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Gespräche über Führung: Zehn Führungspersönlichkeiten geben Einblick
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Gespräche über Führung: Zehn Führungspersönlichkeiten geben Einblick

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Warum haben Führungspersonen Erfolg in ihrem Kontext? Was machen sie anders als die anderen? Das Buch bildet Macherinnen und Macher ab, die Herausforderungen meistern, etwas wagen und damit Wirkung erzielen. Sie haben eine Mission, eine Haltung, eine Meinung und setzen sie um. Das Buch gibt Einblick in ihren realen Alltag in Unternehmen, Start-ups und öffentlichen Institutionen. Mit Beiträgen von: Hans Thomann, Geschäftsführer Thomann International, Jana Tepe und Anna Kaiser, Gründerinnen, Geschäftsführerinnen Tandemploy, Uwe Lübbermann, Gründer Premium Kollektiv, Maria Gross, Sterneköchin, Inhaberin Bachstelze in Erfurt, Michael Schmuck, Vorstandsvorsitzender Sparkasse Neuss, Gisela Grimme, Schulleiterin Elisabeth-Selbert-Schule Hameln, deutsche Schulpreisträgerin, Max Wittrock, Co-Gründer, Co-Geschäftsführer von mymuesli, Silvia Neid, frühere Bundestrainerin deutsche Frauen-Fußballnationalmannschaft, Leiterin Scouting-Abteilung Frauen- und Mädchenfußball beim DFB, Andreas Gebhard, Mitgründer, CEO der re:publica.Der Blick hinter die Kulissen ihres Führungsalltags macht Mut zur Führung und bietet wertvolle Gedankenanstöße und Inspiration für alle, die bereits führen oder führen möchten.
LanguageDeutsch
Release dateSep 19, 2018
ISBN9783658168377
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    Gespräche über Führung - Cornelia Knoch

    © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019

    Cornelia KnochGespräche über Führung: Zehn Führungspersönlichkeiten geben Einblickhttps://doi.org/10.1007/978-3-658-16837-7_1

    Intro

    Cornelia Knoch¹  

    (1)

    Dr. Cornelia Knoch Beratung, Küsnacht ZH, Schweiz

    Cornelia Knoch

    Email: info@knoch-beratung.ch

    Warum noch ein Buch über Führung?

    Gibt man den Begriff Führung in Google oder auf Amazon ein, erscheinen unzählige Treffer. Führung ist ein Thema, keine Frage. Die meisten werden dieser Aussage vermutlich mit einem Blick in ihr Arbeitsumfeld zustimmen, manchmal vielleicht auch nur hinter vorgehaltener Hand.

    Was der Interessierte allerdings bei seiner Suche findet, sind überwiegend Seminarangebote oder Ratgeber in Buchform, die z. B. Aussagen treffen, wie man Mitarbeitende führt, welche Fehler es zu vermeiden gilt oder welchen Prinzipien man am besten folgt. Es ist unschwer zu erkennen: Bestimmte Instrumente, Konzepte oder Modelle sollen helfen, Struktur und Orientierung im Führungsalltag herzustellen.

    Das ist einerseits gut und hilfreich, andererseits aber auch einengend, gerade dann, wenn man sich offen mit dem Thema Führung auseinandersetzt und nicht einer bestimmten Spur oder Vorgabe folgen möchte.

    Das vorliegende Buch ist darum auch nicht als Ratgeber zu verstehen. Es stellt auch keine Konzepte oder Best-Practice-Beispiele vor. Stattdessen bildet dieses Buch unterschiedlichste Blickwinkel auf das Thema Führung ab.

    Alle Blickwinkel in diesem Buch sind darum subjektiv. Subjektiv, weil sie immer mit einer bestimmten Person verbunden sind. Diese Person berichtet aus ihrem besonderen Führungskontext und aus ihrem Führungsalltag. Allen Personen gemein ist, dass sie mit dem, was sie tun, eine außergewöhnliche Reichweite erzielen. Sie haben damit das erreicht, was man als Erfolg bezeichnen kann. Sie haben in jedem Fall Wirkung erzielt, und zwar eine positive in ihrem Umfeld und darüber hinaus.

    Diese Personen sind reale Beispiele, die zum Nachdenken über die persönliche Führungspraxis anregen und, im besten Fall, Mut machen, selbst Führung verantwortungsvoll zu übernehmen. Es braucht nämlich Inspiration für die eigene Führungspraxis. Wenn solche Impulse nicht in der direkten Umgebung, wie z. B. am Arbeitsplatz, zugänglich und erlebbar sind, liefern die in diesem Buch abgebildeten Gedanken zumindest Ideen, es besser zu machen. Vermutlich kennt jeder schlechte Führung aus eigener Erfahrung. Vorbilder sind manchmal rar gesät. Sollte dieser Mangel an guten Erlebnissen aber dazu führen, im Umkehrschluss Kismet oder eine Haltung à la „es bringt ja eh’ nichts" zum Grundsatz zu erheben, wäre das ungenutztes Potenzial und vielleicht nur Bequemlichkeit.

    Das vorliegende Buch bildet darum Typen ab, die etwas wagen oder gewagt haben. Es sind Macher, die eine Meinung und Haltung haben, die sie vertreten und leben und das in ihrer eigenen Art und Weise. Alle haben immer wieder persönliche Herausforderungen zu meistern. Sie alle verbindet eine starke Vision oder Mission – und damit haben sie Erfolg. Sie kommen aus unterschiedlichsten Branchen und Bereichen, aus dem Leistungssport, der Start-up-Szene, dem Handel, der Bildung, der Gastronomie, der Welt der Banken und der Digitalisierung. Die Blickwinkel sind also breit durchmischt, damit die Offenheit auf das Thema Führung bewahrt bleibt und so unterschiedlichste Stimmen synergetisch wirken können.

    Wie sieht das Konzept hinter „Gespräche über Führung" aus?

    Das Buch bildet, wie der Titel sagt, Gespräche über Führung ab. Diese Gespräche fanden mit wenigen Ausnahmen am Arbeitsort der Gesprächspartner statt. Das hat mir als Gesprächsführende erlaubt, möglichst direkte, authentische Einblicke in die jeweilige Arbeitsrealität meiner Gegenüber zu gewinnen.

    Die Gesprächspartner habe ich lange recherchiert. Bei den meisten hatte ich nur das zur Verfügung, was mir in der Presse oder aus anderen Quellen gespiegelt wurde. Ein solches Bild kann natürlich mit Verzerrungen einhergehen. Eingang ins Buch fanden darum uneingeschränkt die Personen, bei denen sich alle Ausschnitte in der gemeinsamen Zusammenarbeit zu einem stimmigen Ganzen zusammenfügten. Wichtig war, gleich vielen männlichen und weiblichen Stimmen Raum zu geben und möglichst unterschiedliche Generationen zu Wort kommen zu lassen.

    Die Gespräche, die ich geführt habe, sind in diesem Buch als Dialoge nachzulesen. So kann ich sicherstellen, möglichst nahe beim Wort des Gegenübers zu bleiben und keine zusätzlichen Interpretationen ins Bild zu transportieren. Der Lesende begegnet auf diese Weise so unmittelbar wie möglich der Person selbst und dem Kontext, dem sie sich gestellt hat.

    Keiner meiner Gegenüber hat sich auf das Gespräch vorbereiten können. Keiner kannte meine Fragen, alle haben sich spontan aufs Gespräch eingelassen und mit den Fragen in der Gesprächssituation selbst auseinandergesetzt. Vorformulierte, möglicherweise auch gefällige Antworten waren so nicht möglich. Meine Absicht war wieder, so kongruent wie möglich beim Gegenüber und seinen Aussagen zu bleiben.

    Die Fragen zum Thema Führung, denen sich meine Gesprächspartner gestellt haben, sind im Kern die gleichen. Auf diese Weise kann der Lesende die unterschiedlichen Blickwinkel vergleichen und differenziert verstehen. Neben Biografischem gewinnt der Lesende Einblicke in den konkreten Führungsalltag, in individuelle Bewältigungsstrategien und in die im Hintergrund liegenden Haltungen und Werte.

    Ein Gespräch zu führen heißt auch, situativ zu reagieren. Wo immer sich darum Nebenpfade anboten, haben wir diese auch genutzt.

    Wie sind die Gespräche strukturiert?

    Eine Hintergrundinformation leitet jedes Gespräch ein. Diese Vorbemerkung gibt auf einen Blick Auskunft über den Gesprächspartner sowie den Kontext, in dem die jeweilige Person wirkt.

    Das Gespräch selbst ist als Dialog abgebildet.

    Die Dialoge sind immer in eine Hinführung und in einen Abschluss eingebettet. An diesen Stellen kommt insbesondere meine Subjektivität ins Spiel und der Lesende erfährt etwas über die konkrete Situation, in der das Gespräch stattfand. Ein ständiger Begleiter aller Gespräche war, das möchte ich anmerken, die besondere Komik der Situation, denn im Grunde genommen handelte es sich um „Blind Dates", da sowohl meine Gesprächspartner als auch ich herausgefordert waren, sich auf ein Setting einzulassen, dessen Verlauf und Ausgang wir nicht kannten. Humor hilft, das zeigte sich auch in diesen Situationen.

    Am Ende jedes Gesprächs wird der Lesende direkt angesprochen: Jeweils vier Aussagen aus dem Dialog selbst werden gesondert hervorgehoben. Diese Aussagen sind Impulse zum Nachdenken. Versuchen Sie also, die Gedanken in Beziehung zu Ihrem eigenen Tun zu setzen. Stimmen Sie den Aussagen zu? Wo stehen Sie? Was können Sie konkret tun, um diese Gedanken in Ihren Alltag wirksam zu integrieren? Welche Akzente setzen Sie?

    Zu guter Letzt: Im Resümee, das das Buch abschließt, werfe ich noch einmal einen Blick auf die im Vorwort gestellten Fragen, was meine Gesprächspartner, die mit ihrer Art zu führen eine positive Wirkung in ihrer Umgebung erzielen, anders als die anderen machen und warum sie also „Erfolg" haben. Im Laufe der Gespräche kristallisierten sich Verbindungen oder Gemeinsamkeiten heraus und bestimmte Eindrücke verdichteten sich. Die Essenz ist im Resümee zusammengefasst.

    Wer sind die Gesprächspartner?

    Auf den nun folgenden Seiten kommen Hans Thomann, Jana Tepe und Anna Kaiser, Uwe Lübbermann, Maria Groß, Michael Schmuck, Gisela Grimme, Max Wittrock, Silvia Neid und Andreas Gebhard persönlich zu Wort:

    Hans Thomann leitet das Musikhaus Thomann. Das Musikhaus ist nicht nur der umsatzstärkste Musikalienhändler weltweit, sondern wurde auch mehrfach in diversen Sparten für herausragende Leistungen prämiert, u. a. 7-mal in Folge mit dem Deutschen Onlinehandel-Award. Zeit Online porträtierte den Unternehmer Hans Thomann vor einigen Jahren unter dem Titel Der Kümmerer.

    Jana Tepe und Anna Kaiser leiten Tandemploy. Tandemploy stellt Matching-Software für Unternehmen her. Dahinter steckt die Idee, sinnvoll Synergien zu nutzen, indem sich Mitarbeitende z. B. in Projekten oder im Jobsharing finden. Das Unternehmen und das Engagement der Gründer wurden mehrfach prämiert. Beide erhielten unter anderem die BBC Auszeichnung BBC 30 Female Founders under 30.

    Uwe Lübbermann ist Gründer von Premium Kollektiv, einem Unternehmen, das Wirtschaft auf andere Art zu revolutionieren versucht. Seine Absicht ist es, Unternehmen demokratischer, nachhaltiger und somit stabiler zu machen. Mit dem Modell von Premium Kollektiv, das sich seit vielen Jahren erfolgreich behauptet, sorgt Uwe Lübbermann wiederholt auf verschiedenen Plattformen on- und offline für Aufmerksamkeit und Furore.

    Maria Groß war einst Deutschlands jüngste Sterneköchin, bis sie die Nase voll hatte, ihren Job im Kaisersaal in Erfurt an den Nägel hängte und die Bachstelze in der Umgebung von Erfurt eröffnete. Heute fasst sie alle ihre Aktivitäten unter dem Label Marias Ostzone zusammen und ist regelmäßig Gast in diversen TV-Formaten. Herzhaft und unbekümmert hält sie mit ihrer Meinung nicht hinterm Berg.

    Michael Schmuck ist Vorstandsvorsitzender der Sparkasse Neuss, der sich mit dem Antritt seiner Funktion vor vielen Jahren vornahm, dem Unternehmen, dem er vorsteht, einen Stempel der besonderen Art mitzugeben. Er startete einen umfangreichen und konsequenten Kulturentwicklungsprozess, der die Mitarbeitenden in den Mittelpunkt stellte. Heute ist die Sparkasse Neuss mehrfach prämiert und wurde u. a. mit dem Great Place to Work® Award ausgezeichnet.

    Gisela Grimme ist seit vielen Jahren überzeugte Schulleiterin der Elisabeth-Selbert-Schule in Hameln, einer berufsbildenden Schule, die 2017 für ihr herausragendes Engagement mit dem Deutschen Schulpreis ausgezeichnet wurde. Dieser Preis ist insbesondere dem ungewöhnlichen Engagement des gesamten Lehrer-Kollegiums zu verdanken, das abseits des Üblichen unbeirrt die Schüler in den Mittelpunkt des Berufsauftrages stellt.

    Max Wittrock ist einer der drei Gründer und Geschäftsführer von mymuesli, vermutlich das Start-up in der Nahrungsmittelbranche mit dem breitesten Bekanntheitswert im deutschsprachigen Raum. Mit der Idee, dass sich der Konsument sein Müsli selbst zusammenstellen soll, hat mymuesli äußerst erfolgreich eine Nische besetzt. Hierfür gewann mymuesli u. a. 2013 den Deutschen Gründerpreis in der Kategorie Aufsteiger.

    Silvia Neid ist den meisten als leistungsstarke Fußballerin und als herausragende Bundestrainerin der deutschen Frauenfußball-Nationalmannschaft bekannt. Die Liste der Titel und Medaillen ihrer langjährigen Karriere sprengt den Rahmen, dreimal wurde sie u. a. zur Welttrainerin gewählt.

    Andreas Gebhard ist von Hause aus Politiker und seit vielen Jahren als Unternehmer in der Berliner Gründer- und Digitalisierungsszene eine feste Instanz. Als Gründer und CEO der re:publica initiierte er nicht nur eines der weltweit außergewöhnlichsten Festivals für digitale Kultur mit, sondern hat auch mit re:publica die größte Konferenz mitgeschaffen, die es aktuell zu den Themen Digitalisierung und Gesellschaft in Europa gibt.

    © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019

    Cornelia KnochGespräche über Führung: Zehn Führungspersönlichkeiten geben Einblickhttps://doi.org/10.1007/978-3-658-16837-7_2

    Hans Thomann

    Geschäftsführer Thomann GmbH in Burgebrach-Treppendorf

    Cornelia Knoch¹  

    (1)

    Dr. Cornelia Knoch Beratung, Küsnacht ZH, Schweiz

    Cornelia Knoch

    Email: info@knoch-beratung.ch

    ../images/439015_1_De_2_Chapter/439015_1_De_2_Fig1_HTML.gif

    Hans Thomann

    (Quelle: Cornelia Knoch)

    Hintergrundinformation

    Das Musikhaus Thomann ist ein Familienunternehmen und besteht aus dem Musikhaus Thomann, Thomann Direktversand, Thomann Cyberstore und Thomann Audio Professionell. Mit dem Onlineshop für Musikerbedarf, Thomann Cyberstore, ist das Musikhaus Thomann heute der umsatzstärkste Musikalienhändler weltweit.

    Gegründet wurde das Unternehmen 1954 von Hans Thomann senior. Anfang der 1990er-Jahre ging die Leitung des Unternehmens in die Hände des ältesten Sohnes über: Hans Thomann junior. Unter seiner Leitung realisierte das Musikhaus 1996 als erster deutscher Musikhändler seinen Internetauftritt und integrierte 1997 das zu dieser Zeit größte deutsche Musikversandhaus Roadstar ins Unternehmen. Die Jahre 2000 bis heute stehen im Zeichen der Internationalisierung: Aktuell betreut das Musikhaus Thomann etwa 9 Mio. Kunden weltweit rund um das Thema Musik und Musikerbedarf.

    Ich treffe Hans Thomann an einem grauen Novembertag an seinem Firmensitz im oberfränkischen Burgebrach-Treppendorf. Mein Auto parke ich am Rand eines kleinen idyllischen Teichs. Ein Warnschild mit der Aufschrift „Dangerous Cliff Edge und dem Bild eines stilisierten, in die Tiefe stürzenden Hippiebusses weist mich auf die Gefährlichkeit meines Parkunterfanges hin. Die ländliche Umgebung strahlt im Gegensatz dazu Ruhe und Einkehr aus, ein paar Wohnhäuser sind zu sehen, ein weiteres Schild, dieses Mal mit der Aufschrift „Last Music Store before Dead End, zeigt mir den Weg ins Musikgeschäft. Hier bin ich nur leider offenbar falsch, ich umrunde das Gebäude und vor mir erschließt sich weitflächig eine Anlage neuer Gebäude. Ich melde mich an im Hauptgebäude. Um mich herum Auszeichnungen, goldene Schallplatten, Fotos – alles deutet darauf hin, dass an diesem Ort die Musik den Ton angibt. Hans Thomann kommt mir über die Treppe im Mantel entgegen. Die Begrüßung ist ausgesprochen freundlich. Es stellt sich heraus, dass Hans Thomann mich eine Woche später im Terminkalender eingetragen hat. Mein Fehler, ich habe die Daten vertauscht. Das ist mir peinlich, für Hans Thomann aber kein Problem, er packt unser Gespräch kurzerhand in seinen Tagesplan. Wir überqueren gemeinsam das Außengelände und gehen erst einmal ins firmeneigene Restaurant, einem kreisförmigen Neubau aus Glas und Holz, denn ein ergiebiges Gespräch braucht eine gute Grundlage.

    Herr Thomann, woran arbeiten Sie im Moment?

    Wir haben derzeit bestimmt 20 bis 25 Projekte auf unserer To-do-Liste. Wenn ich ein bisschen höher fliege und mir alle Projekte aus dieser Perspektive anschaue, dann ist die Logistik sicher unser größtes Projekt. Hier tätigen wir gerade die höchsten Investitionen. So ein Arbeitstag bei mir geht übrigens sehr schnell herum. Ich habe etwa jede Stunde einen Termin. Dazu kommt das normale Tagesbusiness – hier ein Problem, da ein Problem.

    Warum ist die Logistik das größte Projekt?

    Wir müssen unseren Qualitätsstandard halten, gerade in Stoßzeiten, wie z. B. Ostern und Weihnachten. Weihnachten ist ja ein emotionsgeladenes Geschäft, die Leute bestellen spät und trotzdem muss die Bestellung am 24.12. vor Ort sein. Da braucht man schon gute Kapazitäten.

    Des Weiteren brauchen wir mehr Platz. Ich habe bis zu acht Außenlager und es kostet zu viele Ressourcen, ständig hin und her zu fahren. Ich habe etwa 50.000 Palettenplätze und 53.000 qm Fläche zur Verfügung, aber wir wachsen ständig, bedienen mehr Länder und haben immer mehr Produkte. Bei vielen Produkten ist außerdem die Lead-Zeit, also die Zeit von der Bestellung bis zum Produkt bei uns im Haus, relativ lang. Die kann bis zu drei Monate dauern. Wir haben zurzeit etwa 84.000 Artikel am Lager. Online sind aktuell 94 % direkt verfügbar.

    Also es geht um mehr Kapazität vor Ort und um Zulieferung bzw. Geschwindigkeit?

    Es geht um mehr Kapazität und darum, im Versand 1200 Pakete in der Stunde auf 3000 zu steigern. Dabei geht es aber auch um eine bessere Arbeitsplatz-Qualität. Ich war z. B. immer der Jüngste in der Branche. Jetzt bin ich 55. Viele meiner Mitarbeiter sind mit mir den weiten Weg über die letzten 15 bis 25 Jahre gegangen. Auch die sind älter geworden. Gerade im fortgeschrittenen Alter ist es schwierig, abends oder nachts zu arbeiten. Deshalb ist es gut, dass wir Kernzeit eingeführt haben. Wir arbeiten mit einer Zeiterfassung. Überzeiten werden übrigens ausgezahlt.

    Für uns ist es auch ganz wichtig, dass wir mehr Docks haben für den Warenausgang, damit wir besser sortieren können und unsere Lieferungen Großstädte wie Köln oder Berlin am gleichen Tag erreichen. Ein Sprinter muss hier also um 14 Uhr wegfahren können.

    Die Sachen gehen auf Lastwagen raus?

    Ja, auf Lastwagen.

    Natürlich ist Effizienz wichtig für uns. Wir werden darum in Zukunft viel mit automatischen Verpackungsmaschinen abdecken. Das heißt aber nicht, dass ich Mitarbeiter entlassen werde. Übrigens unterscheiden wir uns in Sachen Qualität von Amazon. Ich habe alleine 52 Mitarbeiter, die unsere Instrumente prüfen, sie einstellen und fertigmachen. Wenn man heute eine preiswerte Geige bei Amazon oder E-bay kauft, heißt das nicht, dass die auch spielt. Das ist nicht gesetzt. Ähnliches gilt für eine preiswerte Klarinette oder Flöte. Wenn an diesen Instrumenten z. B. eine Klappe nicht deckt, funktioniert das ganze Instrument nicht. Will sagen: Egal wie preiswert die Leute bei uns einkaufen: Alles ist geprüft und die Instrumente spielen. Das ist unser Anspruch.

    Spielen Sie ein Instrument?

    Da mein Vater Trompete gespielt hat, durften wir fünf Kinder alle ein Blasinstrument lernen. Ich spiele also Trompete, ein bisschen Klavier, ein bisschen Schlagzeug.

    Was ist geblieben?

    Alles ein bisschen.

    Und was ist das Herzinstrument?

    Eigentlich Gitarre. Mit 40 habe ich gelernt, Schlagzeug zu spielen. Damals habe ich mir vorgenommen, mit 50 Gitarre zu lernen. Jetzt bin ich 55. Angefangen habe ich damit noch nicht.

    In zwei Sätzen: Wer ist das Musikhaus Thomann?

    Ein zuverlässiges, mittelständisches, fränkisches Unternehmen im Wachstum mit einer guten Firmenkultur, mindestens 90 % der Leute hier haben Spaß bei Thomann zu arbeiten, bei uns können sie, ganz wichtig, Hobby und Beruf verbinden – und bei 99 % würde ich sagen Music is our Passion, denn die, die nicht selbst spielen, die hören zumindest gerne Musik.

    Jetzt haben Sie einen Endlossatz gemacht.

    Lacht.

    War das immer schon klar, dass Sie das Unternehmen, das Ihr Vater gegründet hat, übernehmen werden?

    Ich war 28, als ich das Unternehmen übernommen habe. Das war 1990, mein Vater war zu diesem Zeitpunkt bereits 68 und hatte Darmkrebs. Ich war ja schon als kleiner Bub immer mit dabei. Für mich war bei der Übernahme darum nur wichtig, nie Diskussionen in der Familie führen zu müssen, wem wann die Firma gehört. Darum habe ich 1990 alle Geschwister ausgezahlt. Das wäre heute übrigens nicht mehr möglich. Wir sind ja zu fünft: Ich bin in der Mitte, habe zwei ältere Schwestern, eine jüngere und einen kleinen Bruder. Heute habe ich alle Geschwister angestellt, auch die, die noch nicht bei meinem Vater tätig waren. Wir sind zwischenzeitlich neun Familienmitglieder in der Firma. Klar ist, wohin die Richtung geht. Auch hat keiner eine Stelle, die er oder sie nicht ausfüllt. Das ist mir wichtig.

    Die passen auf Ihre Jobs.

    Ganz ehrlich? Es muss passen. Das ist in diesem Punkt wichtiger als Familie.

    Aber als Bruder ist man schon gefordert. Das Spannungsfeld familiär und privat muss man immer wieder ausloten. Das bedeutet auch, dass man seine angestellten Familienmitglieder intensiv pflegen muss. Manchmal mehr noch als die übrigen Mitarbeiter.

    Tatsächlich?

    Ja, weil es emotionsgeladener ist. Man muss immer wieder genau hinschauen. Manche muss man einfangen. Ich möchte nicht, dass meine Familie Sonderrechte genießt. Ganz im Gegenteil: Ich möchte, dass sie eine Vorbildfunktion einnehmen.

    Man könnte sagen, die Übernahme der Firma durch Sie war eine Notwendigkeit. Sie haben den Schritt gemacht als ältester Sohn.

    Genau.

    Dazu hatte man als ältester Sohn noch eine andere Stellung in der Familienhierarchie als die Töchter. Zumindest in dieser Zeit.

    Zu der Zeit war das noch so. Aber ich war ja auch seit meinem sechsten Lebensjahr in der Firma und war natürlich vertraut mit allen Prozessen, z. B. im Einkauf und im Verkauf. Im Jahr 1990 habe ich bereits einige Abteilungen aufgebaut.

    Reinhold Würth hat in ganz jungen Jahre seinen Vater begleitet, wenn er mit dem Leiterwagen durch die Ortschaften zog und Schrauben verkaufte. Seinen Vater hat er bereits mit 19 Jahren verloren und darum sehr jung das Unternehmen übernommen.

    Mein Vater ist mit dem Motorrad losgezogen. Vielleicht ist das auch eine Parallele zu dieser Geschichte: Wir Kinder haben ja von unserem Vater Musikunterricht bekommen. Das ist eine härtere Schule als das übliche Unterrichten und Lernen. Du nimmst als Kind viel intensiver Positives und Negatives wahr. Später habe ich dann Blechblasinstrumentenbauer gelernt und war darum viel von zu Hause weg. Ich glaube, ich habe relativ früh gelernt, was gut ist und was ich bei meinem Vater lasse.

    Tatsächlich? Kann man sich so abgrenzen und so früh wissen, wer man ist und wer der andere?

    Ja.

    War Ihr Vater eine prägende Figur?

    Er hat zum einen unglaublich gut Trompete gespielt. Zum anderen war er ein Kumpeltyp, und zwar zu allen, egal ob Kunde oder Musikerkollege. Seine Fähigkeit, gut Trompete zu spielen, hat er natürlich immer im Verkauf genutzt. Wenn jemand bspw. ein Instrument kaufen wollte, hat er erst einmal darauf gespielt, damit die Leute wissen, dass das Instrument läuft. Die Kunden sind darum auch als Freunde gegangen.

    Da scheint wieder eine Parallele zu sein: Rheinhold Würth hat einen Mitarbeiter zu einem Kunden begleitet und dabei festgestellt, dass die Leute nur noch in ihre Laptops schauen. Die Laptops beim Kunden hat er dann abgeschafft, damit die Kommunikation wieder direkt wird.

    Und die Leute sich in die Auge sehen. Was ich an ihm schon bewundere, ist die sehr konsequente Umsetzung.

    Sind Sie ein ehrgeiziger Mensch?

    Ja, würde ich schon sagen. Heute Morgen war ich z. B. schon wieder um 4:30 Uhr wach. An solchen Tagen mache ich meine E-Mails, ein bisschen Sport, meditiere, mache Yoga. So beginne ich den Tag.

    Ist das Meditieren dazu da, mehr Ruhe reinzubringen, mehr Fokus?

    Also ich könnte nie in die Firma gehen und morgens schon schlechte Laune haben.

    Machen Sie etwas Bestimmtes in Sachen Meditation?

    Atmung. Ich habe im Moment eine Art kleines Mantra, auf das ich mich konzentriere. Es geht um mehr Ruhe, Gelassenheit, Leichtigkeit, denn bei mir muss immer alles ganz genau sein. Das ist nicht immer

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