Jan und Paul wollen die Mama zurück!: Sophienlust - Die nächste Generation 64 – Familienroman
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About this ebook
Denise hat inzwischen aus Sophienlust einen fast paradiesischen Ort der Idylle geformt, aber immer wieder wird diese Heimat schenkende Einrichtung auf eine Zerreißprobe gestellt.
Diese beliebte Romanserie der großartigen Schriftstellerin Patricia Vandenberg überzeugt durch ihr klares Konzept und seine beiden Identifikationsfiguren.
Dr. Fabian Gerlach schaute ernst auf die junge Frau, die völlig aufgelöst vor ihm saß. Vor einer Viertelstunde war sie panisch mit ihren beiden Jungen in die Ambulanz der Klinik in Maibach gekommen. Das kam öfters vor. Eltern konnten nicht immer beurteilen, wie schlimm eine Verletzung war. Sobald es blutete, war die Aufregung groß, bei Kindern und Eltern gleichermaßen. Seit Dr. Gerlach selbst Vater war, hatte er dafür mehr Verständnis. Einer ihrer Söhne hatte eine Verletzung am Knie, die der Arzt mit einem einfachen Verband versorgen wollte. Die Wunde musste weder genäht noch mit Wundverschlusspflaster versorgt werden. »Das ist nicht schlimm. Ich muss die Wunde kurz desinfizieren, aber dann reicht ein Verband und in ein paar Tagen ein einfaches Pflaster«, hatte er dem Kleinen erklärt. Sein Bruder hielt ihm fürsorglich die Hand. »Keine Angst, Jan, das tut bestimmt nicht so doll weh«, versuchte er zu trösten, und Dr. Gerlach überlegte, dass die beiden Zwillinge sein mussten, da sie sich sehr ähnlich sahen und gleichaltrig waren. Beide hatten dunkelblonde Haare, die in Fransen in die Stirn hingen, darunter dunkle runde Augen. »Dein Bruder hat recht, vielleicht brennt es ganz kurz«, bestätigte der Arzt.
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Book preview
Jan und Paul wollen die Mama zurück! - Anna Sonngarten
Sophienlust - Die nächste Generation
– 64 –
Jan und Paul wollen die Mama zurück!
Wie eine junge Frau Hilfe in Sophienlust fand
Anna Sonngarten
Dr. Fabian Gerlach schaute ernst auf die junge Frau, die völlig aufgelöst vor ihm saß. Vor einer Viertelstunde war sie panisch mit ihren beiden Jungen in die Ambulanz der Klinik in Maibach gekommen. Das kam öfters vor. Eltern konnten nicht immer beurteilen, wie schlimm eine Verletzung war. Sobald es blutete, war die Aufregung groß, bei Kindern und Eltern gleichermaßen. Seit Dr. Gerlach selbst Vater war, hatte er dafür mehr Verständnis.
Einer ihrer Söhne hatte eine Verletzung am Knie, die der Arzt mit einem einfachen Verband versorgen wollte. Die Wunde musste weder genäht noch mit Wundverschlusspflaster versorgt werden.
»Das ist nicht schlimm. Ich muss die Wunde kurz desinfizieren, aber dann reicht ein Verband und in ein paar Tagen ein einfaches Pflaster«, hatte er dem Kleinen erklärt. Sein Bruder hielt ihm fürsorglich die Hand.
»Keine Angst, Jan, das tut bestimmt nicht so doll weh«, versuchte er zu trösten, und Dr. Gerlach überlegte, dass die beiden Zwillinge sein mussten, da sie sich sehr ähnlich sahen und gleichaltrig waren. Beide hatten dunkelblonde Haare, die in Fransen in die Stirn hingen, darunter dunkle runde Augen.
»Dein Bruder hat recht, vielleicht brennt es ganz kurz«, bestätigte der Arzt. »Wie alt seid ihr denn, geht ihr schon zur Schule?«, fragte er, nicht aus Neugierde, sondern um Jan abzulenken.
Beide antworteten wie aus einem Mund: »Sieben, ja, wir gehen in die erste Klasse, bei Frau Schneider.«
Jan, war tapfer, und als der Verband angelegt war, schien der Junge sogar ein bisschen stolz.
»Das hast du prima gemacht, Jan. Jetzt will dein Bruder bestimmt auch einen Verband«, lachte der Arzt.
»Paul, willst du auch einen Verband?«, fragte Jan.
»Nö, ich bin doch kein Baby«, gab dieser zurück.
Dr. Gerlach lachte. Zwillinge zu beobachten, wie sie miteinander sprachen und umgingen, hatte einen besonderen Reiz. Denn bei aller Ähnlichkeit gab es oft Unterschiede im Charakter.
Eigentlich wäre jetzt alles soweit in Ordnung gewesen, aber die Mutter der Zwillinge konnte sich nicht beruhigen, und das beunruhigte Dr. Gerlach. Wie traumatisiert saß die Frau in einer Ecke des Behandlungsraums. Unter anderen Umständen wäre sie wahrscheinlich sehr hübsch gewesen, aber ihre Wangen wirkten hohl, die Lippen spröde, und unter ihren großen Augen waren dunkle Ringe zu erkennen. Unaufhörlich liefen der blonden Frau die Tränen übers Gesicht. Dr. Gerlach befürchtete bereits, sie würde sich in eine Panikattacke hineinsteigern. Das wäre für den erfahrenen Arzt kein dramatischer Notfall gewesen, aber für ihre Zwillinge bestimmt kein schöner Anblick. Ein Beruhigungsmittel zu injizieren wäre die letzte Option. Vorher versuchte er es lieber mit guten Worten.
»Frau Seeberger, ich verstehe Ihren Schreck, aber es ist nichts Schlimmes passiert. Kleine Jungen toben gerne und fallen auch schon mal hin. Das ist sogar eine wichtige Erfahrung für sie … Und Sie haben nichts falsch gemacht. Man schaut einmal zur Seite, und schon ist es passiert. Ich habe auch einen kleinen Sohn. Ich weiß, wovon ich spreche.« Dr. Gerlach versuchte es mit einem kleinen Lachen, hatte aber das Gefühl, die junge Mutter nicht wirklich zu erreichen. Sie starrte blicklos vor sich hin, während die Tränen feuchte Spuren auf ihrem Gesicht hinterließen. Sie reagierte kaum auf seine Worte, und Fabian Gerlach war nicht sicher, ob sie ihn überhaupt verstanden hatte. Langsam kam dem Arzt die Erkenntnis, dass sich hier ein Problem anbahnte.
Er warf einen Blick auf die persönlichen Daten von Frau Seeberger. Tina Seeberger, 35 Jahre. Beruf: Grafikdesignerin. Zwei Kinder. Verwitwet. Er sah auf das Wort verwitwet, als bekäme es allein dadurch eine andere Bedeutung, wenn er nur lange genug drauf schaute.
»Frau Seeberger, wen können wir anrufen? Gibt es jemanden, der Sie hier abholen und sich um Sie und die Zwillinge kümmern könnte?«, fragte der Arzt ruhig.
Tina Seeberger schüttelte den Kopf. Ihre Hochsteckfrisur löste sich langsam auf, und einige blonde Strähnen verdeckten ihr Gesicht. Die Zwillinge wurden auf einmal ganz ruhig, so als hielten sie die Luft an. Der kleine Paul ging zu seiner Mutter und berührte sie sanft am Arm.
»Mama, was ist denn? Dem Jan geht es doch wieder gut«, sagte er leise.
»Ja, Mama, mein Knie tut gar nicht mehr weh«, beeilte sich nun auch Jan seiner Mutter zu versichern. Dann verstummten die beiden Jungen wieder. Sie konnten die Situation nicht einordnen. Was war denn nur mit Mama los? Warum weinte sie die ganze Zeit? Und warum machte der Arzt so ein ernstes Gesicht, und warum wollte er wissen, ob jemand sie abholen konnte? Mama hatte doch ein Auto, und sie kamen doch immer gut alleine zurecht. Mama sagte doch immer, dass sie ein starkes Team seien und keine Hilfe bräuchten.
Plötzlich klingelte das Handy von Dr. Gerlach. Regine Nielsens Nummer erschien auf dem Display. Er war mit der Kinderschwester des Kinderheims Sophienlust liiert, und obwohl er private Gespräche während der Arbeitszeit nicht sehr schätzte, war er erleichtert, Regines Stimme zu hören, als er das Gespräch annahm. Ohne den Grund ihres Anrufes zu erfragen, hörte er sich sagen:
»Gut, dass du anrufst, Regine. Ich habe hier ein Problem.« Er ließ die drei für einen kurzen Moment allein und besprach mit der erfahrenen Kinderschwester das weitere Vorgehen: »Könntest du bitte in Sophienlust einen Notfall melden …?«
Kurze Zeit später erklärte er Tina Seeberger, dass er sie vorerst gern in der Klinik behalten und dass für ihre Jungen gesorgt werden würde. Ihm war bewusst, dass das für die Kinder ein Schock war, und hätte er nicht gewusst, dass Sophienlust das Beste für die Jungen in dieser Situation war, wäre er jetzt nicht so bestimmt gewesen. Vielleicht hätte er dann gezögert, aber er wusste, dass in Sophienlust alles für die Kleinen getan werden würde. Ihre Mutter konnte in ihrer Verfassung jedenfalls nicht für sie sorgen. Er wusste noch nicht genau, was mit Frau Seeberger los war, aber er vermutete eine Belastungsstörung.
Er rechnete mit ihrem Widerstand, aber seltsamerweise nickte Tina Seeberger nur, als ginge jede weitere Reaktion auf diese Nachricht über ihre Kräfte. Die Zwillinge Jan und Paul drängten sich an ihre Mutter und schauten verwirrt. Irgendwas lief hier ganz anders, als erwartet. Dr. Gerlach hoffte auf die Unterstützung von Dominik von Wellentin-Schoenecker. Er hatte Nick, wie er von allen genannt wurde, schon oft im Umgang mit Kindern erlebt und war immer wieder beeindruckt, und natürlich traute er auch Regine zu, die kleinen Jungen zu beruhigen und sie auf andere Gedanken zu bringen.
Er rief nach einer Krankenschwester und bat sie, sich um die Jungen zu kümmern. »Schwester Beate, könnten Sie die Jungen in den Aufenthaltsraum bringen und ihnen aus der Kantine vielleicht Eis besorgen? Ich möchte ihre Mutter stationär aufnehmen und die Kinder abholen lassen.« Schwester Beate nickte und forderte die Zwillinge freundlich auf, ihr zu folgen. Mehr zu tun gab es im Augenblick für Fabian Gerlach in diesem Fall nicht, und andere Patienten warteten auch schon auf ihn.
*
Regine Nielsen, die Kinderschwester von Sophienlust, hatte eigentlich vorgehabt, Fabian Gerlach zu überreden, mit ihr heute Abend in den Gasthof ›Zum weißen Hirsch‹ in Wildmoos zu gehen. Dort gab es heute Livemusik. Sie hätte ihren freien Abend gehabt, aber so schnell konnten sich die Dinge ändern. Nach dem Telefonat mit Fabian gab es andere Prioritäten.
Umgehend informierte sie Nick von Wellentin-Schoenecker und hoffte, dass er sofort abkömmlich war. Zum Glück war