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Hamburger Yachtmord: Zwei Fälle für Kommissar Jörgensen 26
Hamburger Yachtmord: Zwei Fälle für Kommissar Jörgensen 26
Hamburger Yachtmord: Zwei Fälle für Kommissar Jörgensen 26
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Hamburger Yachtmord: Zwei Fälle für Kommissar Jörgensen 26

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About this ebook

Dieser Band enthält folgende Krimis um Kommissar Uwe Jörgensen von der Kripo Hamburg:

Kommissar Jörgensen ermittelt Stück für Stück:
Die Polizei findet in mehreren Yachten, die im Hamburger Yachthafen vertäut sind, abgetrennte Arme, Beine, Hände und weitere Körperteile von unterschiedlichen Personen. An eine Segelregatta, die an diesem Tag beginnen sollte, denkt jetzt niemand mehr, denn - jemand hat eine grauenhafte Blutspur über mehrere Städte jahrzehntelang gelegt ...

Kommissar Jörgensen und das Messer:
Der Chef der Investment-Firma namens 'PIS - Partners in Success Ltd - wird in einer Seitenstraße an der Reeperbahn erstochen aufgefunden. Mit dieser Firma hat er Millionen verdient, aber offenbar auch wieder alles ausgegeben. Außerdem ist die Firma Pleite und die Gläubiger sitzen ihm und den Mitarbeitern im Nacken. Die Art, wie Georg Logall ermordet wurde, erinnert die Kommissare Jörgensen und Müller an einen Auftragskiller, der sich „die Hornisse“ nennt, denn sein Mordwerkzeug ist eine ganz besondere Waffe. Doch wer hat die Hornisse zum Morden beauftragt?

Alfred Bekker ist ein bekannter Autor von Fantasy-Romanen, Krimis und Jugendbüchern. Neben seinen großen Bucherfolgen schrieb er zahlreiche Romane für Spannungsserien wie Ren Dhark, Jerry Cotton, Cotton Reloaded, Kommissar X, John Sinclair und Jessica Bannister. Er veröffentlichte auch unter den Namen Neal Chadwick, Henry Rohmer, Conny Walden und Janet Farell.

LanguageDeutsch
Release dateAug 7, 2022
ISBN9783753299839
Hamburger Yachtmord: Zwei Fälle für Kommissar Jörgensen 26

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    Hamburger Yachtmord - Alfred Bekker

    Kommissar Jörgensen ermittelt Stück für Stück

    von Alfred Bekker

    1

    Ich traf mich mit dem Libanesen am Yachthafen. Ab und zu tun wir das. Der Libanese versorgt mich mit Informationen aus dem Milieu. Und vielleicht denkt er, dass er auch mal etwas von mir erfährt. Wenn er ein Realist ist, dann weiß er, dass das nicht passieren wird. Aber offenbar denkt er trotzdem, dass es ganz gut ist, den Kontakt mit jemandem wie mir zu halten.

    Ich bin Kriminalhauptkommissar Uwe Jörgensen von der ‘Kriminalpolizeilichen Ermittlungsgruppe des Bundes’ in Hamburg. Das ist eine Sonderabteilung, die sich vorrangig mit organisierter Kriminalität, Terrorismus und Serientätern befasst. Drei Ermittlungsgebiete, die besondere Fähigkeiten und besondere Ressourcen voraussetzen, um dort erfolgreich tätig sein zu können.

    »Wallah, schöner Tag zum Segeln heute«, meinte der Libanese.

    Jeder in Hamburg nannte ihn nur den Libanesen. Die wenigsten wussten, wie er wirklich hieß. Er betrieb ein paar Strip Clubs auf St. Pauli. Außerdem eine Shisha-Bar. In letzte bekamen mich allerdings keine zehn Pferde. Da kriegte man vor lauter Dampf kaum Luft. Man fühlte sich da immer ein bisschen an die Zeiten erinnert, als in jeder Kneipe noch geraucht werden durfte und die Räume manchmal so voller Qualm standen, dass man nicht atmen, sondern auch kaum etwas sehen konnte.

    Aber diese Zeiten waren lange vorbei.

    Kein Nichtraucher ließ sich das noch bieten.

    Und in eine Shisha-Bar ging man eben als Nicht-Dampfer besser einfach nicht hin.

    Der Libanese und ich gingen an Bord des Jollenkreuzers, der ihm gehörte und mit dem wir mehr oder weniger regelmäßig auf der Außenalster unterwegs waren.

    Für uns hatte das auch noch einen weiteren Vorteil: Wir waren so gut wie abhörsicher.

    Wir machten uns also daran, das Segel aufzuziehen und alles klarzumachen.

    Der Wind war genau so, wie er sein sollte.

    Nicht zu stark und nicht zu schwach.

    Am Himmel standen ein paar dunkle Wolken, durch die sich gerade mal wieder die Sonne hindurchgestrahlt hatte.

    Das hatte heute schon mehrfach abgewechselt.

    Ein Tag eben, von dem man zumindest wettermäßig noch nicht so richtig wusste, was man von ihm halten sollte.

    »Wallah, wir müssen was besprechen«, sagte der Libanese dann schließlich - kurz, bevor es dann wirklich losgehen sollte.

    »Was liegt an?«, fragte ich.

    »Uwe«, sagte er.

    Und wenn er Uwe sagte, hieß das, es war irgendetwas sehr Wichtiges. So gut kannte ich den Libanesen inzwischen durchaus.

    »Nun schieß schon los«, sagte ich.

    »Du hast sicher davon gehört, dass da demnächst wieder diese Regatta stattfinden soll.«

    »Da bin ich nicht so informiert.«

    »Wallah! Ist gesellschaftliches Ereignis.«

    »Kann sein.«

    »Und du weißt nichts davon? Uwe! Wallah! Wo lebst du denn! In Hamburg! Kaum zu glauben!«

    »Ich habe eben wenig Zeit.«

    »So viel Zeit hat man immer.«

    »Wenn du das sagst.«

    »Die Sache ist die: Ich würde gerne daran teilnehmen.«

    »Was ist das Problem.«

    »Ich brauche noch - Wallah, wie heißt das Ding?«

    »Was fürn Ding brauchst du denn?«

    »Vorschotmann. So heißt das. Der macht das, was du so machst, wenn wir segeln. Du hältst das Fock.«

    »Du wirst schon jemanden finden.«

    »Ich dachte an dich, Uwe!«

    Ich sah ihn erstaunt an. »Das halte ich für keine gute Idee.«

    »Hast du keinen sportlichen Ehrgeiz? Wallah, da hätte ich dich eigentlich etwas anders eingeschätzt.«

    »Ich sagte, ich halte das für keine gute Idee. Wenn deine Freunde uns dort zusammen sehen, kann das für dich unangenehm werden.«

    »Meine Freunde sind da nicht. Wallah, ich sagte doch, das ist gesellschaftliches Ereignis. Und die gehören alle nicht dazu. Von denen sieht man da garantiert keinen.«

    »Und wenn doch?«

    »Du kannst Kapuze aufsetzen.«

    »Und vielleicht noch deine Maske?«

    »Wallah, das ist die Lösung! Gesichtsmaske! So wie man trägt, wenn man in die Antarktis fährt, damit man sich keine Erfrierungen im Gesicht holt. Wir sagen dann: Du bist empfindlich gegen Wind. Ist doch nichts dabei.«

    Ich musste schmunzeln.

    Schüttelte dann aber den Kopf.

    Ziemlich energisch sogar.

    »Du wirst dir einen anderen Vorschotmann suchen müssen.«

    »Dein Ernst?«

    »Tut mir Leid, ich stehe nicht zur Verfügung.«

    »Wallah, das ist schade...«

    »Du wirst schon jemanden finden...«

    »Ich kenne nur Nichtschwimmer!«

    »Na dann...«

    »Du könntest mal in deiner Abteilung fragen. Wie wäre das denn?«

    »Das wäre nicht nur eine schlechte, sondern eine superschlechte Idee.«

    »Eigentlich schade, Uwe...«

    »Da kann man nichts machen.«

    »Wallah, schade, dass wir uns nicht unter anderen Umständen kennengelernt haben.«

    2

    Rita Graumer schlug der Puls bis zum Hals. Ein flaues Gefühl hatte sich im Magen ausgebreitet - ihr war übel. Sie war mit dem Wagen auf dem Parkplatz an der Straße nach Altona gefahren und hatte den Motor ausgestellt. Eine Minute, dachte sie. Eine Minute Ruhe, die brauche ich jetzt nach diesem Tag. Ein kurzer Blick glitt zu der Geldkassette auf dem Beifahrersitz. Dann schloss sie die Augen und versuchte ruhig und regelmäßig zu atmen.

    Ein unangenehmes, hartes Geräusch ließ sie zusammenzucken.

    Jemand kratzte mit einem Ring über die Scheibe und zog eine Spur. Rita Graumer sah in ein verzerrt grinsendes Gesicht.

    »Aufmachen!«

    Rita Graumer war einen Moment lang wie erstarrt. Auf dem Beifahrersitz lag die Geldkassette mit den Tageseinnahmen der Filiale des Möwensteert Restaurants in Schulau. Rita sollte sie zur Volksbank nach Altona bringen. Gerade jetzt zur Regatta Saison kamen viele bar zahlende Kunden in das Schnellrestaurant am Yachthafen.

    Mit Erleichterung registrierte Rita, dass die Zentralverriegelung verschlossen war.

    Der Kerl mit dem Ring klopfte noch mal gegen die Scheibe. Der Ring verursachte erneut ein sehr hartes Geräusch. »Na los!»

    Rita überlegte, den Wagen einfach zu starten und das Gas durchzutreten oder nach der Waffe zu greifen, die sie in ihrem Handschuhfach aufbewahrte.

    Als sich ihr Blick zum zweiten Mal dem Kerl zuwandte, blickte sie in die Mündung einer Waffe. Es war, als ob er darauf gewartet hätte, dass sie sich umdrehte. Das Mündungsfeuer blitzte aus einem Schalldämpfer heraus. Die Kugel durchdrang das Glas der Seitenscheibe und traf sie genau in die Stirn. Das Einschussloch war nicht groß. Nur fingernagelgroß. Es gab keine Austrittswunde.

    Rita Graumer sackte nach vorn auf das Lenkrad und löste damit die Hupe aus. Ihre Augen blickten starr ins Nichts. Ein dünner Blutstrom rann aus der Einschusswunde über das Gesicht und verzweigte sich dann wie ein Flussdelta.

    Der Mann mit dem Ring steckte die Waffe ein.

    Dann zog er ein paar Lederhandschuhe über. Das aufgesprungene Glas löste sich leicht aus der Seitenscheibe heraus. Er öffnete die Tür. Dann fasste er die Tote unter den Armen und zog sie aus dem Wagen. Einer ihrer Füße hatte sich am Gaspedal verhakt. Sie verlor ihren Schuh. Unter der Nylonstrumpfhose zeichnete sich ein Tattoo ab. Eine Rose, die sich vom Knöchel über den Rist bis zu den Zehen herabrankte.

    3

    Hamburger Yachthafen, Schulau, Ortsteil von Wedel, am nächsten Morgen …

    »Hast du diesen Knoten so idiotisch gebunden, Klaus?«, fragte Gerd Dubbert. Er blickte stirnrunzelnd auf eines der vier Tauenden, mit dem die Segelyacht ‘Katie’s Spirit’ an ihrem Anlegeplatz vertäut war.

    »Für wen hältst du mich?«, gab Klaus Keller zurück. Er war der jüngere der beiden Männer. Mitte dreißig, sportlich und das Gesicht braungebrannt von der Sonne. Keller zog das Boot etwas heran und kletterte vorne über die Spitze an Bord.

    Gerd Dubbert folgte seinem Beispiel, nur dass es bei ihm sehr viel umständlicher aussah. Dubbert hatte die Sechzig schon überschritten, war sehr kräftig gebaut und etwas übergewichtig. Seine wettergegerbte, braune und von zahllosen Falten zerfurchte Haut kontrastierte stark mit dem schlohweißen, aber noch vollem Haar.

    »Hier war jemand auf dem Boot«, meinte Klaus Keller und zeigte auf einen deutlich sichtbaren Fußabdruck.

    »Ja, das kommt öfter mal vor«, meinte Dubbert »Wahrscheinlich Jugendliche, die über die Abzäunung des Hafengeländes geklettert sind.« Dubbert ächzte und richtete sich auf. Auf seiner Stirn erschien eine tiefe Furche, als er auf den Fußabdruck sah. »Manchmal frage ich mich, wieso ich den teuren Mitgliedsbeitrag für den Yachtclub zahle, wenn sowieso anscheinend niemand darauf achtet, dass so etwas nicht passiert.«

    Klaus öffnete inzwischen die Kajütentür.

    »Es war auch jemand hier drin«, stellte er fest. »Die Tür wurde einfach aufgehebelt.«

    »Ein Boot ist kein Tresor, Klaus!«

    Abgesehen davon war die ‘Katie’s Spirit’ auch keine Luxusyacht, in der es irgendwelche wertvollen Dinge zu holen gegeben hätte. Dubbert nahm mit ihr an den jährlichen Wettfahrten der Elbe-Regatta teil. Das Boot war auf Effektivität getrimmt. Da war für überflüssigen Luxus kein Platz.

    »Scheiße!«, rief Klaus Keller, der als Erster in der Kajüte verschwunden war.

    »Was ist los, Klaus?«, wollte Dubbert wissen.

    »Das musst du dir ansehen!«

    Dubbert quetschte sich durch die enge Kajütentür. Ihm fielen die Spuren an den Holzleisten auf. Da hatte tatsächlich jemand die Kajütentür mit einem langen Schraubenzieher oder Ähnlichem aufgehebelt. Dubbert fluchte innerlich. Das war einer der Gründe, warum er nie mehr in eine aufwändige Sicherung der ‘Katie’s Spirit’ investiert hatte. Wenn irgendein Landstreicher unbedingt an Bord wollte, um sich in der Kabine auszuschlafen, konnte man das erstens ohnehin kaum wirklich verhindern, nur hatte man dann vielleicht auch noch mit größeren Zerstörungen zu rechnen, die viel schlimmer waren, als wenn sich nur mal ein Betrunkener über das Ruder erbrach. Anscheinend war dieser Eindringling zu dämlich gewesen, zu erkennen, wie leicht er es hatte. Ein paar neue Holzleisten waren wohl unumgänglich. Mal wieder.

    Als Dubbert dann in der Kajüte stand, konnte er erst nichts sehen, weil es ziemlich eng war und Klaus ihm die Sicht verstellte. Klaus Keller machte einen Schritt zur Seite. Und nun sah auch Dubbert, was auf dem kleinen Klapptisch in der Mitte der Kajüte lag.

    Dubbert fiel der Kinnladen herunter, und er wurde totenblass.

    Was da vor ihm lag, war ein menschlicher Fuß, fein säuberlich etwa eine Handbreit oberhalb des Knöchels amputiert. Der Stumpf war blutig. Fliegen summten um ihn herum. Es war unverkennbar, dass es ein Frauenfuß war. Die lackierten Nägel ließen daran keine Zweifel. Das Tattoo einer dunklen Rose rankte vom Knöchel herab bis zu den Zehen.

    »Was machen wir jetzt?«, fragte Klaus Keller. Seine Stimme klang heiser, fast krächzend.

    »Ich glaube, wir rufen die Polizei«, murmelte Dubbert.

    »Scheiße - ausgerechnet zur Regatta.«

    »Klaus!«

    »Ist doch wahr! Die Wettfahrt morgen können wir uns doch sonst wohin schmieren! Die werden erst einmal alles gründlich untersuchen, und das dürfte sich eine ganze Weile hinziehen. Und eine Ersatzyacht haben wir nicht.«

    »Du hast Sorgen, Klaus!«

    Dubbert wollte noch etwas sagen, aber in diesem Augenblick übertönte ein Geräusch das aufdringliche Summen der Fliegen. Sirenen von Polizeiwagen!

    »Scheint, als wären die Polizei schon auf dem Weg hierher«, stellte Klaus Keller überrascht fest.

    »Hört sich an, als wäre der gesamte Fuhrpark der Polizei unterwegs«, stieß Dubbert irritiert hiervor. Inzwischen waren die Sirenen so laut geworden, dass man kaum noch sein eigenes Wort verstehen konnte. Türen klappten. Schnelle Schritte waren zu hören. Dubbert blickte zur Decke, als er auch über sich Schritte hörte. Mehrere Beamten der Polizei schienen das Boot betreten zu haben.

    Und dann war auch schon ein Mann in der Uniform der Polizei. Er hatte die Hand an der Waffe. »Nichts anrühren!«, wies der Polizeibeamte die beiden völlig konsternierten Männer im Inneren der Kajüte unmissverständlich an. »Lassen Sie Ihre Hände, wo sie sind und ich sie sehen kann! Und rühren Sie sich nicht.«

    Dubbert schluckte.

    »Wir … wir waren das nicht«, stammelte er.

    4

    Als ich an diesem Morgen zum Polizeipräsidium fuhr, holte ich unterwegs meinen Kollegen Roy Müller ab. Das Apartment, das er sich genommen hatte, lag auf dem Weg.

    Roy gähnte, nachdem er auf dem Beifahrersitz meines Sportwagens Platz genommen hatte. Und das war kein Wunder. Roy hatte an einer Konferenz in Frankfurt am Main teilgenommen, bei der es um die Optimierung der Zusammenarbeit bei der Bekämpfung terroristischer Bedrohungen gegangen war. Und da mein Kollege erst sehr spät mit dem Flieger auf dem Hamburger Flughafen gelandet war, konnte ich gut verstehen, dass er jetzt Schwierigkeiten hatte, seine Müdigkeit zu unterdrücken.

    »War’s wenigstens interessant?«, fragte ich.

    »Auf jeden Fall ist das Wetter auch nicht gerade besser als hier in Hamburg«, stellte Roy fest und ließ seine Mundpartie dann erneut hinter seiner Hand verschwinden.

    »Und sonst?«

    »Du weißt ja, wie solche Konferenzen meistens ausgehen, Uwe. Es wird von jedem der Beteiligten mindestens dreimal gesagt, was alles notwendig wäre und am Ende geschieht - nichts!«

    »Bis dann der nächste Anschlag passiert und sich jeder fragt, wie es nur dazu kommen konnte.«

    »Du sagst es!«

    Ich hielt den Sportwagen an einer roten Ampel an. Bis zur Dienststelle war es jetzt nur noch ein Katzensprung.

    Mein Handy klingelte.

    Die Freisprechanlage war eingeschaltet, so dass auch Roy mithören konnte.

    »Hier spricht Kriminaldirektor Bock«, meldete sich die vertraute Stimme unseres Vorgesetzten. »Uwe? Wo sind Sie?«

    »In ein paar Minuten bei Ihnen, Chef«, sagte ich. »Vorausgesetzt, es gibt keinen Stau, von dem mein Navigationsgerät nichts weiß!«

    »Wenn Sie hier im Präsidium ankommen, dann halten Sie sich bitte nicht damit auf, erst Ihre eigenen Büros aufzusuchen, sondern kommen Sie bitte gleich zu mir!«

    »In Ordnung.«

    »Alles weitere erfahren Sie dann - falls Sie nicht bereits die Nachrichten im Radio oder im Frühstücksfernsehen verfolgt haben sollten.«

    Herr Bock beendete das Gespräch und ließ mich etwas ratlos zurück.

    »Hast du die Nachrichten verfolgt?«

    Roy unterdrückte erneut ein Gähnen.

    »Sehe ich so aus, als wäre ich heute Morgen schon frisch genug gewesen?«

    Ich stellte das Radio an. Aber da kam im Moment nur Musik. Es schien, als hätten Roy und ich tatsächlich kürzlich etwas Wichtiges verpasst, aber Herr Bock würde uns sicher genauer darüber aufklären.

    5

    »Guten Morgen! Setzen Sie sich!«, begrüßte uns Herr Bock, nachdem wir sein neues Büro im Polizeipräsidium betreten hatten. Mandy, die Sekretärin unseres Chefs, betrat mit uns den Raum, legte eine Mappe auf Herr Bocks Schreibtisch.

    »Danke, Mandy.«

    »Ich habe Dr. Wildenbacher bislang nicht erreichen können, werde es aber weiter versuchen.«

    »Tun Sie das, Mandy!«

    Mandy warf Roy und mir einen kurzen Blick zu und verließ dann wieder das Büro.

    Ich nahm an, dass das, was jetzt kam, etwas mit unserem nächsten Fall zu tun hatten. Also betraf es irgendeine Sache, die sich nicht in, sondern außerhalb von Hamburg ereignet hatte.

    Und die Tatsache, dass ein Gerichtsmediziner unseres Erkennungsdienstes im Zusammenhang damit erwähnt worden war, ließ darauf schließen, dass Dr. Gerold Wildenbachers Hilfe in diesem Fall dringend gebraucht wurde.

    »Der Hamburger Yachthafen in westlich von Hamburg wird Ihnen bestimmt bekannt sein«, begann unser Chef. »Diese Gegend ist zu bestimmten Zeiten im Jahr besonders beliebt und hat auch seinen Bekanntheitsgrad dadurch erreicht, weil dort alljährlich eine Segelregatta durchgeführt wird, die dafür sorgt, dass sich die Einwohnerzahl in der Regattawoche ungefähr verdoppelt haben dürfte. Außerdem scheint diese Veranstaltung in Seglerkreisen einen gewissen Ruf zu genießen. Die Wettfahrten hätten eigentlich heute beginnen sollen, sind aber erst einmal ausgesetzt worden. Und das hat mit dem Fall zu tun, mit dem Sie sich in nächster Zeit beschäftigen werden.« Herr Bock machte eine kurze Pause und ließ die Hände in den Taschen seiner Flanellhose verschwinden. Das Jackett hing über der Stuhllehne. Die Hemdsärmel waren aufgekrempelt. Herr Bock hatte sich bislang - im Gegensatz zu Roy und mir - noch nicht gesetzt. Unser Chef wirkte ungewohnt unruhig. »Gestern am frühen Morgen ging eine Warnung im Büro des dort zuständigen Polizeichefs ein, die besagte, dass man in dreizehn an der Regatta teilnehmenden Yachten jeweils ein menschliches Körperteil finden würde. Der leitende Polizist ist sofort mit großem Aufgebot ausgerückt, um das zu überprüfen.«

    »Er hat das sofort geglaubt?«, wunderte ich mich.

    Roy runzelte die Stirn und schien sich ebenfalls darüber zu wundern.

    Herr Bock atmete tief durch und fuhr fort: »Drücken wir es so aus: In der Zeit der Regatta sind die Behörden dort übervorsichtig. Die Regatta mit all ihren touristischen Begleiterscheinungen stellt für den Ort die mit Abstand größte Einnahmequelle dar. Das Ereignis ist landesweit bekannt und wenn der Ort jetzt in Zusammenhang mit einer abscheulichen Mordserie in die Medien kommt, ist das Kassengift für die Tourismusbranche am Ort. Und genau das ist passiert. Die örtlichen Behörden haben versucht, die Sache zunächst mal unter dem Deckel zu halten und das mit fahndungstaktischen Erwägungen begründet. Das hat genau einen Tag lang funktioniert, wie man an den heutigen Morgennachrichten sehen konnte.«

    »Hat man von den Opfern wenigstens schon jemanden identifiziert?«, fragte Roy.

    »In einer der Yachten wurde ein Fuß einer Frau gefunden. Aufgrund einer auffälligen Tätowierung ist er ziemlich eindeutig einer gewissen Rita Graumer zuzuordnen, die kurz zuvor unter ungeklärten Umständen verschwand. Natürlich liegt noch kein Ergebnis eines Gen-Tests vor, der das mit Sicherheit bestätigen könnte, aber die Identifizierung dürfte trotzdem recht sicher sein. In einer anderen Yacht wurde der Kopf von Rosalind Halle gefunden. Sie stammt aus Elmshorn und wurde vor zehn Jahren vermutlich auf einem Parkplatz erschossen. Die Leiche tauchte allerdings nie auf. Man fand damals lediglich den Wagen, Blutspuren, Gewebereste und zwei Projektile, die durch den Körper gedrungen sein müssen und dann in der Innenverkleidung steckenblieben. In dem jetzt gefundenen Kopf steckte ein drittes Projektil.«

    »Der ballistische Bericht dürfte schon vorliegen«, meinte ich.

    Herr Bock nickte.

    »Das Projektil stammt unzweifelhaft aus derselben Waffe.«

    »Zehn Jahre?«, fragte Roy. »Da hat jemand eine Leiche zehn Jahre aufbewahrt und präsentiert uns heute den abgetrennten Kopf?«

    »Sie können sich jetzt vielleicht denken, was dort los ist«, hab Herr Bock zurück. »An eine Segelregatta denkt da jetzt niemand mehr. Und das ist ja noch nicht alles! Es wurden Arme, Hände, Beine, Ohren ...« Herr Bock machte eine wegwerfende Handbewegung. »Die Einzelheiten finden Sie in den Datenpaketen, die ich Ihnen überspielt habe. Wir wissen, dass die Körperteile größtenteils von unterschiedlichen Personen stammen müssen. Zumindest der Kopf von Rosalind Halle war tiefgefroren und wahrscheinlich trifft das auch auf viele der anderen Körperteile zu, bei denen bisher noch nicht festgestellt werden konnte, zu wem sie ursprünglich gehörten. Natürlich arbeitet man an einem Abgleich von Leichenteil-Funden, die Parallelen zu diesem Fall aufweisen und ist bereits in Elmshorn, Hamburg, Bremen und Lübeck fündig geworden. Und wie Sie sich denken können, graben die Medien zurzeit auch an der Sache.«

    Jetzt war auch klar, weshalb dieser Fall in unseren Zuständigkeitsbereich fiel. Wenn die Vermutungen auch nur teilweise zutrafen, handelte es sich um Mordserie von wahrhaft monströsen Ausmaßen. Jemand hatte vielleicht eine

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