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Die Besonderheiten der Etikette
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Die Besonderheiten der Etikette

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About this ebook

„Keine Angst vor der Etikette! Tatsächlich ist darunter nichts anderes zu verstehen als höfliches Benehmen, wie es eigentlich in allen Lebenslagen angebracht ist.“
Tischmanieren, Esskultur, Kleidungsstil und Respekt. Werden diese Tugenden verdrängt: Von Fastfood jederzeit? Von Jogginghosen allerorten? Von enthemmten Kommentaren voller Hass und Häme? Kurz gefragt: Sind Benimmregeln old school und Schnee von gestern?
„Ganz und gar nicht! Gelebte Etikette ist der Schlüssel für ein schönes, entspanntes und friedvolles Zusammenleben.“ Das sagt einer, der sich auskennt wie kein Zweiter in diesem Metier: Raymond Bernard. Er war über vier Jahrzehnte als Butler am königlichen Hof in Luxemburg tätig, wo er neben den Königlichen Hoheiten Bundeskanzler, Präsidenten, Minister, Kaiser, Reiche und Schöne aus aller Welt bediente. Mit Witz, Charme und großem Sachverstand erzählt er von seinen Erlebnissen und lässt uns teilhaben an einer Welt, die den meisten verschlossen ist und wohl immer bleiben wird. Er berichtet sowohl von Etikettenprofis als auch von
-banausen und bleibt dabei diskret – ganz so, wie es die Etikette verlangt.
Dieses sehr persönliche Buch ist nicht nur eine Sammlung lustiger, skurriler, teils absurder Anekdoten, sondern auch ein echter Erkenntnisgewinn und eine Einladung: Werden Sie zur Expertin und zum Experten in Sachen Etikette!
LanguageDeutsch
PublisherRomeon-Verlag
Release dateJun 10, 2022
ISBN9783962297121
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    Book preview

    Die Besonderheiten der Etikette - Raymond Bernard

    EINLEITUNG

    DANKE!

    Auch wenn das Dankeschön in der Regel am Ende eines Buches erfolgt, möchte ich diesen Dank an den Anfang setzen - mein Herz rät mir dazu.

    Mit Liebe und Zuneigung danke ich meiner Frau, die immer wieder zurückstecken musste, damit ich dieses Buch schreiben konnte.

    Meiner Tochter, die mir mit viel Liebe, Geduld und gutem Rat stets eine kostbare Hilfe war. Sie ist es, die für mich die gelungenen Karikaturen gezaubert hat, die den Text ansprechend illustrieren.

    Ich danke all jenen Personen, die mich immer wieder motivierten und antrieben, dieses Werk zu schreiben, die mir stets mit Rat und Tat zur Seite standen.

    Mein Buch hat eine jahrzehntlange Vorgeschichte: eine lange Zeit, die mich geformt und geschult hat, die geprägt war von interessanten Menschen, die meine Weiterentwicklung nach Kräften förderten.

    Auch wenn ich als Kind die Schulbank nur höchst ungern drückte, habe ich mit der Zeit das Lernen lieben und achten gelernt und vieles nachgeholt.

    So wagte ich mich an die Niederschrift meines Lieblingsfachs „Die Etikette".

    Nutzt mein kleines Buch wie ihr im Straßenverkehr die Hinweisschilder nutzt und lernt aus diesen mitten aus dem Leben gegriffenen Anekdoten.

    Es handelt sich um kleine Wegweiser durch das Minenfeld des guten Benehmens, durch schwieriges Gelände, das allerdings gar nicht so gefährlich ist, wenn man gut aufpasst und sich an einige Regeln hält. Genau das ist es, was ich den Leserinnen und Lesern mitteilen will.

    Genießt den Gang durch mein Kuriositätenkabinett voller kleiner Malheurs und Missgeschicke, die aber, Hand aufs Herz, meist nur allzu menschlich sind.

    Ja, ich habe die Schönen und die Reichen, die Mächtigen und Einflussreichen aus vornehmen und weniger vornehmen Häusern dieser Welt kennen-, manche leider nicht immer schätzen gelernt.

    DER RAT DES EDELMANNES

    Als Kind war ich schwer krank. Gott sei Dank trat in diesem Augenblick eine großartige Frau in mein Leben, eine große Dame, mit ganz ganz großem Herzen, die sich meiner annahm und dafür sorgte, dass ich in einer Spezialklinik im Ausland gesund gepflegt wurde. Ich genas tatsächlich, war aber noch länger etwas schwach auf den Beinen.

    Da befand die Dame, die noch immer um meine Gesundheit besorgt war, dass ein Urlaub auf hoher See genau das Richtige für mich sei. Ich sollte die gute Seeluft genießen und zugleich einen Einblick bekommen in die Welt, in der ich später tätig sein sollte.

    Und es bewahrheitete sich:

    Wenn man jemanden kennt, der den Richtigen kennt, lernt man Menschen kennen.

    Mein siebzehnter Geburtstag stand vor der Tür. Nur noch eine Unterschrift meines Vaters, dann durfte ich mit aufs Boot.

    Mit einem Rucksack – ich hatte eine lange und eine kurze Hose, ein Hemd, zwei Paar Socken und zwei Unterhosen dabei – fuhr ich fort und kam mit einem vollgepackten Koffer wieder zurück.

    Ich durfte mich an der Weite des Meeres erfreuen und mit einem schnittigen Schiff im Sonnenschein über tiefblaues Wasser segeln.

    Eine ganze Woche, als Gast, zum Lernen, zum Beobachten, zum Genießen.

    Ich lernte die Welt des Respekts und der gegenseitigen Wertschätzung kennen, in der ich mich seit mittlerweile 47 Jahren wohlfühle.

    Die Idee zu dem Buch, das Sie gerade lesen, entstand auf dieser Seereise, an dem Tag, als mich ein Edelmann ins Restaurant einlud.

    Auf dem Schiff, das gerade vor Anker lag, waren alle ausgeflogen. Kein einziger Passagier mehr an Bord!

    Da beschloss der Bootsbesitzer, Proviant zu fassen. Mich nahm er mit, damit ich ihm beim Tragen half, denn zwei Männer sind stärker als einer.

    Nach getaner Arbeit betraten wir ein schickes Lokal.

    Mein erstes Mal in einem Restaurant!

    An einem der Tische ließen gerade unzufriedene Gäste ihren Gefühlen freien Lauf. Der noble, perfekt gekleidete Herr neben mir konnte das nicht verstehen. Ich auch nicht. Es war unser Glück, dass die laute Gesellschaft nur noch auf ihre Rechnung wartete und wir bald von ihnen erlöst wurden.

    Am Ende dieses unbeschreiblich fantastischen Essens ließ mein vornehmer Gastgeber die ganze Restaurant-Mannschaft an den Tisch bitten. Ein Dankeschön und ein gebührendes Trinkgeld – das hatten sie sich wahrlich verdient.

    Auf dem Weg zum Boot fragte mich der Herr:

    „Hast du heute etwas dazugelernt?"

    „Ja, ganz viel."

    „Und was hast du gelernt?"

    „Ich habe gelernt, eine Menükarte zu lesen und eine Bestellung aufzugeben."

    „Das hast du gelernt, ganz ohne strengen Lehrer. Du hast auf deine eigenen Beobachtungen gesetzt und alles richtiggemacht, ganz einfach, weil du wusstest, dass es gut wäre, alles genauso zu machen wie ich.

    Du hast verstanden, wie schrecklich schlechtes Benehmen ist und dass es wiederum ganz einfach ist, Menschen ohne großen Aufwand eine Freude zu bereiten.

    Auch, wenn man Liebenswürdigkeit allzu leicht vergisst! Morgen ist ein neuer Tag. Dann wird man sich im Restaurant an uns und unsere Freundlichkeit gar nicht mehr erinnern. Aber wie sich die Gesellschaft am Nebentisch aufgeführt hat, das bleibt haften. Schlechte Manieren sind ein Makel, ein Fleck, den man nicht so leicht wegwischen kann.

    Lerne daraus und, wenn du so alt bist wie ich, wer weiß, vielleicht schreibst du dann ein Buch über schlechtes Benehmen."

    In einem Punkt hatte mein Gesprächspartner allerdings Unrecht, und das sage ich bei allem Respekt. Mich hat man nach Verlassen des Restaurants garantiert sofort vergessen. Aber diesen Edelmann mit Sicherheit nicht! Auch wenn der Herr die Menschen im Restaurant nicht kannte, hatten sie alle mit Sicherheit sein Gesicht schon irgendwo in einer Zeitschrift oder im Fernsehen gesehen.

    Einige kleine Tipps

    Während unserer Reise durch noble Salons und feudale Speisezimmer gebe ich Ihnen immer wieder einige kleine Tipps, die Ihnen dabei helfen sollen, unangenehme Fehltritte auf dem glatten Parkett des guten Benehmens zu vermeiden.

    Den definitiven Fingerzeig, einmal ein Buch über gutes Benehmen zu schreiben, verdanke ich übrigens einer Dame aus der allerhöchsten Aristokratie. Sie gab ihn mir, als ich ihr nach meiner Rückkehr von der Yacht von meinen Reiseerlebnissen berichtete.

    DAS BETRACHTEN

    DER ERSTE EINDRUCK

    An den genauen Wortlaut dessen, was mir Königliche Hoheit damals sagte, kann ich mich nicht mehr erinnern, aber an den Sinn schon.

    Der erste Eindruck sei wichtig und trage wesentlich dazu bei, wie man einen Menschen sehe und in Erinnerung behalte. Doch nur durch besseres Kennenlernen werde dieser erste Eindruck im guten oder schlechten Sinne bestätigt.

    Nun, nach 47 Jahren, da ich einige Einblicke in die menschliche Existenz gewonnen habe, gestehe ich: Ja, der erste Eindruck kann leider auch irreführend sein.

    Natürlich sollte man stets darum bemüht sein, einen guten ersten Eindruck zu machen.

    Passende Kleidung, ein gepflegtes Äußeres, gute Laune, Höflichkeit, Ruhe und Gelassenheit sind ein Sesam, öffne dich, wenn man die Herzen der Menschen gewinnen will.

    Ob ein Lehrer vor seine Klasse tritt, ob in Geschäften oder Restaurants, bei Vorstellungsgesprächen, bei öffentlichen oder privaten Feiern: Der erste Eindruck ist mit Sicherheit nicht zu unterschätzen.

    So gilt es, einige Standards zu berücksichtigen, wobei man durchaus zu sich selbst stehen kann. Ein Beispiel: Da meine Stimme nicht zu meinem Äußeren passt, werde ich oft gefragt, ob ich mich erkältet hätte. Trotz fachärztlicher Hilfe ist es mir nie gelungen, meine Stimmfarbe zu ändern. Heute betrachte ich es nicht mehr als eine Einschränkung. Meine Stimme ist ein Teil meiner selbst und verleiht mir einen gewissen Erkennungswert, was mir, was den ersten Eindruck anbelangt, noch nie geschadet hat.

    Aber, wie gesagt, man verlasse sich nicht unbedingt auf das, was man zuerst von einem Menschen hält.

    DER SCHEIN TRÜGT

    Ich wurde in ein renommiertes Restaurant bestellt, um in gediegenem Ambiente einen Butler-Service für acht Gäste zu gewährleisten.

    Dafür wurde der schönste Raum mit viel Platz und Licht sowie einem idyllischen Blick ins Grüne hergerichtet – nach allen Regeln der Kunst.

    Ich kann mich noch sehr gut an die acht Gäste erinnern. Ein kleiner, rundlicher Mann in einem zu großen Sakko, so lieb wie ein Kuscheltier, kam mit seiner Gattin und seiner Tochter als Erster ins Restaurant.

    Ich hatte ihn eben an der Tür empfangen, bevor die fünf anderen Personen fast gleichzeitig eintrafen.

    Als Erste näherte sich eine bildhübsche Dame mit einem sehr jungen Herrn, ihrem Lebensabschnittspartner. Sie trug ein tolles Abendkleid, schwarz mit langem Schlitz, geschneidert von einem Pariser Modehaus, das war unverkennbar. Ihre tolle Figur fesselte nicht nur meine Aufmerksamkeit.

    Ihnen folgte ein in die Jahre gekommenes, nettes, freundliches Ehepaar, dessen abgetragene Straßenkleidung nun wirklich nicht in dieses schicke Restaurant passte.

    Zuletzt kam der Herr, der mich an diesem Abend total überraschte: ein Mann mit kahl geschorenem Kopf und kunstvollen Tattoos am Hals sowie an beiden Händen.

    Seine auffälligen Ohrringe und die stählernen Rockerringe an seinen Fingern waren sicher sein Markenzeichen.

    Er trug einen grau gestreiften Anzug und ein schneeweißes Hemd, dessen Kragen ein paar Zentimeter zu weit war. Offenbar hatte er vergeblich versucht, sich der Gelegenheit wenigstens ein bisschen anzupassen. Seine protzigen Manschettenknöpfe, seine raue Stimme und der starke Zigarettengeruch, der ihn umgab, erweckten in mir den Eindruck eines in die Jahre gekommenen Disco-Türstehers.

    Doch nicht jeden Tag hat man das Glück, einen Menschen zu bedienen, der so pflegeleicht, so gut erzogen, so manierlich ist, wie dieser Gast es war. Er beherrschte die Tischmanieren perfekt – dieser Herr, den ich so falsch eingeschätzt hatte. Er fiel nicht aus dem Rahmen in Gesellschaft dieser Menschen, für die ein perfektes Benehmen eine Selbstverständlichkeit ist.

    Spät am Abend war mein Dienst vorbei. Die über unsere Landesgrenzen hinaus bekannte Köchin plauderte, wie sie es immer hält, noch ein Weilchen mit den Gästen, als wir bereits das Lokal verließen. Mich aber verfolgte das unangenehme Gefühl, dass ich mich in Vorurteile verrannt hatte.

    DIE INNERE RUHE

    Wenn morgens der Wecker klingelt, heißt es aufzustehen, denn ein neuer Tag beginnt.

    Aber was, wenn der Wecker sich nicht meldet, kein Licht im Haus ist, die Kaffeemaschine nicht funktioniert ...?

    Richtig, dann geraten wir nicht nur in Verspätung, wir geraten in Stress. Eine Strompanne könnte die Ursache sein.

    Bekommt man diese nicht selbst in den Griff, muss Hilfe her. Aber was, wenn die Person, die helfen sollte, selbst schlechte Laune hat? Naja, dann hat man noch mehr Stress.

    Was nun? Was tun? Gerade in dieser Situation ist gutes Benehmen angesagt.

    Seien Sie geduldig, lassen Sie den Menschen, der Ihnen hilft, in Ruhe arbeiten. Je eher die Panne behoben ist, umso besser für alle.

    In Krisensituationen gilt es, die Fassung zu bewahren, ruhig und möglichst souverän zu sein. Das ist der Königsweg.

    Jeden Tag könnte man sich über irgendetwas oder irgendjemanden aufregen – im Beruf, im Verkehr, eben überall im Alltag.

    Aber was soll das? Hat man das nötig? Muss das sein?

    Geht man höflich miteinander um, wird jede Situation entschärft.

    Und es genügt nicht, es zu wissen und zu wollen, sondern man muss es einfach anwenden und tun: keinen Stress aufkommen lassen, sich nicht provozieren lassen, keinen unnötigen Ärger aufbauen. Mit anderen Worten: die innere Ruhe bewahren. Das nennt man Selbstbeherrschung, die Grundlage, auf der gutes Benehmen fußt.

    Gutes Benehmen ist nur möglich mit Selbstkontrolle, Selbstbeherrschung, Selbstdisziplin und Geduld.

    •Zähle bis drei, ehe du etwa sagst!

    •Atme tief durch, ehe du reagierst!

    •Schlafe eine Nacht darüber, bevor du den nächsten Schritt wagst!

    Ich sage:

    •Das alte Sprichwort In der Ruhe liegt die Kraft bewährt sich allemal. Lassen Sie sich nicht provozieren, sonst hat das Gegenüber gewonnen. Besser, Sie gewinnen.

    •Der Ton macht die Musik. Wer mit ruhiger, ausgeglichener Stimme spricht, beruhigt sich selbst.

    Der Straßenverkehr ist für mich immer wieder das beste Beispiel. Lieber mal gerade sein lassen als zu schimpfen und dann unkonzentriert einen Unfall zu bauen.

    Mit innerer Gelassenheit schafft man viel.

    Sie lehrt uns, die innere Notbremse zu ziehen, kann einseitige, negative Wahrnehmungen entschärfen und uns von belastenden Gefühlen befreien.

    Wenn du im Recht bist, kannst du dir leisten, die Ruhe zu bewahren; und wenn du im Unrecht bist, kannst du dir nicht leisten, sie zu verlieren. (Mahatma Gandhi)

    Ohne innere Ruhe kann man die Etikette nicht leben.

    AUFGEPASST: RUTSCHGEFAHR! - KÖNIGIN MARGRETHE VON DÄNEMARK

    Wie schon so oft unterlagen wir auch dieses Mal dem angenehmen Kaffeeduft, der durch das Treppenhaus nach oben stieg. Diese Verführung zwang uns förmlich eine kleine Pause auf.

    Gerade waren wir dabei, die gute Atmosphäre bei einer heißen Tasse Kaffee und feinem Gebäck zu genießen, als unser neuer Vorgesetzter mit einem sympathischen Lächeln in der Tür stand und uns grüßte:

    „Guten Morgen, Raymond. Ich möchte dir und deiner ganzen Mannschaft nochmals herzlich für die tolle Unterstützung danken. Es war im wahrsten Sinne des Wortes eine mit vielen Emotionen vollgepackte Woche.

    Gerade eben habe ich mich gefragt: Würdest du uns den Gefallen tun und dich um den Empfang der Gäste kümmern? Die ersten Gäste, das belgische Königspaar, soll in zwanzig Minuten vorfahren."

    „Ja, natürlich. Mit dem größten Vergnügen", antwortete ich.

    Eine neue und ungewohnte Aufgabe stand an. Die prachtvollen Limousinen fuhren nicht wie gewohnt vor dem Palast vor, wo man mit nur wenigen Schritten in die Eingangshalle gelangte. Sie fuhren ebenso wenig durch den Hinterhof in den Palast-Durchgang, wo die Königlichen Hoheiten bequem in die Eingangshalle gelangen konnten.

    Nein, das war diesmal aus organisatorischen Gründen leider nicht möglich. Die Limousinen mussten die Straße hinter dem Palast entlangfahren und die royalen Gäste mussten vor dem großen Doppelportal, welches in den Palasthof führte, aussteigen.

    Als wir zügig unsere Positionen an der Straße einnahmen, um den Königlichen Hoheiten die Wagentür zu öffnen, rutschte einer von uns aus.

    Gott sei Dank konnte er sich noch fangen und fiel nicht hin. Durch den herrschenden Regen und den Pollenflug präsentierte sich der Untergrund als äußerst glatte und schmierige Wegstrecke.

    Rutschgefahr! Ja, das konnte man wohl sagen.

    Schon kamen die ersten Hoheiten angefahren. Zuerst fuhr ein Wagen mit den Leibwächtern vor, gefolgt von der herrschaftlichen Limousine und einem zweiten Wagen mit weiteren Sicherheitsleuten, die die Straße absicherten.

    Die Leibwächter schossen förmlich aus dem Auto, um „Ihren Herrschaften" die Tür zu öffnen und sie schützend in den Innenhof zu führen, wo wir das Königspaar, durch einen Schirm geschützt, weiter begleiten durften.

    Kein leichtes Unterfangen für die Königin, die vorsichtig mit ihren schicken Schuhen in den Hof trat.

    Danach kam der charmante Prinz Albert von Monaco an, der majestätisch und sehr gekonnt den Weg durch den Hof meisterte.

    Im Minutentakt fuhren die Limousinen vor. Ich hatte die Ehre, „Ihrer Majestät", der ehemaligen Königin Beatrix der Niederlande, die Tür zu öffnen. So konnte ich sie auf die herrschende Rutschgefahr aufmerksam machen.

    Danach erreichte die „Königin der Herzen den Palast. Ihre Ausstrahlung fesselt nicht nur jeden Butler, sondern sie wird als „wahrer Publikumsliebling gefeiert: Ihre Majestät Königin Margrethe von Dänemark.

    Ihre Limousine blieb nicht entlang der Straße stehen, sondern fuhr geradewegs auf die Einfahrt zu.

    Sofort erfasste mich ein Gefühl der Unsicherheit. Königin Margrethe musste nicht nur auf dem glatten Boden aussteigen, sondern auch noch um die Autotür herumgehen und darauf achten, nicht über den Bodentürhalter der riesigen Pforten zu stolpern.

    So galt es für mich, innere Ruhe zu bewahren und ein Unglück zu verhindern.

    Ich tat, was sich vielleicht noch niemand vor mir getraut hatte und was auch keineswegs zum offiziellen Protokoll gehörte: Ich bot der Königin, damit sie sicher aus der prachtvollen Limousine aussteigen konnte, meine helfende Hand an.

    „Arm und Geleit" die Ihre Majestät ohne große Worte, dafür aber mit einem herzlichen Lächeln annahm.

    WER BIN ICH?

    Kann man sich hinter Äußerlichkeiten verstecken?

    Was steckt wirklich hinter der Fassade eines Menschen?

    Stimmt das wirklich: „Schau in den Spiegel und du wirst deinen Charakter erkennen"?

    Ich meine nicht, dass an diesem Satz viel Wahres dran ist. Ein guter Betrachter darf sich nicht vom Äußeren eines Menschen irreführen lassen.

    Er muss hinter die Fassade sehen: die Bewegungen, Handlungen und Ausdruckweise eines Menschen interpretieren und verstehen.

    Meiner Meinung nach schaffen manche Menschen genau dies nicht. Vielleicht wollen sie sich auch gar nicht diesbezüglich anstrengen? Aber viele tun es ganz intuitiv und spontan doch. Und so muss sich mancher, der sich zu sehr auf sein Äußeres und den großen Auftritt verlässt, nicht wundern, wenn er gesellschaftlich abgestempelt wird und ins Abseits gerät.

    HERR GERNEGROß

    Wie könnte ich jenen Menschen vergessen, der meine Mitarbeiter und mich über Jahre erniedrigt und schikaniert hat: sein rundes Gesicht, seine runde Figur, seinen dicken Hals, die gut gepolsterten Hamsterbacken? Kaum betrat er das Zimmer, monierte er schon, der Service würde nicht stimmen.

    Denn wenn er auftauchte, mussten wir alles stehen und liegen lassen. Denn dann, und das war klar, war nur er da! Alle anderen zählten nicht.

    Aber, wie der Zufall es wollte, war er plötzlich keiner mehr, auf den es ankam. Ohne VIP-Status wurde er nur noch selten eingeladen.

    Nach einigen Jahren aber, als ich diesen Herrn anlässlich eines Abendessens wiedertraf, fanden sich plötzlich einst vergessene Formeln wie „Guten Abend und „Danke wieder in seinem Vokabular.

    Er erkannte mich sofort und fragte mich, ob ich noch wisse, wie gerne er Bier trinke.

    „Aber natürlich, wie könnte ich das vergessen!"

    Auch dieser Herr wurde wie alle anderen Gäste hervorragend von uns betreut und freute sich sehr über sein fachmännisch gezapftes Bier.

    Während seiner

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