Discover millions of ebooks, audiobooks, and so much more with a free trial

Only $11.99/month after trial. Cancel anytime.

Die Schatzkammer der Diktatoren: Der Umgang der Schweiz mit Potentatengeldern
Die Schatzkammer der Diktatoren: Der Umgang der Schweiz mit Potentatengeldern
Die Schatzkammer der Diktatoren: Der Umgang der Schweiz mit Potentatengeldern
Ebook259 pages2 hours

Die Schatzkammer der Diktatoren: Der Umgang der Schweiz mit Potentatengeldern

Rating: 0 out of 5 stars

()

Read preview

About this ebook

Der Umgang der Schweiz mit Fluchtgeldern ausländischer Potentaten hat sich innerhalb von fünf Jahrzehnten radikal geändert. Mit ihrer Kritik an der Entgegennahme zweifelhafter Vermögen von Diktatoren bissen NGOs hierzulande lange auf Granit. Auch ausländische Forderungen nach Rückerstattung der Gelder liefen ins Leere. Bis in die späten 1970er-Jahre war der Schweizer Standpunkt, dass es nicht Sache der Behörden oder der Banken sei, aus dem Ausland zugeflossene Gelder auf ethische Aspekte hin zu untersuchen. Inzwischen unterstützt die Schweiz die Suche nach Potentatengeldern, indem sie den Herkunftsländern etwa Anwälte zur Verfügung stellt. Besondere Herausforderungen bei der Rückgabe der Gelder gibt es aber immer noch. Das Buch zeigt anhand ausgewählter Fälle, mit welchen Themen sich die Schweiz nach wie vor schwertut. Ein regelrechter Wirtschaftskrimi.
LanguageDeutsch
PublisherNZZ Libro
Release dateApr 29, 2020
ISBN9783038104858
Die Schatzkammer der Diktatoren: Der Umgang der Schweiz mit Potentatengeldern

Related to Die Schatzkammer der Diktatoren

Related ebooks

Politics For You

View More

Related articles

Reviews for Die Schatzkammer der Diktatoren

Rating: 0 out of 5 stars
0 ratings

0 ratings0 reviews

What did you think?

Tap to rate

Review must be at least 10 words

    Book preview

    Die Schatzkammer der Diktatoren - Balz Bruppacher

    Balz Bruppacher

    DIE SCHATZ­KAMMER DER DIKTATOREN

    Der Umgang der Schweiz mit Potentaten­geldern

    NZZ Libro

    Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

    Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

    © 2020 NZZ Libro, Schwabe Verlagsgruppe AG

    Der Text des E-Books folgt der gedruckten 1. Auflage 2020 (ISBN 978-3-03810-472-8)

    Lektorat: Ingrid Kunz Graf, Stein am Rhein

    Titelgestaltung: icona basel

    Datenkonvertierung: CPI books GmbH, Leck

    Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werks oder von Teilen dieses Werks ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechts.

    ISBN E-Book 978-3-03810-485-8

    www.nzz-libro.ch

    NZZ Libro ist ein Imprint der Schwabe Verlagsgruppe AG.

    Inhalt

    Vorwort

    Die Vorläufer der grossen Fluchtgeldaffären

    Das jahrelange Ringen um den FLN-Kriegsschatz

    Das Gold aus der Mine Kilo-Moto im Kongo

    Der EBK-Präsident im Sold des Trujillo-Strohmanns

    Exkurs 1

    Erfolglose Suche nach Vermögen von Haile Selassie

    Exkurs 2

    Warum die Schweiz das Schah-Vermögen nicht einfriert

    Exkurs 3

    Die Wende im Fall Marcos

    Exkurs 4

    Die Fälle Duvalier und Mobutu

    Ein Spezialgesetz für «Baby Doc»

    Wie die Sperre der Mobutu-Gelder ins Leere lief

    Exkurs 5

    Die Mission von alt Bundesrat Celio im Kongo

    Die Agonie des «wandelnden Bankkontos»

    Schmerzhafte Lehren und neue Strategien im Fall Abacha

    Die Montesinos-Gelder kosten erstmals einen Bankchef den Kopf

    Exkurs 6

    Innovative Lösung zur Rückgabe kasachischer Schmiergelder

    Unerfüllte Erwartungen nach Arabischem Frühling

    Schnellschuss im Fall Tunesien scheitert

    Hohe Erwartungen bleiben im Fall Mubarak unerfüllt

    Der Sonderfall Libyen

    Exkurs 7

    Schwierige Ermittlungen nach dem Umsturz in der Ukraine

    Die Korruptionsmilliarde der usbekischen «Prinzessin»

    Exkurs 8

    Was sich verändert und was bleibt – eine Bilanz

    Dank

    Quellenverzeichnis

    Anmerkungen

    Der Autor

    Vorwort

    Innerhalb von fünf Jahrzehnten hat sich der Umgang der Schweiz mit Fluchtgeldern ausländischer Potentaten radikal geändert. Kritik von Drittweltorganisationen an der Entgegennahme zweifelhafter Vermögen von Diktatoren war für die offizielle Schweiz lange ein Randthema. Und ausländische Regierungen, die Gelder ihrer gestürzten Machthaber zurückverlangten, bissen hierzulande auf Granit. Bis in die frühen 1980er-Jahre galt, was Kurt Furgler 1979 nach dem Sturz des Schahs von Persien in einer denkwürdigen Rede im Nationalrat festhielt, nämlich, «dass unsere rechtsstaatlichen Instrumente ausreichen, um auch so heikle, schwierige Fragen einer sinnvollen Lösung entgegenzuführen».

    Für den damaligen Justizminister war dies sogar «Anlass zu einer bescheidenen Freude». Im Namen des einstimmig einigen Bundesrats wischte er die Forderung nach einer auf Notrecht gestützten vorsorglichen Sperre des Schah-Vermögens vom Tisch. Und versicherte, es sei keineswegs so, «dass wir uns beim Rasieren am Morgen vor dem Spiegel schämen müssen». Die Haltung des Finanzplatzes fasste Robert Holzach, Verwaltungsratspräsident der UBS-Vorläuferin Schweizerische Bankgesellschaft (SBG), 1981 vor den Aktionären wie folgt zusammen: «Das einbezahlte oder das bezogene Geld generell und unter Kriterien etwa der Ethik oder der internationalen Solidarität auf seine Herkunft oder auf seinen Verwendungszweck zu untersuchen, kann primär nicht die Sache einer Bank sein.»

    Inzwischen beschäftigen die Banken Heerscharen von Compliance-Spezialisten, um den Zufluss von dubiosen Geldern ausländischer Machthaber zu unterbinden. Und im Auftrag der Bundesbehörden helfen hiesige Juristen ausländischen Staaten bei der Suche nach kriminellen Geldern von gestürzten Diktatoren.

    Dieses Buch versucht die Entwicklung in doppelter Hinsicht nachzuzeichnen. Einerseits werden Fälle beschrieben, die Wendepunkte im Umgang mit Potentatengeldern markieren oder die aus anderen Gründen besonders spektakulär waren. Andererseits werden wichtige Änderungen der Rechtsgrundlagen, der Rechtsprechung sowie der Praxis der Behörden und der Akteure auf dem Finanzplatz festgehalten.

    Die erste umfassende Schilderung des Umgangs der modernen Schweiz mit Potentatengeldern stützt sich auf öffentlich zugängliche Quellen und auf zum Teil neues Archivmaterial. Der Autor, der die Entwicklung seit über vier Jahrzehnten als Nachrichten- und Wirtschaftsjournalist verfolgt und beschrieben hat, lässt zudem Zeitzeugen und Experten zu Wort kommen.

    Die Weitläufigkeit des Themas und der begrenzte Platz machen es nötig, Entwicklungen auszuklammern, die das Problem der Fluchtgelder im weiteren Sinn betreffen. Das gilt für die nachrichtenlosen Vermögen aus der Nazizeit, aber auch für die auf Schweizer Konten geflossenen Korruptionsgelder aus der italienischen Mani-Pulite-Affäre sowie für die jüngsten Geldwäschereiskandale um den malaysischen Staatsfonds 1MBD und die brasilianischen Konzerne Petrobras und Odebrecht. Nicht berücksichtigt ist ausserdem die Steuerfluchtproblematik, die 2009 im abrupten Ende des fiskalischen Bankgeheimnisses für Ausländer gipfelte.

    Das Buch zeigt, dass es beim Umgang mit Diktatorengeldern im letzten halben Jahrhundert zwar Wendepunkte in Richtung einer grösseren Sensibilisierung der Beteiligten gab. Diese Entwicklung verlief aber nicht gradlinig. So wurde zum Beispiel bereits in den 1960er-Jahren, als die Entgegennahme von Diktatorengeldern noch auf breite Akzeptanz stiess, der Präsident der Bankenaufsicht EBK vom Bundesrat seines Amts enthoben, weil er sich allzu dreist vom Strohmann eines Drittweltpotentaten einspannen liess.

    Umgekehrt macht sich in jüngster Zeit ein gewisser Überdruss gegenüber strenger Regulierung breit, während die Rückführung illegal erworbener Vermögenswerte zugunsten der geprellten Bevölkerung scheitert. Sei es, weil sich die neuen Machthaber in den Herkunftsländern mit den alten Eliten arrangieren, sei es, weil der Wille zu innovativen Lösungen im sogenannten Asset Recovery erlahmt.

    Die Vorläufer der grossen Fluchtgeldaffären

    Mit dem Problem der Kapitalflucht aus Entwicklungsländern befassten sich bis in die 1970er-Jahre vor allem entwicklungspolitisch engagierte Kreise und ihnen nahestehende Politiker. Seitens der Banken wurde das Problem lange negiert oder heruntergespielt. Der Präsident der Generaldirektion der Bankgesellschaft, Nikolaus Senn, sagte noch 1984 in einem Interview: «Die berühmten Despoten-Gelder sind weitgehend Phantasiegebilde in den Köpfen von Leuten, die das Bankgeheimnis nicht kennen.»¹

    Dass sich die Banken aktiv um Gelder aus Entwicklungsländern bemühten, belegt ein Schreiben des Schweizer Botschafters in Äthiopien vom April 1973 an die Zentrale in Bern. «Eine grössere Privatbank hat sich kürzlich an diese Botschaft gewandt, um Adressen von ‹potentiellen Kunden› zu erhalten», berichtet Heinz Langenbacher.

    Bei der Kundschaft, die die Bank im Visier habe, handle es sich überwiegend um Vertreter von Entwicklungsländern, die eine strenge Devisenkontrolle kennten. «Wenn ich gewisse Hemmungen habe, der Anfrage Folge zu leisten, so besonders im Hinblick auf die Frage, ob unsere diplomatischen und konsularischen Vertretungen überhaupt, und wenn auch noch so unscheinbar, mithelfen dürfen, die Kapitalflucht aus Entwicklungsländern zu fördern», fasst Langenbacher seine Bedenken zusammen.²

    Aktenkundig sind die engen Kontakte des kubanischen Diktators Fulgencio Batista mit der Schweizerischen Kreditanstalt (SKA, heute Credit Suisse). So berichtet der Geschäftsträger der Schweizer Botschaft in Havanna, Ernst Schlatter, im Frühling 1953 in einem Brief an den Chef der Politischen Direktion im Aussendepartement in Bern, Alfred Zehnder, über den Besuch des SKA-Vizedirektors Charles Souviron in der kubanischen Hauptstadt.³ Batista habe den Schweizer Bankier spontan zu einem gut halbstündigen Gespräch empfangen. Dabei habe sich der General vor allem für das Konzept des schweizerischen Bankgeheimnisses und die Nichteinmischung des Staats, namentlich des Fiskus, in die Bankgeschäfte interessiert.

    Die SKA macht sich auch nach der kubanischen Revolution für den gestürzten Diktator stark und sondiert Mitte 1962 im Aussendepartement in Bern, ob Batista die Einreise für einen kurzen Aufenthalt in der Schweiz bewilligt werden könnte. Im Einverständnis mit dem damaligen Aussenminister Max Petitpierre lädt das Politische Departement (das heutige EDA) die Grossbank jedoch ein, das Anliegen fallen zu lassen, wie der diplomatische Mitarbeiter und spätere Spitzendiplomat Carlo Jagmetti 1967 in einer vertraulichen Notiz an Aussenminister Willy Spühler schreibt.

    «Batista ist heute in der ganzen Welt als blutiger Diktator abgestempelt», heisst es zur Begründung. Es wäre mit negativen Reaktionen in der öffentlichen Meinung zu rechnen. Zudem müsse die Schweiz auch auf die USA Rücksicht nehmen, deren Interessen sie in Kuba vertrete. «Schliesslich könnte das Bekanntwerden eines Aufenthalts von Batista die ganze leidige Frage der Bankguthaben gestürzter lateinamerikanischer Diktatoren in der Schweiz neu beleben, was wenn möglich vermieden werden sollte», steht in der Aktennotiz.

    Ähnliche Argumente führen die Bundesbehörden auch gegen Einreise- und Aufenthaltspläne des gestürzten argentinischen Diktators Juan Perón und gegen den Präsidenten Haitis, François Duvalier, in den 1950er- und 1960er-Jahren ins Feld. Im Fall des ehemaligen venezolanischen Ministers und Generals Luis Felipe Llovera Páez spricht sich Bundesrat Friedrich Traugott Wahlen, damals Justizminister, Ende 1959 in einem Brief an Aussenminister Petitpierre gegen eine Aufenthaltsbewilligung aus.

    Gegen Llovera laufe in Caracas ein Verfahren wegen illegaler Bereicherung, das zeige, dass es sich bei diesem Ausländer um einen derjenigen südamerikanischen Politiker handle, «die während ihrer Regierungszeit ein Vermögen zusammengerafft und sich auf Kosten des Volks bereichert haben». Solchen Leuten Gastrecht zu gewähren, habe die Schweiz im Allgemeinen keine Veranlassung, schreibt Wahlen seinem Regierungskollegen Petitpierre.

    Die «Hortung von Geldern für Rechnung ausländischer Diktatoren» wird im Sommer 1961 in einem Bericht des Finanzdepartements an den Bundesrat angesprochen. Es geht um die Frage einer Revision des Bankengesetzes wegen der gestiegenen Zahl von ausländisch beherrschten Banken.⁶ Seitens der Alliierten seien in der Nachkriegszeit enorme Beträge genannt worden, die sich für Rechnung der Naziführer in der Schweiz befinden sollten, heisst es im Bericht. Es sei aber nie auch nur ein einziges derartiges Depot in der Schweiz festgestellt worden. Ähnliche Anschuldigungen seien in Bezug auf die Personen von Perón und Batista erfolgt. «Ob sie zutreffen, entzieht sich unserer Kenntnis», schreibt das Finanzdepartement und verweist auf die Möglichkeit, unrechtmässig erworbene Guthaben auf dem Rechtsweg herauszubekommen. «Dagegen kann es nicht Sache der Banken sein, selbst abzuklären, ob die ihnen anvertrauten Werte rechtmässiges Eigentum des Kunden sind», bekräftigt das Finanzdepartement.

    Zur Frage von hierzulande deponierten Vermögen ausländischer Kunden, die aus Steuerhinterziehung stammen, heisst es: «Solange es die Schweiz bewusst ablehnt, ausländischen Staaten in Fiskalangelegenheiten Rechtshilfe zu gewähren […], kann jedenfalls schweizerischerseits den Banken nicht zur Pflicht gemacht werden, für die ordnungsgemässe Versteuerung der von Ausländern bei ihnen geführten Konti zu sorgen.»

    Die Bundesbehörden waren sich der Virulenz der Fluchtgeldproblematik allerdings schon früh bewusst. Es sei schockierend, dass die Staatschefs gewisser Länder über enorme Vermögen in der Schweiz verfügten, während diese Länder gleichzeitig von der schweizerischen Entwicklungszusammenarbeit profitierten, räumt Ende 1970 der damalige Finanzminister Nello Celio im Nationalrat ein.

    Deswegen das Bankgeheimnis aufzuheben, wie dies der Genfer SP-Nationalrat Jean Ziegler beantragt hatte, bringe aber nichts. Denn in diesem Fall würden die Gelder einfach in Frankreich, Deutschland oder England platziert. «Wir würden diese Länder weiterhin von unserer Entwicklungszusammenarbeit profitieren lassen, aber die Gegenleistung ginge anderswo hin», sagt Celio.⁷ Den betroffenen Ländern empfiehlt er strikte Devisenkontrollen.

    Mit ähnlichen Argumenten lehnen die Bundesbehörden auch in anderen Fällen Massnahmen der Schweiz gegen die Kapitalflucht ab. Man müsse darauf hinweisen, dass es sich bei den Fluchtgeldern um Randerscheinungen handeln dürfte, schreibt der Chef des Finanz- und Wirtschaftsdienstes im EDA, Pierre André Nussbaumer, im Herbst 1969 an verschiedene Amtsstellen. «Solche Kapitalabflüsse wären wohl am ehesten durch geeignete wirtschaftliche, eventuell gesetzgeberische Massnahmen der betroffenen Länder selbst zu verhindern […].»

    Hinzu kommt das Bemühen, den guten Ruf der Schweiz und ihres Finanzplatzes zu wahren. «Jedes Mal wenn man in der Entwicklungswelt jemanden schwer beschuldigen will, wirft man ihm vor, Riesenbeträge, die ihm nicht gehören, auf ein Geheimkonto bei einer Schweizerbank überwiesen zu haben», meldet der Schweizer Botschafter in Nigeria, Giovanni Enrico Bucher, im August 1964 an die Zentrale in Bern.⁹ Es ging um einen lokalen Pressebericht, wonach der verstorbene Chief Samuel Shonibare – ein angesehener lokaler Politiker und Geschäftsmann – 10 Millionen Pfund in die Schweiz verschoben habe.

    Als das Aussenministerium von Sierra Leone im August 1967 bei der Schweizer Botschaft wegen hiesiger Konten ehemaliger Politiker vorspricht, rät der Rechtsdienst der Berner Zentrale: «In Anbetracht des heiklen Charakters dieser Angelegenheit und der begrenzten Möglichkeit, in solchen Fällen etwas Wirksames vorzukehren, sollte die Antwort an das Aussenministerium von Sierra Leone eher in allgemeinen Ausführungen bestehen.»¹⁰

    Auf Zeit spielt die Schweiz auch, als sie 1966 mit Auskunftsbegehren von Ghana über vermutete Konten des ehemaligen Präsidenten Kwame Nkrumah konfrontiert ist. Im Aussenministerium in Bern wird beschlossen, zusätzliche Auskünfte über die juristischen Schritte in Ghana gegen den Ex-Präsidenten einzufordern. Es gehe um einen politischen Entscheid, der insofern von Bedeutung sei, als in Kürze mit ähnlichen Begehren zu rechnen sei. In der Aktennotiz wird an den Versuch Indonesiens erinnert, Auskünfte über Guthaben von Ex-Präsident Sukarno zu erhalten, und vor einer Ungleichbehandlung Algeriens im Fall Khider gewarnt.¹¹

    Das jahrelange Ringen um den FLN-Kriegsschatz

    «Es erwarten uns in dieser ganzen Sache, wenn sie nicht anders ‹arrangiert› werden kann, zweifellos noch etliche Schwierigkeiten, Unannehmlichkeiten und Komplikationen», hält der EDA-Diplomat und spätere Staatssekretär Raymond Probst im September 1964 in einer Aktennotiz fest.¹² Es geht um den Kriegsschatz der algerischen Befreiungsfront FLN. Mohammed Khider, einer der FLN-Gründer, hatte im Herbst 1962 auf der Banque Commerciale Arabe (BCA) in Genf rund 42 Millionen Franken auf seinen Namen deponiert.

    Das Geld war vor allem von algerischen Arbeitern in Frankreich während des Unabhängigkeitskriegs gespendet worden und hatte deshalb einen hohen symbolischen Wert für den 1962 nach Beendigung des achtjährigen französisch-algerischen Unabhängigkeitskriegs entstandenen nordafrikanischen Staat. «Es ist das Vermögen unseres Volkes», sagt der algerische Präsident Houari Boumedienne später.

    Nun folgt ein Szenario mit den Ingredienzen eines Politthrillers. Angefangen beim Genfer Bankier und BCA-Gründer François Genoud, der Hitler verehrte und mit palästinensischen Terrorführern paktierte, über den FLN-Schatzmeister Khider, der sich mit dem einstigen Kampfgefährten und ersten algerischen Präsidenten Ahmed Ben Bella überwarf und Anfang 1967 in Madrid ermordet wurde, bis zu den Nöten der schweizerischen Behörden im Umgang mit dem Bankgeheimnis und der Gewaltentrennung.

    Ein erster Höhepunkt hierzulande ist der Entscheid des Bundesrats vom 27. Oktober 1964, den damals 52-jährigen Khider des Landes zu verweisen. Vorangegangen war ein Schreiben Ben Bellas an Bundespräsident Ludwig von Moos mit der Forderung, Khider sei wegen Störung der staatlichen Ordnung eines fremden Staats und wegen Beleidigung eines fremden Staatsoberhaupts zu verfolgen und zu verhaften.

    «Durch das Begehren Ben Bellas wird die Angelegenheit nunmehr, parallel zur weiter andauernden kantonalen Strafuntersuchung […] auf die Bundesebene gehoben», warnt Probst in einem dringenden Schreiben an Bundesanwalt Hans Fürst.¹³ Die Angelegenheit sei nicht nur wegen der infrage stehenden Beträge, sondern namentlich wegen ihres akuten politischen Aspekts von erheblicher Bedeutung. «Es wäre in der Tat verhängnisvoll und könnte von der Schweiz nicht geduldet werden, wenn sich herausstellen sollte, dass unser Territorium von den politischen Gegnern Ben Bellas wirklich, wie dies behauptet wird, als Freistatt für die Förderung ihrer bewaffneten Rebellion […] verwendet wird», schreibt der ranghohe Beamte im Aussenministerium.

    Das Justiz- und Polizeidepartement beantragt in der Folge im Einvernehmen mit dem Bundesanwalt und dem Aussendepartement, Khider des

    Enjoying the preview?
    Page 1 of 1