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Faktencheck - Gesunde Ernährung, Zauberpillen und Wunderdiäten
Faktencheck - Gesunde Ernährung, Zauberpillen und Wunderdiäten
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Ebook319 pages4 hours

Faktencheck - Gesunde Ernährung, Zauberpillen und Wunderdiäten

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Mandelmilch zum Frühstück und ein High-Protein-Riegel als gesunde Jause für unterwegs? Dann geht sich am Abend auch ein Gläschen Rotwein für die Herzgesundheit aus. Und Omega-3 darf bei keiner gesunden Ernährung fehlen. Doch halt, zu viel Seefisch enthält auch Quecksilber! Bleibt daher nur der Griff zu Nahrungsergänzungsmitteln. Aber was steckt alles in den Kapseln und braucht unser Körper diese wirklich? Oder doch lieber einen Fasttag einlegen oder gar eine Fastenwoche, um "ketogen" durchzustarten?
Der Molekularbiologe Fritz Treiber zeigt wissenschaftlich fundiert und zugleich unterhaltsam, welche Lebensmittel wirklich gesund sind und entlarvt zahlreiche Ernährungsmythen.
LanguageDeutsch
Release dateJul 8, 2022
ISBN9783800082186
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    Faktencheck - Gesunde Ernährung, Zauberpillen und Wunderdiäten - Dr. Fritz Treiber

    ERNÄHRUNGSSTUDIEN – SO KOMPLEX WIE QUANTENMECHANIK?

    Raketenwissenschaften müssen oft als Beispiel herhalten, wenn etwas doch nicht so schwierig erscheint wie zuerst angenommen. Ein Steak richtig anzubraten, ist keine Raketenwissenschaft. Für manche Menschen gilt diese Aussage aber leider nicht. Im „Geschmackslabor" habe ich diesbezüglich schon einiges erlebt. Quantenmechanik ist im direkten Vergleich noch eine Stufe schwerer zu begreifen. Denn die subatomaren Teilchen halten sich nicht an die Regeln der klassischen Physik, sind mal da, mal wieder nicht und werden allein durch die Beobachtung schon beeinflusst. Auf einen Sack Flöhe aufzupassen, scheint sprichwörtlich leichter zu sein. Dasselbe gilt für Ernährungsstudien. Was oft einfach klingt, ist meist komplexer als gedacht, jedenfalls auf den zweiten Blick. Der menschliche Körper hat über einige Hunderttausend Jahre gelernt, sich von diversen organischen Substanzen zu ernähren. Sprich, wir essen andere Lebewesen, seien es nun Pflanzen oder Tiere, und gewinnen daraus Energie für unsere Stoffwechselprozesse.

    Die Pilze müssen hier auch extra Erwähnung finden, bilden sie in der Systematik der Lebewesen dieses Planeten doch ein eigenes Reich bzw. sind sie mit den Tieren näher verwandt als mit den Pflanzen. Essen können wir alle Pilze, zumindest einmal. Dies war der Einstiegswitz von Professor Martin Grube bei seiner Mykologie-Vorlesung. Der Mensch hat in seiner Evolution ein komplexes Verdauungssystem entwickelt, das die Nahrung zerlegt und so gut es geht verwertet. Und sobald wir unser Wiener Schnitzel verspeist haben, nimmt die Komplexität der weiterführenden Prozesse ungeahnt große Dimensionen an. Nahrungsbestandteile werden im menschlichen Verdauungstrakt zerlegt, verändert, weitertransportiert, in bestehende Strukturen eingebaut und manchmal sogar unverändert wieder ausgeschieden. Was tut dem Körper gut, was verlängert vielleicht sogar unser Leben und welche Substanzen verkürzen dieses oder lösen über kurz oder lang schwerwiegende oder tödliche Krankheiten aus? Diese Zusammenhänge restlos aufzuklären, ist wissenschaftlich gesehen eine große Herausforderung. Wie geht man eine so gewaltige Problemstellung an?

    Zuerst bieten sich Erhebungen des Essverhaltens von diversen Personengruppen an, die ich genauer untersuchen möchte. Und hier sind wir dann auch schon beim ersten Schwachpunkt von Ernährungsstudien: den Fragebögen für die Studienteilnehmerinnen. Diese müssen so gestaltet sein, dass sie die Menschen in Bezug auf die Beantwortung der Fragen nicht beeinflussen. Zudem müssen sie verständlich gestaltet werden und dürfen auch nicht zu viel Zeit beim Ausfüllen in Anspruch nehmen. Die Teilnehmer tragen selbst ihre Daten in diese Bögen ein. Und dabei wird oft geschummelt, geschönt, einiges vergessen oder nur mehr grob geschätzt, weil man sich nicht mehr erinnern kann. So mehren sich auch die Fehlerquellen.

    Dazu kommt noch, dass die Daten umso weniger aussagekräftig sind, je kleiner die untersuchte Personenanzahl ist. Was sind nun wissenschaftlich relevante Gruppengrößen? Im Falle von Fragebogenerhebungen beginnen diese bei 1000 Teilnehmerinnen. Zudem wären Beobachtungszeiträume über mehrere Jahre wünschenswert. Die zu untersuchende Gruppe sollte ebenfalls eingeschränkt werden. Als Beispiel: Frauen oder Männer, Alter von 50 bis 60 Jahren, Raucherinnen oder übergewichtige Menschen. Je genauer die Einschränkungen, desto eher können tatsächliche Effekte wahrgenommen werden.

    Ernährungsstudien auf der Grundlage von Fragebögen liefern, sofern sie sauber durchgeführt wurden, wichtige Vorlagen für weitere Studienansätze, bei denen spezifische Lebensmittel und deren Inhaltsstoffe hinsichtlich der Wechselwirkung mit dem Körper genauer untersucht werden können. Allgemein gültige Ableitungen sind meist sehr verfrüht und irreführend. Fleischesser sterben früher, Veganer leben länger, wären solche Aussagen. Weitere Lebensumstände bleiben dabei oft unberücksichtigt, wie der soziale und wirtschaftliche Hintergrund der Personen bzw. auch andere Faktoren wie die Einstellung zu Vorsorgeuntersuchungen, Bewegung, Rauchen, Alkoholkonsum, Stress, Umweltverschmutzung und erholsamer Schlaf.

    Werden so Gemeinsamkeiten in Bezug auf Lebensmittel und eine mögliche Wirkung gefunden, geht die Suche auf molekularer Ebene erst los. Daher werden diverse chemische Verbindungen aus Nahrungsmitteln vorerst an Zellkulturen getestet. Wie reagieren die Zellen, wenn sie mit den Molekülen in Kontakt kommen? Diese Interaktionen können mit diversen Verfahren von der Mikroskopie bis zur Strommessung an den Zellmembranen untersucht bzw. bildlich dokumentiert werden. Vorsicht ist auch hier bei der Interpretation der Ergebnisse geboten. So kann der Extrakt aus einer Pflanze aus dem tropischen Regenwald aggressive Krebszellen in einer Zellkultur in kürzester Zeit abtöten. Würde man diesen Extrakt aber trinken oder als Spritze verabreicht bekommen, könnten toxische Effekte auch andere Organe betreffen und es könnte in der Folge vielleicht sogar der Tod eintreten.

    Daher sind Zellkulturen oft ein wichtiger Schritt bei der Erforschung von neuen Medikamenten und deren Wirkungsweisen. Ist der untersuchte Stoff für die menschlichen Zellen in den Kulturkolben nicht giftig, wie z. B. Farbstoffe aus Limonaden, muss noch nachgewiesen werden, ob beim Konsum die gleiche Konzentration im menschlichen Körper erreicht wird, wie sie in der Zellkultur eingesetzt wurde. Sind die Versuche in der Zellkultur gut verlaufen, so geht es eine Stufe höher mit der Frage: Wie verhält sich die Substanz in komplexen Organismen?

    Nun kommen wir zu den Tierfütterungsversuchen. Fruchtfliegen, Würmer, Mäuse und Ratten dürfen hier für uns einige Lebensmittel vernaschen und werden dann z. B. auf Fettleibigkeit und andere physiologische Messwerte hin untersucht. Tiermodelle kommen dem menschlichen Stoffwechsel sehr nahe und haben daher eine sehr hohe Aussagekraft. Doch auch hier muss genau hingeschaut werden. Ich gebe z. B. Mäusen zwei Jahre lang einen brasilianischen Seburuwurzel-Extrakt ins Essen, während eine Kontrollgruppe von Mäusen nur normales Futter bekommt. Nach dem natürlichen Ableben dieser Tiere vergleiche ich ihre Lebensspannen und – siehe da – die Mäuse, die mindestens zwei Jahre täglich den Wurzel-Extrakt ins Futter gemischt bekamen, haben ihre Artgenossen um 10 % eines gesamten Mäuselebens überlebt. Manche Zeitungen würden schon einen jubelnden Bericht verfassen. Fit mit 100 Jahren ist dank des Seburuwurzel-Extrakts bald kein Problem mehr. Und einige emsige Zeitgenossinnen würden auch schon den Extrakt in Pillenform verkaufen – online und für Erstbesteller um 15 % verbilligt.

    Auch hier gilt es, die wissenschaftliche Studie im Detail zu lesen bzw. zu verstehen. Zwei Jahre im Leben einer Maus sind umgerechnet 50 Jahre im Leben eines Menschen. Wer hätte schon Lust, 50 Jahre lang jeden Tag diesen Wurzel-Extrakt zu essen? Zudem müssten sich diese Menschen in kontrollierten Umgebungen aufhalten, sprich in einem Labor. Und spätestens an dieser Stelle hat dieses Wundermittel sein Wunder verwirkt.

    Klinische Studien zur Ernährung sind am Menschen erlaubt. Diese werden zuvor von einer Ethikkommission genehmigt und auch die Teilnehmer müssen selbstverständlich vor der Studienteilnahme zustimmen. Die Aussagekraft solcher Studien ist von hoher Relevanz. Sämtliche Vitalwerte (Blutwerte, Blutdruck usw.) werden regelmäßig dokumentiert. Ergebnisse solcher Studien dürfen als ernährungsmedizinische Ratschläge an die Öffentlichkeit weitergegeben werden. Aber auch bei diesen Studien gilt es, die Rahmenbedingungen kritisch zu betrachten. Der Zeitfaktor, wie lange die Patientinnen untersucht bzw. beobachtet wurden, spielt eine Rolle, um Schlüsse auf Ernährung und Essverhalten sowie damit verbundene Krankheiten in Relation zu bringen.

    Korrelation und Kausalität – das Maß aller Dinge?

    Nur weil eine Studie in einem wissenschaftlichen Fachjournal erschienen ist, heißt dies noch nicht, „genau so und nicht anders" muss man sich jetzt ernähren. Das wissenschaftliche Journal bzw. dessen Herausgeber und insbesondere andere Kolleginnen aus dem Fachbereich, die den Artikel zuvor Korrektur gelesen haben, garantieren ein Mindestmaß an nachvollziehbarer und korrekter Herangehensweise, was die Versuche und die Schlussfolgerungen der Forschungsarbeit betrifft. Doch besteht zwischen den Messwerten und den Schlussfolgerungen daraus eine Korrelation oder gar eine Kausalität? Diese beiden Punkte muss ich Ihnen noch genauer erklären, weil sie für das weitere Verständnis sehr wichtig sind.

    Schon der Merowinger im Blockbuster „Matrix Reloaded sagte zu Neo: „Ursache und Wirkung – wir alle sind Sklaven der Kausalität. In den Ernährungswissenschaften gibt es für den Zusammenhang von Nahrungsmitteln und deren Wirkungen ein gutes Beispiel: den unbewussten Verzehr von Knollenblätterpilzen. Der grüne Knollenblätterpilz (Amanita phalloides) wird häufig mit anderen Speisepilzen wie dem Wiesenchampignon oder dem Parasolpilz verwechselt. Schon sehr kleine Mengen dieses Pilzes reichen für eine Vergiftung aus. Das Gift ist ein zyklisches Oligopeptid, also ein Protein. Es ist hitzestabil und kann durch Kochen oder Anbraten nicht zerstört werden. In der Regel treten ca. acht bis neun Stunden nach dem Verzehr heftige Brechdurchfälle auf. Ein Magenauspumpen bringt zu diesem Zeitpunkt keine Hilfe mehr, da das Gift schon im Körper aufgenommen wurde. Nach ca. 48 Stunden setzt eine massive Leberschädigung ein, die unbehandelt sogar zum Tod führen kann. Hier können wir also einem Protein eine bestimmte Wirkung zuschreiben, die wissenschaftlich (am Menschen) nachgewiesen werden konnte. Solche Kausalitäten sind für andere Verbindungen aber nicht so häufig anzutreffen.

    Kommen wir nun aber zur Korrelation. Diese wird wie folgt definiert: ein nur statistisch, mithilfe der Wahrscheinlichkeitsrechnung zu erfassender loser bzw. zufälliger Zusammenhang zwischen bestimmten Erscheinungen. Ich kann Ihnen auch ein Beispiel aus der Forschungsrealität liefern. Prof. Laurent Bègue war vor ein paar Jahren zu Gast an der Uni Graz. Er lehrt an der Uni von Grenoble und forschte dort u. a. zum Risikoverhalten von Männern in Bezug auf den Testosteronspiegel. Er konnte mit seinem Team nachweisen, dass Männer, die einen hohen Testosteronspiegel haben, sehr gern extrem scharfe Chilis oder Chilisaucen konsumieren. [1] Diese Korrelation wurde von den Medien als Sensation aufgenommen. Weltweit begannen Männer mehr Chili zu essen, um beim Muskelaufbau durch einen erhofften natürlichen Testosteronschub die Nase oder – in diesem Fall – den Bizeps vorne zu haben. Warum Männer mit hohem Testosteronspiegel gern scharf essen, konnte Prof. Bègue nicht genau beantworten. Zeigt es Stärke gegenüber anderen Männern oder ist es einfach eine erhöhte Risikobereitschaft, die zum Tragen kommt? Jedenfalls konnte eine Erhöhung des Testosteronspiegels durch Chiligenuss nur bei Ratten nachgewiesen werden. [2,3] Der Schluss auf den menschlichen Organismus ist daher verfrüht. Das war vielen Firmen, die Nahrungsergänzungsmittel im Sportbereich produzieren, aber egal. Über Nacht war in diesen jetzt oft der natürliche Testo-Booster Capsaicin wie in Chilis enthalten. Was scharf ist, macht stark!

    Prof. Bègue erzählte mir im persönlichen Gespräch, dass es sehr schwierig sei, falsche Interpretationen oder verfrühte Annahmen richtigzustellen. Aber es gibt auch Studien, deren Korrelationsdaten letztlich zur Entwicklung eines Medikaments gegen Prostatakrebs angeregt haben. Eine Langzeitbeobachtungsstudie auf Grundlage von Fragebögen zeigte, dass Männer, die sehr viele Kohlgewächse aßen, mit deutlich geringerer Wahrscheinlichkeit an Prostatakrebs erkrankten als Männer, die solche Gewächse auf ihren Tellern vermieden. Nach Inhaltsstoffanalysen wurden Sulforophane an Prostatakrebszellen in einer Zellkultur getestet. Und siehe da, der Wirkstoff aus den Brokkoli tötet diese Zellen ab. Hier wurde weitergeforscht, um den genauen Wirkungsmechanismus aufzuklären. Auch dieser wurde entdeckt: Das Sulforophan wirkt auf die RNA, die Abschrift der DNA, und behindert auf diese Weise massiv den Stoffwechsel der Krebszellen. Derzeit arbeiten Forscherinnen und Forscher daran, diesen Wirkstoff so zu modifizieren, dass er eingenommen werden kann und die Zielzellen in der notwendigen Konzentration erreicht.

    Kohlgewächse wirken sich positiv auf den menschlichen Organismus aus, Krebs heilen können sie aber nicht. Was die daraus entwickelten Medikamente wirklich können, werden wir in einigen Jahren sehen. Deshalb ist die Forschung über unsere Ernährung sehr wichtig, auch wenn viele Studien nicht gleich eine Anwendung im täglichen Leben und des Weiteren einen gesundheitlichen Vorteil versprechen.

    Abschließend noch einige Sätze zu Studienideen, die schon am Klo scheitern. Wie ist das zu verstehen? Wenn das Mikrobiom untersucht werden soll, brauche ich dafür Stuhlproben. Diese werden aus dem menschlichen Kot genommen, luftdicht verpackt und ins Forschungslabor geschickt. Eigentlich recht einfach und es gäbe auch grundsätzlich viele Personen, die bei so einer Studie mitmachen würden bzw. an ihrer Mikrobiom-Zusammensetzung interessiert sind. Doch viele Haushalte besitzen nur mehr ein Klo, wo das „Geschäft" direkt ins Wasser fällt. Was Vorteile für die Geruchsentwicklung bzw. -belästigung mit sich bringt, hat Nachteile, wenn man daraus eine Probe ziehen will. Zudem können diverse Reinigungsmittel, deren Spuren sich in der Toilette befinden, die Mikroben aus einer gezogenen Probe verändern.

    Sie sehen also, in der Wissenschaft muss an viele Faktoren gedacht werden, wie etwa die Bauweise der Toiletten in österreichischen und deutschen Haushalten.

    Ich hoffe, ich konnte Ihren kritischen Geist schärfen, damit wir uns gemeinsam in die nächsten Kapitel dieses Buches werfen können.

    DIE FETTE(N) ZUERST

    Warum starten wir mit den Fetten? Dies hat mit meinem Studium zu tun. Bevor ich mich auf Mikrobiologie spezialisierte, musste ich zwei Jahre lang allgemeine Biologie studieren, wo ich auch Vorlesungen sowie Praktika in Zoologie und Botanik hatte. Grundsätzlich eine großartige Idee, da man so einen guten Überblick über das Leben auf unserer Erde gewinnt. Auch sollte dies die weitere Studienwahl erleichtern. Die Botanik ist bei mir schnell ausgeschieden, was nicht am Fach selbst lag, sondern eher an meinem Unvermögen, Pflanzen zu bestimmen. Für mich war sonnenklar: Willst du genau wissen, welche Pflanze das ist, mach eine genetische Analyse.

    Mein Professor Helmut Mayrhofer sah dies aber anders und wollte mir voller Eifer die morphologischen Bestimmungsmethoden vermitteln, also wie man von der optischen Analyse einer Pflanze (man betrachtet sie) auf ihre Gattung und Art schließen kann. Aber selbst die einfachsten Unterscheidungsmerkmale zwischen Lippenblütlern und Kreuzblütlern waren für mich selten ersichtlich. Und auch bei der Handhabung des Pflanzenbestimmungsschlüssels in Buchform war ich, ehrlich gesagt, kein Einstein. Dies führte auch zu meiner einzigen Ehrenrunde im ersten Studienabschnitt, im darauffolgenden Jahr konnte ich dann das Proseminar erfolgreich abschließen.

    Ob ich einen grünen Daumen habe, werden sich vielleicht jetzt einige von Ihnen fragen. Das kommt darauf an. Meinen fünf Kakteen geht es eigentlich recht gut. Was andere Zimmerpflanzen betrifft, so könnte Bruce Willis bei mir den nächsten Teil von „Stirb langsam" drehen. Sechs Bonsai-Bäume sind in den letzten Jahren bei mir eingegangen. Da half auch mein Besuch beim Bonsai-Großmeister Kobayashi-sama in Tokio nichts. Da die Hoffnung bekanntlich zuletzt stirbt, setze ich alles auf meinen Fischgift-Baum (Barringtonia asiatica), der derzeit 2,5 Meter hoch ist. Zu viel gießen ist bei ihm nicht möglich, was ja schon einmal ein Vorteil ist. Pflanzen habe ich schon gern, besonders deren Inhaltsstoffe – und wenn sie zu einem leckeren Gericht verarbeitet werden können. Zudem habe ich auch im Studium letztlich meinen Frieden mit den Pflanzenwissenschaften gemacht und meine Diplomarbeit im Molekularbiologischen Labor des Instituts für Systematische Botanik geschrieben. Helmut Mayrhofer, der damals gerade Institutsvorstand war, übergab mir den Laborschlüssel. Sie können es sich vielleicht vorstellen, es war für ihn ein wirklich unerwartetes Wiedersehen.

    Zurück zu den Fetten. Diese wurden in den grundlegenden Vorlesungen wie „Organische Chemie, „Einführung in die Biochemie oder „Biochemie 1" immer sehr stiefmütterlich behandelt. Der Aufbau und die Funktion der Fette waren immer am Ende des Vorlesungssemesters eingeplant und meist reichte die Zeit dann nicht mehr für eine genauere Betrachtung. Deshalb starten wir jetzt nach diesem kurzen Schwank aus meiner Studienzeit motiviert durch und gönnen uns als Erstes eine große Portion an fettem Wissen.

    Ohne Fett kein Leben

    Aber was ist Fett eigentlich? Wenn wir umgangssprachlich über Fett reden, meinen wir eigentlich Fettsäuren. Diese bestehen aus einer Reihe angeordneter Kohlenstoffatome, an deren Ende eine Säuregruppe sitzt. Kohlenstoffatome können miteinander auch Doppelbindungen eingehen. Passiert dies in einer Fettsäure, wird sie zur einfach ungesättigten Fettsäure. Sind zwei oder mehr Stellen in einer Fettsäure mit einer Doppelbindung versehen, sprechen wir von mehrfach ungesättigten Fettsäuren. Bei diesen gibt es noch eine zusätzliche Einteilung in essenzielle Fettsäuren. Diese kann der Körper nicht selbst produzieren und muss sie daher mit der Nahrung aufnehmen. Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren wären hier zu nennen. Außerdem gibt es noch die Transfette. Diese kommen in der Natur selten vor. Sie entstehen bei Prozessen der Fetthärtung in der Lebensmittelindustrie und sind eigentlich ein unerwünschtes Nebenprodukt.

    Warum brauchen wir Fett? Fett dient dem Körper zur Energiegewinnung. Wer ordentliche Fettpolster hat, der friert bei niedrigen Temperaturen weniger. Fett dient als Isolation gegen Kälte. Es wird auch benötigt, um fettlösliche Vitamine zu speichern. Die inneren Organe sind von Fett umhüllt, das eine Art Polsterung darstellt. Und die kleinste Einheit unseres Körpers, die Zelle, könnte ohne Fett nicht existieren, denn die Zellmembranen bestehen ebenfalls hauptsächlich aus Fett. Lipiddoppelmembran ist der Fachbegriff. Fettsäuren sind die Bausteine von Lipiden und für die Kommunikation zwischen den Nervenzellen von entscheidender Bedeutung. Sie bilden die synaptischen Bläschen, die mit Neurotransmittern gefüllt sind, und helfen diesen, mit der Zellmembran zu verschmelzen und so Informationen zwischen den Zellen weiterzugeben.

    Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt eine Fettzufuhr von 60 bis 80 g pro Tag für Männer und Frauen zwischen 19 und 65 Jahren bei normaler körperlicher Tätigkeit.

    Zuerst gilt es zu klären, in welchen Nahrungsmitteln diese Fette vorkommen und v. a. in welchen Kombinationen die unterschiedlichen Fettsäuren zu finden sind.

    Kleines ABC der Fette

    Beginnen wir unsere Betrachtung mit den „gesättigten Fettsäuren", die kein gutes Image haben.

    Diese Fettsäuren sind für den Menschen nicht essenziell. Der Körper kann sie selbst aus anderen Nahrungsbestandteilen wie Glukose oder Proteinen synthetisieren. Folgende Fettsäuren gehören in diese Gruppe: Butter-, Myristin-, Capryl-, Caprin-, Capron-, Palmitin- und Stearinsäure. Häufig zu finden sind diese in Lebensmitteln wie: Butter, Schlagobers, Schweineschmalz, Fleisch, Wurstwaren und teilweise auch Milchprodukten. Nur wenige pflanzliche Lebensmittel enthalten gesättigte Fettsäuren in großen Mengen, dazu zählen Kokosfett, Palmkernfett und Kakaobutter. [1]

    Jetzt schauen wir uns anhand von Beispielen aus der aktuellen Forschungsliteratur an, welche Auswirkungen gesättigte Fettsäuren auf unseren Körper haben.

    Neue Forschungen zeigen, dass der Verzehr von gesättigten Fettsäuren dazu führen kann, dass in unserem Körper weniger Muskelmasse, dafür aber mehr Fett eingelagert wird. Es handelt sich dabei um die erste Studie am Menschen, die nachweist, dass die Fettzusammensetzung der Nahrung nicht nur das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen beeinflusst, sondern auch bestimmt, wo das Fett im Körper gespeichert wird. Die Gewichtszunahme durch überschüssige Kalorien aus mehrfach ungesättigten Fettsäuren scheint zu mehr Muskelmasse und weniger Körperfett zu führen.

    Gesättigte Fettsäuren und Kohlenhydrate

    In Bevölkerungsstudien gibt es keinen eindeutigen Zusammenhang zwischen gesättigten Fettsäuren und Herzerkrankungen, Ernährungsrichtlinien aber befürworten weiterhin die Einschränkung des Konsums von gesättigten Fettsäuren. Das mag im ersten Moment sonderbar klingen, weil es altbekannten Ernährungsratschlägen widerspricht. Besonders in Hinblick auf andere Studien, die eine hohe Konzentration von gesättigten Fettsäuren im Blut mit einem erhöhten Risiko für Herzerkrankungen in Verbindung gebracht haben!

    Die Frage ist, was den menschlichen Körper dazu veranlasst, mehr gesättigte Fettsäuren im Blut anzureichern. Um zu dieser Frage neue Erkenntnisse zu gewinnen, nahmen 16 Erwachsene, die am Metabolischen Syndrom leiden, an einer 18-wöchigen Studie teil, bei der ihre Ernährung genauestens kontrolliert wurde. [2] Bei den sechs jeweils dreiwöchigen Diäten wurden die Kohlenhydrate schrittweise erhöht, während gleichzeitig das Gesamtfett und das gesättigte Fett reduziert wurden. Die Kalorienanzahl und der Proteinanteil blieben gleich. Das Metabolische Syndrom wird diagnostiziert, wenn drei von fünf Faktoren bei einem Menschen zutreffen, die das Risiko für Herzerkrankungen oder Diabetes drastisch erhöhen. Diese Faktoren sind: übermäßiges Bauchfett, erhöhter Blutdruck, niedriges „gutes" Cholesterin, Insulinresistenz oder Glukoseintoleranz und hohe Triglyceride.

    Die Diäten begannen mit 47 g Kohlenhydraten und 84 g gesättigtem Fett pro Tag und endeten mit 346 g Kohlenhydraten und 32 g gesättigtem Fett pro Tag. Die täglichen Mahlzeiten summierten sich auf 2500 Kalorien und enthielten etwa 130 g Protein. Der höchste Kohlenhydratgehalt war 55 % der täglichen Kalorien, was ungefähr dem geschätzten täglichen Energieanteil entspricht, der häufig in der amerikanischen Ernährung zu finden ist.

    Die Teilnehmer verloren bis zum Ende der Studie im Durchschnitt fast 10 kg an Körpergewicht. Die Forscherinnen fanden heraus, dass die Gesamtmenge an gesättigten Fetten im Blut nicht zunahm, sondern bei den meisten Menschen sogar sank, obwohl sie in der Ernährung erhöht wurden, wenn die Kohlenhydrate reduziert wurden! Palmitoleinsäure, eine Fettsäure, die mit einem ungesunden Kohlenhydratstoffwechsel in Verbindung gebracht wird und Krankheiten begünstigen kann, ging bei einer kohlenhydratarmen Aufnahme zurück und stieg allmählich an, als die Kohlenhydrate in der Studiendiät wieder erhöht wurden.

    Fazit: Eine Verdoppelung der gesättigten Fettsäuren in der Ernährung führt laut einer kontrollierten Ernährungsstudie nicht zu einem Anstieg des Gesamtspiegels an gesättigten Fettsäuren im Blut. Ein steigender Kohlenhydratgehalt in der Studiendiät förderte einen stetigen Anstieg einer Fettsäure im Blut, die mit einem höheren Risiko für Diabetes und Herzerkrankungen verbunden ist.

    Einfach ausgedrückt: Nicht die gesättigte Fettsäure in

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