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Neurochirurgie bei älteren Patienten
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Neurochirurgie bei älteren Patienten
Ebook922 pages8 hours

Neurochirurgie bei älteren Patienten

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Die neurochirurgische Behandlung von Patienten, die das 65. Lebensjahr überschritten haben, weist zahlreiche Besonderheiten im Vergleich zur Behandlung jüngerer Patienten auf. Die Unterschiede, die beachtet werden sollten, sind von Experten detailliert und an der praktischen Tätigkeit orientiert in diesem Buch beschrieben. Die individuelle Belastbarkeit der Patienten muss bei allen Entscheidungen berücksichtigt werden. Das beginnt mit der Ansprache der Patienten und mit den präoperativen Maßnahmen und schließt den postoperativen Bereich bis zur Rehabilitation oder Palliativbehandlung ein. Für die wichtigsten Erkrankungen des Gehirns und der Wirbelsäule werden gezielte Empfehlungen für die Auswahl und Durchführung der Therapie gegeben. Ein eigenes Kapitel geht auf die typischen altersspezifischen Komplikationen ein.

LanguageDeutsch
PublisherSpringer
Release dateJun 7, 2021
ISBN9783662603543
Neurochirurgie bei älteren Patienten

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    Neurochirurgie bei älteren Patienten - Eberhard Uhl

    Book cover of Neurochirurgie bei älteren Patienten

    Hrsg.

    Eberhard Uhl und Karsten Schöller

    Neurochirurgie bei älteren Patienten

    1. Aufl. 2021

    ../images/461972_1_De_BookFrontmatter_Figa_HTML.png

    Logo of the publisher

    Hrsg.

    Eberhard Uhl

    Neurochirurgische Klinik, Universitätsklinikum Gießen und Marburg GmbH, Standort Gießen, Gießen, Hessen, Deutschland

    Karsten Schöller

    Klinik für Spinale Chirurgie, Schön Klinik Hamburg Eilbek, Hamburg, Deutschland

    ISBN 978-3-662-60353-6e-ISBN 978-3-662-60354-3

    https://doi.org/10.1007/978-3-662-60354-3

    Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://​dnb.​d-nb.​de abrufbar.

    © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2021

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    Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral.

    Fotonachweis Umschlag: © Lordn/Getty Images/iStock (Symbolbild mit Fotomodellen)

    Umschlaggestaltung: debilk Berlin

    Planung/Lektorat: Fritz Kraemer

    Springer ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer-Verlag GmbH, DE und ist ein Teil von Springer Nature.

    Die Anschrift der Gesellschaft ist: Heidelberger Platz 3, 14197 Berlin, Germany

    Vorwort

    Sehr geehrte Leserinnen und Leser,

    „man ist so alt, wie man sich fühlt ist eine nicht nur in Deutschland verbreitete Redensart, die viele Interpretationen zulässt. Gemessen am chronologischen Alter sind, ganz objektiv betrachtet, die hochentwickelten Industrieländer, aber auch Länder wie Indien und China, von einer massiven Überalterung der Gesellschaft betroffen. Dies wird den Gesundheitssektor in den kommenden Jahrzehnten vor eine große Herausforderung stellen. Andererseits ist „healthy aging ein absoluter Trend geworden. Viele ältere Menschen tun etwas für ihre Gesundheit und fühlen sich oft noch sehr fit. Das spiegelt sich auch in den Erwartungen unserer älteren Patienten wider, die oft hohe Ansprüche an den Erhalt bzw. die Wiedererlangung von körperlicher/geistiger Aktivität und Selbständigkeit haben.

    Auch wenn Erkrankungen wie Diabetes mellitus, Krebs und Demenz aufgrund der Häufigkeit in der älteren Bevölkerung gesundheitspolitisch im Vordergrund stehen, so müssen sich auch Neurochirurgen mit einer zunehmenden Zahl an Patienten auseinandersetzen, die nicht nur elektiv, sondern auch notfallmäßig zu versorgen sind. Hier ist insbesondere an Patienten mit einem Schädel-Hirn-Trauma oder degenerativen Wirbelsäulenerkrankungen zu denken. Allerdings fehlen oft belastbare Daten zu relevanten neurochirurgischen Alltagsfragen: Welche Interventionen sind auch bei älteren Patienten noch sinnvoll? Welche älteren Patienten können trotz erhöhtem postoperativen Morbiditäts- und Mortalitätsrisiko von einem Eingriff profitieren? Um hier eine sinnvolle Therapieentscheidung treffen zu können, müssen neben den erkrankungsspezifischen Aspekten auch Faktoren wie die allgemeine Gebrechlichkeit (Frailty), die reduzierte physiologische Fähigkeit, sich von einem größeren Eingriff erholen zu können, die kurze Lebenserwartung mit dem Wunsch, nicht den größten Teil der noch verbleibenden Lebenszeit im Krankenhaus verbringen zu wollen oder die familiäre Situation und die außerstationären Versorgungsmöglichkeiten berücksichtigt werden.

    Das vorliegende Buch soll in einem ersten Abschnitt einen allgemeinen Überblick über Demographie, Neuropsychologie sowie Besonderheiten im Umgang mit älteren Patienten in der Neurochirurgie geben. Zudem werden neben relevanten Aspekten aus den Bereichen Ethik und Palliativmedizin auch wichtige klinische Bereiche wie Bildgebung, perioperatives Management, Intensivmedizin und Rehabilitation im Hinblick auf unsere älteren Patienten beleuchtet.

    Im speziellen Teil des Buches geben neurochirurgische, neuroradiologische und strahlentherapeutische Experten Behandlungsempfehlungen zu Erkrankungen des Gehirns und der Wirbelsäule und haben dabei altersspezifische Aspekte besonders im Blick. Fallbeispiele ergänzen die einzelnen Kapitel und zeigen „lebensnah" das alltägliche Dilemma bei der häufig komplexen und vielschichtigen Entscheidungsfindung. Wir kennen das: Manchmal sind die Ausgänge ganz unerwartet.

    In einem letzten Abschnitt beschäftigen wir uns mit dem Thema Komplikationen nach Gehirn- und Wirbelsäulenoperationen. Sind sie wirklich so häufig bei älteren Patienten, wie man denkt? Wie beeinflussen sie das Operationsergebnis und gibt es Möglichkeiten, sie zu vermeiden oder zumindest zu reduzieren? Auch dieser Abschnitt wird durch Beispiele aus der täglichen neurochirurgischen Praxis untermauert.

    Unser Ziel ist es, Neurochirurgen, Wirbelsäulenchirurgen, Kollegen angrenzender Fachbereiche, Ärzten in Weiterbildung und Studierende für die besonderen Belange in der Behandlung der zunehmenden Anzahl älterer Patienten in der Neurochirurgie sensibilisieren. Behandlungsempfehlungen beruhen teils auf einer sich mittlerweile bessernden Datengrundlage, oft aber auch auf persönlichen Erfahrungen. Die Entscheidungsfindung sollte nicht nur von „technischen Zielen" wie Komplettresektion oder absoluter Lebensverlängerung geprägt sein, sondern sich an den individuellen Vorstellungen und Wünschen der Patienten, z. B. nach dem Erhalt der Selbständigkeit, orientieren.

    Unser besonderer Dank gilt den Kolleginnen und Kollegen, die sich die Mühe gemacht haben, aktuelle Daten zusammenzutragen und ihre persönlichen Erfahrungen einzubringen. Unser Dank gilt auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Springer-Verlags, insbesondere Herrn Dr. Kraemer, die uns mit viel Geduld bei der Umsetzung unseres Projekts unterstützt haben.

    Eberhard Uhl

    Gießen

    Karsten Schöller

    Hamburg

    April 2020

    Inhaltsverzeichnis

    Teil IAllgemeiner Teil

    1 Demografische Entwicklung 3

    Eberhard Uhl und Karsten Schöller

    2 Neuropsychologie​ altersassoziiert​er Veränderungen 11

    Gebhard Sammer und Eva Bauer

    3 Ethische Aspekte bei der Behandlung älterer Patienten in der Neurochirurgie 33

    Georg Marckmann

    4 Besonderheiten im Umgang mit älteren Patienten in der Neurochirurgie 41

    Stefan Zausinger

    5 Bildgebung bei älteren Patienten in der Neurochirurgie 53

    Marc Schlamann

    6 Perioperatives Management bei älteren Patienten in der Neurochirurgie, Scores und Begleiterkrankun​gen 63

    Michael Sander, Emmanuel Schneck und Mirko Veit

    7 Neurochirurgisch​e Intensivmedizin bei älteren Patienten 81

    Michael Bender

    8 Neurologisch-neurochirurgisch​e Rehabilitation älterer Patienten nach neurochirurgisch​en Eingriffen 95

    Klaus-Dieter Böhm

    9 Palliative Care bei älteren neurochirurgisch​en Patienten 109

    Daniel Berthold, Anna Pedrosa Carrasco, Rio Dumitrascu und Ulf Sibelius

    Teil IIErkrankungen des Gehirns

    10 Schädel-Hirn-Trauma bei älteren Patienten 121

    Eberhard Uhl

    11 Behandlung der spontanen intrazerebralen Blutung bei älteren Patienten 143

    Marco Stein

    12 Subarachnoidalbl​utung bei älteren Patienten 157

    Thomas Westermaier

    13 Inzidentelle Aneurysmen und Gefäßmalformatio​nen bei älteren Patienten 171

    Marc Schlamann und Eberhard Uhl

    14 Gutartige Hirntumore bei älteren Patienten 189

    Eberhard Uhl

    15 Chirurgische Behandlung maligner Hirntumoren bei älteren Patienten 211

    Giles Hamilton Vince und Aiste Giniunaite

    16 Strahlentherapie​ von Hirntumoren im höheren Lebensalter 233

    Andrea Wittig und Marciana Nona Duma

    17 Stereotaktische Radiochirurgie bei älteren Patienten 249

    Maximilian Ruge

    18 Liquorzirkulatio​nsstörungen im Alter 259

    Aurelia Peraud

    19 Funktionelle Neurochirurgie in höherem Lebensalter 271

    Georgios Matis, Pablo Andrade-Montemayor, Katharina Zeitler und Veerle Visser-Vandewalle

    Teil IIIErkrankungen der Wirbelsäule

    20 Behandlung von degenerativen Wirbelsäulenerkr​ankungen bei älteren Patienten 283

    Karsten Schöller

    21 Behandlung von Wirbelsäulenverl​etzungen bei älteren Patienten 309

    Michael Stoffel und Juliane Schröteler

    22 Behandlung von Wirbelsäulentumoren bei älteren Patienten 327

    Stefan Zausinger

    23 Behandlung der Spondylodiszitis​ bei älteren Patienten 359

    Karsten Schöller

    Teil IVKomplikationen

    24 Komplikationen bei der neurochirurgisch​en Behandlung älterer Patienten 373

    Eberhard Uhl und Karsten Schöller

    Serviceteil

    Stichwortverzeic​hnis 389

    Herausgeber- und Autorenverzeichnis

    Über die Herausgeber

    Eberhard Uhl

    Klinik für Neurochirurgie, Universitätsklinikum Gießen und Marburg, Standort Gießen, Gießen, Deutschland

    Karsten Schöller

    Klinik für Spinale Chirurgie, Schön Klinik Hamburg Eilbek, Hamburg, Deutschland

    Autorenverzeichnis

    Pablo Andrade-Montemayor

    Klinik für Stereotaxie und Funktionelle Neurochirurgie, Zentrum für Neurochirurgie, Medizinische Fakultät und Uniklinik Köln, Köln, Deutschland

    Eva Bauer

    Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Justus-Liebig-Universität Gießen, Gießen, Deutschland

    Michael Bender

    Klinik für Neurochirurgie, Universitätsklinikum Gießen und Marburg, Standort Gießen, Gießen, Deutschland

    Daniel Berthold

    Medizinische Klinik V, Internistische Onkologie und Palliativmedizin, Universitätsklinikum Gießen und Marburg, Standort Gießen, Gießen, Deutschland

    Klaus-Dieter Böhm

    Neurologisches Zentrum mit Akutstation, Stroke Unit, Intensivmedizin und Rehabilitation, BDH-Klinik Braunfels, Braunfels, Deutschland

    Marciana Nona Duma

    Klinik für Strahlentherapie und Radioonkologie, Universitätsklinikum Jena, Jena, Deutschland

    Rio Dumitrascu

    Medizinische Klinik V, Internistische Onkologie und Palliativmedizin, Universitätsklinikum Gießen und Marburg, Standort Gießen, Gießen, Deutschland

    Aiste Giniunaite

    Neurochirurgische Klinik, Klinikum Aschaffenburg - Alzenau Standort Aschaffenburg, Aschaffenburg, Deutschland

    Georg Marckmann

    Institut für Ethik, Geschichte und Theorie der Medizin, Ludwig-Maximilians-Universität, München, Deutschland

    Georgios Matis

    Klinik für Stereotaxie und Funktionelle Neurochirurgie, Zentrum für Neurochirurgie, Medizinische Fakultät und Uniklinik Köln, Köln, Deutschland

    Anna Pedrosa Carrasco

    Medizinische Klinik V, Internistische Onkologie und Palliativmedizin, Universitätsklinikum Gießen und Marburg, Standort Gießen, Gießen, Deutschland

    Aurelia Peraud

    Klinik für Neurochirurgie, Sektion pädiatrische Neurochirurgie, Universitätsklinikum Ulm, Ulm, Deutschland

    Maximilian Ruge

    Klinik für Stereotaxie und Funktionelle Neurochirurgie, Zentrum für Neurochirurgie, Medizinische Fakultät und Uniklinik Köln, Köln, Deutschland

    Gebhard Sammer

    Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Justus-Liebig-Universität Gießen, Gießen, Deutschland

    Michael Sander

    Klinik für Anaesthesiologie, operative Intensivmedizin und Schmerztherapie, Universitätsklinikum Gießen und Marburg, Standort Gießen, Gießen, Deutschland

    Marc Schlamann

    Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie, Sektion Neuroradiologie, Medizinische Fakultät und Uniklinik Köln, Köln, Deutschland

    Emmanuel Schneck

    Klinik für Anaesthesiologie, operative Intensivmedizin und Schmerztherapie, Universitätsklinikum Gießen und Marburg, Standort Gießen, Gießen, Deutschland

    Juliane Schröteler

    Klinik für Neurochirurgie und Wirbelsäulenchirurgie, Krefeld, Deutschland

    Ulf Sibelius

    Medizinische Klinik V, Internistische Onkologie und Palliativmedizin, Universitätsklinikum Gießen und Marburg, Standort Gießen, Gießen, Deutschland

    Marco Stein

    Klinik für Neurochirurgie, Universitätsklinikum Gießen und Marburg, Standort Gießen, Gießen, Deutschland

    Michael Stoffel

    Klinik für Neurochirurgie und Wirbelsäulenchirurgie, Krefeld, Deutschland

    Mirko Veit

    Klinik für Anaesthesiologie, operative Intensivmedizin und Schmerztherapie, Universitätsklinikum Gießen und Marburg, Standort Gießen, Gießen, Deutschland

    Giles Hamilton Vince

    Neurochirurgische Klinik, Klinikum Aschaffenburg - Alzenau Standort Aschaffenburg, Aschaffenburg, Deutschland

    Veerle Visser-Vandewalle

    Klinik für Stereotaxie und Funktionelle Neurochirurgie, Zentrum für Neurochirurgie, Medizinische Fakultät und Uniklinik Köln, Köln, Deutschland

    Thomas Westermaier

    Neurochirurgische Klinik und Poliklinik, Universitätsklinikum Würzburg, Würzburg, Deutschland

    Andrea Wittig

    Klinik für Strahlentherapie und Radioonkologie, Universitätsklinikum Jena, Jena, Deutschland

    Stefan Zausinger

    Neurochirurgie am Stachus, München, Deutschland

    Katharina Zeitler

    Klinik für Stereotaxie und Funktionelle Neurochirurgie, Zentrum für Neurochirurgie, Medizinische Fakultät und Uniklinik Köln, Köln, Deutschland

    Teil IAllgemeiner Teil

    Inhaltsverzeichnis

    1 Demografische Entwicklung 3

    Eberhard Uhl und Karsten Schöller

    2 Neuropsychologie​ altersassoziiert​er Veränderungen 11

    Gebhard Sammer und Eva Bauer

    3 Ethische Aspekte bei der Behandlung älterer Patienten in der Neurochirurgie 33

    Georg Marckmann

    4 Besonderheiten im Umgang mit älteren Patienten in der Neurochirurgie 41

    Stefan Zausinger

    5 Bildgebung bei älteren Patienten in der Neurochirurgie 53

    Marc Schlamann

    6 Perioperatives Management bei älteren Patienten in der Neurochirurgie, Scores und Begleiterkrankun​gen 63

    Michael Sander, Emmanuel Schneck und Mirko Veit

    7 Neurochirurgisch​e Intensivmedizin bei älteren Patienten 81

    Michael Bender

    8 Neurologisch-neurochirurgisch​e Rehabilitation älterer Patienten nach neurochirurgisch​en Eingriffen 95

    Klaus-Dieter Böhm

    9 Palliative Care bei älteren neurochirurgisch​en Patienten 109

    Daniel Berthold, Anna Pedrosa Carrasco, Rio Dumitrascu und Ulf Sibelius

    © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2021

    E. Uhl, K. Schöller (Hrsg.)Neurochirurgie bei älteren Patientenhttps://doi.org/10.1007/978-3-662-60354-3_1

    1. Demografische Entwicklung

    Eberhard Uhl¹   und Karsten Schöller²  

    (1)

    Klinik für Neurochirurgie, Universitätsklinikum Gießen und Marburg, Standort Gießen, Gießen, Deutschland

    (2)

    Klinik für Spinale Chirurgie, Schön Klinik Hamburg Eilbek, Hamburg, Deutschland

    Eberhard Uhl (Korrespondenzautor)

    Email: eberhard.uhl@neuro.med.uni-giessen.de

    Karsten Schöller

    Email: kschoeller@schoen-klinik.de

    1.1 Einführung

    1.2 Anteil der älteren Bevölkerung an der Gesamtbevölkerung

    1.2.1 Zukünftige demografische Entwicklung

    Literatur

    Die demografische Entwicklung mit einer Zunahme älterer Menschen an der Gesamtbevölkerung wird auch in den nächsten Jahren unverändert fortschreiten. Grund hierfür ist die zunehmende Lebenserwartung bei unverändert niedriger Geburtenrate. Schätzungen zu Folge wird der Anteil der über 65-Jährigen im Jahr 2050 über 30 % betragen. Dies wird einen nicht unerheblichen Einfluss auf die Medizin in den nächsten Jahrzehnten haben. Auch die Neurochirurgie, insbesondere die Behandlung von Patienten mit degenerativen Wirbelsäulenerkrankungen oder mit Schädel-Hirn-Trauma, wird hiervon in erheblichem Maße betroffen sein.

    1.1 Einführung

    Der Begriff des demografischen Wandels, der eigentlich Änderungen in der Bevölkerungszusammensetzung und -zahl beschreibt, steht aufgrund der aktuellen Veränderungen derzeit fast synonym für einen Wandel hin zu einer überalterten Gesellschaft. Diese Überalterung der Gesellschaft ist aber kein rein deutsches Problem, sondern betrifft alle hochentwickelten Industrieländer, aber auch Länder wie China oder Indien, die in den letzten Jahren starke Versuche unternommen haben, wirtschaftlich in möglichst kurzer Zeit zu den führenden Industrienationen aufzuschließen. Diese Bevölkerungsentwicklung wird in den nächsten Jahrzehnten auch den Gesundheitssektor vor große Herausforderungen stellen.

    Die Frage, ab welchem chronologischen Alter ein Mensch als älter oder alt gilt, ist zunächst gar nicht so klar zu beantworten, hängt der Begriff „alt doch von zahlreichen Faktoren ab, die oftmals stark subjektiv und vom Vergleich mit anderen Personen oder Bevölkerungsgruppen geprägt sind. Schlagwort hierbei ist unter anderem der Begriff „biologisches Alter, das sich sowohl subjektiv als auch objektiv vom tatsächlichen Alter unterscheiden mag. Hierzu gehören auch Aussagen wie „die neuen 70er sind die alten 60er" oder Ähnliches, was auf eine zunehmend gesündere ältere Generation hinweist.

    Im täglichen Leben bedient man sich einer subjektiven Analyse, zu der die Haarfarbe und -dichte, die Körperhaltung, Falten im Gesicht und der Gang eines Menschen gehören. Dabei spiegelt das Äußerliche jedoch nicht immer das chronologische Alter unseres Gegenübers wider. Aus medizinischer Sicht, insbesondere im Hinblick auf die Operationsfähigkeit, ist die Gesundheit und Funktionsfähigkeit der inneren Organe weit wesentlicher als die äußere Erscheinung eines Patienten.

    Auch kann der Begriff „alt" von der in einem Land zu erwartenden Lebenserwartung abhängen. In afrikanischen Ländern, in denen die Lebenserwartung zum Teil noch unter oder nur knapp über 60 Jahren liegt (WHO 2002), gilt ein 50-Jähriger bereits als älterer Mensch, während in Deutschland bei einer statistischen Lebenserwartung von aktuell 78,4 Jahren für Männer und 83,2 Jahren für Frauen (Statistisches Bundesamt 2019b) von älteren Menschen erst in chronologisch höherem Lebensalter gesprochen wird. Eine staatliche Umfrage in Japan, einem Land, das einen besonders hohen Anteil an älteren Menschen aufweist, ergab, dass Japaner mehrheitlich einen älteren oder alten Menschen durch den Verlust funktioneller Unabhängigkeit charakterisieren und Alter mit einem Lebensalter > 70 oder sogar > 75 Jahre gleichsetzen (Orimo et al. 2006).

    Die UNO definiert ältere Menschen bereits ab einem Lebensalter von 60 Jahre, um den demografischen Daten aus den afrikanischen Ländern mit der kürzeren Lebenserwartung Rechnung zu tragen (WHO 2002). In den meisten bevölkerungsstatistischen und medizinischen Untersuchungen wird aber der Begriff „alt bzw. „älter ab einem Lebensalter ≥ 65 Jahre verwendet (Orimo et al. 2006). Diese zeitliche Grenze fällt in den meisten Ländern mit dem Renteneintrittsalter zusammen, was auf die 1889 in Deutschland unter Bismarck als erstem Land weltweit eingeführte Rentenversicherung zurückgeht (Deutsches Reichsgesetzblatt 1889; Orimo et al. 2006; WHO 2002). Das im Jahr 1916 von 70 auf 65 Jahre gesenkte Renteneintrittsalter wurde inzwischen von zahlreichen anderen Ländern übernommen. Dass diese Altersgrenze allerdings nicht in Stein gemeißelt ist und sich dem demografischen Wandel anpasst, zeigt die Anhebung des Renteneintrittsalters in Deutschland seit dem Jahr 2012 in Abhängigkeit vom Geburtsjahr. Im Jahre 1964 Geborene erreichen nach der aktuellen Gesetzgebung ihr Renteneintrittsalter erst mit 67 Jahren (Bundesgesetzblatt 2007). In den statistischen Berichten des Bundesamtes für Statistik wird für die ältere Bevölkerung daher eine Grenze bei 67 Jahren gezogen (Statistisches Bundesamt 2019b). Kürzlich wurde in Anbetracht der zunehmenden Lebenserwartung und des Rückgangs der erwerbstätigen Bevölkerung von der Bundesbank sogar einer Erhöhung der Altersgrenze auf 69,4 Jahre vorgeschlagen (FAZ 2019).

    Bei verschiedenen Analysen macht es aber Sinn, nicht nur die Gesamtgruppe der älteren Menschen ab 60 oder 65 Jahren zu betrachten, sondern diese noch in weitere Untergruppen zu unterteilen. Während viele ältere Menschen bis zum 75. Lebensjahr oft noch sehr aktiv sind und für sich selbst sorgen können, nimmt die Gebrechlichkeit danach deutlich zu. Physische und kognitive Einschränkungen werden deutlich und die Anzahl der Komorbiditäten steigt deutlich an. Insofern versucht man hier mit weiteren Subgruppen wie z. B. die jungen Alten (60–69 Jahre), die mittleren Alten (70–80 Jahre) und Hochbetagte (>80 Jahre) zu bilden, die diese Veränderungen abbilden sollen (Forman et al. 1992).

    1.2 Anteil der älteren Bevölkerung an der Gesamtbevölkerung

    Unabhängig von der genauen Festlegung des Begriffs Alter durch eine Zahl, hat der Anteil älterer Menschen > 60 Jahre aber auch der Anteil hochbetagter Menschen an der Bevölkerung in den letzten Jahrzehnten signifikant zugenommen. Betrug der Anteil der 60- bis 80-Jährigen in Deutschland 1950 noch 13,6 %, so lag er 2017 bereits bei 21,7 %. Der Anteil der über 80-jährigen stieg in diesem Zeitraum von ca. 1 % auf 6,2 % an (Statistisches Bundesamt 2019c). Zwischen 1990 und 2014 stieg die Zahl der Menschen > 65 Jahre um 5,2 Mio. auf 17,1 Mio., was einem Zuwachs von 43 % entspricht, während im gleichen Zeitraum die Gesamtbevölkerung nur um 1,8 % Anstieg (Statistisches Bundesamt 2016a). Zwischen 2005 und 2015 stieg die Zahl der über 80-jährigen weltweit um 37,6 Mio. auf insgesamt 123,2 Mio., was einem Anstieg von 36 % entspricht. Im gleichen Zeitraum wuchs die Gesamtbevölkerung nur um 3 % (United Nations 2019).

    Zu dieser zunehmenden Überalterung haben v. a. zwei Faktoren wesentlich beigetragen: zum einen die steigende Lebenserwartung, zum anderen der Rückgang der Geburtenrate. Während die Geburtenrate Ende der 1950er und in den 1960er Jahren, den sogenannten Babyboomer-Jahren (1959–1968) noch bei 2,2 Kindern lag, ging sie bereits in den frühen 1970er Jahren auf 1,4 zurück. Damit nahm der Anteil jüngerer Menschen an der Gesamtbevölkerung stetig ab.

    Gleichzeitig stieg die Lebenserwartung weltweit deutlich an. Hierzu hat v. a. eine geringere Sterblichkeit in jüngeren Jahren beigetragen. Nach Angaben der WHO stieg die Lebenserwartung global in den letzten 50 Jahren um 25 Jahre. In Deutschland stieg die Lebenserwartung von 1960–2018 um 12 Jahre an. Lag die Lebenserwartung eines Mädchens, das 1960 in Deutschland geboren wurde noch bei 71,7 Jahren, so kann ein 2019 geborenes Mädchen mit einer statistischen Lebenserwartung von 83,2 Jahren rechnen (Statistisches Bundesamt 2019a und b).

    Hinzu kommt die Zunahme der sogenannten ferneren Lebenserwartung (Tab. 1.1). Hierbei handelt es sich um die Lebensjahre, die man statistisch noch vor sich hat, wenn man ein bestimmtes Lebensalter erreicht hat. Konnte eine 65-jährige Frau 1960 noch mit 14 weiteren Lebensjahren rechnen, so kann im Jahre 2019 eine 65 Jahre alte Frau erwarten, dass sie 86 Jahre alt wird (Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung 2019). In Japan hatte 1985 hatte eine 65-jährige Frau eine weitere Lebenserwartung von 23 Jahren. 30 Jahre später, im Jahre 2015, ist die statistische Lebenserwartung bereits um weitere 7 Jahre auf 30 Jahre angestiegen (WHO 2015).

    Tab. 1.1

    Lebenserwartung bei Geburt und fernere Lebenserwartung im Alter von 65 Jahren nach Geschlecht. (Modellrechnung L1 nach Statistischem Bundesamt: Geburtenrate 1,55 Kinder je Frau, Lebenserwartung im Jahr 2060 Junge 84,4 Jahre, Mädchen 88,1 Jahre, durchschnittlicher Wanderungssaldo 147.000 Personen). (Statistisches Bundesamt 2019a und b, Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung 2019)

    Zusätzlich zum langfristigen Trend kommt es zu kurzfristigen Schwankungen. So nähert sich demnächst in Deutschland die Welle der geburtenstarken Jahrgänge dem Rentenalter. Diese Zeit der geburtenstarken Jahrgänge in den 1960er Jahren war gefolgt von einem starken Geburtenrückgang in den 1970er Jahren. Da die Geburtenrate auch in den folgenden Jahrzehnten deutlich unter der der Babyboomer-Jahre lag, hat der prozentuale Anteil der jüngeren Menschen deutlich abgenommen.

    1.2.1 Zukünftige demografische Entwicklung

    Der Anteil älterer Menschen an der Bevölkerung sowohl absolut als auch proportional wird in Deutschland aber auch weltweit in den nächsten Jahrzehnten weiter drastisch zunehmen. Wie bereits oben erwähnt ist neben der zunehmenden Lebenserwartung die sinkende Geburtenrate relevant. Nach Angaben der Vereinten Nationen ist im Jahre 2015 mit Ausnahme von Afrika die Geburtenrate weltweit unter eine Rate gefallen, die die Größe der Bevölkerung stabil hält (United Nations 2017). Die Hoffnung, dass in Deutschland dieser Trend durch Einwanderung gestoppt werden könnte, trügt, da Migration nur zu einem geringen Teil zur Aufrechterhaltung der Bevölkerungsstruktur beiträgt (Statistisches Bundesamt 2016b). Japan ist derzeit das einzige Land, in dem bereits mehr als 30 % der Bevölkerung älter als 65 Jahre ist. Die WHO prognostiziert jedoch, dass im Jahre 2050 zahlreiche weitere Länder darunter die europäischen Nationen, aber auch China, der Iran, Nordamerika und Russland eine ähnliche hohe Zahl an älteren Menschen aufweisen wird wie Japan heute (WHO 2015).

    Global ist davon auszugehen, dass die Weltbevölkerung im Jahr 2050 auf 9,8 Mrd. Menschen angewachsen sein wird, was im Vergleich zu 1950 eine Zunahme von 55 % bedeutet. Gleichzeitig wird der Anteil der über 60-jährigen auf 2,1 Mrd., also 21,4 %, steigen. Der Anteil der über 80-jährigen wird 4,3 % (425 Mio.) betragen.

    In Deutschland erfolgt die Vorausberechnung durch das statistische Bundesamt. Diese ist aufgrund der Unvorhersehbarkeit der Entwicklung der Geburtenrate, der Lebenserwartung und Migration sehr variabel. Es werden daher immer mehrere Modelle mit verschiedenen Grundvoraussetzungen berechnet, wobei auch bei der Annahme einer steigender Geburtenrate und längerer hoher Zuwanderung zwar der Rückgang der Bevölkerung etwas verlangsamt, die zunehmende Überalterung der Bevölkerung jedoch nicht verhindert werden kann (Statistisches Bundesamt 2019d, e). Bei einer geschätzten moderaten Geburtenrate von 1,55 Kinder/pro Frau, einer Lebenserwartung im Jahr 2060 bei Jungen von 84,4 Jahren und Mädchen von 88,1 Jahren und einem durchschnittlichen Wanderungssaldo von 147.000 Personen, wird die Zahl der Menschen im Erwerbsalter zwischen 20 und 60 Jahren voraussichtlich bis 2035 um 4–6 Mio. abnehmen (Modellrechnung L1 nach Statistischem Bundesamt 2019a). Jeder zehnte Einwohner wird in 30 Jahren mindestens 80 Jahre alt sein (Abb. 1.1).

    ../images/461972_1_De_1_Chapter/461972_1_De_1_Fig1_HTML.png

    Abb. 1.1

    Anteil der Altersgruppen < 20 Jahre, 20–64 Jahre und ≥ 65 Jahre an der Gesamtbevölkerung. Die Grafik zeigt einen steigenden Anteil der älteren Bevölkerung bei gleichzeitiger Abnahme der Menschen im erwerbstätigen Alter.

    (Daten nach Statistisches Bundesamt 2019f)

    1.2.1.1 Demografische Entwicklung und Gesundheit

    Die zunehmende Zahl an älteren Menschen wird sich erwartungsgemäß stark in unserem Gesundheitssystem widerspiegeln und die Politik vor große Herausforderungen stellen. Zwar ist „healthy aging" zum Trend geworden und nur ca. 25 % der 65- bis 75-Jährigen hat gesundheitliche Problem, die sie in ihren Aktivitäten des täglichen Lebens beeinträchtigen (Statistisches Bundesamt 2016a). Ab dem 75. Lebensjahr nehmen die medizinischen Probleme und die Pflegebedürftigkeit jedoch deutlich zu. Zwischen 75 und 79 Jahren sind 10 % pflegebedürftig, zwischen 80 und 85 Jahren ca. 20 % und ab dem 90. Lebensjahr etwa 66 %. Gleichzeitig nimmt der Anteil der Erwerbstätigen an der Bevölkerung ab, sodass immer weniger Menschen die finanziellen und aber auch personellen Ressourcen für die Versorgung der älteren Bevölkerung aufbringen müssen.

    Schätzungen basierend auf der Bevölkerungsentwicklung ergeben, dass sich die Zahl der Krankenhausfälle bis zum Jahr 2030 um ca. 8 % erhöhen könnten, was einen Anstieg von 17,9 Mio. auf 19,3 Mio. bedeuten würde. Auch wenn Erkrankungen wie Diabetes mellitus, Krebs und Demenz aufgrund der Häufigkeit in der älteren Bevölkerung gesundheitspolitisch im Vordergrund stehen (Robert Koch-Institut 2015), so müssen sich auch Neurochirurgen mit einer zunehmenden Zahl an Patienten auseinandersetzen, die nicht nur elektiv sondern auch notfallmäßig zu versorgen sind.

    Chibbaro et al. (2011) untersuchten die Anzahl der neurochirurgisch behandelten Patienten in einem Pariser Universitätskrankenhaus über einen Zeitraum von 25 Jahren von 1983–2007. Die Analyse ergab eine signifikante Zunahme der elektiven und notfallmäßig stationären Aufnahmen von Patienten > 70 Jahre von 11 % aller Patienten im Jahr 1983 auf 25 % im Jahr 2007. Auch die Anzahl der Eingriffe, v. a. Kraniotomien und endovaskuläre Interventionen, nahm signifikant zu, während die Mortalität abnahm.

    Gerade in einem hochspezialisierten Gebiet wie der Neurochirurgie fehlen jedoch belastbare Daten, welche Interventionen auch bei älteren Patienten noch sinnvoll sind und welche älteren Patienten trotz erhöhtem postoperativen Morbiditäts- und Mortalitätsrisiko von einem Eingriff profitieren könnten. Hier spielen die allgemeine Gebrechlichkeit (Frailty), die reduzierte physiologische Fähigkeit, sich von einem größeren Eingriff erholen zu können, die kurze Lebenserwartung mit dem Wunsch, nicht den größten Teil der noch verbleibenden Lebenszeit im Krankenhaus verbringen zu wollen, die familiäre Situation und die außerstationären Versorgungsmöglichkeiten eine Rolle. Nicht zuletzt muss es erlaubt sein, auch in unserer Gesellschaft den wirtschaftlichen Aspekt der Gesundheitsversorgung und die Zuteilung von gesundheitsmedizinischen Maßnahmen in dieser Altersgruppe zu diskutieren. Bekanntlich korrelieren die Gesundheitskosten nicht mit dem Lebensalter, sondern steigen exponentiell im letzten Jahr vor dem Tod an.

    Sicherlich ist der klinische Verlauf bei älteren Patienten oftmals schlechter als bei jüngeren Patienten. Diese Erfahrung prägt natürlich auch die Entscheidung für oder gegen ein operatives neurochirurgisches Vorgehen. Ältere Patienten mit einem schweren Schädel-Hirn-Trauma weisen eine höhere Mortalität und die Überlebenden ein schlechteres funktionelles Outcome auf als jüngere Patienten. Oftmals werden ältere Patienten daher eher konservativ oder sogar rein palliativ behandelt. Allerdings finden sich immer wieder Patienten, die von einem aggressiven therapeutischen Vorgehen trotz höherem Lebensalter profitieren. Es ist daher von hoher Dringlichkeit und Aufgabe der nächsten Jahre, Daten zu erheben und prognostische Modelle zu generieren, die den Ärzten erlauben, eine Abschätzung vorzunehmen, welche Patienten von einem neurochirurgischen Eingriff auch im höheren Lebensalter noch profitieren.

    Literatur

    Bundesgesetzblatt (2007) Teil I, Nr. 16, Bonn 30.04.2007. Gesetz zur Anpassung der Regelaltersgrenze an die demografische Entwicklung und zur Stärkung der Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz), S 554

    Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (2019) Fernere Lebenserwartung 65-Jähriger in Deutschland nach Geschlecht, Sterbetafel 1871/1881 bis 2014/2016 und https://​www.​bib.​bund.​de/​Permalink.​html?​id=​10262356. Letzter Zugegriffen: 31. Okt. 2019

    Chibbaro S, Di Rocco F, Makiese O et al (2011) Neurosurgery and elderly: analysis through the years. Neurosurg Rev 34:229–234Crossref

    Deutsches Reichsgesetzblatt (1889) Gesetz betreffend die Invaliden- und Altersversicherung vom 22.06.1889. https://​www.​inklusion-als-menschenrecht.​de/​data/​user/​Dokumente/​Gesetze/​1889_​Gesetz_​betreffend_​die_​Invalidit%C3%A4ts_​und_​Alterssicherung_​1889.​pdf. Letzter Zugegriffen: 31. Okt. 2019

    FAZ (2019) https://​www.​faz.​net/​agenturmeldungen​/​dpa/​bundesbank-schlaegt-rentenalter-von-69-4-jahren-vor-16443978.​html. Letzter Zugegriffen: 31. Okt. 2019

    Forman DE, Berman AD, McCabe CH, Baim DS, Wei JY (1992) PTCA in the elderly: the „young-old versus the „old-old. J Am Geriatrics Soc 40:19–22Crossref

    Orimo H, Ito H, Suzuki T et al (2006) Reviewing the definition of elderly. Geriatr Gerontol Int 6:149–158Crossref

    Robert Koch-Institut (2015) Kap. 9: Welche Auswirkungen hat der demografische Wandel auf Gesundheit und Gesundheitsversorgung? In: RKI (Hrsg.) Gesundheit in Deutschland. Gesundheitsberichterstattung des Bundes. Gemeinsam getragen von RKI und Destatis. RKI, Berlin

    Statistisches Bundesamt (2016a) Ältere Menschen in Deutschland und der EU

    Statistisches Bundesamt (2016b) Pressemitteilung vom 20.01.2016: 021/16

    Statistisches Bundesamt (2019a) Bevölkerung im Wandel. Annahmen und Ergebnisse der 14. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung. Statistisches Bundesamt, Wiesbaden

    Statistisches Bundesamt (2019b): Fernere Lebenserwartung 65-Jähriger in Deutschland nach Geschlecht, Sterbetafel 1871/1881 bis 2014/2016

    Statistisches Bundesamt (2019c) Sterbefälle – Lebenserwartung. www.​destatis.​de/​DE/​Themen/​Gesellschaft-Umwelt/​Bevoelkerung/​Sterbefaelle-Lebenserwartung/​_​inhalt.​html. Letzter Zugegriffen: 31. Okt. 2019

    Statistisches Bundesamt (2019d) www.​destatis.​de/​DE/​Themen/​Gesellschaft-Umwelt/​Bevoelkerung/​Bevoelkerungssta​nd/​Tabellen/​liste-altersgruppen.​html. Letzter Zugegriffen: 17. Aug. 2020

    Statistisches Bundesamt (2019e) www.​destatis.​de/​DE/​Themen/​Gesellschaft-Umwelt/​Bevoelkerung/​Bevoelkerungsvor​ausberechnung/​Tabellen/​altersgruppen-bis2060.​html. Letzter Zugegriffen: 17. Aug. 2020

    Statistisches Bundesamt (2019f) https://​service.​destatis.​de/​bevoelkerungspyr​amide/​#!y=​2040&​a=​20,65&​g. Letzter Zugegriffen: 17. Aug. 2020

    United Nations, Department of Economic and Social Affairs, Population Division (2017). World Population Prospects: The 2017 Revision, Key Findings and Advance Tables. Working Paper No. ESA/P/WP/248

    United Nations, Department of Economic and Social Affairs, Population Division (2019) World Population Prospects 2019. https://​population.​un.​org/​wpp/​DataQuery/​. Letzter Zugegriffen: 31. Okt. 2019

    WHO 2002 Proposed working definition of an older person in Africa for the MDS Project. www.​who.​int/​healthinfo/​survey/​ageingdefnolder/​en/​. Letzter Zugegriffen: 31. Okt. 2019

    WHO 2015 World report on ageing and health

    © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2021

    E. Uhl, K. Schöller (Hrsg.)Neurochirurgie bei älteren Patientenhttps://doi.org/10.1007/978-3-662-60354-3_2

    2. Neuropsychologie altersassoziierter Veränderungen

    Gebhard Sammer¹   und Eva Bauer¹  

    (1)

    Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Justus-Liebig-Universität Gießen, Gießen, Deutschland

    Gebhard Sammer (Korrespondenzautor)

    Email: Gebhard.Sammer@uni-giessen.de

    Eva Bauer

    Email: Eva.Lenz@psychiat.med.uni-giessen.de

    2.1 Einführung

    2.2 Anatomische und physiologische Veränderungen

    2.2.1 Atrophie der grauen Substanz

    2.2.2 Atrophie der weißen Substanz

    2.2.3 Asymmetrie von Veränderungen, Konnektivität

    2.2.4 Metabolische Veränderungen

    2.3 Einfluss des Geschlechts

    2.4 Neurotransmitter

    2.5 Veränderung der Emotion

    2.6 Kognitive Veränderungen

    2.6.1 Perzeption

    2.6.2 Aufmerksamkeit

    2.6.3 Exekutivfunktionen

    2.6.4 Gedächtnis

    2.6.5 Sprache

    2.6.6 Räumliche Kognition

    2.6.7 Assessment kognitiver Veränderungen

    Literatur

    Altern geht mit metabolischen, strukturellen und anatomischen Veränderungen auf Hirnebene einher. Sehr viele Hirnregionen sind in unterschiedlichem Ausmaß davon betroffen, insbesondere präfrontale und medio-temporale Regionen. Es besteht kein sicherer Nachweis für asymmetrische Neurodegeneration, aber für asymmetrische Netzwerktopologien. Systematische Studien zu Veränderungen der Netzwerkprozesse im Alter stehen noch aus. Änderungen des Hirnmetabolismus spezifisch für unterschiedliche Altersphasen sind evident. Der Bedeutung von Neuroinflammation bei Älteren wird ein großes Potenzial für die Beschreibung alterskorrelierter Veränderungen zugeschrieben. Die Bedeutung von Sexualhormonen für neuronale und kognitive Funktion im Alter ist für den Menschen noch nicht ausreichend aufgeklärt. Veränderungen von Neurotransmitterbalancen bei Älteren sind gezeigt worden. Es besteht konvergente Evidenz, dass die anatomischen und physiologischen Veränderungen im Alter mit Änderungen der kognitiven und emotionalen Verarbeitung einhergehen. Auf kognitiver Ebene ist eine deutliche Leistungsheterogenität sichtbar. Relative Leistungsstabilität ist insbesondere für Wortschatz, semantische und implizite Gedächtnisleistungen zu erwarten, relativer Leistungsabfall für episodische und Arbeitsgedächtnisleistung, selektive und geteilte Aufmerksamkeitsleistung sowie für Exekutivfunktionen. Ältere Personen haben ein erhöhtes Risiko postoperativ ein Delir und/oder eine kognitive Beeinträchtigung zu erleiden, was neben der Leistungsheterogenität bei der Organisation und Durchführung von neuropsychologischer Diagnostik spezifisch zu berücksichtigen ist. Trotz vieler Einzelbefunde bleibt das Gesamtbild noch lückenhaft. Kausale Erklärungen sind schwierig, da Ursachen für Veränderungen im Alter vielfältig sind und mit vielen biologischen und psychologischen Faktoren interagieren.

    2.1 Einführung

    Jeder Mensch erfährt in seiner Lebensspanne eine Vielzahl von Veränderungen, manches wird bewusst wahrgenommen, vieles bleibt weitgehend unbemerkt. Während Veränderungen des Aussehens und der körperlichen Leistungsfähigkeit meist unmittelbar wahrgenommen werden, sind physiologische, mit Altern assoziierte Änderungen nur indirekt durch Änderungen des Verhaltens und Erlebens durch die Person selbst oder von Personen des sozialen Umfelds wahrnehmbar. Insbesondere kognitive Einbußen mit zunehmendem Alter sind in einem großen Anteil der Population evident. Ihre Bedeutung als Risikofaktor oder Prodromalsymptom für die Entwicklung gerontopsychiatrischer Erkrankungen ist unklar.

    Für die Beurteilung von Änderungen im Verhalten und Erleben ist die Wahl der Bezugsnorm sehr wichtig. Wie ist der Funktionsstand in Bezug auf eine soziale Vergleichsgruppe (Alter, Geschlecht, Bildung, andere soziodemografische Merkmale), in Bezug auf die Bewältigung des täglichen Lebens oder spezifischer beruflicher Anforderungen oder wie wird er subjektiv in Bezug auf einen prämorbiden oder einfach nur früheren Lebenszeitpunkt erlebt?

    Studien zu Fragen neuropsychologischer Veränderungen im höheren Lebensalter sind zahlreich. In diesem Beitrag soll ein Überblick zu neuropsychologischen Veränderungen vorwiegend im erfolgreich alternden Menschen (Harmell et al. 2014, Depp et al. 2012) gegeben werden.

    2.2 Anatomische und physiologische Veränderungen

    Neurodegeneration wird als Rückgang des Hirnvolumens insbesondere der grauen (GM) und weißen (WM) Substanz in der Neurobildgebung mit zunehmendem Alter offensichtlich. Die Magnetresonanztomografie (MRT) hat mit der Möglichkeit der Durchführung auch von Längsschnittstudien zum Verständnis kortikaler und subkortikaler Veränderungen der grauen und weißen Substanz entscheidend beigetragen. Das Hirnvolumen nimmt beim gesund alternden Erwachsenen im Schnitt um 0,2 % pro Jahr ab (Fjell et al. 2014; Fox und Schott 2004; Scahill et al. 2003). Das GM-Volumen erreicht seinen höchsten Wert um die zweite Altersdekade (Good et al. 2001). Ab der siebenten Lebensdekade weisen longitudinale Daten auf eine etwas beschleunigte Volumenabnahme von 0,3–0,5 % pro Jahr hin (Fox und Schott 2004). Das freiwerdende Volumen wird durch Vergrößerung der Ventrikel und Hirnfurchen (Fissuren, Sulci) ausgeglichen (Raz et al. 2006).

    2.2.1 Atrophie der grauen Substanz

    Der Volumenverlust der grauen Substanz kann eine Verringerung der Kortexdicke, kortikale Ausdünnung, eine verringerte Oberfläche des Gehirngewebes oder eine Verringerung des Gehirnvolumens ausdrücken (Storsve et al. 2014). Gründe für diesen Rückgang sind vielfältig. Sie umfassen ein Schrumpfen von Neuronen durch Verlust von Wasser oder Abnahme der Myelinisierung, eine Volumenabnahme der Dendriten durch eine Verringerung der Anzahl von Synapsen und dendritischer Spines und vaskuläre Änderungen. Auch der Verlust von Neuronen kommt in Frage, scheint aber weniger Bedeutung für die altersassoziierte Atrophie des Hirns zu haben (Fjell und Walhovd 2010).

    Der Volumenverlust der grauen Substanz betrifft nicht alle Gehirnregionen in gleichem Maße. Das Volumen der grauen Substanz in cingulären, okzipitalen Hirnstrukturen und den Gyri temporales transversi (Heschl-Querwindungen) scheint von Atrophie durch Altern kaum betroffen zu sein (Fjell et al. 2009a). Im entorhinalen Kortex, dem Hippocampus, dem Isthmus des Cingulums, dem mittleren temporalen Gyrus und der parahimpocampalen Region (Fjell et al. 2009a), im Frontal- und Parietallappen, dem supplementären Motorareal, dem anterioren cingulären Kortex, dem dorsolateralen präfrontalen Kortex und dem inferioren parietalen Lappen, bilateral im Inselkortex, dem Putamen und auch dem postzentralen Gyrus (siehe Raz et al. 2005) wurde ein Zusammenhang von Atrophie und Altern berichtet. Auch in sensomotorischen Arealen und subkortikalen Strukturen wurde eine alterskorrelierte Volumenabnahme berichtet (Good et al. 2001; Su et al. 2012). Es sind also sehr viele oder sogar die meisten Strukturen von einer Volumenabnahme mit steigendem Alter betroffen. Geringe Unterschiede bestehen für Ergebnisse zwischen Quer- und Längsschnittstudien, wobei für letztere die Länge des untersuchten Zeitraums eine Rolle spielt. Beschleunigte Hirnatrophie kann unterschiedliche Gründe haben. Hirnstrukturen werden im Rahmen von neurodegenerativen Erkrankungen wie Demenzen progressiv beeinträchtigt und zwar die gleichen wie zuvor genannt, aber mit erkrankungsspezifischen Schwerpunkten. Vaskuläre Risikofaktoren wie hoher Blutdruck und Adipositas sind dagegen eher mit einer globalen Hirnvolumenminderung assoziiert (Nettiksimmons et al. 2013).

    Die Atrophie der grauen Substanz insbesondere im präfrontalen Kortex ist v. a. mit einer Beeinträchtigung des Gedächtnisses und der Exekutivfunktionen verbunden (Bauer et al. 2015; Cardenas et al. 2011; Kaup et al. 2011; Tisserand et al. 2004; Zimmerman et al. 2006). Aber auch jede andere kognitive Funktion, wie z. B. Aufmerksamkeit, Vigilanz, kognitive Verarbeitungsgeschwindigkeit, Objektverarbeitung oder Sprache kann grundsätzlich durch generelle oder lokale Atrophie mitbetroffen sein. Alle kognitiven Funktionen tragen zur aktuellen Performanz einer Person bei und wirken im Arbeitsgedächtnis (Baddeley 2000, d’Esposito 2007) zusammen, das deswegen besonders vulnerabel ist. Ein Zusammenhang zwischen der Abnahme des präfrontalen Gehirnvolumen und der sinkenden Arbeitsgedächtnisleistung mit steigendem Alter ist weithin akzeptiert (Goldstein et al. 2011; Kaup et al. 2011).

    Ein mit Altern eng assoziierter Marker ist die Atrophie des Hippocampus, der eine zentrale Bedeutung für kognitive Verarbeitung und insbesondere episodisches Gedächtnis und Arbeitsgedächtnis zugeschrieben wird. Der Zusammenhang zwischen Volumen des Hippocampus und episodischer Gedächtnisleistung in gesunden Älteren fällt verhältnismäßig gering aus (r ~ 0,5; Van Petten 2004). Allgemeine Hirnatrophie und Atrophie im medialen temporalen Kortex gelten als wichtigster prognostischer Faktor nach einem Schlaganfall (Casolla et al. 2018) und bei leichter kognitiver Störung („mild cognitive impairment"; Tabatabaei-Jafari et al. 2015). Für die Alzheimer-Demenz ist der Zusammenhang von hippocampaler Atrophie und episodischen Gedächtnisdefiziten evident (Chapleau et al. 2016). Ein geringeres Volumen des Hippocampus gilt deshalb als Risikomarker für die Entwicklung eines episodischen Gedächtnisdefizits.

    2.2.2 Atrophie der weißen Substanz

    Veränderungen der weißen Substanz betreffen im Wesentlichen das Volumen, die WM-Integrität – gemessen als fraktionale Anisotropie und mittlere Diffusität mit Diffusions-Tensor-Bildgebung – und Läsionen, die durch erhöhte Helligkeit in der T2-Bildgebung auffallen („white matter hyperintensities"). Obwohl die Literatur heterogene Ergebnisse berichtet, deutet doch vieles darauf hin, dass in vielen Hirnregionen zunehmendes Alter von einem Volumenverlust der weißen Substanz begleitet wird. Prominente Effekte fanden sich dafür entorhinal, lateral orbitofrontal, aber auch präzentral, temporal und in fusiformen Regionen (Salat et al. 2008).

    Eine altersbedingte Abnahme der Integrität der weißen Substanz mit einer präfrontalen Betonung ist evident. Ein Zusammenhang zu verringerter Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit, verminderter episodischer Gedächtnisleistung und exekutiver Funktion konnte gezeigt werden (Abe et al. 2008; Gunning-Dixon et al. 2009). Insgesamt konvergieren die Befunde auf einen Zusammenhang von alterskorreliertem Rückgang der Integrität der weißen Substanz im Sinne eines Diskonnektionssyndroms mit kognitiver Leistungsminderung (Bennet et al. 2010).

    „White matter hyperintensities" (WMH) treten periventrikulär oder subkortikal und in verschiedenen Schweregraden auf (Schmidt et al. 2011; Zusammenfassung Wegener 2017). Bereits bei über der Hälfte der gesunden unter 55-Jährigen sind WMH aufzufinden, deren Anzahl mit steigendem Alter anwächst (Schmidt et al. 1994). Risikofaktoren sind ebenso wie für Hirnatrophie arterielle Hypertonie, Diabetes mellitus und Nikotinabusus (Lockhart et al. 2014). Periventrikuläre WMH entwickeln sich wahrscheinlich, weil Entzündungszellen durch die weniger effizient werdende Blut-Hirn-Schranke in Ventrikelnähe leichter einwandern können und eine Schädigung der Neurone eintreten kann (Simpson et al. 2007; Haller et al. 2013). Konfluierende WMH entstehen vermutlich durch ischämische Prozesse und treten räumlich zusammen mit der Rückbildung und dem Untergang von Neuronen, Gliose oder Infarkten auf (Wegener 2017). Insbesondere periventrikuläre WMH scheinen mit kognitiven Leistungen negativ zu korrelieren (Kim et al. 2011; Smith et al. 2011; Yoshita et al. 2006), aber es wurde auch ein Zusammenhang subkortikaler WHM mit kognitiver Leistung (Santos et al. 2009) und spät beginnender Depression (Herrmann et al. 2008) berichtet.

    Veränderungen der Vaskularisation oder vaskuläre Pathologie bei älteren Personen, wie z. B. arteriosklerotische Prozesse werden ebenso häufig mit der Entwicklung kognitiver Defizite in Verbindung gebracht. Allerdings sind rein durch vaskuläre Pathologien bedingte Einschränkungen kognitiver Verarbeitung eher ungewöhnlich. Bei der vaskulären Demenz z. B. liegen häufig auch andere pathologische Bedingungen wie die Anhäufung von Amyloid-β-Plaques oder Tau-Neurofibrillenbündel, wie sie bei der Alzheimer-Demenz gefunden werden, vor. Zur Vermeidung vaskulärer Risiken für die Entwicklung kognitiver Beeinträchtigung gilt die Behandlung von vaskulären Erkrankungen und insbesondere von Risikofaktoren wie Bluthochdruck oder Diabetes mellitus als etabliert.

    2.2.3 Asymmetrie von Veränderungen, Konnektivität

    Die Idee der Lateralisierung von Eigenschaften des Hirns hat sehr früh Interesse auf sich gezogen. In Bezug auf Altern wurde die Frage gestellt, ob Neurodegeneration bevorzugt die linke, meist sprach- und motordominante Hemisphäre betrifft. Thompson et al. (2003) fand basierend auf einer Metaanalyse einen Trend aber keinen Nachweis für erhöhte Anfälligkeit der linken Hemisphäre für Neurodegeneration. Konvergierende Evidenz für eine asymmetrische Reduktion im linken supramarginalen Gyrus und im rechten superioren temporalen Gyrus diskutierten Minkova et al. (2017). Berücksichtigt man verschiedene neurodegenerative Erkrankungen ergibt sich ein heterogenes Bild (Minkova et al. 2017).

    Lokalisierende Ansätze der Untersuchung von Hirnfunktionen wie bisher dargestellt, werden zunehmend durch netzwerkorientierte konnektionistische Ansätze erweitert oder abgelöst (Betzel und Bassett 2017). Die Verbindung von funktionellen und strukturellen Daten unterstützt zunehmend das Modell, dass ein degenerativer lokaler Prozess durch einen zuvor erfolgten Anstieg funktioneller Konnektivität exzitotoxisch eingeleitet wird (Pievani et al. 2014). Mit der Verfolgung von Netzwerkansätzen ergeben sich neue Fragen, nämlich wie die Dynamik und Aktivität eines Netzwerks pathologisch zu erklären ist. Einerseits weist Aktivität in einem Netzwerk durch Redundanz eine höhere Stabilität auf, auf der anderen Seite gibt es auch vulnerable Aspekte in strukturierten nicht homogenen Netzwerken. So sind manche als Hub oder Zielregion (Targeting-Region) bezeichnete Strukturen durch höheren metabolischen Stress vulnerabler und ihre Leistungsminderung oder gar Ausfall haben eine signifikante Auswirkung auf die assoziierten Funktionen (Alstott et al. 2009; Crossley et al. 2014; de Haan et al. 2012). Wegen der sonst erhaltenen Teile des Netzwerks ist es aber unwahrscheinlich, dass die betroffenen Funktionen komplett ausfallen, die Performanz wird aber signifikant erschwert (Patterson et al. 2007; Zhou et al. 2012). Strukturelle Netzwerke des Gehirns neigen dazu, eine asymmetrische topologische Organisation zu besitzen, wobei die linke Hemisphäre in Gehirnregionen, die mit Sprache und motorischen Funktionen in Beziehung stehen, eine höhere Konnektivität aufweist, während die rechte Hemisphäre eine höhere Konnektivität in Regionen mit Gedächtnis und visuell-räumlicher Aufmerksamkeit aufweist (Caeyenberghs und Leemans 2014). Angesichts dieser grundlegenden Netzwerkasymmetrien können sich auch pathologische Mechanismen bei neurodegenerativen Erkrankungen asymmetrisch entwickeln. Allerdings haben nur wenige Studien die hemisphärische Asymmetrie postmortal untersucht und die Ergebnisse dieser auch älteren Studien blieben uneinheitlich.

    2.2.4 Metabolische Veränderungen

    Mit den altersassoziierten makroskopischen Veränderungen gehen metabolische Veränderungen einher. In einem Review-Artikel (Atienza et al. 2018) werden Studien beschrieben, die Änderungen des Hirnmetabolismus in gesunden Personen spezifisch für unterschiedliche Lebensspannen zeigten. Zelluläre und molekulare Veränderungen, Störungen der Mitochondrien, oxidative Schäden, Veränderungen im Glukose-Energie-Stoffwechsel und fortschreitender Anstieg von Neuroinflammation kennzeichnen demnach das alternde Hirn. In einem zusammenfassenden Modell beschleunigter Alterung des Gehirns (Yankner et al. 2008) werden neurodegenerative Prozesse mit der veränderten Regulation der Aggregation von Proteinen durch mitrochondriale Dysfunktion, dem veränderten Proteintransport, einem reduzierten Proteinumsatz, Autophagie, einer erhöhten neuronalen Vulnerabilität durch verringerte synaptische Plastizität, veränderten Kalziumhaushalt und Neuroinflammation beschrieben. Auch der Mikroglia wird zunehmend eine wichtige Rolle bei funktioneller Änderung und Hirnalterung zugeschrieben. Dysregulierte Mikroglia wird mit altersassoziierten Erkrankungen wie der Alzheimer-Demenz in Zusammenhang gebracht (Keren-Shaul et al. 2017; Mrdjen et al. 2018). Kausale Erklärungen zu den Ursachen der Veränderungen sind schwierig. Veränderungen sind nicht sicher auf Altern zurückführbar, da Altern mit biologischen und psychologischen Faktoren interagiert. Beispielsweise werden proinflammatorische Prozesse allgemein mit einer Verringerung kognitiver Leistungsfähigkeit in Verbindung gebracht (Yankner et al. 2008), die aber wiederum mit anderen Veränderungen im Alter, wie z. B. Übergewicht oder beeinträchtigtem Schlaf in Zusammenhang stehen, die selbst wieder mit Inflammation und Abnahme kognitiver Leistungsfähigkeit verbunden sind.

    2.3 Einfluss des Geschlechts

    Der Zusammenhang von Sexualhormonen mit altersassoziierten Veränderungen des Hirns ist viel diskutiert und wenig untersucht. Hormone des hypothalamisch-hypophysär-gonadalen Regelmechanismus sind mit neuroprotektiver Wirkung assoziiert (Gurvich et al. 2018). Die Östrogen- und Progesteronproduktion sinkt mit der reproduktiven Seneszenz in Frauen. Männer zeigen einen geringen Rückgang verschiedener Sexualhormone im Altersverlauf. Aus Tierstudien ist bekannt, dass verschiedene Formen von Östrogenen die Neuroplastizität modulieren (Barha et al. 2010) und ein Zusammenhang mit kognitiven Leistungen besteht. Niedrige Estradiolspiegel gehen beispielsweise mit verbesserter räumlicher Arbeitsgedächtnis- und Lernleistung einher. Insgesamt sind Sexualhormone für die Aufrechterhaltung unbeeinträchtigter neuronaler und kognitiver Funktion sicherlich von Bedeutung (Gurvich et al. 2018), ihre Interaktion mit normalem und beschleunigtem Alter ist aber noch nicht ausreichend aufgeklärt.

    2.4 Neurotransmitter

    Vielfältige Interaktionen zwischen Serotonin, Acetycholin, Dopamin, Gammaaminobuttersäure (GABA) und Glutamat sowie ihre Beteiligung an Lernen, Gedächtnis und emotionalen Prozessen sind bekannt. Acetylcholin und Serotonin wirken im Alter durch Abnahme der Rezeptordichte auf Hippocampus, präfrontalen Kortex und Gedächtnisleistungen (Seyedabadi et al. 2014). Die Neurotransmittersysteme Dopamin und Noradrenalin spielen eine wichtige Rolle für Lernen und Emotionsverarbeitung. Altern geht mit einer Abnahme dopaminerger Neurone und Dopamintransporter (Li und Rieckmann 2014) einher. Auch hier sind besonders Frontalhirnfunktionen betroffen, die mit einer Einbuße exekutiver Funktion (mesokortikales Dopaminsystem) bei älteren Erwachsenen (Bäckman et al. 2010) und im Sinne von „cognitive control" auch mit verminderter Emotionsregulation (mesolimbisches und mesokortikales Dopaminsystem) in Zusammenhang stehen. In Lernparadigmen sind Änderungen des dopaminergen Systems mit einer Beeinträchtigung der Belohnungsvorhersage verbunden, v. a. wenn neues Lernen eine Rolle spielt, sonst sind Reward-Funktionen im Alter gut erhalten (Mather 2016). Das noradrenerge System zeigt über die Lebensspanne und besonders im höheren Alter eine kompensatorische Freisetzung von Noradrenalin. Ältere und jüngere Erwachsene zeigen vergleichbare Arousal-Reaktionen auf emotionale Reize, der Impact ist bei Älteren aber geringer (Mather 2016).

    2.5 Veränderung der Emotion

    Studien der Neurobildgebung haben substanziell zum Verständnis der neuronalen Grundlagen der Emotionsverarbeitung beigetragen. Es wurde ein weit akzeptiertes Emotionsnetzwerk vorgeschlagen, das Teile des präfrontalen Kortex, insbesondere mit dem orbitofrontalen, dem ventrolateralen und dorsolateralen präfrontalen Kortex, Strukturen des limbischen Systems wie die Amygdala und den Inselkortex, und eine Reihe anderer Strukturen umfasst (Berridge 2018). Evidenz für alternskorrelierte Änderungen in diesen Strukturen wurde zuvor bereits beschrieben. Präfrontale Schädigung der grauen oder weißen Substanz resultiert in einer Einschränkung kognitiver Kontrollmechanismen und erhöht die Vulnerabilität für die Entwicklung affektiver Störungen (Mather 2013). Es liegt daher nahe, dass auch Änderungen der Emotionsverarbeitung im Alter mit Hirnveränderungen in Zusammenhang stehen. Ältere verarbeiten emotional positiv-valente Stimuli leichter als negative und negativ-valente Distraktoren werden wirksamer unterdrückt (Isaacowitz et al. 2006; Kennedy et al. 2004). Diese Änderungen der Emotionsregulation werden psychologisch mit einer veränderten Motivationslage im Alter erklärt.

    Ältere Erwachsene profitieren von Erfahrung und Motivation, sie möchten Wohlbefinden für die absehbare Lebensperspektive fördern (Isaacowitz et al. 2017). Die Emotionswahrnehmung älterer Erwachsener bleibt intakt, variiert aber mit persönlicher Relevanz eines Reizes, einer Situation (Isaacowitz et al. 2017). Der vergleichsweise geringe altersbedingte Volumenverlust im emotionsassoziierten lateralen orbitofrontalen Kortex und seine bilaterale Hyperaktivierung während der Wahrnehmung positiv valenter Stimuli (Leclerc et al. 2008) unterstützt diese Hypothese. Auch der ventrolaterale präfrontale Kortex gilt unabhängig von der Valenz der Reizkonfiguration als sehr wichtige, mit der Effizienz von Emotionsregulation positiv korrelierte Region (Ochsner et al. 2012), die alterskorreliert von einer stärkeren Atrophie betroffen ist als der orbitofrontale Kortex (Fjell et al. 2009b).

    Die Amygdala ist eine wichtige Struktur für die Emotionsregulation. Sie zeigt eine vergleichsweise starke, mit dem Hippocampus vergleichbare Volumenabnahme über die Zeit (Fjell et al. 2009b). Die Aktivität der Amygdala ist mit Änderungen der Salienz von Stimuli assoziiert und steht mit dem lateralen orbitofrontalen Kortex in Verbindung (Adolphs 2010). Eine stärkere Konnektivität zwischen Amygdala und lateralem orbitofrontalen Kortex korreliert mit einer erfolgreicheren Emotionsregulation (Banks et al. 2007), die Konnektivität nimmt jedoch mit steigendem Alter ab. Auch der Inselkortex ist alterskorreliert von Atrophie betroffen, die mit einer Abnahme des Einfühlungsvermögens, z. B. bei der Wahrnehmung einer anderen Person, die Schmerz erleidet, bei Älteren assoziiert ist (Chen et al. 2013). Der Inselkortex wird auch mit Ekelerkennung in Zusammenhang gebracht (Schienle et al. 2002), diesbezüglich sind aber keine altersassoziierten Änderungen bekannt.

    Fazit

    Altern geht mit einem Volumenverlust des Gehirns einher. Sehr viele Hirnregionen sind in unterschiedlichem Ausmaß davon betroffen, insbesondere präfrontale und medio-temporale Regionen. Es besteht kein Nachweis für asymmetrische Neurodegeneration, aber für asymmetrische Netzwerktopologien. Systematische Studien zu Veränderungen der Netzwerkprozesse im Alter stehen noch aus. Änderungen des Hirnmetabolismus spezifisch für unterschiedliche Altersphasen sind evident. Die Bedeutung von Neuroinflammation in Älteren wird ein großes Potenzial für die Beschreibung alterskorrelierter Veränderungen zugeschrieben. Sexualhormone sind für die Aufrechterhaltung unbeeinträchtigter neuronaler und kognitiver Funktion sehr wahrscheinlich von Bedeutung, ihre Interaktion mit normalem und beschleunigtem Altern ist aber noch nicht ausreichend aufgeklärt. Veränderungen von Neurotransmitterbalancen sind in Älteren sind evident. Es besteht konvergente Evidenz, dass die anatomischen und physiologischen Veränderungen im Alter mit Änderungen der kognitiven und emotionalen Verarbeitung einhergehen. Trotz vieler Einzelbefunde bleibt das Gesamtbild noch lückenhaft. Kausale Erklärungen sind schwierig, da Ursachen für Veränderungen im Alter vielfältig sind und mit vielen Faktoren interagieren.

    2.6 Kognitive Veränderungen

    Kognitives Altern, sowohl pathologisches also auch nicht-pathologisches, geht mit kognitiven Leistungseinbußen einher. Diese betreffen aber nicht alle kognitiven Domänen, für einige wurden auch konstante oder verbesserte Leistungen über die Lebensspanne hinweg gefunden. In Längsschnittstudien zeigt sich für viele Funktionen eine relative Stabilität bis zum Alter von 60 Jahren mit einem anschließenden Leistungsabfall. Insbesondere Exekutivfunktionen sowie Gedächtnis- und Aufmerksamkeitsprozesse sind davon betroffen. In Querschnittstudien wird sowohl ein linear verlaufender Leistungsabfall bereits ab dem 20. Lebensjahr, z. B. in der Verarbeitungsgeschwindigkeit, sichtbar, als auch kurvilineare Verlaufsformen mit einem deutlich stärkeren Leistungsabfall im höheren Alter (Hedden und Gabrieli 2004; Park et al. 2002; Singer et al. 2003; Toepper 2017). Ein Zusammenhang mit den oben beschriebenen funktionellen und strukturellen Veränderungen des Hirns über die Lebensspanne hinweg wird angenommen, die Natur dieser Beziehung ist aber in vielen Aspekten noch unverstanden (Grady 2012, Hedden und Gabrieli 2004).

    Es wurden unterschiedliche Modelle vorgeschlagen, die den Zusammenhang zwischen Hirnaktivierung und kognitiver Leistung bei älteren Personen beschreiben sollen. Oft wird bei älteren Personen erhöhte frontale Hirnaktivierung bei verminderter kognitiver Leistung beobachtet. Das „Hemispheric Asymmetry Reduction in OLDer Adults" (HAROLD)-Modell (Cabeza 2002) postuliert eine kompensatorische bilaterale Mehraktivierung bei älteren Personen im Vergleich zu unilateraler präfrontaler Aktivierung bei jüngeren Personen. Die „Compensation-Related Utilization of Neural Circuits Hypothesis" (CRUNCH, Reuter-Lorenz und Cappell 2008) hingegen, sieht eine (präfrontale) Mehraktivierung Älterer bei niedriger Aufgabenschwierigkeit

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