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Heilende Hände und sprechende Herzen: Liebe & Schicksal Großband 3 Romane 6/2021
Heilende Hände und sprechende Herzen: Liebe & Schicksal Großband 3 Romane 6/2021
Heilende Hände und sprechende Herzen: Liebe & Schicksal Großband 3 Romane 6/2021
eBook469 Seiten7 Stunden

Heilende Hände und sprechende Herzen: Liebe & Schicksal Großband 3 Romane 6/2021

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Über dieses E-Book

Dieser Band enthält folgende Romane:

Der Arzt mit den heilenden Händen

Ein Arzt zum Verlieben

Zeuge der Verteidigung

Der junge, attraktive und äußerst kompetente Assistenzarzt Dr. Hans Wildberg arbeitet in der Klinik - und im Schatten - seines erfolgreichen Vaters Professor Franz Wildberg, einem Gynäkologen von Weltruf. Die Affäre mit der älteren, vermögenden Roswitha Leuscher, die sich seinetwegen scheiden lassen will, würde Hans die Möglichkeit geben, der Kontrolle seines übermächtigen Vaters zu entfliehen und eine eigene Praxis in München zu eröffnen. Aber er will sich nicht binden und in die nächste Abhängigkeit begeben, dafür liebt er seine Freiheit viel zu sehr. Weil Roswitha ihn bedrängt, nimmt er kurzentschlossen eine Assistenzarztstelle bei Dr. Florian Winter in der Paul-Ehrlich-Klinik in Bonn an - auch dort fliegen ihm die Frauenherzen zu und die männlichen Kollegen neiden ihm seinen Erfolg als Arzt und beim weiblichen Geschlecht ...
SpracheDeutsch
HerausgeberAlfredbooks
Erscheinungsdatum15. Juni 2021
ISBN9783745215694
Heilende Hände und sprechende Herzen: Liebe & Schicksal Großband 3 Romane 6/2021
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    Buchvorschau

    Heilende Hände und sprechende Herzen - Glenn Stirling

    Heilende Hände und sprechende Herzen: Liebe & Schicksal Großband 3 Romane 6/2021

    Glenn Stirling

    Dieser Band enthält folgende Romane:

    Der Arzt mit den heilenden Händen

    Ein Arzt zum Verlieben

    Zeuge der Verteidigung

    Der junge, attraktive und äußerst kompetente Assistenzarzt Dr. Hans Wildberg arbeitet in der Klinik – und im Schatten – seines erfolgreichen Vaters Professor Franz Wildberg, einem Gynäkologen von Weltruf. Die Affäre mit der älteren, vermögenden Roswitha Leuscher, die sich seinetwegen scheiden lassen will, würde Hans die Möglichkeit geben, der Kontrolle seines übermächtigen Vaters zu entfliehen und eine eigene Praxis in München zu eröffnen. Aber er will sich nicht binden und in die nächste Abhängigkeit begeben, dafür liebt er seine Freiheit viel zu sehr. Weil Roswitha ihn bedrängt, nimmt er kurzentschlossen eine Assistenzarztstelle bei Dr. Florian Winter in der Paul-Ehrlich-Klinik in Bonn an – auch dort fliegen ihm die Frauenherzen zu und die männlichen Kollegen neiden ihm seinen Erfolg als Arzt und beim weiblichen Geschlecht ...

    Copyright

    Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

    Alfred Bekker

    © Roman by Author /

    © dieser Ausgabe 2021 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.

    Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

    Alle Rechte vorbehalten.

    www.AlfredBekker.de

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    Alles rund um Belletristik!

    Der Arzt mit den heilenden Händen

    Arztroman von Glenn Stirling

    Der Umfang dieses Buchs entspricht 191 Taschenbuchseiten.

    Nach dem Tod ihres Mannes muss Marianne Stich das Geschäft allein führen. Sie ist vollkommen überfordert mit der Arbeit und der großen Verantwortung, zumal sie von ihrer Tochter Monika keine Hilfe erhält. Die Unternehmerin ist ständig ist die in Sorge, dass die Konkurrenzfirma Kühn ihr die Kunden wegnimmt. Da macht ihr Körper den Stress nicht mehr mit – Fieber, Ohnmacht und eine seltsame Bläschenerkrankung bringen sie in die Paul-Ehrlich-Klinik. Dort ist nicht klar, ob Marianne Stich eine schwere Virusinfektion hat oder ob die Symptome psychosomatischer Natur sind. Der Dermatologe Dr. Karl versucht, seine Patientin auf unorthodoxe Weise zu heilen: durch mitfühlende Gespräche und mit seinen heilenden Händen ...

    Copyright

    Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker

    © by Author

    © dieser Ausgabe 2018 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.

    Alle Rechte vorbehalten.

    www.AlfredBekker.de

    postmaster@alfredbekker.de

    1

    Als sie aufstehen wollte, spürte sie, wie ihre Knie nachgaben. Sie umkrampfte mit beiden Händen die Kante des Schreibtisches, starrte in das Licht der Lampe und meinte, Tausende von roten Punkten im Lichtkreis tanzen zu sehen. Schweiß brach ihr aus.

    Ich bin krank, dachte sie und zwang sich mit aller Macht, auf den Beinen zu bleiben. Wie eine Greisin kämpfte sich die vierzigjährige Frau zum Fenster hin.

    Frische Luft, ich brauche frische Luft!, dachte sie verzweifelt.

    Als sie dann endlich am Fenster stand, hatte sie nicht mehr die Kraft, den Riegel hochzuschieben. Sie starrte hinaus in die Dunkelheit, presste ihre Stirn an die kühle Scheibe, und das tat ihr gut. Es wirkte wie Eis, aber zugleich wurden ihre Sinne wacher. Sie hing mehr am Fenster, als dass sie stand. Doch allmählich fühlte sie sich wesentlich besser. Ihre Energie kehrte zurück. Sie begann jetzt, bewusst Dinge wahrzunehmen, die sie draußen im Schein der Hoflaterne erkennen konnte, und dann sah sie drüben am Tor die beiden Gestalten.

    Sie fühlte sich so viel besser, dass es ihr jetzt gelang, das Fenster zu öffnen. Sie tat es so leise wie möglich, beugte sich hinaus, und die frische Luft fuhr ihr fächelnd über die Haut des Gesichtes, weckte in ihr zusätzliche Energien.

    Es ist nichts als Überarbeitung, dachte sie. Ich bin einfach fix und fertig. Jeden Abend bis um elf, das ist zu viel. Aber da drüben, das ist doch bestimmt Moni; Moni und ihr Soldat.

    Die beiden standen im Schlagschatten einer Hausecke. Nun aber, als sie sich trennten und jeder von ihnen seiner Wege ging, konnte sie beide erkennen. Einmal die große, hagere Gestalt des jungen Mannes, der sich entfernte, und dann die graziöse, zierliche Figur ihrer Tochter mit dem ausgreifenden Schritt. Den hat sie von ihrem Vater. Mein Gott, wenn Fritz noch am Leben wäre, brauchte ich nicht so zu schuften. Jetzt hab ich das alles hier am Halse. Ich glaube, lange schaff ich das nicht mehr. Es ist einfach zu viel. Aber einer muss es doch machen. Sie schloss das Fenster, ging wieder um den Schreibtisch herum und ließ sich in den Sessel sinken. Sie fühlte sich schon viel besser als vorhin. Aber der kalte Schweiß stand ihr noch immer auf der Stirn. Sie nahm ihr Taschentuch aus der Handtasche, spritzte etwas Eau de Cologne darüber und tupfte sich über Schläfen und Stirn.

    In diesem Augenblick kam ihre Tochter herein: jung, rosig wie eine Knospe. Ihren Trenchcoat trug sie lässig über dem Arm, sodass ihre Mutter das dunkelblaue Kleid sehen konnte, das sie trug.

    „Hallo!, rief Monika, „machst du durch bis morgen früh? Es klang weniger besorgt als spöttisch.

    Sie hat noch niemals gefragt, ob sie mir nicht vielleicht einmal helfen könnte, dachte die Frau. Komisch, jetzt trägt sie wieder ein Kleid. Jahrelang hat sie nichts von Kleidern wissen wollen. Ist immer in Hosen herumgelaufen. Und nun plötzlich gleich das beste Kleid. Es muss daran liegen, dass sie den Jungen hat.

    „Warum sagst du nichts?", fragte Monika und stemmte sich an die hintere Kante des Schreibtisches. Dann griff sie mit der Linken zur Lampe und drehte sie so, dass der Lichtschein ihrer Mutter ins Gesicht fiel.

    „Du siehst müde, ja, du siehst krank aus, stellte Monika fest, „du arbeitest einfach zu viel. Es ist Wahnsinn, was du mit deiner Gesundheit treibst, einfach Raubbau.

    „Hast du noch ein paar gute Ratschläge? Vielleicht kannst du mir auch sagen, wer die Arbeit hier macht!"

    Monika musterte ihre Mutter mit dem unschuldigsten Blick der Welt: „Warum stellst du dir niemand ein?"

    Marianne Stich wusste nicht, ob sie lachen oder weinen sollte. „Wenn ich so könnte, wie ich wollte, entgegnete sie. „Hast du schon mal davon gehört, dass die Leute für das, was sie tun, Geld verlangen? Wie wäre es denn mit dir?

    „Mit mir? Aber ich habe doch gar nicht Kaufmann gelernt, Mama."

    „Ja, du hast dein Abitur. Und was weiter?"

    „Das weißt du doch selbst. Ich warte auf einen Studienplatz. Was kann ich dafür, dass es nicht genug gibt. So wie mir geht es vielen."

    Marianne Stich nickte nachdenklich. Sie strich sich über die Stirn, die wieder feucht geworden war. Wieder dieser kalte Schweiß, wieder dieser klopfende Herzschlag, dieser harte Puls, dass ihr war, als müsste das sogar Monika hören.

    Monika hatte sich auf die Kante des Tisches gesetzt, der zwischen den beiden Sesseln in der Ecke stand. Sie begann zu kippeln. Marianne Stich wollte schon etwas sagen, aber sie schwieg. Ihr war mit einem Male so heiß. Ich habe Fieber, dachte sie. Ganz bestimmt habe ich Fieber. Wenn ich nach Hause komme, werde ich messen. Was ist nur mit mir los? Unter meinen Achseln brennt es wie Feuer. Ich muss einmal ausspannen. Aber wie soll ich das schaffen? Wer macht hier die Arbeit? Dann können wir das Geschäft schließen. Oder jemanden einstellen, wie Monika sagt ... Völlig unmöglicher Gedanke!

    „Sag mal, Mama, ist was mit dir?, fragte Monika, stand auf und trat nun wieder an den Schreibtisch heran. Wie vorhin schon leuchtete sie mit der Lampe der Mutter ins Gesicht. Sie schlug, geblendet die Hände vor die Augen und keuchte zornig: „Lass das!

    Aber Monika kannte die Mutter viel zu gut, um nicht diesen eigenartigen Unterton herauszuhören. Das war wie damals, vor vier Jahren, als Vater gestorben war.

    „Mama, du hast irgendwas. Du bist krank, Mama. Komm, wir gehn nach Hause!"

    Marianne Stich schüttelte müde den Kopf. „Ich kann nicht. Das muss fertig sein. Morgen kommt der Steuerberater. Sie hatte kaum noch die Kraft zum Sprechen. Alles begann sich um sie zu drehen. Sie fürchtete, vom Stuhl zu rutschen. Ängstlich klammerte sie sich an der Tischkante fest, als könne das ihren Sturz verhindern. Dieses Schwanken, dieses Drehen um sie herum wurde immer schlimmer. Es flimmerte ihr vor Augen. Ihr wurde vom Rücken herauf eiskalt. Eben hatte sie noch geschwitzt. Jetzt fror sie. Sie hätte am liebsten mit den Zähnen geklappert. Aber sie biss sie zusammen. Aus Angst, aus Verzweiflung oder um ihre letzten Energiereserven zu mobilisieren?

    „Mama!" Monika war jetzt neben ihre Mutter getreten und beugte sich über sie, legte ihr den Arm um die Schultern und sagte noch einmal eindringlich: „Mama, steh auf!

    Komm, wir gehen nach Hause! Komm, ich fahre. Ich bringe dich zum Wagen."

    „Du hast keinen Führerschein", brachte Marianne mühsam heraus. Aufstehen, dachte sie, da wäre unmöglich. Ich würde zusammenbrechen. Meine Knie sind wie Pudding. Alles dreht sich um mich. Ich kann mir doch, um Himmels willen, keine Krankheit leisten. Was soll aus dem Geschäft werden? Monika ist unfähig, den Laden hier zu führen; völlig ausgeschlossen. Ein Mann müsste her oder jemand, der etwas von dem versteht, was hier getan werden muss. Du lieber Gott, warum hast du mir Fritz genommen? Warum hast du es so früh getan? Ich bin doch keine alte Frau. Damals war ich noch nicht einmal sechsunddreißig. Es ist furchtbar. Es ist einfach entsetzlich, so allein zu sein. Natürlich, ich habe Monika. Aber die hat ihre eigene Welt. Was verbindet uns denn in Wirklichkeit noch? Sie sitzt mit mir am Tisch, und auch das ist selten genug geworden. Seit sie ihren Freund hat, diesen Horst, nutzt sie jede freie Minute, um mit ihm zusammen zu sein. Und die übrige Zeit arbeitet sie als Praktikantin im Krankenhaus. Es wäre besser gewesen, sie hätte sich um meinen Betrieb gekümmert. Sie hat Abitur, in Ordnung. Aber sie könnte doch Kaufmann lernen. Sie könnte es bei mir tun. Sie könnte ...

    „Mama, was ist mit dir? Mama, um Himmels willen ... jetzt wird sie ohnmächtig!"

    Das hörte Marianne Stich noch, und dann war ihr, als sinke sie in einen tiefen, dunklen Schlund.

    Monika Stich hatte Mühe, ihre Mutter zu halten, die vom Stuhl zu rutschen drohte.

    Im ersten Augenblick wähnte Monika ihre Mutter tot. Voller Entsetzen versuchte sie, den Puls zu fühlen, aber sie hörte nur den eigenen hämmernden Herzschlag.

    Was mach ich nur, was mach ich nur?, dachte sie, und hielt noch immer die Mutter, deren Kopf auf die Brust gesunken war.

    Ich muss sie auf den Boden legen, auf die Seite. Ich muss irgendetwas tun, um festzustellen, ob sie noch lebt, dachte Monika voller Verzweiflung und versuchte, ihre Mutter vom Stuhl herunterzuziehen. Aber der Körper der Frau war viel schwerer, als Monika erwartet hatte. Es war für sie eine Überraschung, dass ein Mensch, der so schlank war wie Mama, so schwer sein konnte. Aber sie schaffte es. So grazil sie auch gebaut war, Kraft hatte sie. Als ihre Mutter am Boden lag, wälzte Monika sie auf die Seite und erinnerte sich vage an das, was sie einmal in einem Erste-Hilfe-Kursus gelernt hatte.

    Ihre Mutter röchelte, und wenig später schlug sie die Augen auf.

    Erleichtert kniete Monika vor ihr, sah die Mutter an, die ein wenig ratlos auf die Tochter schaute.

    „Ich bin so froh, Mama. Um Gottes willen, du bist ohnmächtig geworden. Du musst sofort ins Bett. Ich werde ein Taxi holen, Mama. Ich werde ..."

    Marianne Stich versuchte, sich aufzurichten. Aber es gelang ihr nicht auf Anhieb. Monika half ihr und zog sie, ohne Rücksicht auf das dunkle Kostüm der Mutter, zur Wand hin.

    „Mein Rock, du verdirbst mir meinen Rock", keuchte Marianne Stich, als sei dieser Rock im Augenblick das Wichtigste der Welt.

    „Warte hier, Mama. Ich hole etwas zum Trinken."

    Sie lief nach nebenan und kam kurz danach mit einer Tasse, halb gefüllt mit Wasser, zurück.

    Marianne Stich trank nur ein paar Schlucke. Da fühlte sie sich schon ein wenig besser. Aber die Kraft zum Aufstehen hatte sie nicht. War ihr eben noch der Rock so wichtig erschienen, hatte auch dies nun keine Bedeutung mehr. Der einzige Gedanke, den sie hatte, war schlafen, einfach ausruhen, nichts mehr sehen, denken, hören müssen.

    „Mama, ich rufe ein Taxi, warte." Plötzlich hörte Monika draußen auf dem Hof Schritte. Sie blickte zum Fenster, aber darin spiegelte sich die Lampe. Da ging sie ein Stück näher und sah auf den Hof hinaus. Draußen überquerte ein Mann den Hof und ging direkt auf den Lastzug zu, der drüben außerhalb des Lichtscheins der Lampen stand.

    „Wer ist das? Da draußen der Lastwagen. Da geht jemand hin. Kennst du den? Soll ich den rufen, Mama?"

    „Ach ... das ist Thiessen. Er konnte nicht mehr abladen. Er ist gekommen, als schon Feierabend war. Er wartet ... wartet bis morgen, bis die Leute kommen."

    „Das ist doch jetzt nicht wichtig, Mama. Soll ich ihn rufen? Vielleicht kann er mir helfen. Du bist zu schwer für mich. Ich möchte dich wieder auf den Stuhl setzen oder dich irgendwie hinaustragen und wegschaffen, nach Hause. Am besten aber, ich rufe einen Arzt. Mama, du bist ganz heiß. Du glühst ja. Du musst Fieber haben."

    Ja, dachte Marianne Stich, Fieber habe ich bestimmt, und unter meinen Armen glüht es. Was ist das bloß, was so brennt? Ich hab aber nicht die Kraft, um nachzusehen. Was hat mich nur erwischt? Ob das eine Erkältung ist? Auch mit meinem Unterleib stimmt etwas nicht. Ich muss dringend zum Arzt. Aber zu meinem Arzt, und nicht zu irgendeinem, den ich nicht kenne."

    „Nein, Monika, kein Arzt. Ein Taxi, ruf ein Taxi."

    Aber Monika hatte sich schon entschieden, diesen Herrn Thiessen, den Mama offensichtlich kannte, zu Hilfe zu rufen.

    Als sie hinausstürmte, rief ihre Mutter ihr nach, sie solle dableiben, aber Monika stürmte weiter, rannte auf den Hof, sah, dass der Mann drüben stehen blieb und rief: „Sind Sie Herr Thiessen?"

    „Ja, der bin ich, erwiderte eine sonore Stimme, die von den Wänden der Gebäude rings um den Hof widerhallte. „Ist was passiert?

    „Herr Thiessen, meine Mutter ... sie ist zusammengebrochen. Ich weiß nicht, was sie hat. Sie muss krank sein. Können Sie mir helfen?"

    Sie hatte diese Frage noch gar nicht ganz ausgesprochen, da kam ihr der Mann schon entgegen. Zuerst in langen Schritten, dann lief er.

    Als er in den Lichtkreis der Lampe geriet, die über dem Hof brannte, sah Monika mehr von ihm. Er war ein mittelgroßer, breitschultriger Mann, etwa Mitte vierzig, hatte schon ein wenig spärliches blondes Haar, wirkte aber sehr kräftig und vital. Er hielt seine Lederjacke in der Linken und stürmte jetzt auf Monika zu. „Wo ist sie denn? In ihrem Büro?"

    Monika nickte nur, und er sagte, während er an ihr vorbeilief: „Ich hab sie doch vorhin noch gesehen. Wir haben uns noch unterhalten. Da wirkte sie zwar etwas müde, aber sonst ..."

    Er war schon drinnen.

    Marianne Stich, die sich ein wenig besser fühlte, sah zu ihm auf. Sie lächelte gequält, und er streckte ihr sofort beide Hände entgegen. „Was machen Sie für Sachen, Frau Stich? Sie waren doch vorhin noch ganz fit. Nun kommen Sie mal. Jetzt will ich Ihnen erst mal aufhelfen. Sie sitzen da wie ein armes Hühnchen in der Ecke."

    Er hatte sie schon gefasst, an den Oberarmen gepackt, aber das war für Marianne Stich entsetzlich schmerzhaft. Ihr war, als fasse er in offene Wunden. Sie schrie auf, und er ließ sofort los.

    „Was ist denn? Tu ich Ihnen weh? Was haben Sie denn?"

    Ihr wurde fast schlecht vor Schmerz. Sie sah zu ihm auf. „Ich weiß nicht. Ihr Atem ging keuchend. „Ich weiß wirklich nicht. Es tut weh, wenn Sie mich da anfassen. Hier ... meine Hände. Nehmen Sie meine Hände.

    Er bemühte sich, sie auf diese Weise hochzuheben, und es gelang. Sie stand zittrig und drohte mit den Beinen einzuknicken. Er konnte sie gerade noch auf den Stuhl setzen.

    „Was ist denn mit Ihren Armen? Er griff nach ihrer Stirn. „Sie haben ja hohes Fieber. Um Gottes willen, Sie müssen sofort ins Bett! Er blickte Monika an. „Rufen Sie ein Taxi. Oder ist es nicht weit zu Ihnen? Ich könnte Sie auch tragen."

    „Nein, nein, sagte Monika, „es ist ein ganzes Stück bis nach Hause. Wir wohnen hier draußen vor der Stadt.

    „In Ordnung, rufen Sie ein Taxi, rasch!"

    Monika nahm den Hörer ab und wählte. Thiessen beugte sich indessen über Marianne Stich und sagte tröstend: „Wir bringen das schon in Ordnung. Aber ein Arzt muss her. Das ist nichts, was so von alleine wieder verschwindet. Wozu haben wir die Ärzte? Wozu zahlen Sie in die Krankenkasse, wer weiß wie viel? Na, jetzt lächeln Sie ja. Wir packen das schon. Machen Sie sich mal keine Sorgen."

    „Der Betrieb ... Was soll denn werden... ? Ich muss doch hier sein. Niemand weiß sonst Bescheid."

    „Niemand weiß Bescheid? Gibt es doch gar nicht. Ich werde morgen mit Marconi reden."

    Sie schloss die Augen, schüttelte kaum merklich den Kopf. „Marconi geht weg, sagte sie leise, dass er Mühe hatte, sie überhaupt zu hören, „Marconi ist abgeworben, geht zu Kühn.

    „Zu Kühn? Dieser Verräter! Ah ja, meinte Thiessen, „ich fahre mit meinem Zug ja auch für ihn. Ich fahre für jeden, der mir eine Fracht gibt. Es ist nun mal ein Kühlzug, aber ich muss schon sagen, Frau Stich, zu Ihnen bin ich immer lieber gekommen als zu Kühn. Das ist eine richtige große Firma. Da ist man nur Dreck. Da ist man niemand. Mit Ihnen konnte man schon mal ein nettes Wort sprechen und mit Ihren Leuten ebenfalls. Da war man ein Mensch unter Menschen. Er blickte auf, sah, dass Monika gerade den Hörer auflegte. Sie nickte ihm zu. „Das Taxi kommt", sagte sie.

    „Na, sehen Sie, gleich kommt der Wagen, und da setzen wir Sie hinein. Ich werde mitfahren, es sei denn, Sie wollen meine Hilfe nicht." Er wandte sich fragend an Monika.

    „Natürlich wollen wir die, aber Sie brauchen ja auch Ihren Schlaf."

    „Ach was, ich schlafe genug. Bis morgen früh ist noch viel Zeit. Sie sollten einen Arzt anrufen, Fräulein. Er sollte kommen, wenn wir Ihre Mutter draußen haben."

    „Ich rufe Doktor Leibnitz an, Mama", sagte Monika, und es klang mehr wie eine Bitte um Einverständnis. Fragend sah sie die Mutter an.

    „Nun machen Sie schon!, forderte sie Thiessen auf. „Rufen Sie an!

    Sie tat es, aber schon nach kurzer Zeit legte sie den Hörer wieder auf. „Er hat keinen Dienst, da läuft eine Schallplatte. Es ist jetzt bald halb zwölf." Sie sah Thiessen ratlos an.

    „Macht nichts, rufen Sie den Notarzt an", forderte er sie auf.

    „Nein ... nein, ich will keinen anderen Arzt, ich will ..." Weiter kam Marianne Stich nicht. Ihr wurde wieder schlecht. Eine neue Ohnmacht nahte.

    „Nun machen Sie schon, den Notarzt, rasch! Am besten den Krankenwagen. Sie muss in die Klinik." Draußen fuhr ein Fahrzeug in den Hof. Das Scheinwerferbündel streifte über die Wände der Gebäude, huschte an dem Sattelschlepper Thiessens vorbei, und dann tauchte der Wagen selbst direkt vor dem Fenster auf.

    „Das Taxi ist da!", rief Monika.

    „In Ordnung, dann schaffen wir sie mit dem Taxi ins Krankenhaus. In welches am besten? Ich kenne mich hier nicht so genau aus."

    „Am besten in die Paul-Ehrlich-Klinik, meinte Monika, „dort mache ich ein Praktikum. Vielleicht ...

    Sie sprach nicht weiter, und Thiessen versuchte auch nicht zu erraten, was sie vielleicht sagen wollte. Er deutete auf die Tür und rief: „Monika, holen Sie den Mann herein. Er kann mir helfen, Ihre Mutter hinauszubringen. Gehen Sie, rasch! Aber Monika beeilte sich schon von sich aus. Wenig später kam sie mit dem Taxifahrer herein, und die beiden Männer brachten Marianne Stich zum Wagen. Sie war wieder zu sich gekommen, hatte aber nicht die Kraft, auf eigenen Beinen zu gehen. Als sie dann hinten im Fond saß und Thiessen sie festhielt, sagte Monika zu dem Taxifahrer: „Zur Paul-Ehrlich-Klinik. Fahren Sie bitte nicht zu schnell! Ich weiß, dass sie das nicht verträgt.

    „Nicht ins Krankenhaus, nicht in die Klinik, keuchte Marianne Stich, „ich muss mich doch um den Betrieb kümmern, ich muss mich doch ...

    „Still!, meinte Thiessen. „Frau Stich, Sie müssen vernünftig sein. Ich werde mich um alles kümmern, wenn Sie das wollen. Morgen habe ich noch ein paar Stunden Zeit dazu. Ich werde mir einfach diese Zeit nehmen. Und Ihre Tochter wird auch tun, was sie kann.

    „Aber die versteht doch nichts vom Geschäft. Die Ware, die Sie haben ... die muss doch weiter, die muss doch ..."

    „Nichts muss. Sie haben ein Kühlhaus. Auf eine Stunde mehr oder weniger kommt es nicht an. Ich werde das für Sie regeln. Und was die Ware angeht, auch darum kümmere ich mich."

    Die letzten Worte hatte sie nicht mehr gehört. Sie war abermals ohnmächtig geworden.

    „Ich glaube, Sie können ruhig etwas schneller fahren, sagte Thiessen. „Jetzt ist sie bewusstlos, und ich denke, wir haben keine Zeit zu verschwenden.

    2

    Ernst Thiessen und Monika Stich saßen wie arme Sünder auf der Bank draußen auf dem langen Gang.

    Monika hatte die Hände ineinander verschlungen und starrte auf das schwarzweiße Mosaik der Fliesen. Ernst Thiessen las zum soundsovielten Male das Plakat an der Wand gegenüber, das zur Vorsorge gegen Krebs aufrief. Aber seine Gedanken waren weit vom Text des Plakates entfernt. Wann endlich, dachte er, kommen sie und sagen uns Bescheid?

    Es war still auf dem langen Gang, jetzt um ein Uhr in der Nacht. Gleich nebenan die Tür führte zum Untersuchungsraum der Inneren Abteilung. In ihm lag Marianne Stich und wurde von dem diensttuenden Arzt untersucht. Es war noch ein sehr junger Mann, und Ernst Thiessen hatte instinktiv wenig Zutrauen zu ihm. Anders Monika, die alle Hoffnung auf diese Untersuchung setzte und ein gutes Ergebnis erflehte.

    Plötzlich wurde die Tür von diesem Raum geöffnet. Beide, Monika und auch Ernst Thiessen, schraken zusammen, obgleich sie doch die ganze Zeit mit diesem Geräusch gerechnet hatten. Ihre Köpfe ruckten herum, und dann sahen sie diese ältere Schwester, die vorhin schon dagewesen war, als sie Marianne Stich eingeliefert hatten. Sie kam zu ihnen und sagte, an Ernst Thiessen gewandt: „Sie sind sicher der Ehemann, nicht wahr?"

    Er schüttelte den Kopf. „Nein, nein, ich bin nur zufällig dagewesen, er sah auf Monika, „das ist die Tochter.

    Die Schwester wandte sich sofort Monika zu und sagte: „Wir müssen Ihre Mutter hierbehalten."

    „Was hat sie denn? Was ist das denn?"

    „Das steht noch nicht ganz fest, aber wir vermuten, dass es sich um eine Gürtelrose handelt. Auf alle Fälle bleibt sie hier. Wir werden sie gut behandeln. Sie können beruhigt nach Hause fahren. Die Schwester lächelte. „Seien Sie nicht so traurig. Vielleicht rufen Sie morgen früh einmal an oder kommen vorbei.

    „Wie geht es ihr denn? Ist sie in Lebensgefahr?"

    Die Schwester schüttelte den Kopf. „Nein, nein, das nicht. Wir müssen nur noch einige Untersuchungen anstellen."

    „Können wir das nicht mal mit dem Arzt besprechen?", fragte Ernst Thiessen zielstrebig.

    Die Schwester machte sofort ein beleidigtes Gesicht. „Glauben Sie mir nicht?"

    „Natürlich glaube ich Ihnen, aber ich möchte gerne ein paar Fragen stellen."

    „Ja, der Herr Doktor ist aber noch sehr beschäftigt. Wir haben noch einen anderen Fall. Es wäre besser, Sie fragten morgen nach. Sind Sie überhaupt ein Verwandter? Wenn nicht, bekommen Sie sowieso keine Auskunft."

    „Aber ich werde sie doch bekommen", erklärte Monika, die Ernst Thiessens Frage vernünftig fand.

    „Sie natürlich als Tochter, aber im Augenblick ist das nicht mehr möglich. Ich habe Ihnen ja erklärt ..."

    Die Schwester war längst nicht mehr so freundlich. Vielleicht fühlte sie sich gekränkt dadurch, dass man ihr nicht traute, eine fachlich einwandfreie Auskunft geben zu können.

    „Ist meine Mutter wieder bei Bewusstsein?", wollte Monika wissen.

    „Ja, das ist sie, aber es ist besser, wenn Sie nicht zu ihr gehen. Wir wissen noch nicht genau, ob es sich um Herpes Zoster handelt. Aber Sie wollten ja mit dem Herrn Doktor reden. Das können Sie morgen früh tun. Da ist auch der Stationsarzt da."

    „Ich muss aber noch mal mit meiner Mutter sprechen, ich muss. Es ist ganz wichtig. Es geht um sehr viel Geld."

    „Also gut, dann kommen Sie, sagte die Schwester zu Monika. Als sich Ernst Thiessen aber ebenfalls erhob, fuhr sie ihn an: „Sie können nicht mit.

    „Sind Sie aber nett!", knurrte Ernst Thiessen.

    Als Monika zu ihrer Mutter kam, die gerade in eines der Zimmer gefahren werden sollte, war der Arzt noch dabei.

    Entrüstet wandte er sich an die Schwester. „Was soll das?"

    „Es ist sehr wichtig, sagte sie. Monika sah besorgt auf ihre Mutter. Die hatte den Kopf zur Seite geneigt und blickte ihre Tochter an, schlapp, erschöpft, wie nach einem schweren Kampf. „Monika ... die ganze Ladung Fisch. Was sollen wir nur machen?

    „Kümmere dich nicht darum, Mama. Ernst Thiessen und ich werden schon einen Weg finden. Er hat gesagt, er wüsste eine Lösung."

    „Eine Lösung? Ihr könnt den Fisch nicht verarbeiten, wenn ich nicht da bin. Ihr wisst nicht ..."

    „Wir regeln das. Mach dir keine Sorgen, Mama. Es geht nichts kaputt, und es geht dir nichts verloren. Werde du erst mal gesund", beruhigte sie Monika.

    „Das ist genug jetzt. Sie muss weggebracht werden", meinte der Arzt.

    „Alles Gute, Mama!", rief Monika ihrer Mutter nach, als die, auf der Trage liegend, weggeschoben wurde.

    „Sie müssen jetzt gehen, liebes Kind", erklärte die ältere Schwester.

    Monika hatte es schon auf der Zunge, der Schwester zu sagen, dass sie sich nicht als „liebes Kind" fühlte, aber sie unterließ es, trat hinaus auf den Gang, wo Ernst Thiessen schon wartete.

    „Sie macht sich Sorgen um den Fisch, fünfzehn Tonnen Fisch."

    Ernst Thiessen kratzte sich am Hinterkopf. „Dieselben Sorgen mache ich mir auch."

    „Ich habe so getan, als wüssten wir eine Lösung", meinte Monika.

    „Na ja, ich sehe eine Chance. Aber ob es eine Lösung ist? Ich müsste mit Kühn sprechen."

    „Mit Kühn? Unserem großen Konkurrenten? Wissen Sie nicht, Herr Thiessen, dass der uns schon Marconi abgeluchst hat?"

    „Ja, ich habe es gehört. Es ist eine Gemeinheit. Was macht ihr denn ohne Koch?"

    Monika hatte nicht die geringste Ahnung und zuckte die Schultern.

    „Ich kann es recht gut mit Kühn. Vielleicht lässt er sich erweichen und nimmt den Fisch ab. Ich hätte ihm sowieso in drei Tagen eine Ladung bringen müssen. Ich glaube schon, dass er den Fisch übernimmt."

    „Und den in drei Tagen, den müsste er ebenfalls übernehmen."

    „Das wird er auch tun. Wie ich Kühn kenne, wittert er hier eine Chance, nämlich in Ihren Kundenkreis einzudringen."

    „Ich habe gar keine Ahnung, wie viel Kunden wir haben. Ich habe überhaupt von dem Geschäft keine Ahnung, meinte Monika, und zum ersten Male in ihrem Leben bedauerte sie das. Bisher hatte sie nie in den Betrieb „hineinriechen wollen. Aber jetzt begann sie zu begreifen, was die Mutter immer gewollt hatte, wenn sie mit ihrem Wunsch kam, dass Monika doch mit ihr im Betrieb arbeiten sollte, statt Ärztin zu werden, wie sie es vorhatte. Aber ob das je etwas werden würde, war ohnehin ungewiss. Es gab ja viel zu wenig Studienplätze. Ihr Abitur war auch nicht so glorreich, dass sie sich eine große Chance errechnen konnte. Blieb nur die Losauswahl, und das war eben doch mehr oder weniger ein Lotteriespiel. Indem sie als Praktikantin in der Paul-Ehrlich-Klinik arbeitete, erhoffte sie sich ein Vergrößern der Chance, in die nähere Auswahl zu gelangen. Aber ob ihr das wirklich half, wusste sie nicht.

    „Ich werde mit Kühn reden, erklärte Ernst Thiessen wieder, „auf alle Fälle wird nichts so heiß gegessen, wie es gekocht wird. Machen Sie sich mal keine Sorgen, Fräulein.

    „Sie haben sich so bemüht. Ich weiß gar nicht, wie ich Ihnen danken soll, Herr Thiessen."

    „Ach, lassen Sie mal, winkte er ab. „Wissen Sie, Fräulein Monika, ich kenne Ihre Mutter ja auch schon eine ganze Zeit. Damals als Ihr Vater starb, da hat sie ihren Mut bewiesen, der mir immer imponiert hat. Sie hat in ihre schmalen Hände den Betrieb genommen und weitergeführt, obgleich das, wie man jetzt sieht, über ihre Kraft gegangen ist. Sie hätte Hilfe gebraucht. Aber mir selbst geht es ja ähnlich. Ich kämpfe auch. Und meine Situation ist gar nicht so viel anders als die Ihrer Mutter. Sehen Sie, ich fahre allein. Mir gehört der Lastzug. Er lachte. „Na ja, eigentlich gehört er der Bank, denn er läuft ja mehr auf Wechseln als auf Gummi. Die Konkurrenz ist groß, und das drückt auf die Preise. Ich hätte auch jemand nötig, der mir hilft. Meine Frau, die ist früher auch gefahren, aber jetzt ..." Er sprach nicht weiter.

    „Ist sie krank?", fragte Monika besorgt.

    Er schüttelte den Kopf. „Sie ist vor drei Jahren gestorben. An einer Lebergeschichte, Viruserkrankung haben die Ärzte gesagt, und das hatten wir uns im Urlaub geholt, dem einzigen Urlaub unseres Lebens; dem einzig richtigen. In Spanien sind wir gewesen. Ach was, winkte er ab, „reden wir nicht mehr davon. Kümmern wir uns jetzt einmal um das, was hier wirklich wichtig ist: die Ladung Fisch zum Beispiel. Er blickte auf die Armbanduhr. „Vor neun Uhr bekomme ich Kühn nicht. Sein Sohn könnte früher da sein, aber ob der es entscheiden will? Bis jetzt hat er das nie gewollt."

    „Kühn hat einen Sohn? Das weiß ich gar nicht."

    Thiessen warf einen nachsichtigen Blick auf Monika, sagte aber nichts. Sie weiß so vieles aus dieser Branche nicht, dachte er. Es wird höchste Zeit, dass sie sich einmal darum kümmert. Hätte sie längst tun sollen. Ihre Mutter braucht sie. Aber wie die Kinder so sind. Die sehen so etwas nicht. Oder wenn sie es sehen, dann erst, wenn es zu spät ist. Hoffentlich ist es noch nicht zu spät."

    3

    Dr. Winter strich sich das blonde Haar aus der Stirn, fuhr sich nachdenklich mit zwei Fingern über die rechte, schon grau gewordene Schläfe und sah über die Lesebrille hinweg auf seinen Assistenten Doktor Ansorge. Neben ihm stand Renate Anger, Doktor Winters blonde Sprechstundenhilfe.

    Der untersetzte, junge und sehr sportlich wirkende Doktor Richard Ansorge hatte einen blauen Zettel in den Händen.

    „Was ist denn noch? Ach ja, Sie hatten ja Bereitschaft, Herr Ansorge. Ist da wer hereingekommen? Doktor Ansorge schüttelte den Kopf. „Nein, nein, jedenfalls nicht zu uns auf 3 B. Auf die Innere ist heute Nacht eine Frau eingeliefert worden, bei der Verdacht auf Herpes Zoster besteht, die aber auch unerklärliche Gebärmutterblutungen hat.

    „Und?", fragte Doktor Winter und sah aus seinen blauen Augen auf den jungen Assistenzarzt.

    „Na ja, ich war ja dann heute Morgen schon um sieben Uhr da, und die Kollegen haben mich gebeten, den Uterus zu untersuchen. Das habe ich getan. Soweit ich feststellen konnte, liegt nur eine leichte Entzündung vor. Aber es sieht so aus, als würde dies immer wieder rezidivieren."

    „Sehen Sie einen Zusammenhang mit dieser Gürtelrose?"

    „Ich weiß nicht recht. Erst hab ich das gedacht, erklärte Doktor Ansorge, „aber dann ... Also wenn Sie mich fragen, Herr Chefarzt, ich meine, dass Frauen in diesem Alter, wenn solche rezidivierenden Entzündungen auftreten, grundsätzlich eine Hysterektomie vornehmen lassen sollten.

    „Aber Himmel, Sie können doch nicht jeder Frau, die ein paarmal solche Entzündungen hat, gleich die Gebärmutter herausnehmen! Meinen Sie, eine Totaloperation wäre der Weisheit letzter Schluss? Ich weiß, dass es eine Menge Kollegen gibt, die dafür plädieren, dass in einem solchen Falle eine Totaloperation das kleinere Übel wäre als ein Krebs, aber haben Sie einmal überlegt, welche schwerwiegenden psychischen und physischen Folgen das auf das Leben einer Frau hat?"

    „Auf eine Frau von vierzig?", fragte Doktor Ansorge zweifelnd.

    „Natürlich, auch eine Frau von vierzig. Was glauben Sie denn? Das ist doch keine alte Frau. Und selbst bei einer alten Frau kann das erhebliche Nebenwirkungen haben. Und solange nur ein paar Entzündungen zu kurieren sind, brauchen wir doch nicht gleich von einer Hysterektomie zu reden."

    „Es war nur ein Gedanke, Herr Chefarzt."

    „Können wir nicht mit der Sprechstunde anfangen?, erkundigte sich Renate Anger ungeduldig. „Wir haben über vierzig Leute draußen.

    „Da wäre noch eine Kleinigkeit, Herr Chefarzt, sagte Doktor Ansorge. „Über diese Frau, die heute Nacht auf die Innere gebracht worden ist, wollte auch der Oberarzt der Inneren mit Ihnen sprechen.

    Doktor Winter wandte sich an Renate Anger. „Rufen Sie Herrn Zöller nachher einmal an, und verbinden Sie ihn mit mir. Er kann mir auch am Telefon sagen, wo ihn der Schuh drückt. Und jetzt, meine Herrschaften, beginnen wir mit der Sprechstunde, oder gibt es noch etwas?" Er sah Doktor Ansorge fragend an.

    „Ja, ich hätte noch eine Kleinigkeit; wenn es ginge, unter vier Augen." Er warf Renate Anger einen auf fordernden Blick zu, und die verstand. Sie schien nicht begeistert zu sein, dass sie gehen sollte, sah Doktor Winter noch vorwurfsvoll an und verschwand nach draußen.

    „Also schießen Sie los!, begann Doktor Winter. „Wo brennt es?

    „Ich habe eine gute Bekannte, eine sehr gute Bekannte, wenn Sie verstehen, was ich meine erklärte Doktor Ansorge. „Da ist etwas schiefgegangen. Es ist natürlich klar, dass ich das nicht so einfach machen kann, will ich auch nicht. Und hier in der Klinik ... ich weiß auch nicht. Ich wollte ihr eine Adresse in Holland geben oder in England … oder in Österreich oder sonst wo. Sie werden ihr diese Adresse nicht geben. Jedenfalls nicht in Ihrer Eigenschaft als Arzt, meinte Doktor Winter. „Wir haben hier ganz andere Möglichkeiten. Es gibt Pro familia und andere Beratungsstellen. Wir brauchen deshalb die Frau nicht nach Holland, England oder Österreich zu schicken."

    Doktor Ansorge machte ein bedenkliches Gesicht. „Die Frau ist verheiratet, und das Kind ist nicht von ihrem Mann."

    Doktor Winter blickte den jungen Kollegen forschend an. „Sind Sie etwa der Vater?"

    Doktor Ansorge schüttelte den Kopf. „Nein, ein Freund. Ich habe mir lange überlegt, ob ich ihm helfen soll. Aber ich bin zu dem Schluss gekommen, dass es besser wäre, wenn ich es nicht tue."

    Doktor Winter sagte nichts, aber er dachte: Ich hatte von dir eigentlich auch nichts anderes erwartet. Du bist zu ehrgeizig. Du würdest niemals ein Risiko eingehen, das deine Karriere gefährden könnte. Ganz gleich, ob das vom moralischen Standpunkt richtig oder falsch ist. Du willst nicht anecken. Du willst deine Zukunft nicht in der geringsten Weise gefährden. Am liebsten hättest du im Handumdrehen deine fünfhundert Operationen gemacht, die du hinter dich bringen musst, um Facharzt für Gynäkologie zu werden. Nun gut, und jetzt soll ich dir einen Rat geben.

    Als habe er die Gedanken seines Chefarztes erraten, meinte der junge Assistent: „Ich hatte gehofft, von Ihnen einen Rat zu bekommen."

    „Sie hatten gehofft, von mir eine Adresse zu bekommen", korrigierte ihn Doktor Winter.

    Doktor Ansorge zuckte wie unter einem Schlag zusammen. Sein Gesicht lief dunkel an, und Doktor Winter erwartete eine heftige Antwort. Aber die verkniff sich Doktor Ansorge. Gepresst stieß er hervor: „Es war nur eine Frage, Herr Chefarzt. Entschuldigen Sie bitte, dass ich Ihre Zeit in Anspruch genommen habe." Schon wirbelte er herum und hastete aus dem Zimmer.

    Doktor Winter zuckte die Schultern und dachte: Wir haben uns von Anfang an nicht besonders verstanden. Dein Ehrgeiz, mein lieber Freund, hat mir nie gefallen. Du willst Karriere machen um jeden Preis. Und jetzt möchtest du von mir einen Rat. Geht die Sache irgendwie schief oder kommt heraus, traue ich dir zu, dass du am Ende noch sagst, woher du das weißt. Aber ich würde dir diesen Rat sowieso nicht gegeben haben. Leute, die sich nicht an die Spielregeln halten, müssen ihre Suppe auch allein auslöffeln. Ich bin bestimmt nicht derjenige, der solche Geschichten ausbügelt.

    Er drückte auf den Knopf, und Renate Anger kam herein, blieb direkt an der Tür stehen und fragte: „Können wir jetzt anfangen, Herr Chefarzt?"

    „Können wir."

    Sie machte noch einen Schritt auf den Schreibtisch zu, lächelte und fragte leise: „Was war denn mit dem los?

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