig geblieben.

    Allgemein kann man sagen

    Berechnungsmodelle in der Antriebsdynamik haben den Zweck, das dynamische Verhalten der Objekte (Maschinenelemente, Baugruppen oder das Gesamtsystem) qualitativ richtig darzustellen und die quantitative Berechnung von Kraft- und Bewegungsgrößen zu ermöglichen, so dass der Einfluss aller für die jeweilige Fragestellung wesentlichen konstruktiven Parameter auf das dynamische Verhalten erkennbar und interpretierbar wird.

    In einer frühen Konstruktionsphase, die ohne gesicherte experimentelle Untersuchungen auskommen muss, kann man nur von wenigen Parameterwerten ausgehen. Es empfiehlt sich, in diesem Stadium die Parameter zu variieren und zu analysieren, welchen Einfluss Parameteränderungen haben. Erst in einer späteren Konstruktionsphase, wenn schon ein Funktionsmuster gebaut wurde, kann man mit experimentellen Ergebnissen vergleichen.

    Da eine experimentelle Untersuchung nur mit zusätzlichem Aufwand mehrere Parameteränderungen zulässt, ist es prinzipiell schwierig, daraus allgemeingültige Aussagen für große Parameterbereiche zu gewinnen. Ein deutlicher Vorteil bei experimentellen Untersuchungen sind die „unvereinfachten" realen Verhältnisse des Objekts.

    Der Prozess der Modellbildung in der Antriebsdynamik ordnet sich in einen allgemeinen Prozess der Systemdynamik ein, der in [55] beschrieben wird, vgl. Abb. 2.1.

    ../images/67613_4_De_2_Chapter/67613_4_De_2_Fig1_HTML.png

    Abb. 2.1

    Simulation dynamischer Systeme [55]

    Die Modellbildung in der Antriebsdynamik betrifft physikalische, mathematische und analytisch/numerische Gesichtspunkte. Für dieselbe Fragestellung können unterschiedliche Bearbeiter durchaus verschiedene physikalische Modelle zur Problembeschreibung benutzen, also z. B. kontinuierliche Modelle oder diskrete Modelle, vgl. die Abschn. 2.3.5 und 2.4.4. Es ist durchaus möglich, dasselbe Realsystem sowohl mit der Methode der Finiten Elemente (FEM) als auch mit der Methode der Mehrkörpersysteme (MKS) zu beschreiben und zu berechnen. Bereits bei der Modellbildung hat man sich auf die Nutzung des großen Angebots an kommerzieller Software für die Modellberechnung einzustellen. Tab. 2.1 gibt eine Übersicht über einige in der Antriebsdynamik vielfach eingesetzte Programmsysteme.

    Tab. 2.1

    Programmsysteme für die Antriebsdynamik

    Es besteht die Gefahr, dass man bei der Beschränkung auf vorhandene Software die analytischen Zusammenhänge „vergisst". Analytische Methoden behalten ihre Bedeutung für Abschätzungen, für Plausibilitätsbetrachtungen, für die Ähnlichkeitsmechanik und für alle Überlegungen zur Normierung und Skalierung von Parameterwerten.

    In der Richtlinie VDI 3843 werden Empfehlungen zur Modellbildung gegeben.

    Ein Unterschied zwischen verschiedenen Berechnungsmodellen besteht oft im Aufwand, sowohl bei der physikalischen und mathematischen Beschreibung als auch bei der Lösung der Modellgleichungen. Die konstruktiven Schlussfolgerungen können unabhängig vom betriebenen mathematischen oder numerischen Aufwand sein, d. h., es ist im Idealfall möglich, dass man mit Minimalmodellen die geforderten Aussagen zur Beeinflussung des realen Objekts finden kann.

    Jede Modellberechnung bezieht sich auf eine bei der Modellbildung festzulegende topologische Struktur. Eine charakteristische Größe für ein Berechnungsmodell ist der Parametervektor, der die Gesamtheit der Modellparameter erfasst, mit denen das reale Objekt beschrieben wird. Das reale Objekt wird also stets auf eine endliche Anzahl von $$K$$ Einflussgrößen reduziert, vgl. Tab. 2.2.

    Tab. 2.2

    Anzahl der Parameter im Parametervektor $$\boldsymbol{p}$$ bei typischen Beispielen

    Modellbildung beginnt mit der Definition eines Parametervektors, also der Einflussgrößen, die überhaupt in Betracht gezogen werden. „Konstruktive Maßnahmen" beziehen sich lediglich auf die Umsetzung der am Berechnungsmodell gefundenen zweckmäßigen Parameterwerte. Konstruieren ist in diesem Sinne das Festlegen von Zahlenwerten für die Komponenten der Parametervektoren. Ein reales Objekt wird durch hunderte oder tausende von Parameterwerten definiert, aber nicht alle werden in Berechnungsmodellen erfasst. Jedes Berechnungsmodell beschränkt sich auf eine endliche Anzahl von Parametern.

    Manchmal sind noch nicht einmal Minimalmodelle notwendig, um konstruktive Entscheidungen zu treffen. Oft legt ein Experte, der ein tiefes Verständnis des physikalischen Hintergrundes besitzt, die wesentlichen Parameterwerte fest. Auf Grund umfangreicher Erfahrungen kann man auch zu Ergebnissen gelangen, die sich scheinbar nur mit komplizierten Berechnungsmodellen begründen lassen.

    In einigen Industriezweigen, wo hochwertige Produkte produziert werden, sind oft komplizierte Berechnungsmodelle üblich. Diese sind in jahrzehntelanger Wechselwirkung zwischen Rechnung und Messung entwickelt worden. Das trifft z. B. auf den Turbinenbau, Schiffbau, Fahrzeugbau und die Luft- und Raumfahrttechnik zu, wo hunderte von Mannjahren in die Entwicklung zutreffender Berechnungsmodelle und deren Umsetzung in erzeugnisorientierte Spezialprogramme investiert wurden. Dort ist es möglich und üblich, das dynamische Verhalten vieler Baugruppen bei allen denkbaren dynamischen Vorgängen mit Berechnungsmodellen zu simulieren. Für viele solcher hochentwickelten Objekte existieren ausgereifte Berechnungsmodelle, die die realen Verhältnisse sehr gut wiedergeben.

    Von „Modellbildung im engeren Sinne kann man eigentlich nur dann sprechen, wenn für einen realen Vorgang ein Berechnungsmodell überhaupt erst gebildet werden soll. Existiert bereits ein Berechnungsmodell und werden bei der Erzeugnisentwicklung neue Parameterbereiche (z. B. höhere Drehzahl, neuer Werkstoff, größere Abmessungen) angestrebt, muss dabei eine „Modellbildung den Geltungsbereich des bisherigen Berechnungsmodells erweitern.

    Im allgemeinen Maschinenbau sind für viele Objekte und Vorgänge noch keine ausreichenden Berechnungsmodelle vorhanden. Der Prozess der Modellbildung ist bei vielen Baugruppen gegenwärtig in vollem Gange, und es gibt bisher noch keine allgemeingültige Modellbildungs-Strategie. Im Abschn. 2.3 wird die „induktive Modellbildung und im Abschn. 2.4 die „deduktive Modellbildung als Strategie erläutert, aber in der Praxis werden meist „gemischte" heuristische Strategien benutzt.

    Abschließend seien noch einige Regeln genannt, die man bei der Modellbildung beachten sollte:

    1.

    Man beginne mit der Modellbildung erst dann, wenn man die dynamischen Vorgänge am realen Objekt kennt und in der Lage ist, physikalisch begründete Hypothesen zu formulieren.

    2.

    Ein Berechnungsmodell muss zweckmäßig und qualitativ richtig sein. Es soll so einfach wie möglich und nur so kompliziert sein, dass es die gestellten Genauigkeitsanforderungen erfüllt. Ein Modell wird durch präzise Eingabedaten nicht qualitativ besser.

    3.

    Kein Modell bildet ein Realsystem absolut richtig ab, die Genauigkeit jedes Parameterwertes ist begrenzt, und die Modellstruktur ist ein endlicher Ausschnitt aus der unbegrenzten Realität.

    4.

    Außerhalb des Geltungsbereichs eines Berechnungsmodells kann die Berechnung große Abweichungen von der Realität und sogar unsinnige Ergebnisse liefern.

    5.

    Man erweitere Berechnungsmodelle bei Bedarf und ziehe aus Modellstufen niederer Ordnung keine Schlussfolgerungen höherer Ordnung.

    6.

    Man berücksichtige in einem Berechnungsmodell insbesondere solche Parameter des realen Objekts, deren Parameterwerte experimentell beeinflussbar sind.

    7.

    Man überzeuge sich von den Parametereinflüssen einer Modellberechnung durch davon möglichst unabhängige Berechnungsmodelle und benutze zumindest Plausibilitätskontrollen.

    8.

    Die Anzahl der Freiheitsgrade eines Berechnungsmodells ist nicht direkt abhängig von der Anzahl der Parameterwerte. Sie ist zwar ein Maß für den erforderlichen Rechenaufwand, aber nicht für die erzielbare Übereinstimmung zwischen Rechen- und Messergebnissen.

    9.

    Man erwarte von Eingabedaten für Parameterwerte keine höhere Genauigkeit als zwei bis drei gültige Ziffern und demzufolge auch nicht von den Ergebnissen der Modellberechnung.

    10.

    Man kann von Computern in der Regel numerisch genaue Ergebnisse erwarten, aber man glaube nicht, dass im Vergleich zur Realität stets unbedingt richtige Lösungen gewonnen werden. Der „Praxisabgleich" ist entscheidend!

    11.

    Man nutze alle Kontrollmöglichkeiten für die numerischen Ergebnisse. Jede Rechnung ohne Kontrolle gehört in den Papierkorb!

    12.

    Man prüfe das Modell durch Abgleich der Parameterwerte und der Simulationsergebnisse mit experimentellen Ergebnissen.

    2.1.2 Typen der Berechnungsmodelle

    2.1.2.1 Allgemeines

    Abb. 2.2 zeigt Gesichtspunkte, die mit der Modellbildung im Zusammenhang stehen. Die Anwendung von Berechnungsmodellen ist sinnvoll, wenn die Parameterwerte hinreichend genau zur Verfügung stehen, das Berechnungsmodell das Realsystem qualitativ richtig abbildet, das Simulationsprogramm das Berechnungsmodell korrekt auswertet, die am realen Objekt vorhandenen Kraft- und Bewegungsgrößen vorausberechnet werden können, konstruktive Schlussfolgerungen möglich sind und berechnete Größen hinreichend genau mit experimentellen Ergebnissen übereinstimmen.

    ../images/67613_4_De_2_Chapter/67613_4_De_2_Fig2_HTML.png

    Abb. 2.2

    Prinzipielle Wechselwirkungen und Aspekte bei der Modellbildung

    Zur Modellbildung gehören Daten zu den Parametern (Parameterwerte). Da man die Parameterwerte in der Fachliteratur nicht immer findet, ist ihre Ermittlung eine Teilaufgabe der Modellbildung. Es ist wünschenswert, dass die Firmen, welche die für Antriebssysteme typischen Baugruppen herstellen, in den Prospekten und Erzeugniskatalogen außer geometrischen auch Kennwerte und Kennlinien veröffentlichen, welche das mechanische (und/oder elektromagnetische) Verhalten ihrer Produkte quantitativ beschreiben.

    Jedes diskrete oder kontinuierliche Berechnungsmodell lässt sich durch endlich viele (Anzahl $$K$$ ) Parameter beschreiben, die man einheitlich mit

    $$p_{1},p_{2},\ldots,p_{K}$$

    bezeichnen kann. Ein konkretes Objekt wird durch Parameterwerte (also Zahlenwerte mit Maßeinheiten) charakterisiert. Man kann sie zusammenfassend in einem Parametervektor

    $$\displaystyle\boldsymbol{p}^{\mathrm{T}}=(p_{1},p_{2},\ldots,p_{K})$$

    (2.1)

    erfassen.

    Auf die Auswahl eines Berechnungsmodells (Mitte oben in Abb. 2.2) wird in den Abschn. 2.3 und 2.4 eingegangen. Beim gegenwärtigen Entwicklungsstand wird meist Software auf der Basis von FE-Modellen, MKS-Modellen oder der Kopplung von solchen Modellen mit CAD-Systemen eingesetzt. Bei großen Bewegungen sind MKS-Programme von Vorteil, da sie alle geometrischen Nichtlinearitäten „automatisch" berücksichtigen. In allen Fällen spielt die modale Analyse eine zentrale Rolle, und das Denken mit Begriffen wie Eigenfrequenzen und Eigenformen ist bei der Modellbildung von großem Vorteil, da zu Anfang oft die Frage steht, ob ein Berechnungsmodell linear oder nichtlinear angesetzt werden kann.

    Die rechte Spalte in Abb. 2.2 drückt aus, dass man Strategien zum Vergleich von Rechen- und Messergebnissen und zur Modellanpassung benötigt, wie sie in Abschn. 2.5 behandelt werden. Vor einer Messung sollte schon ein Konzept für die spätere Auswertung im Hinblick auf die Modellbildung vorhanden sein. Die erwähnte Messstrategie soll die qualitativ zu erwartenden Systemantworten und deren Größenordnung gedanklich vorwegnehmen. Dies ist nicht nur wegen der Auswahl der Messbereiche der Geber von Interesse, sondern auch wegen des Ergebnisvergleichs mit traditionellen Modellvorstellungen.

    Es wird empfohlen, vor einer Berechnung den qualitativen Verlauf und die Größenordnung der erwarteten Ergebnisse durch eine Überschlagsrechnung abzuschätzen. Bei unerwarteten oder überraschenden Ergebnissen kann man etwas lernen bezüglich der eigenen Vorstellungen oder bezüglich der Unvollkommenheit des benutzten Modells.

    Ein Berechnungsmodell hat hinreichend viele Freiheitsgrade, wenn sich nach einer Modellerweiterung die (meist im unteren Frequenzbereich liegenden) wesentlichen Eigenfrequenzen und Eigenformen kaum noch ändern. Weitere Freiheitsgrade dürften dann auf das Ergebnis der Berechnung keinen bemerkenswerten Einfluss mehr haben.

    Mit den unter dem Punkt Modellberechnung erwähnten Kraft- und Bewegungsgrößen sind zeitlich veränderliche Kräfte, Momente, Leistungen, Frequenzen, Schwingformen, Wege, Deformationen, Winkel und deren Geschwindigkeiten, Beschleunigungen, Winkelgeschwindigkeiten u. a. gemeint.

    Die Schlussfolgerungen beziehen sich letzten Endes auf die konstruktive Umsetzung der Parameterwerte, angefangen von den Motordaten, denen der Getriebe, Kupplungen und Antriebsstränge bis zu denen der Abtriebsglieder. Zur Dimensionierung einzelner Baugruppen, auch zur Optimierung, werden in den Kap. 3 und 4 typische Beispiele behandelt.

    Die analytische und numerische Behandlung der Berechnungsmodelle erfolgt für Antriebssysteme in ähnlicher Weise wie die der Tragsysteme in der Strukturdynamik. Gemeinsam wird auf viele Gebiete der angewandten Mathematik und speziell auf die Theorie der linearen Schwingungssysteme zurückgegriffen. Wenn die Berechnungsmodelle linear sind, können u. a. die Methoden der Modalanalyse, der Substrukturtechnik und der Freiheitsgradreduktion auch in der Antriebsdynamik angewendet werden.

    Worin bestehen die Besonderheiten in der Antriebsdynamik, die in Berechnungsmodellen erfasst werden müssen?

    Antriebssysteme dienen dazu, Körper zu bewegen, also werden infolge der Bewegungen stets Massenkräfte verursacht. Man hat es also mit Berechnungsmodellen zu tun, bei denen die dynamischen Kräfte von den Parametern des Systems selbst abhängen, während in der Strukturdynamik die Erregungen meist „von außen", entweder aus einer kinematischen Erregung (z. B. Erdbeben) oder aus den Massenkräften eines Antriebssystems (z. B. Unwuchterregung) stammen.

    Die Massenkräfte kann man nach der Ursache der Beschleunigung zweckmäßig als Summe der kinetostatischen Massenkräfte und der Vibrationskräfte (vibrodynamische Kräfte) verstehen. Als kinetostatische Kräfte werden diejenigen Anteile bezeichnet, die sich aus der Beschleunigung der starren Körper ergeben („starre Maschine", Modellstufe 1). Man kann dabei noch unterscheiden zwischen den kinetostatischen Kräften der zwangsläufigen (erwünschten) Primärbewegung und denen der unerwünschten Sekundärbewegung, die sich infolge des stets vorhandenen Spiels in Führungen, Lagern und Gelenken einstellt und zu Zusatzbeschleunigungen führt. Kinetostatische Kraftverläufe der Primärbewegung stellen Mittelwerte dar, denen die kinetostatischen Kräfte der Sekundärbewegung und die Vibrationskräfte überlagert sind. Die im Abschn. 2.2.3.3 behandelte tangentiale Bewegung des Bolzens in der Lagerschale, die Kolbensekundärbewegung (Abschn. 2.2.3.4) oder der Schräglauf (Abschn. 4.​9) sind Beispiele für Sekundärbewegungen, aber auch alle unerwünschten zusätzlichen Schwingungen kann man als Sekundärbewegungen auffassen, vgl. Abb. 2.8, 2.10b, 2.11, 2.13d, 2.18, 2.19, 2.20, Abb.​ 4.​13 bis Abb.​ 4.​16, 2.51 und Abb.​ 5.​46.

    Als Vibrationskräfte werden die Anteile bezeichnet, die infolge der den Beschleunigungen der Starrkörper überlagerten Schwingungen der realen Systeme entstehen. Sie können durch die Primärbewegung (z. B. aus erzwungenen Schwingungen resultierenden Massenkräfte) oder die Sekundärbewegung (z. B. Stoßkräfte beim Kontakt von Körpern) verursacht werden. Vibrationskräfte sind mit Modellen berechenbar, bei denen das (lineare oder nichtlineare) elastische Verhalten (z. B. an den Kontaktstellen oder das Materialverhalten) berücksichtigt wird, vgl. die Modellstufe 2 oder Modellstufe 3 in Tab. 2.3 und die Abb. 2.10a, 2.11 und 2.13.

    Nicht nur bei Verbrennungsmotoren (z. B. Kröpfungswinkel bei Kurbelwellen, Reihenfolge der Zündzeitpunkte), sondern auch bei allen anderen Antriebssystemen gibt es relativ viele Möglichkeiten, Strukturen und Parameter zu variieren, durch optimale Parameter die Schwingungserregung zu vermindern und das Schwingungsverhalten zu beeinflussen, vgl. die Beispiele in Kap. 5.

    In Antriebssystemen treten häufig nichtlineare Effekte auf. Diese können infolge geometrischer Nichtlinearitäten bei „großen Bewegungen" oder infolge nichtlinearen Materialverhaltens (wozu auch das Reibungsverhalten gehört) auftreten, vgl. Abschn. 2.2.3, 2.2.4, 3.​4.​2, 4.​4 und 4.​6.​3.

    Knicke und Unstetigkeiten sind auch eine typische Besonderheit in Berechnungsmodellen der Antriebssysteme. Dazu gehören gestufte Federn, das Spiel in Kupplungen oder Zahnradpaarungen, das Lagerspiel, Reibkraftsprünge, die bei Richtungsänderung der Relativgeschwindigkeit in Lagern auftreten, und auch die Selbsthemmung (z. B. bei Schneckengetrieben) ist eine „unstetige" Nichtlinearität, vgl. Abschn. 4.​5.

    Manchmal spielt bei der Bestimmung der dynamischen Belastungen die Wechselwirkung des Antriebs mit seiner Energiequelle eine wesentliche Rolle. Es wird dann erforderlich, die Kennlinien der hydraulischen, pneumatischen oder elektromechanischen Antriebe in die Modellgleichungen einzubeziehen, vgl. Abschn. 3.​4.​3 und 4.​1. In der Antriebsdynamik werden von Seiten der „Elektriker einfache Berechnungsmodelle für das dynamische Verhalten der mechanischen Komponenten gewünscht und andererseits müssen von Seiten des „Mechanikers Methoden der Steuer- und Regelungstechnik beachtet werden.

    Es gibt Fälle, in denen die Gestellbewegungen einen Einfluss auf die Massenkräfte des Antriebssystems haben, d. h., die mechanischen Wechselwirkungen zwischen Antrieb und Gestell müssen manchmal im Berechnungsmodell berücksichtigt werden, vgl. das Beispiel der Unwuchterregung in Abschn. 2.2.4, des Pressenantriebs in Abschn. 2.2.3.2 und der Selbstsynchronisation in Abschn. 5.​7.​3. Ein typisches Problem ist die Modellierung der Lagerstellen von Antriebssystemen. Je nach Fragestellung muss einer Kontaktstelle bei der Modellbildung besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden, vgl. das Beispiel in Abb. 2.34 und die Kennwerte in Abschn. 3.​3.​3.

    Die mathematische Modellierung von Antriebssystemen hat vom Standpunkt der Mechanik noch die Besonderheit, dass es an Stelle der Absolutkoordinaten, welche die Lage des mechanischen Systems gegenüber einem raumfesten Bezugssystem beschreiben, oft zweckmäßig ist, Relativkoordinaten zu benutzen, vgl. die Beispiele in Abschn. 2.2.3 und 2.2.4.

    Die Eigenfrequenzen beim Fahren unterscheiden sich von den Eigenfrequenzen im Stillstand des (von der Bremse festgehaltenen) Systems, vgl. die Beispiele in Abschn. 2.3.4 und 4.​8.​3. Bei rotierenden Körpern in einem Antriebssystem unterscheiden sich die bezüglich des rotierenden Bezugssystems gemessenen Frequenzen von denen, die man am raumfesten Bezugssystem messen kann.

    Beim konstruktiven Entwurf eines Antriebssystems gibt es gewisse Freiheiten bei der Gestaltung der Zeitverläufe, die maßgeblichen Einfluss auf das dynamische Verhalten haben. Dynamisch günstige Bewegungsgesetze können Schwingungen vermeiden und vermindern, vgl. das Beispiel des Schrittgetriebes in Abschn. 5.​5.​3.​3 oder die Beispiele in Abschn. 5.​4 und 5.​5.​4.

    2.1.2.2 Einteilung der Berechnungsmodelle

    Im Folgenden wird eine Systematik vorgeschlagen, um die verschiedenen Berechnungsmodelle zu ordnen. Dies soll das theoretische Verständnis erleichtern sowie Hilfestellung bei der Modellbildung und bei der Suche nach den Schwingungsursachen geben, vgl. [102]. In der Technischen Schwingungslehre und Maschinendynamik werden die Schwingungen nach ihren Entstehungsursachen in „freie, „erzwungene, „parametererregte und „selbsterregte Schwingungen unterschieden [288]. Die internen Zusammenhänge, die dieser Einteilung zugrundeliegen, sollen etwas näher betrachtet werden.

    Ausgehend von der aus der Physik und Systemdynamik bekannten grundlegenden Auffassung, dass Zustandsänderungen realer dynamischer Systeme nur von ihrem Zustand selbst abhängen, folgt auch (weil es in der Realität genau genommen keine mechanische Größe gibt, die explizit als Funktion der Zeit gegeben ist), dass die zeitliche Änderung aller Zustandsgrößen das Ergebnis von Wechselwirkungen der Systemelemente ist. Von dieser Auffassung her sind alle Modellgleichungen als Sonderfälle selbsterregter Systeme zu betrachten.

    Die Annahme einer „von außen gegebenen Zeitfunktion für Kraft- oder Bewegungsgrößen ist so gesehen häufig eine sehr zweckmäßige Vereinfachung der Realität. Bei der Modellbildung wird also genaugenommen ein ursprünglich selbsterregter Schwinger (der in Wechselwirkung mit seiner Umgebung steht) durch einen Schnitt zur Umgebung zum Berechnungsmodell der erzwungenen und parametererregten Schwingungen vereinfacht. Es ist aus diesem Grunde bei realen Schwingungsvorgängen auch nicht möglich, scharfe Grenzen zwischen „freien, „erzwungenen und „selbsterregten Schwingungen zu ziehen und diese Unterschiede aus der Analyse von Messsignalen „automatisch" zu erkennen.

    ../images/67613_4_De_2_Chapter/67613_4_De_2_Fig3_HTML.png

    Abb. 2.3

    Minimalmodell für Stoßbelastung (Anregungszeit $$t_{\mathrm{a}}$$ ). a Freie Schwingung, b Erzwungene Schwingung

    Um zu zeigen, wie fließend der Übergang bei der Modellbildung von freien zu erzwungenen Schwingungen erfolgt, wird ein Stoß betrachtet. Abb. 2.3a zeigt das Modell des freien Schwingers, bei dem die Bewegung mit einer gegebenen Anfangsgeschwindigkeit $$v_{0}$$ beginnt. Nach diesem Modell wird dem Schwinger anfangs kinetische Energie übertragen, die sich aus der Anfangsbedingung zu

    $$(1/2)\cdot mv_{0}^{2}$$

    ergibt, aber danach wirkt keine Erregerkraft mehr. Es wird eine Schwingung angeregt, die gemäß

    $$\displaystyle q=\frac{v_{0}}{\omega}\sin\omega t;\quad F_{\mathrm{w}}=kq=v_{0}\sqrt{km}\cdot\sin\omega t$$

    (2.2)

    mit der Eigenkreisfrequenz

    $$\omega=\sqrt{k/m}$$

    verläuft (Wandkraft $$F_{\mathrm{w}}$$ ).

    Wird dagegen das Modell des erzwungenen Schwingers (Abb. 2.3b) benutzt, erfolgt die Energieübertragung durch die Erregerkraft während der Anregungszeit

    $$(0\leq t\leq t_{\mathrm{a}})$$

    , und die allgemeine Lösung lautet für beliebige Erregerkraftverläufe mit dem Duhamel-Integral

    $$q =\frac{1}{m\omega}\int_{0}^{t}F(t^{\prime})\sin\omega(t-t^{\prime})\mathrm{d}t^{\prime}$$

    (2.3)

    $$ =\frac{1}{m\omega}\sin\omega t\int_{0}^{t}F(t^{\prime})\cos\omega t^{\prime}\mathrm{d}t^{\prime}-\frac{1}{m\omega}\cos\omega t\int_{0}^{t}F(t^{\prime})\sin\omega t^{\prime}\mathrm{d}t^{\prime}$$

    Bei einer entsprechend Abb. 2.3b kurzzeitig einwirkenden Kraft, d. h. unter der Bedingung

    $$\displaystyle t^{\prime}<t_{\mathrm{a}}\ll T=\frac{2\pi}{\omega};\quad\cos\omega t^{\prime}\approx 1;\quad\sin\omega t^{\prime}\approx 0$$

    (2.4)

    ist der zweite Summand in (2.3) null und es verbleibt als Näherung:

    $$\displaystyle q=\frac{1}{m\omega}\left(\int_{0}^{t_{\mathrm{a}}}F(t^{\prime})\mathrm{d}t^{\prime}\right)\sin\omega t=\frac{I}{m\omega}\sin\omega t=\frac{v_{0}}{\omega}\sin\omega t$$

    (2.5)

    Das Zeitintegral über die Kraft ist bekanntlich gleich dem Impuls $$I=mv_{0}$$ . Also wurde mit dem Modell von Abb. 2.3b dasselbe Ergebnis erhalten wie mit dem Modell gemäß Abb. 2.3a, vgl. (2.2) und (2.5). Damit ist gezeigt, dass es bei kurzzeitigen Belastungen für die angeregten Schwingungen nicht darauf ankommt, welchen Zeitverlauf die Erregerkraft $$F$$ innerhalb ihrer Stoßzeit hat. Bei $$t_{\mathrm{a}}\ll T$$ kann man durch den Kraftverlauf (z. B. Rechteck- oder Halbsinusform) die Schwingungsamplitude nicht beeinflussen, vgl. dazu auch Abschn. 5.​2, 5.​4.​3 und 5.​4.​4. Es ist bei kurzen Stößen also zulässig, aus dem Impulssatz die Anfangsgeschwindigkeit an der Stoßstelle zu ermitteln und damit die angestoßenen freien Schwingungen zu berechnen. Dieses kleine Beispiel zeigt auch, dass das Modell des erzwungenen Schwingers den freien Schwinger als Sonderfall enthält.

    Andererseits fällt es leichter, von der Vorstellung auszugehen, dass ein Antriebssystem „von außen mit gegebenen Zeitfunktionen in Bewegung versetzt wird. In der Getriebetechnik wird traditionell so begonnen [419]. Bei dieser Auffassung kann man bei der Modellbildung mit einem Berechnungsmodell eines zwangläufigen Systems beginnen, aber dies ist erfahrungsgemäß durch weitere „dynamische Freiheitsgrade zu erweitern.

    Wesentliche Aspekte sind bei jeder Modellbildung die Anzahl der Freiheitsgrade, die Art der internen Wechselwirkungen und die Beziehung zu der Energiequelle, welche die Bewegungen verursacht. Die räumlich-zeitlichen Schnittgrenzen legen fest, wo und wie eine Wechselwirkung mit der Umgebung berücksichtigt wird.

    Nichtlineare Schwingungssysteme besitzen gegenüber linearen Schwingungssystemen einige Besonderheiten, vgl. Abschn. 5.​1.​4

    Das Superpositionsprinzip gilt nicht, d. h., die Wirkung der Summe mehrerer Ursachen ist nicht gleich der Summe der Wirkungen der einzelnen Ursachen.

    Eigenschwingungen nichtlinearer Systeme verlaufen nicht harmonisch.

    Die Periodendauer nichtlinearer Systeme ist von den Anfangsbedingungen abhängig, sie ändert sich mit der Amplitude [288].

    Bei Erregung eines nichtlinearen Systems mit einer gegebenen Frequenz $$f$$ kann es nicht nur mit dieser Frequenz, sondern auch mit ganzzahligen Vielfachen oder ganzzahligen Teilen davon (sogenannten Subharmonischen) antworten; also mit den Frequenzen

    $$f_{\mathrm{a}}= n\cdot f/m$$

    ( $$m,n$$ sind kleine ganze Zahlen) [402].

    Bei Erregung eines nichtlinearen Systems mit zwei Frequenzen ( $$f_{1}$$ , $$f_{2}$$ ) kann es zu Kombinationsresonanzen bei folgenden Frequenzen kommen:

    $$f_{\mathrm{a}}=n\cdot f_{1}\pm m\cdot f_{2}$$

    ( $$m,n$$ sind kleine ganze Zahlen) [133].

    Nichtlineare Systeme können chaotische Bewegungen ausführen [23], [59], [288].

    Es ist nicht sinnvoll, ein reales Objekt mit einem linearen Berechnungsmodell zu beschreiben, wenn es die oben genannten nichtlinearen Effekte zeigt, da damit Fehlaussagen zu erwarten sind.

    Wird ein Zeitverlauf für eine Kraft- oder Bewegungsgröße angegeben, bedeutet dies, dass keine Rückwirkung vom Systemverhalten auf die Erregung stattfindet. Es wird somit also eine von den Bewegungen des Systems unabhängige (unerschöpfliche) Energiequelle in der Systemumwelt angenommen.

    Randbedingungen modellieren Systemgrenzen und Anfangsbedingungen definieren zu einem Anfangszeitpunkt die potenzielle und kinetische Energie eines Antriebssystems.

    Die Ermittlung der Schwingungsursachen beginnt zweckmäßig mit Überlegungen zur Suche nach der Energiequelle im realen System. Zu den Energiequellen zählen die hydraulischen, pneumatischen, elektrischen, piezoelektrischen oder elektromagnetischen Antriebe mit ihren Kennlinien, die meist nichtlineare Funktionen zwischen Kräften oder Momenten und einer Geschwindigkeit oder Drehgeschwindigkeit sind. Auch reibende Oberflächen, strömende Medien und thermodynamische Prozesse u. a. können solche Energiequellen sein.

    Tab. 2.3

    Drei Stufen der Berechnungsmodelle

    Tab. 2.3 zeigt eine Einteilung der Berechnungsmodelle in 3 Modellstufen. Es wird grundsätzlich unterschieden zwischen zwangläufigen, zwangserregten und selbsterregten Systemen. Dasselbe reale Objekt kann mit allen drei Modellstufen „abgebildet" werden, es kommt jeweils auf den Modellzweck und seine konkreten Belastungs- und Bewegungsverhältnisse an!

    In Tab. 2.3 sind die Modelle vom Einfachen (Modellstufe 1) zum Komplizierten (Modellstufe 3) hierarchisch geordnet. Man kann diese Ordnung physikalisch (nach der Herkunft der Energiequelle), mathematisch (nach der Komplexität der Gleichungen) und mit der historischen Entwicklung begründen.

    Zum ersten Aspekt ist zu erwähnen, dass die Frage nach der Energiequelle von der niederen zur höheren Stufe immer klarer formuliert wird: Auf Stufe 1 sind kinematische Größen vorgegeben, welche mechanische Energie in das zwangläufige mechanische System übertragen. In Stufe 2 ist eine Kraft- oder Bewegungsgröße als Funktion der Zeit gegeben, die unbeeinflusst von der Antwort des erregten Systems ist. In Stufe 3 ist schließlich die Energiequelle Bestandteil des autonomen Systems. Es ist dann erforderlich, auch eine Modellbildung des Motors (z. B. für elektrische Baugruppen) vorzunehmen, vgl. Abschn. 3.​4.​3.

    Vom mathematischen Standpunkt aus kann man Berechnungsmodelle nach der „rechten Seite" ihrer Gleichungen klassifizieren. Dabei stellt Stufe 3 das autonome System dar, von dem die Modelle der anderen Stufen deduktiv ableitbar sind. Man kann rein formal mathematisch zeigen, dass unter vereinfachenden Annahmen die jeweils niedere Stufe eine Näherung der höheren Stufe ist, d. h., mit dem Modell der höheren Stufe lassen sich die Effekte prinzipiell realitätsnaher als mit den Modellen der tieferen Stufen beschreiben.

    Zum dritten Aspekt (dem „historischen") ist zu sagen, dass bei vielen Objekten eine Modellierung oft mit einem zwangläufigen System begann, vgl. auch Abschn. 2.3.3. Dies hängt auch damit zusammen, dass die Entwicklung jedes Antriebssystems zunächst bei niederen Geschwindigkeiten beginnt, und wenn es sich bewährt, werden im Laufe der Jahre immer höhere Geschwindigkeiten angestrebt. Beim Hochlaufen eines Antriebssystems von null auf die Maximaldrehzahl werden gewissermaßen auch die verschiedenen („historischen") Modellstufen vom Einfachen zum Komplizierten durchlaufen. Bei niederen Geschwindigkeiten verhält sich das Objekt wie ein zwangläufiges System, während man das nichtlineare Verhalten spätestens bei der Zerstörung des Objekts vorführen kann. Dieser Fall muss übrigens bei der Rekonstruktion von Schadensfällen manchmal ernsthaft analysiert werden.

    Berechnungsmodelle der Stufe 1 sind zwangläufige Starrkörpersysteme (Modell „starre Maschine) mit gegebenen Zeitfunktionen einer oder mehrerer Antriebsbewegungen oder Antriebskraftgrößen. Die einfachsten Modelle sind die der Stufe 1a, wo an Stelle von Differenzialgleichungen nur algebraische Gleichungen auftreten, weil der Bewegungszustand durch eine „Primärbewegung vorgegeben wird. In der Praxis sind dies Modelle für starre spielfreie gleichmäßig oder ungleichmäßig übersetzende Getriebe, die genau so viele Freiheitsgrade („Laufgrade") wie Antriebe haben. Bei der Anwendung dieser Modellstufe wird vorausgesetzt, dass sich alle Körper gleichzeitig und ohne Zeitverzögerung bewegen. Der Zeitverlauf der Antriebsbewegungen bestimmt dann den Bewegungszustand im Starrkörpersystem. Der gegebene Zeitverlauf bestimmt auch, wo und wie viel mechanische Energie dem System zugeführt (Beschleunigen) oder entzogen (Verzögern) wird.

    Bei Stufe 1b sind die Bewegungsgleichungen zu integrieren, z. B. bei Starrkörpermechanismen mit einem oder mehreren Freiheitsgraden. Beispiele dazu sind Pendel und Kreisel, vgl. auch die Beispiele im Abschn. 5.​7.​3.

    Ein Starrkörpersystem ist durch geometrische Abmessungen und Masseparameter beschreibbar, vgl. Tab. 2.5. Zur Abgrenzung des Geltungsbereichs des Starrkörpermodells gegenüber dem des erzwungenen Schwingungssystems (Stufe 2 in Tab. 2.3) gibt es zwei einfache grobe Kriterien:

    1.

    Bei periodischen Erregungen ist das Starrkörpersystem (auch „Modell der starren Maschine genannt) für den stationären Zustand als Modell anwendbar, wenn es „langsam erregt wird. Dies bedeutet bei periodischen Erregungen, dass die höchste Erregerfrequenz, die noch eine bedeutsame Amplitude im Fourierspektrum aufweist, wesentlich kleiner als die niedrigste Eigenfrequenz $$f_{1}$$ des realen Objekts sein muss. Also lautet das Kriterium:

    $$\displaystyle k\Omega\ll\omega_{1}=2\pi f_{1}\quad\text{bzw.}\quad f_{e\,\mathrm{max}}\ll f_{1}$$

    (2.6)

    mit der Grundkreisfrequenz $$\Omega$$ der Erregung und der Ordnung $$k$$ der höchsten relevanten Harmonischen. Kraftgrößen ändern sich mit dem Quadrat der Drehzahl.

    2.

    Bei instationären Erregungen, also den typischen Anfahr-, Brems-, Beschleunigungs- oder Verzögerungsvorgängen, ist das Modell des Starrkörpersystems anwendbar, so lange die einwirkende Kraft sich „langsam" ändert, d. h. wenn die größte Schwingungsdauer $$T_{1}$$ des realen Objekts bedeutend kleiner als die Anlaufzeit $$t_{\mathrm{a}}$$ der einwirkenden Kraft- oder Bewegungsgröße ist. Als Kriterium gilt:

    $$\displaystyle\frac{1}{f_{1}}=T_{1}\ll t_{\mathrm{a}}$$

    (2.7)

    Die dynamischen Kräfte und Momente, die sich bei der Anwendung des Starrkörpermodells ergeben, werden als kinetostatische Kräfte bezeichnet. Ihre zeitlichen Verläufe stellen Mittelwerte dar, denen sich die aus den Schwingungen eines Systems resultierenden „vibrodynamischen Kräfte" überlagern. Meist stellen die kinetostatischen Kräfte eine untere Grenze für die dynamische Belastung dar, aber wenn der negative Wert einer Vibrationskraft mit dem Spitzenwert einer kinetostatischen Kraft zeitlich zusammenfällt, kann die Gesamtbelastung zu diesem Zeitpunkt auch kleiner werden als der kinetostatische Wert.

    Entscheidend für die Grenze zwischen dem Modell des erzwungenen Schwingers und dem Starrkörpermodell ist die Grundfrequenz des realen Objekts. Bei der Frage „starr oder schwingungsfähig" ist also eine modale Anregbarkeit (vgl. Abschn. 5.​2) und die Grundfrequenz abzuschätzen. Die Antwort richtet sich nicht nach der absoluten Höhe der Drehzahl oder der Grundfrequenz, sondern nach den durch die Kriterien (2.6) und (2.7) beschriebenen Proportionen. Tab. 2.4 zeigt Bereiche der ersten Eigenfrequenz typischer Baugruppen und Objekte. Es sind dabei auch exemplarisch die im vorliegenden Buch behandelten Beispiele eingeordnet worden.

    Tab. 2.4

    Typische Bereiche von Grundfrequenzen

    Zur Modellstufe 2 werden lineare und nichtlineare Schwingungssysteme gezählt, die durch eine gegebene Zeitfunktion erregt werden. Es wird zwischen linearen (Stufe 2a), parametererregten (Stufe 2b) und nichtlinearen (Stufe 2c) Schwingungssystemen unterschieden, vgl. die in Tab. 2.3 genannten Kennzeichen.

    In Tab. 2.5 sind die wesentlichen Parameter aufgeführt, welche üblicherweise zu den jeweiligen Modellstufen gehören. Ein wesentliches Kennzeichen ist die Anzahl ihrer Freiheitsgrade. Sie richtet sich einerseits danach, welche physikalischen Effekte zu berücksichtigen sind, wie viele Eigenformen (Moden) bei einem linearen System tatsächlich angeregt werden, aber auch danach, wie genau man die räumliche Auflösung des Belastungs- und Deformationsverhaltens bestimmen will.

    Tab. 2.5

    Typische Parameter der verschiedenen Modellstufen

    Es muss gewährleistet sein, dass der Erregerfrequenzbereich innerhalb des Eigenfrequenzbereichs des Modells liegt. Deshalb gilt das Kriterium:

    Das Modell soll Eigenfrequenzen bis oberhalb der höchsten Erregerfrequenz besitzen.

    Abb. 2.4 illustriert diese Zusammenhänge. Bei Fall a) ist Bedingung (2.6) erfüllt, und es ist keine Resonanz möglich. Liegen viele höhere Eigenfrequenzen des Berechnungsmodells weit über dem Gebiet des Erregerfrequenzbereichs, so hat das Berechnungsmodell unnötig viele Freiheitsgrade, vgl. Abb. 2.4b. Ein Modell hat zu wenige Freiheitsgrade, wenn die höchste Eigenfrequenz des Berechnungsmodells innerhalb des Bereichs der Erregerfrequenzen liegt, vgl. Abb. 2.4c.

    ../images/67613_4_De_2_Chapter/67613_4_De_2_Fig4_HTML.png

    Abb. 2.4

    Frequenzrelationen bei der Modellbildung. a Starrkörpersystem, b Modell mit zu vielen hohen Eigenfrequenzen, c Modell mit zu wenig Eigenfrequenzen

    Liegt die höchste Eigenfrequenz $$f_{n}$$ weit oberhalb der höchsten Erregerfrequenz $$f_{e\,\mathrm{max}}$$ , so ist sie vernachlässigbar, vgl. auch die Mittelungsmethode in Abschn. 2.4.6.

    Ohne Beachtung der Eigenformen hat der Vergleich der Eigenfrequenzen mit den Erregerfrequenzen keine klare Aussagekraft hinsichtlich des Berechnungsmodells, vgl. auch Abschn. 2.3.5, 2.5.3 und [305]. Wenn die $$n$$ -dimensionalen Vektoren der Erregerkräfte und Eigenformen zueinander orthogonal sind, entsteht z. B. keine Schwingungserregung, und es besteht trotz der Übereinstimmung von Erreger- und Eigenfrequenz keine Resonanzgefahr. Bei der Modellbildung in der Antriebsdynamik sollten stets die Kriterien beachtet werden, die in [305] formuliert wurden, vgl. Abschn. 2.3.5.

    Parametererregte Schwinger (Modellstufe 2b und 2c), die infolge der gegebenen Zeitfunktionen zu den zwangserregten Systemen zu zählen sind, können ebenfalls in lineare und nichtlineare eingeteilt werden. Ihre Differenzialgleichungen können auf Grund eines sehr allgemeinen Satzes von Ljapunov [286] durch eine Transformation in Systeme mit konstanten Koeffizienten überführt werden, weshalb sie sich physikalisch auch wie Modelle der Modellstufe 2a verhalten.

    Selbsterregte Schwinger (Modellstufe 3) werden meist als Systeme mit wenigen Freiheitsgraden behandelt. Es sind stets nichtlineare Systeme, wobei die Stabilitätsgrenzen oft schon mit linearen Systemen ermittelt werden können, z. B. Abschn. 4.​5.​3. Bei mehr als zwei Freiheitsgraden treten manchmal auch chaotische Bewegungen auf [23], [59], [288].

    Es ist aus numerischen Gründen ratsam, sog. „steife" Differenzialgleichungen zu vermeiden. Das Verhältnis der höchsten Eigenfrequenz zur niedrigsten soll möglichst klein sein. Dahinter steckt die Überlegung, dass

    sich Schwingungen mit verschiedenen Frequenzen, die sich voneinander mehr als etwa um den Faktor 20 unterscheiden, gegenseitig kaum beeinflussen

    die Zeitschrittweite bei numerischen Integrationsverfahren sich nach der höchsten im System auftretenden Frequenz richtet und bei hohen Frequenzen unnötig lange Rechenzeiten entstehen.

    numerische Ergebnisse mit zunehmender Rechenzeit ungenauer werden.

    Dazu ist zu sagen, dass die expliziten Runge-Kutta-Verfahren (MATLAB-Funktionen ode23 bzw. ode45) ungeeignet sind, weil die Schrittweitensteuerung sehr kleine Schrittweiten wählt. Die Standard-Routine für steife Differenzialgleichungen ist die Funktion ode15s [330]. Ist die Steifheit nicht zu hoch, so kann man auch ode23t verwenden, welche auf einem einfachen impliziten Verfahren beruht.

    2.1.2.3 Zur Vermeidung „steifer" Systeme

    Bei der Modellbildung mechanischer Systeme werden manchmal „vorsichtshalber" die Federsteifigkeiten aller elastischen Elemente berücksichtigt, auch wenn deren Größe sich voneinander stark unterscheidet. Man argumentiert, dass es korrekter sei, die harten Federn von Anfang an nicht zu vernachlässigen, denn man könne sie später mit mehreren Zehnerpotenzen auf nahezu unendlich erhöhen, dann erhalte man das Ergebnis auch für die starre Kopplung an der Stelle, wo eine harte Feder im Modell vorhanden ist. Dieses Argument ist aber nicht stichhaltig, denn man erhält damit sehr steife Differenzialgleichungen.

    Das folgende kleine Beispiel soll zeigen, dass und wie man steife Systeme schon bei der Modellbildung vermeiden kann.

    ../images/67613_4_De_2_Chapter/67613_4_De_2_Fig5_HTML.png

    Abb. 2.5

    Zur zweckmäßigen Modellbildung. a Dreimassenmodell, b Zweimassenmodell

    Man betrachte die beiden in Abb. 2.5 gezeigten Berechnungsmodelle, die dasselbe reale Objekt abbilden: im Fall a mit drei Freiheitsgraden (Abb. 2.5a) und im Fall b (Abb. 2.5b) mit zwei Freiheitsgraden. Es interessiert die dynamische Belastung in der Mitte der rechten Masse (Stelle $$S$$ ). Im Modell a wird diese Stelle durch eine harte Feder erfasst, deren Federkonstante wesentlich größer als die der anderen Feder ist (Faktor $$\kappa\gg 1$$ ), während das Modell b an dieser Stelle keine Feder hat.

    Die Bewegungsgleichungen für das Dreimassensystem in Abb. 2.5a lauten:

    $$m\ddot{x}_{1}+k(x_{1}-x_{2}) =F$$

    (2.8)

    $$m\ddot{x}_{2}-k(x_{1}-x_{2})+\kappa k(x_{2}-x_{3}) =0$$

    (2.9)

    $$m\ddot{x}_{3}\hphantom{{}-k(x_{1}-x_{2})}-\kappa k(x_{2}-x_{3}) =0$$

    (2.10)

    Seine drei Eigenkreisfrequenzen, bei denen die Null für die Starrkörperbewegung mit gezählt wird, ergeben sich aus

    $$\displaystyle\begin{aligned}\displaystyle\omega_{1}=0;\quad\omega_{2}^{2}&\displaystyle=(1+\kappa-\sqrt{1-\kappa+\kappa^{2}})k/m;\\ \displaystyle\omega_{3}^{2}&\displaystyle=(1+\kappa+\sqrt{1-\kappa+\kappa^{2}})k/m\end{aligned}$$

    (2.11)

    Bei Werten von $$\kappa\gg 1$$ gilt die Näherung

    $$\displaystyle\begin{aligned}\displaystyle\omega_{1}=0;\quad\omega_{2}^{2}&\displaystyle=(1{,}5-0{,}375/\kappa)k/m;\\ \displaystyle\omega_{3}^{2}&\displaystyle=(2\kappa+0{,}5)k/m\end{aligned}$$

    (2.12)

    Bei einer viel härteren rechten Feder unterscheiden sich $$\omega_{2}$$ und $$\omega_{3}$$ um mehrere Zehnerpotenzen, d. h. es entstehen steife Differenzialgleichungen. Die Lösung wird weiter verfolgt für den Wert $$\kappa=1000$$ . Damit ergibt sich aus (2.11) oder (2.12):

    $$\displaystyle\begin{aligned}\displaystyle\omega_{1}=0;\quad\omega_{2}^{2}&\displaystyle=1{,}49937k/m;\\ \displaystyle\omega_{3}^{2}&\displaystyle=2000{,}50k/m\end{aligned}$$

    (2.13)

    und für die Kraft in den Federn erhält man nach einem Kraftsprung $$F$$ auf den ruhenden Dreimesserschwinger die Lösung

    $$F_{12} =k(x_{1}-x_{2})=[0{,}6665(1-\cos\omega_{2}t)+0{,}0001(1-\cos\omega_{3}t)]F$$

    (2.14)

    $$F_{23} =\kappa k(x_{2}-x_{3})=[0{,}3332(1-\cos\omega_{2}t)+0{,}0002(1-\cos\omega_{3}t)]F$$

    (2.15)

    Aus den Zahlenwerten ist ablesbar, dass die Komponente mit der niedrigen Eigenfrequenz viel stärker als die mit der hohen Eigenkreisfrequenz $$\omega_{3}$$ angeregt wird und die wesentliche dynamische Belastung durch die Schwingungen mit der niedrigen Eigenfrequenz bestimmt wird. Die Schwierigkeiten, die bei der numerischen Lösung des „exakten Dreimassenmodells entstehen, folgen daraus, dass die für die Maximalbelastung unbedeutende Komponente mit der hohen Eigenfrequenz den Lösungsverlauf sehr „aufraut.

    Je größer die $$\kappa$$ -Werte sind, desto störender macht sich die „Rauheit" bemerkbar. Es kann vor allem bei größeren unüberschaubaren Systemen passieren, dass wegen der hohen Steife der Differenzialgleichungen die Simulationssoftware relativ lange rechnet und gar keine brauchbare Lösung liefert.

    Nun wird ein einfaches Modell (Abb. 2.5b) mit zwei Massen ohne die steife zweite Feder betrachtet, das den Bewegungsgleichungen

    $$\displaystyle m\ddot{x}_{1}+k(x_{1}-x_{2})=F;\quad 2m\ddot{x}_{2}-k(x_{1}-x_{2})=0$$

    (2.16)

    gehorcht. Die interessierende Kraft liegt an der an der Schnittstelle $$S$$ innerhalb der rechten Masse und wird nicht durch eine steife Feder lokalisiert. Dieser Zweimassenschwinger hat die Eigenfrequenzen

    $$\displaystyle\omega_{1}=0,\quad\omega_{2}^{\ast 2}=1{,}5k/m$$

    (2.17)

    Für die Kräfte in der Feder und an der Schnittstelle $$S$$ (wo vorher die harte Feder angeordnet war) ergibt sich als Lösung der Differenzialgleichungen (2.16):

    $$F_{12} =k(x_{1}-x_{2})=0{,}6667(1-\cos\omega^{\ast}_{2}t)F$$

    (2.18)

    $$F_{23} =-m\ddot{x}_{2}=0{,}3333(1-\cos\omega^{\ast}_{2}t)F$$

    (2.19)

    Diese Lösungen stimmen praktisch mit denjenigen in (2.14) und (2.15) überein.

    Bei der Modellbildung kann man meist aus ingenieurtechnischer Sicht unwesentliche Elemente ignorieren und auf diese Weise steife Differenzialgleichungen vermeiden. Es ist deshalb vor allem bei Berechnungsmodellen mit vielen Freiheitsgraden zu empfehlen, relativ kleine Massen und relativ steife Federn zu vernachlässigen. Dann werden extrem hohe (und physikalisch sinnlose) Eigenfrequenzen von Anfang an vermieden. Es ist also zweckmäßig, vor der numerischen Simulation eine Modellvereinfachung vorzunehmen, evtl. auch mit Methoden der Freiheitsgradreduktion, vgl. Abschn. 2.6.

    2.1.3 Beispiel: Antrieb eines Mechanismus

    Als Beispiel erläutert Tab. 2.6 die 3 Stufen der Berechnungsmodelle für den Antrieb eines ungleichmäßig übersetzenden Mechanismus. Verfolgt man die Tabelle, kann man die mathematischen Vereinfachungen (bzw. bei umgekehrter Betrachtung die Verallgemeinerungen) erkennen, die von Stufe zu Stufe erfolgen. Wie ersichtlich, kommen bei höheren Modellstufen nicht unbedingt mehr Freiheitsgrade, aber mehr Parameter im Parametervektor $$\boldsymbol{p}$$ vor, vgl. auch Tab. 2.5.

    Tab. 2.6

    Zur Stufung der Berechnungsmodelle für einen Antrieb mit einem ungleichmäßig übersetzenden Mechanismus bei stationärem Betrieb

    In der Modellstufe 1a wird der Antriebswinkel $$\varphi_{0}$$ als Funktion der Zeit vorgegeben. Damit kann man berechnen, welches Antriebsmoment bei einer zwangläufigen kinematischen Bewegung erforderlich ist. Man könnte analog auch Bewegungsabläufe beim Anfahr- oder Bremsvorgang vorgeben und Antriebsmomente infolge instationärer Bewegungsabläufe erhalten. Ein stellungsabhängiges Antriebsmoment ergibt sich aus dem Verlauf von $$J(\varphi)$$ , vgl. Gleichung (4) in Tab. 2.6. Das reduzierte Trägheitsmoment $$J(\varphi)$$ charakterisiert die stellungsabhängige kinetische Energie eines zwangläufigen Mechanismus, vgl. [102], [90].

    Wird das Antriebsmoment $$M_{\mathrm{an}}(t)$$ gegeben, so ist die Differenzialgleichung (5) zu integrieren, vgl. Modellstufe 1b. Die Differenzialgleichung (5) für die Absolutkoordinate des Antriebswinkels ist i. Allg. nur numerisch integrierbar. Das Torsionsmoment $$T$$ in der Antriebswelle unterscheidet sich vom Antriebsmoment, wenn das Trägheitsmoment $$J_{0}$$ des Motors getrennt berücksichtigt wird, vgl. Gleichung (6). Die Modellstufen 1a und 1b unterscheiden sich nur durch die Art der Erregung (kinematisch oder dynamisch infolge Kraftgrößen).

    Wird die Elastizität der Antriebswelle durch die Drehfederkonstante $$k_{\mathrm{T}}$$ berücksichtigt und mit einem gegebenen Zeitverlauf des Antriebswinkels gerechnet, erhält man auf Stufe 2 das Modell eines nichtlinearen erzwungenen Schwingers. Nichtlinearitäten entstehen durch das stellungsabhängige Trägheitsmoment und das Quadrat der Winkelgeschwindigkeit.

    Wird mit den Gleichungen (10) und (11) die Drehgeschwindigkeit $$\Omega$$ nur als ein Mittelwert definiert, um den sowohl die Drehmasse $$J_{0}$$ des Antriebsmotors „vor der Antriebswelle als auch der Mechanismus „hinter der Antriebswelle kleine Schwingungen mit den Relativwinkeln $$q_{1}$$ und $$q_{2}$$ ausführen, so entstehen die beiden Differenzialgleichungen (7) und (8), welche die Modellstufe 2 kennzeichnen. Als weiterer Parameter tritt die Drehmasse $$J_{0}$$ hinzu. Die Differenzialgleichungen für die beiden Relativwinkel $$q_{1}$$ und $$q_{2}$$ sind vom Standpunkt der Schwingungstheorie diejenigen eines zwangserregten (d. h. parametererregten erzwungenen) Schwingers. Das ursprünglich vom Kurbelwinkel $$\varphi$$ abhängige Trägheitsmoment des Mechanismus wird nun durch das zeitabhängige $$\overline{J}(\Omega t)$$ erfasst. Ein Antriebsmoment von außen kommt nicht vor, weil die kinematische Erregung durch den Winkel $$\Omega t$$ gewissermaßen als Energiequelle gegeben ist. Das innere Moment $$T$$ in der Antriebswelle ist aus Gleichung (9) nach der Lösung der Differenzialgleichungen berechenbar.

    Das Modell der Stufe 2 kann man als eine Näherung für das Modell der Stufe 3 oder als eine Verallgemeinerung des Modells der Stufe 1b deuten. Als neuer Parameter der Modellstufe 3 erscheint $$M_{0}$$ in Gleichung (13). In dem autonomen System der Differenzialgleichungen (12) und (13) für die Absolutkoordinaten $$\varphi_{1}$$ und $$\varphi_{2}$$ ist die linearisierte Drehzahl-Drehmomentenkennlinie die „Energiequelle", vgl. Gleichung (14). Die Winkelgeschwindigkeiten $$\dot{\varphi}_{1}$$ und $$\dot{\varphi}_{2}$$ erhält man als Ergebnis der Integration dieser beiden Differenzialgleichungen. Man muss zwischen dem Antriebsmoment des Motors (Gleichung (14)) und dem Moment in der Antriebswelle (Gleichung (15)) unterscheiden. Da es keine vorgegebene Zeitfunktion gibt, beschreibt das Modell dieser dritten Stufe einen selbsterregten Schwinger.

    2.2 Bewertung von Modellgleichungen

    2.2.1 Regeln zur Verifikation von Modellgleichungen

    Im Anfangsstadium eines Modellbildungsprozesses kommt es darauf an, grobe Fehler zu vermeiden und ohne viele Umwege zu einem adäquaten Modell zu gelangen. Ein mit der Software-Entwicklung neu entstandenes Problem besteht darin, dass man den Rechenergebnissen blind vertrauen muss, wenn man keine Kontrollmöglichkeiten hat. Da der Ingenieur (und nicht der Programmentwickler) nach wie vor für die Rechenergebnisse verantwortlich ist, hat er großes Interesse an Möglichkeiten der Ergebniskontrolle.

    Zur Kontrolle von Formeln und von mit Simulations-Software erhaltenen Rechenprogrammen können die folgenden Regeln behilflich sein:

    1.

    Man überzeuge sich von der Dimension und der physikalischen Bedeutung jedes Summanden!

    Vielfach sind die Modellgleichungen entweder die Summen von Kraftgrößen (Kräfte oder Momente) oder von geometrischen Größen (Wege, Verschiebungen oder Winkel), weil sie aus Gleichgewichts- oder Zwangsbedingungen folgen. Bekanntlich dürfen nur Größen gleicher Dimension gleichgesetzt, addiert oder subtrahiert werden. Es ist also zu empfehlen, anfangs jeden Term bezüglich der Dimension zu überprüfen. Beachtet man auch die Zahlenwerte, kann man die Bedeutung jedes Terms (also z. B. die Komponenten der Massenkräfte, Feder-, Dämpfer- und Erregerkräfte) innerhalb der Gesamtbilanz erkennen, seinen Einfluss besser verstehen und sich veranschaulichen.

    Man prüfe die Herkunft der Erregungen (kinematische Erregungen oder Kraftgrößen) eines schwingungsfähigen Systems. Üblicherweise bilden sie die „rechten Seiten" der Modellgleichungen, vgl. Tab. 2.6 und 2.8.

    2.

    Man prüfe die Tendenzen, welche die Variation der Eingabeparameter auf die Ausgabegrößen hat!

    Im Allgemeinen gilt bei jedem linearen Schwingungssystem, dass sich keine der Eigenfrequenzen erhöht, wenn eine Masse vergrößert oder eine Federkonstante vermindert wird.

    In einigen Sonderfällen, wenn die Masse über den Schwerkrafteinfluss die potenzielle Energie verändert (z. B. Pendel oder bei Kreiseln), ist der Einfluss von Masseparametern auf Eigenfrequenzen komplizierter.

    Ebenso kann über die inneren Zwangskräfte (Bindungskräfte, wie Zahnkräfte, Lager- und Gelenkkräfte), die infolge der Massenkräfte bei Starrkörpersystemen entstehen, vorausgesagt werden, dass sie sich mit dem Quadrat der Drehzahl vergrößern müssen. Weitere Aussagen sind auch bezüglich der Drehzahlabhängigkeit der Eigenfrequenzen von Rotorsystemen (Aufspaltung infolge der Kreiselwirkung) u. a. möglich.

    3.

    Man kontrolliere die Modellgleichungen und die Ergebnisse für extreme Parameterwerte!

    Es kann sehr nützlich sein zu prüfen, wie sich die Lösungen der Modellgleichungen verhalten, wenn einzelne Parameter sehr große oder sehr kleine Werte annehmen. Das „Nullsetzen oder „Unendlichwerden von Parameterwerten kann dazu führen, dass sich die Gleichungen entkoppeln und sich ihre Lösungen vereinfachen. Man kann oft auch überlegen (indem man sich die physikalischen Konsequenzen der mathematischen Grenzfälle verdeutlicht), welche Tendenzen in den Ergebnissen infolge extremer Parameterwerte zu erwarten sind. So müssen die Modellgleichungen unter bestimmten Bedingungen (z. B. durch das Nullsetzen einer Feder in einer Schwingerkette) in zwei getrennte Gleichungssysteme zerfallen, die sich nicht mehr gegenseitig beeinflussen. Ein unendlich großes Trägheitsmoment muss so wirken, wie eine Einspannung. Es kann auch sein, dass für extreme Parameterwerte geschlossene analytische Lösungen gefunden werden, die man zum Vergleich mit den weniger überschaubaren numerischen Lösungen heranziehen kann.

    4.

    Man nutze das Superpositionsprinzip zur Kontrolle!

    Bei linearen Systemen muss folgende Bedingung erfüllt sein: Die Wirkung (z. B. Deformation), die infolge der gleichzeitigen Einwirkung von zwei Ursachen (z. B. Kraftgrößen) entsteht, muss ebenso groß sein wie die Summe der Wirkungen, die sich aus der Einwirkung jeder einzelnen Ursache ergibt. Daraus folgt auch, dass bei einem linearen Schwingungssystem beliebiger Struktur z. B. bei einer Verdopplung der Erregerkräfte auch eine Verdopplung der Schwingwege eintreten muss.

    Andererseits sollte sich bei einem nichtlinearen System zeigen, dass das Superpositionsprinzip verletzt ist, denn sonst hätte man einen Grund, seine Nichtlinearitäten als unwesentlich anzusehen und es zu linearisieren, vgl. dazu die Beispiele mit geometrisch bedingten nichtlinearen Trägheitskräften in Abschn. 2.2.4, mit nichtlinearen Antriebsmomenten in Abschn. 3.​4.​3, mit nichtlinearer Kupplung in Abschn. 3.​4.​2 oder mit nicht proportionaler Dämpfung in Abschn. 3.​5.

    5.

    Man benutze Erhaltungssätze der Mechanik zur Kontrolle!

    Der Impulssatz, der Drallsatz, der Energie- und Arbeitssatz eignen sich dazu, die Ergebnisse der numerischen Integration zu kontrollieren. Die Bewegungsgleichungen haben oft die Form von Gleichgewichtsbedingungen, d. h., die genannten Sätze können zusätzlich formuliert und ihre Erfüllung nach dem Einsetzen der Ergebnisse der numerischen Integration geprüft werden. Manchmal ist es vorteilhaft, diese Erhaltungssätze der Mechanik als weitere Gleichungen in den Integrationsprozess einzubeziehen, vgl. [373], [433]. Die genannten Sätze stellen ebenso wie die anderen genannten Kontrollmöglichkeiten notwendige Bedingungen dar, die erfüllt sein müssen, d. h. man kann aus ihrer Nichterfüllung zwar auf Fehler, aber aus ihrer Erfüllung nicht auf die Richtigkeit der Ergebnisse schließen.

    6.

    Man vergleiche die Ergebnisse mechanisch ähnlicher Parametervektoren!

    Wie im Abschn. 2.2.2 näher ausgeführt wird, kann man an Stelle von $$K$$ dimensionsbehafteten Parameterwerten bei jedem antriebsdynamischen Problem $$K-3$$ dimensionslose Kenngrößen einführen und mit diesen dimensionslose Ergebnisse berechnen, welche sich schließlich wieder in dimensionsbehaftete Endergebnisse umrechnen lassen. Man kann die Resultate von Softwareprogrammen, deren Algorithmen im einzelnen unbekannt sind, prüfen, indem man die Berechnung mit verschiedenen Parametervektoren wiederholt, denen dieselben dimensionslosen Kenngrößen entsprechen, vgl. das Beispiel in den Gleichungen (2.49) bis (2.51). Die mit denselben Bezugsgrößen erhaltenen dimensionslosen Resultate müssen für mechanisch ähnliche Parametervektoren numerisch völlig übereinstimmen, d. h. durch diese Kontrolle kann man sich vergewissern, wie genau die numerische Berechnung war.

    7.

    Man beachte die Symmetriebedingungen mechanischer Systeme!

    Viele Rechenprogramme sind so allgemeingültig, dass die installierten Algorithmen die besonderen Beziehungen nicht ausnutzen, die in einer symmetrischen mechanischen Struktur zwischen den mechanischen Größen bestehen müssen. Wird ein symmetrisches mechanisches System mit einem Algorithmus für ein beliebiges System behandelt, kann man deshalb mehrere Proben machen:

    Bei symmetrischen Belastungen müssen alle antimetrischen Schnittgrößen in der Symmetrieebene null sein, und alle mechanischen Größen müssen an allen symmetrischen Punkten übereinstimmen.

    Bei antimetrischen Belastungen müssen alle symmetrischen Schnittgrößen in der Symmetrieebene null sein, und alle mechanischen Größen müssen an allen symmetrischen Punkten entgegengesetzte Vorzeichen haben.

    Eine beliebige Belastung kann stets als Summe aus einer symmetrischen und einer antimetrischen Belastung

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