Arizona Top Western Großband Dezember 2018
Von Alfred Bekker, Heinz Squarra, John F. Beck und
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Über dieses E-Book
Heinz Squarra: Jacksons Flucht nach Westen
Alfred Bekker: Zum Sterben nach Sonora
John F. Beck: Das blutige Gold von San Rafaelo
R.S.Stone: Ein Mann wie Nolan Harper
Glenn Stirling: Duell im Panhandle
John F. Beck: Zwei heiße Eisen für John Lantry
Bill Jackson ist als Spieler auf den großen Flussdampfern des Mississippi unterwegs. Dabei bekommt er Ärger mit einem Mann namens Jules Carpenter. Dem passt es ganz und gar nicht, dass Bill ein Auge auf seine Verlobte Alice geworfen hat. Für Carpenter gibt es nur eins, um den lästigen Rivalen aus dem Weg zu räumen. Er fordert Bill zu einem Duell und zieht dabei selbst den Kürzeren. Yancey Carpenter, sein Vater, ist ein einflussreicher Richter in der Region - und er will Bill tot sehen. Deshalb muss Bill Jackson fliehen. Aber er hat Schatten auf seiner Fährte, auch wenn ihn seine Flucht weit nach Westen führt.
Alfred Bekker
Alfred Bekker wurde am 27.9.1964 in Borghorst (heute Steinfurt) geboren und wuchs in den münsterländischen Gemeinden Ladbergen und Lengerich auf. 1984 machte er Abitur, leistete danach Zivildienst auf der Pflegestation eines Altenheims und studierte an der Universität Osnabrück für das Lehramt an Grund- und Hauptschulen. Insgesamt 13 Jahre war er danach im Schuldienst tätig, bevor er sich ausschließlich der Schriftstellerei widmete. Schon als Student veröffentlichte Bekker zahlreiche Romane und Kurzgeschichten. Er war Mitautor zugkräftiger Romanserien wie Kommissar X, Jerry Cotton, Rhen Dhark, Bad Earth und Sternenfaust und schrieb eine Reihe von Kriminalromanen. Angeregt durch seine Tätigkeit als Lehrer wandte er sich schließlich auch dem Kinder- und Jugendbuch zu, wo er Buchserien wie 'Tatort Mittelalter', 'Da Vincis Fälle', 'Elbenkinder' und 'Die wilden Orks' entwickelte. Seine Fantasy-Romane um 'Das Reich der Elben', die 'DrachenErde-Saga' und die 'Gorian'-Trilogie machten ihn einem großen Publikum bekannt. Darüber hinaus schreibt er weiterhin Krimis und gemeinsam mit seiner Frau unter dem Pseudonym Conny Walden historische Romane. Einige Gruselromane für Teenager verfasste er unter dem Namen John Devlin. Für Krimis verwendete er auch das Pseudonym Neal Chadwick. Seine Romane erschienen u.a. bei Blanvalet, BVK, Goldmann, Lyx, Schneiderbuch, Arena, dtv, Ueberreuter und Bastei Lübbe und wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt.
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Arizona Top Western Großband Dezember 2018 - Alfred Bekker
Alfred Bekker, Heinz Squarra, John F. Beck, R.S.Stone, Glenn Stirling
Arizona Top Western Großband Dezember 2018
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Inhaltsverzeichnis
Arizona Top Western Großband Dezember 2018
Copyright
Heinz Squarra: Jacksons Flucht nach Westen
Alfred Bekker: Zum Sterben nach Sonora
JOHN F. BECK: Das blutige Gold von San Rafaelo
R.S.Stone: Ein Mann wie Nolan Harper
Glenn Stirling: Duell im Panhandle
JOHN F. BECK: Zwei heiße Eisen für John Lantry
Arizona Top Western Großband Dezember 2018
Alfred Bekker, Heinz Squarra, John F. Beck, R.S.Stone, Glenn Stirling
Dieses Buch enthält folgende Western:
Heinz Squarra: Jacksons Flucht nach Westen
Alfred Bekker: Zum Sterben nach Sonora
John F. Beck: Das blutige Gold von San Rafaelo
R.S.Stone: Ein Mann wie Nolan Harper
Glenn Stirling: Duell im Panhandle
John F. Beck: Zwei heiße Eisen für John Lantry
Bill Jackson ist als Spieler auf den großen Flussdampfern des Mississippi unterwegs. Dabei bekommt er Ärger mit einem Mann namens Jules Carpenter. Dem passt es ganz und gar nicht, dass Bill ein Auge auf seine Verlobte Alice geworfen hat. Für Carpenter gibt es nur eins, um den lästigen Rivalen aus dem Weg zu räumen. Er fordert Bill zu einem Duell und zieht dabei selbst den Kürzeren. Yancey Carpenter, sein Vater, ist ein einflussreicher Richter in der Region – und er will Bill tot sehen. Deshalb muss Bill Jackson fliehen. Aber er hat Schatten auf seiner Fährte, auch wenn ihn seine Flucht weit nach Westen führt.
Copyright
Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker
© Roman by Author / Cover 2018: Tony Masero
Redaktion und Korrektorat: Alfred Wallon
© dieser Ausgabe 2018 by Alfred Bekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.
www.AlfredBekker.de
postmaster@alfredbekker.de
Heinz Squarra: Jacksons Flucht nach Westen
Bill Jackson ist als Spieler auf den großen Flussdampfern des Mississippi unterwegs. Dabei bekommt er Ärger mit einem Mann namens Jules Carpenter. Dem passt es ganz und gar nicht, dass Bill ein Auge auf seine Verlobte Alice geworfen hat. Für Carpenter gibt es nur eins, um den lästigen Rivalen aus dem Weg zu räumen. Er fordert Bill zu einem Duell und zieht dabei selbst den Kürzeren. Yancey Carpenter, sein Vater, ist ein einflussreicher Richter in der Region – und er will Bill tot sehen. Deshalb muss Bill Jackson fliehen. Aber er hat Schatten auf seiner Fährte, auch wenn ihn seine Flucht weit nach Westen führt.
Die Bill Jackson Story war eine mehrbändige Saga von Heinz Squarra und erschien zuerst Mitte der 60er-Jahre. Bis heute wurden diese Romane nie wieder veröffentlicht, obwohl gerade die Bill Jackson Story mit zum Besten zählt, was Heinz Squarra jemals geschrieben hat. Diese Saga des Autors erscheint jetzt nach mehr als 50 Jahren endlich wieder als eBook.
*
Bill Jackson zuckt zusammen, als er das Geräusch hinter sich hört. Er fährt herum, während er sich auf die Deckplanken fallen lässt. Vor ihm, bei den Deckaufbauten, blitzt es auf. Grollend rollt das Echo des Schusses über den leise rauschenden Mississippi. Ein hämisches Lachen erschallt, als Bill liegenbleibt, als wäre er getroffen worden. Dann löst sich eine Gestalt aus der Dunkelheit und nähert sich schnell.
Bill Jackson springt auf und fällt den Mann an. Mit einem wilden Hieb trifft er ihn am Kinn und schmettert ihn in die Dunkelheit der Deckaufbauten zurück. Er jagt dem Mann nach und rennt dabei in einen Aufwärtshaken.
Er wird am Kinn getroffen, stolpert über ein Tau und fällt auf die Bretter. Der Mann vor ihm schreit auf und wirft sich auf ihn.
Jackson glaubt, alle Rippen brächen ihm, als das Gewicht des Mannes auf ihm landet. Er riecht den üblen Fuselatem des Mannes und setzt sich verzweifelt zur Wehr. Plötzlich kann er die angezogenen Beine unter den Leib des Mannes klemmen. Wie einen Pfeil wirft er den Feind damit zurück. Der Mann rennt rückwärts zu der Stelle, wo die Reling unterbrochen ist. Kurz davor fängt er sich.
Da steht Bill Jackson wieder auf den Beinen. Die graue Samtschleife unter dem Kragen seines Spitzenhemdes hängt schief. Er geht vorwärts, während der Atem keuchend aus seinem Mund kommt. Er hat den Mann, der da steht, noch nie zuvor gesehen. Es kann nur ein bezahlter Killer sein. Er hasst diese Sorte. Und so schlägt er wieder hart und gnadenlos zu.
Der Halunke taumelt und verschwindet in der Lücke in der Reling. Ein klatschendes Geräusch ist zu hören. Dann übertönt das leise Rauschen des Mississippi alle anderen Geräusche.
Bill Jackson lässt die Arme sinken. Er wendet sich um und sieht einen Mann, der auf der anderen Seite an der Reling lehnt und an einer langen, schwarzen Zigarre zieht.
„Bravo", sagt der Mann und zieht wieder.
Bill geht langsam zu ihm hinüber. Er blickt ihn forschend und halb wissend an. Diesen Mann kennt er. Es ist Jules Carpenter. Der Sohn eines der reichsten und einflussreichsten Männer dieses Landes. Carpenter mag fünfundzwanzig Jahre alt sein. Fünf Jahre älter als Bill. Er ist ein schmaler Mann, mit einem dunklen Gesicht und blauschwarzen Haaren. Seine spanische Abstammung ist unverkennbar.
„Er fiel mich an, sagt Bill. „Genauer gesagt, er schoss aus dem Hinterhalt auf mich. Sind Sie gekommen, um zu sehen, wie er getroffen hat, Carpenter?
Jules Carpenter dreht die Zigarre zwischen den Fingern und blickt auf die Glut.
„Was wollen Sie damit sagen?", fragt er.
„Das wissen Sie doch."
„Nein, Jackson. Ich weiß es nicht."
Bill blickt zu den dunklen Aufbauten. Er wundert sich, dass niemand kommt. Viele der Menschen an Bord des still liegenden Schiffes müssen den Schuss gehört haben.
Aber vielleicht hat Jules Carpenter die Menschen abbestellt.
„Warum sagen Sie nicht, was Sie meinen, Jackson?", redet Carpenter weiter. Ein dünnes Grinsen lässt sein Bärtchen auf der Oberlippe wackeln.
Bill wendet sich mit einem Ruck um. Als er sich drei Schritte entfernt hat, holt ihn Carpenters Ruf ein.
„Jackson, einen Moment!"
Bill dreht sich um.
Carpenter kommt ihm nach und beschreibt mit der Zigarre einen Bogen durch die Luft.
„Ich biete Ihnen fünfhundert Dollar, wenn Sie das Schiff noch in dieser Nacht verlassen."
Bill blickt den arroganten Mann, dessen Vater der Richter in Hannibal drüben am Ufer sein soll, einen Moment an, dann dreht er sich um und geht weiter.
*
Als er die Kabine des Kapitäns betritt, sitzt William Brown, der Eigner der „Shreveport" in einem tiefen Sessel und blickt ihm entgegen. Bill schiebt die Tür hinter sich zu.
Brown dreht den Docht der Kerosinlampe höher, so dass es in der Kabine heller wird.
„Haben Sie einen Schuss gehört?", erkundigt sich Bill.
„Ja, sagt der.Kapitän zögernd. „Einen Schuss hörte ich.
„Und? Warum gingen. Sie nicht hinaus?"
„Ich ... ich war schon ..."
„Sie waren unterwegs, und Carpenter schickte Sie zurück, nicht wahr?"
Brown steht auf.
„Hören Sie, Bill, ich kann Sie gut leiden ..."
„War es Carpenter, der Sie zurückschickte?", fragt Bill beharrlich.
„Ja, er war es. Ich schickte auch die anderen zurück, die hinaus wollten. Bill, ich will Ihnen etwas anderes sagen: Carpenter ist ein wilder Bursche. Eines Tages wird es mit ihm ein schlimmes Ende nehmen. Aber ich kann Sie wirklich gut leiden. Sie sollten nicht derjenige sein, der sein Ende verschuldet. Carpenters Vater, Yancey Carpenter, ist der Richter in Hannibal. Der einflussreichste Mann der Stadt. Er würde Sie bis ans Ende der Welt verfolgen und zur Strecke bringen. Also, lassen Sie die Finger von Carpenter. Ich will mich auch nicht mit ihm anlegen."
Bill Jackson atmet langsam aus. Er denkt an Jules Carpenters Schwester Alice. Ein hübsches, dunkles Mädchen mit grünen Augen, mit einem perlenden Lachen, und mit der Lebensfreude einer jungen Frau.
Es war Zufall gewesen, dass Jules ihn mit Alice gesehen hatte. Gestern, in der Stadt. Wahrscheinlich hatten sie dann zu Hause aus ihr herausgeholt, dass sie ihn schon länger kennt.
Dagegen haben sie etwas. Er, der arme Spieler, verkommen, Abschaum. Und sie, die mächtigen Carpenters mit dem riesigen Land und den vielen Dörfern darauf.
Dagegen haben sie so viel, dass sie ihm einen bezahlten Mörder auf den Hals schicken.
„Bill, verlassen Sie das Schiff. Verlassen Sie auch die Stadt, dringt die Stimme des alten Kapitäns an seine Ohren. „Es hat keinen Zweck.
Er dreht sich um, klinkt die Tür auf und verlässt die Kabine. Er ist entschlossen, das Schiff nicht zu verlassen. Er hat noch niemals nachgegeben. Er ist ein junger Mann von zwanzig Jahren, der noch glaubt, mit dem Kopf durch die Wand und durch alle Vorurteile zu können.
Als er den Spielsaal betritt, hebt ein Mann an einem der grünbezogenen Tische die Hand.
„Kommen Sie, Jackson!, ruft er. „Wir warten schon auf Sie! Wo waren Sie denn die ganze Zeit?
Wahrscheinlich ist der Schuss hier nicht gehört worden, denkt Bill, während er den Tisch ansteuert und sich auf seinen Stuhl setzt.
Der Mann neben ihm verteilt die Karten. Bill nimmt auf und setzt. Er legt ab, kauft und setzt wieder. Er macht es mechanisch, denkt sich nichts dabei. Er ist nicht mehr bei der Sache.
Viermal war er mit ihr aus. Sie ist ein hübsches Mädchen. Und so vornehm. Sie spricht in einer gedrechselten, altmodischen Sprache. Und doch ist an ihr alles wie eine fremde Welt, an der er immer neue Wesenszüge entdecken konnte.
Nein, er wird weder das Schiff noch die Gegend verlassen.
Plötzlich tritt ein Mann an den Tisch. Ein Mann im schwarzen Anzug, mit bunter Weste und New Orleans-Schleife unter dem Kragen des weißen Hemdes. Bill hebt den Kopf.
„Darf man mithalten?", fragt Jules Carpenter mit einem salzigen Lächeln.
Bill merkt, dass er nickt, obwohl er lieber sagen wollte, er möge sich zum Teufel scheren, wo er hingehört.
Carpenter setzt sich.
Bill bekommt die Karlen zugeschoben. Er teilt aus und versucht, den Mann auf der anderen Seite zu übersehen.
Chips rollen zur Mitte des Tisches.
Carpenter schiebt einen ganzen Stoß in die Mitte.
„Zweihundert gegen die Bank", sagt er.
Bill Jackson zieht gleich. Zwei Jahre fährt er nun auf diesem Schiff. Immer hat er gleich gezogen. Und immer mehr hat er gelernt. Er kennt sie alle - sie und ihre Art, zu spielen.
Nach einer halben Stunde hat Carpenter tausend Dollar verloren. Vielleicht ist das für einen Mann wie ihn kein Verlust. Und doch ärgert er sich darüber, wie Bill erkennt.
*
Das erste Grau des anbrechenden Tages kriecht vom Fluss herauf und zu den kleinen Fenstern hinein. Sie spielen immer noch.
Plötzlich springt Carpenter auf und wirft seine Karten offen auf die grüne Platte.
„Falschspieler!", schreit er und streckt den Arm in Bills Richtung aus.
Bill Jackson spürt den Zorn, der ihn ergreift. Natürlich hat jeder gesehen, dass er nicht falsch gespielt hat.
„Er zog eben eine Karte aus dem Ärmel!, faucht Carpenter. „Jetzt weiß ich, wieso er immer gewinnt!
„Aber, Mr. Carpenter!", sagt der Advokat rechts von Bill ermahnend.
Bill steht auf. Sein Gesicht ist so weiß wie eine Wand. Er hört sein Blut in den Schläfen pochen. Seine Faust geht von selbst los, sticht über den Tisch und trifft das Kinn Carpenters wie ein Hammer. Er fliegt über den Stuhl, der krachend zerbricht, und landet auf dem Boden.
Als Carpenter aufgestanden ist, sind alle Geräusche im Saal verstummt. Er betastet sein Kinn und blickt zu Bill hinüber, der die Hand etwas angehoben hat, so dass er blitzschnell nach dem Derringer in der Schulterhalfter greifen kann.
Carpenter schiebt die Trümmer des Stuhls mit den Füßen zur Seite. Plötzlich lächelt er. Es sieht etwas verzerrt, aber sehr siegreich aus.
Und da weiß Bill, dass der Mann auf den Schlag gewartet hat.
„Ich schicke meinen Sekundanten zu Ihnen", sagt Jules Carpenter steif und geht davon.
*
Das Schiff schaukelt leicht. Sonnenstrahlen irren durch das Fenster in den engen Raum hinein. Bill Jackson liegt in der Bunk und blickt den Kapitän an, dessen schrankbreite Schultern die Türöffnung fast ausfüllen.
„Wann?", fragt William Brown.
„Morgen um sechs."
„Sie werden natürlich vorher verschwinden, nicht wahr?"
„Warum?"
„Weil Richter Yancey Carpenter das Duellieren verboten hat. Es macht keinen Unterschied, wenn sein Sohn dabei ist."
„Und wenn sein Sohn der Überlebende ist?"
Brown kommt näher und blickt Bill eindringlich an. Schnaufend kommt die Luft aus seinem Mund.
„Ich habe Ihnen schon einmal gesagt, dass ich nicht gegen den Strom schwimmen will, Bill. Sie sind ein junger, unfertiger Bursdie. Sie bilden sich Dinge ein, die es nicht gibt und niemals geben wird. Sie kennen den Süden nicht. Deshalb sollten Sie mir glauben. Ich bin ein alter Mann, der viele Erfahrungen gesammelt hat. Ich kann Sie so gut verstehen, weil ich als junger Bursche genauso war."
„Würden Sie meinen Sekundanten machen?", fragt Bill kühl, ohne auf die Worte Browns einzugehen.
„Ich? Sehe ich so verrückt aus?"
„Gut, Kapitän. Ich finde auch einen anderen Mann. Es war nur eine Frage. Ich werde mit Phil Morris, dem Advokaten, reden."
„Sie sollten Ihre Sachen packen und verschwinden. Brown schlägt mit der Hand durch die Luft, als wollte er sie spalten. „Wenn Sie Jules wirklich erschießen können, wird sein Vater Sie dafür hängen.
„Ich würde mich gern erschießen lassen, wenn ich dann sehen könnte, wie Carpenter seinen eigenen Sohn hängen lässt. Aber vielleicht ist das auch gar nicht so interessant. Hat Carpenter sich schon oft duelliert?"
„Ich weiß nicht. Ich sagte doch, dass Duelle verboten sind. Wenn wirklich welche stattfinden, wird es nicht bekannt."
„Dann wird das unsere sicher auch totgeschwiegen werden."
„Aber nur, wenn Carpenter es überlebt und Sie tot sind", knurrt Brown und stampft hinaus.
*
Tau hängt glitzernd im Ufergras, als Bill das Schiff verlässt. Die Sonne ist noch nicht aufgegangen. Irgendwo in den Büschen zwitschert ein Vogel. Dämpfe steigen aus dem Fluss.
Der dunkle Wagen mit den vier Kentucky-Füchsen davor steht schon da. Phil Morris hält die Tür auf. Er ist ein spindeldürrer Mann von etwa sechzig Jahren. Er scheint irgend etwas gegen die Carpenters zu haben, dass er sich bereit fand, das undankbare Amt des Sekundanten zu übernehmen. Er zieht die Tür zu. Rasselnd setzt sich die Kutsche in Bewegung.
Bill lehnt sich gegen das Rückenpolster. Er denkt an die ärmliche Farm seines Vaters in Kentucky. Wie roh und klotzig dort alles war. Eine Kutsche mit Federn und Polstern sah er hier zum ersten Mal. Alles ist hier anders. Die Männer sagen sich Förmlichkeiten, ehe sie sich über den Haufen schießen.
„Haben Sie schon einmal aus einer Duellpistole geschossen?", fragt Morris,
Bill dreht den Kopf und schaut den Mann an.
„Nein, antwortet er. „Ist es schwierig?
„Sie ist jedenfalls schwerer als ein Derringer. Man ist auch gut beraten, wenn man ein paar Zoll höher hält, als man treffen will."
„Danke."
Eine Weile fahren sie schweigend durch einen langgestreckten Wald.
„Natürlich werden Sie das Mädchen nie wiedersehen, meint Morris schließlich. „Wenn Sie es überleben, was ich sehr wünsche, müssen Sie verschwinden. Ich möchte nicht, dass Yancey Carpenter Sie aufhängen lässt. Er wird es mit Sicherheit tun, wenn er Sie greifen kann. Er weiß zwar, dass Jules gar nichts taugt. Aber er hat nur diesen einen Sohn. Da ist übrigens noch etwas: Alice ist verlobt.
Bill atmet langsam aus. Sein Blick ist ungläubig auf den Mann gerichtet.
„Das können Sie ruhig glauben, Jackson. Ihr Verlobter macht nächste Woche das Examen."
„Das ist unmöglich."
„Warum? Weil sie mit Ihnen getändelt hat? Sie ist ein lebenslustiges Mädchen. Sie spielt mit den Männern. Sie sind nicht der erste, der ihretwegen schnell verschwinden muss. Natürlich gingen die anderen alle freiwillig. Vielleicht macht Alice das nur, um Jules und ihren Vater zu ärgern. Die Carpenters sind ein Menschenschlag für sich. Wir sind da."
Der Wagen biegt nach links ab, kommt auf eine große Waldlichtung und hält an. Bill sieht durch das glaslose Fenster auf der anderen Seite einen zweiten Wagen an der Waldgrenze stehen. Aus ihm steigen eben zwei schwarzgekleidete Männer. Keiner davon ist Carpenter.
„Ihr Verlobter heißt Hiram Arcon, redet der alte Advokat weiter. „Er will Doktor der Medizin werden. Wenn Sie Wert darauf legen, sage ich Jules, dass Sie sich entschuldigen wollen.
Bill stößt die Tür auf und steigt aus.. „Er hat einen Mann bezahlt, der mich ermorden sollte, entgegnet er. „Schon deshalb kann ich mich nicht entschuldigen. Was Sie sonst noch sagten, war sehr interessant.
„Tut mir leid, Jackson, dass ich es Ihnen sagen musste. Es ist die Wahrheit. Ich will vermeiden, dass Sie wegen des Mädchens eventuell noch mehr als dieses Duell riskieren."
Der Advokat steigt hinter Bill aus, geht um das Gefährt und zieht einen McClellan-Sattel aus dem hinten angebrachten Kasten.
„Ich habe Sie auf dem Schiff schon schießen sehen, fährt er fort. „Wahrscheinlich hat Jules das noch nicht gesehen. Er ist sich seiner Sache zu sicher. Ich werde dem Driver sagen, dass er eines der Pferde satteln soll. Sie sind so schneller als mit der Kutsche, die ich Ihnen natürlich auch gern überlassen würde. Können Sie reiten?
„Ja. Und vielen Dank. Warum tun Sie das alles für mich?"
Morris’ Gesicht wird schmal, und seine Augen schließen sich fast völlig.
„Das ist eine andere Sache, stößt er hart hervor. „Wir wollen nicht davon reden. Ich glaube, jetzt kommt er.
Bill hört Pferdehufe stampfen. Räder rasseln über den Boden. Er fühlt, wie sinnlos das alles ist. Und auf einmal möchte er sagen, dass er sich doch lieber entschuldigen will.
Da taucht der dritte Wagen auf. Carpenter steigt aus und sieht ihn mit einem höhnischen, überlegenen Grinsen an.
Bill Jackson verschluckt die Worte, die sich ihm auf die Zunge drängen. Er wird sich nicht entschuldigen. Er wird dem Burschen, der mit dem Geld seines Vater um sich wirft und alle anderen in den Dreck tritt, zeigen, dass jedem Grenzen gesetzt sind. Vielleicht hat er Glück.
Carpenter lässt seinen schwarzen Umhang von der Schulter fallen. Der Kutscher hebt ihn auf.
Bill dreht sich um und geht zu den anderen Männern hinüber. Morris kommt mit ihm und nennt mit leiser Stimme clie Namen der Anwesenden. Bill hört nicht darauf. Es interessiert ihn alles nicht mehr. Alles ist sinnlos. Aber er wird die Sinnlosigkeit mitmachen. Vielleicht wollen sie ihm schon lange keine andere Wahl mehr lassen.
Bill Jackson hört den Wortführer der Gruppe sprechen, während er daran denkt, wohin er gehen soll, wenn er das hier überlebt. Vielleicht wird Carpenters Arm überall hinreichen.
„Jeder macht zehn Schritte und dreht sich auf mein Kommando um, hört er den Mann mit dem steifen Hut sagen. „Es kann sofort geschossen werden. Ist keiner getroffen, werden die Waffen frisch geladen.
Bill geht los, als Morris ihm zunickt. Er macht die zehn Schritte wie im Traum und bleibt dann stehen. Er kann den Kutscher drüben sehen, der eben dem einen Kentucky-Fuchs den Sattel auflegt und den Bauchgurt unter dem Leib des Tieres anzieht, wobei ihm der hohe Hut auf dem Kopf verrutscht.
„Achtung – los!", dringt die metallische Stimme in sein Bewusstsein. Er dreht sich, sieht Carpenters weißes Gesicht, streckt den Arm aus und drückt ab. Er spürt den Rückschlag der schweren Pistole bis hinauf ins Schultergelenk. Gleichzeitig sieht er den Mündungsblitz vor Carpenters Waffe und hört das Surren der Kugel links von sich.
Cenpenter schwankt und stürzt schwer zu Boden. Ein kleiner Mann mit einer schwarzen Tasche in der Hand rennt auf ihn zu und kniet sich auf den feuchten Boden, aus dem noch dünne Morgennebel steigen.
Bill Jackson geht langsam zu den Männern zurück. Der Mann, von dem Morris sagte, er sei der Doc, richtet sich auf.
„Herzschuss, sagt er. „Tot.
Bill lässt die Pistole ins Gras fallen. Er hatte gedacht, es würde ihn irgendwie freuen, dass er den hinterhältigen, nach Geld stinkenden Carpenter erschossen hat. Aber es ist nicht so. Er spürt eine dumpfe Leere in sich. Pulverdampf brennt ihm auf den Lippen. Plötzlich wird sein Arm gepackt. Morris schiebt ihn zu der Kutsche hinüber, und der Driver bringt den gesattelten Fuchs.
„Reiten Sie!, sagt Morris eindringlich. „Noch ist es Zeit! Vielleicht haben Carpenters Freunde etwas dagegen, dass Sie verschwinden. Aber jetzt sind sie über seinen Tod noch zu sehr verwirrt.
Bill sitzt auf einmal im Sattel, ohne zu wissen, wie er auf das Pferd gekommen ist. Er nimmt die Zügel. Das Pferd unter ihm geht von selbst los. Es läuft in den Wald hinein. Zweige peitschen durch sein Gesicht. Er glaubt, einen Galgen zu sehen, von dem eine Schlinge hängt. Und daneben ein Mädchen, in dessen Gesicht Jules Carpenters höhnisches Lächeln steht, das sein Gesicht verzerrte, als er aus der Kutsche stieg. Er beugt sich tiefer über den Hals des Pferdes, und er fragt sich, wohin er sich wenden soll, um der Rache zu entgehen.
Als er aus dem Wald kommt, merkt er, dass sein Pferd nach Westen läuft. Irgendwo weit hinter den Hügeln muss der Missouri River liegen. Und dahinter das Land, das Clark auf seiner Karte die große, amerikanische Wüste nennt. Ein riesiger weißer Fleck, in den in letzter Zeit ein paar Punkte eingezeichnet wurden. Vielleicht endet Yancey Carpenters Macht am Missouri? Aber was wird ihn, Bill, dahinter erwarten? Grauenhafte Geschichten über diese gewaltige Wüste, die nur aus Sand, Gras und verkrüppelten Bäumen und Sträuchern bestehen soll, hat er schon gehört.
Er blickt zurück zu dem Wald, den er verlassen hat. Niemand kommt. Noch nicht!
Als er einen Bach erreicht, treibt er sein Pferd hinein und folgt dem Lauf des Creeks nach Süden. An einer steinigen Stelle verlässt er ihn auf der westlichen Seite. Er muss fast über sich selbst lachen, als ihm zum Bewusstsein kommt, dass er damit seine Spur verwischen wollte.
Yancey Carpenter, wenn er so ist, wie ihm gesagt wurde, wird alles einsetzen, um ihn zu finden. Seine ganze Macht, und sein ganzes Geld. Und vielleicht ist dann nicht einmal das Land jenseits des Missouri River ein sicherer Zufluchtsort.
*
Eines Tages tauchen die windschiefen Holzhäuser vor ihm auf. Dahinter liegt der Fluss. Die Straße ist breit und ausgefahren. Zahllose Trecks gingen hier durch. Independence besteht fast nur aus Stores und Saloons. Und natürlich aus der breiten, langen Fähre, die schon viele hoffnungsvolle Menschen über den Strom brachte.
Bill Jackson reitet langsam durch die Stadt. Hinter dem Fluss sieht er die endlose Hochfläche der Prärie, durch die sich ein paar Wagen schieben. Er erkennt davon nur die weißen Planen, die ihm wie Segel in einem endlosen Meer vorkommen.
Er hält vor einem Store, weil ihm eingefallen ist, dass er andere Kleidung braucht. Irgendwo hat er einmal gehört, dass da drüben das Gras so scharf sein soll, dass es Hosen und Jacken zerschneidet.
Er ist gerade abgestiegen und will den Sattelgurt lockern, als er eine Kutsche sieht, von sechs Pferden gezogen. Die Kutsche kommt vor einem doppelstöckigen Haus zum Stehen. Staub steigt in die Höhe. Nur schattenhaft kann Bill Jackson erkennen, dass sich, der Schlag geöffnet hat. Dann tritt ein Mann aus der gelblichen Wolke wehender Staubkristalle.
Bill duckt sich unwillkürlich tiefer hinter den Sattel. Diesen Mann kennt er. Es ist Carpenters Sekundant, der mit einem dünnen Grinsen in seine Kabine auf der „Shreveport" gekommen war und die Bedingungen genannt hatte.
Sie sind also schon hinter ihm her. Sie haben schnell gehandelt. Und der alte Advokat hat nicht übertrieben. Und sie suchen hier. Ausgerechnet hier, wo die Welt für die meisten Amerikaner zu Ende ist.
Bill sieht den Mann im doppelstöckigen Haus verschwinden. Er dreht sich zum Store und weiß in diesem Moment, dass er keine Zeit zu verlieren hat. Vielleicht wohnt dort in dem Haus ein Richter. Und vielleicht kommen sie in der nächsten Minute hierher.
Er setzt den Fuß in den Steigbügel, schwingt sich in den Sattel und lenkt den Fuchs zur Fähre hinunter. Er reitet auf das breite, leicht schwankende Floß und springt ab.
Der Fährmann kommt aus seinem Blockhaus und verzieht das Gesicht, dass es aussieht, als falte sich ein alter Ledersack zusammen.
„Ich will auf die andere Seite", sagt Bill und sieht wieder zur Stadt hinauf.
„Wegen eines Mannes kann ich nicht fahren, knurrt der Fährmann. „Außerdem, wollen Sie in diesem Aufzug durch die Prärie bis Kalifornien?
„Kalifornien?"
„Ja. Sie sehen wie ein Spieler aus. Sie kommen keine fünfzig Meilen."
Bill blickt wieder zur Stadt hinauf. Der Wagen steht noch immer vor dem hohen Haus, das die anderen überragt. Und der Mann, der im Haus verschwand, ist immer noch nicht zu sehen. Er zieht einen Geldschein aus der Tasche und winkt dem Fährmann damit.
„Fünfzig Dollar!, ruft er gehetzt. „Das sollte eigentlich reichen!
Der Mann dreht den Kopf und blickt zur Stadt hinauf.
„Ach so, meint er verstehend. „Sie werden verfolgt, was?
„Fünfzig Dollar, sagt Bill noch einmal. „Wenn ich gestellt bin, bietet Ihnen kein Mensch mehr diese Summe.
Der Mann steigt auf die Fähre und macht sie los. Er steckt das Geld in die Tasche und stößt mit einer langen Stange gegen das Ufer. Das Führungsseil der Fähre spannt sich an wie eine Geigensaite, als die Strömung das Floß erfasst und mit sich nimmt. Dann wird es hart gestoppt.
Der Mann stößt die lange Stange auf den Grund. Langsam bewegt sich das Floß auf die Mitte des Missouri River zu.
Da sieht Bill den Sekundanten Carpenters aus dem Haus zurückkommen. Neben ihm geht ein zweiter Mann, auf dessen Jacke etwas im Sonnenlicht blitzt. Beide scheinen jetzt hier herunterzublicken. Dann setzen sie sich in Bewegung.
„Schneller!, ruft Bill dem Fährmann zu. „Noch fünfzig!
Er greift in die Tasche und schiebt dem Mann einen zweiten Schein unter das lederne Hutband.
Die Männer kommen immer näher. Sie gehen jetzt im Laufschritt. Der Mann mit dem blinkenden Gegenstand auf der Jacke hebt ein Gewehr. Ein Schuss übertönt das Rauschen des Flusses.
Da schrammt das Floß auf sandigen Untergrund und kommt mit einem jähen Ruck zum Stehen.
„Die brauchen mindestens zwanzig Minuten, um ebenfalls hier sein zu können, brummt der Fährmann. „Vielleicht genügt Ihnen das. Haben Sie eine Waffe?
„Ja"
„Dann ziehen Sie das Ding und richten Sie es auf mich. Verdammt, ich will nicht auch noch fliehen müssen."
Bill richtet den einschüssigen Derringer auf den Mann, während ihm zu Bewusstsein kommt, wie lächerlich seine Bewaffnung ist.
Die Männer haben drüben am Ufer angehalten. Der mit dem Blechschild schreit etwas, aber es geht im Grollen des Flusses unter.
„Gibt es irgendwo eine Furt?", fragt Bill.
„Ich weiß keine, murrt der Fährmann. „Ich kenne den Missouri zehn Meilen auf und zehn Meilen abwärts.
„Ich kaufe Ihnen die Fähre ab. Was kostet sie?"
„Was wollen Sie?"
Bill dreht ein ganzes Bündel Geldscheine in der Hand.
„Sechshundert Dollar, sagt er. „Das dürfte reichen. Kommen Sie ans Ufer!
Der Mann folgt ihm widerstrebend, während er nach dem Geld greift.
„Ich kann auch in zwanzig Minuten noch keine Verfolger gebrauchen, sagt Bill. „Stellen Sie sich dort hinüber!
Der Fährmann gehorcht. Bill greift nach der Axt, die in einem der dicken Stämme steckt. Er kappt das Führungsseil und springt ans Ufer. Die Fähre dreht sich träge, und das Führungsseil läuft durch die Verankerung. Der Strom hat das Floß erfasst und reißt es schnell mit sich nach Südosten.
Bill greift nach den Zügeln des Pferdes. Auf der anderen Flussseite kracht ein Schuss. Die Kugel reißt Sand und Gras in die Höhe. Er wirft sich in den Sattel, dreht das Pferd und hämmert ihm die Absätze in die Flanke. Aufwiehernd rast das Tier nach Westen - ins fremde, unbekannte Land hinein. Er hofft, dass ihn nun niemand mehr verfolgen wird, denn sie werden sich nicht weit in diese Wüste hineingetrauen.
*
Es wird Abend, als er die Wagen einholt, die er wie Segelschiffe in der Prärie von der Stadt aus sehen konnte. Es sind sechs Wagen. Costenogaschoner, die vorn und hinten wie Boote .hochgezogen sind, um ein Verrutschen der Ladung in den Bergen zu verhindern. Er sieht verhärmte Gesichter unter Schlapphüten und Kopftüchern. Frauen und Männer, in deren Augen Angst und Hoffnung miteinander streiten. Niemand stellt ihm eine Frage. Stoisch ziehen die Ochsen die Wagen vorwärts. Langsam. Viel zu langsam für seine Begriffe.
Er blickt zurück. Der Fluss und die Stadt sind verschwunden. Vielleicht wird es viele Tage dauern, bis sie eine neue Fähre gezimmert haben.
Auf dem Bock des ersten Wagens sieht er ein junges Mädchen. Vielleicht ist es sechzehn. Es hat schwarzes Haar und dunkle Augen. Irgendwie ist es Alice Carpenter sehr ähnlich. Aber sie kann unmöglich spanischer Abstammung sein.
Der alte Mann neben dem Mädchen hat ein von Runzeln überzogenes Gesicht, faltige Hände und zerschlissene Kleider. Die knochigen Ochsen vor dem Wagen sehen unterernährt aus.
„Hallo", sagt der Mann. Seine Stimme scheint aus einer tiefen Höhle zu kommen.
Das Mädchen lächelt etwas.
„Guten Tag", erwidert Bill. Er wundert sich darüber, dass ihn niemand fragt, warum er so schlecht ausgerüstet hierher kommt. Vielleicht ist es nicht üblich. Vielleicht ist hier hinter dem Fluss alles anders als auf der östlichen Seite.
Der Mann blickt zur Sonne, die sich weit im Westen immer tiefer zur Erde neigt. Dann lenkt er den Wagen in einem kleinen Bogen nach links.
Die sechs Gespanne fahren zu einem Kreis zusammen. Schweigend spannen die Männer die Zugtiere aus. Ebenso schweigend sammeln die Frauen Holz von den struppigen, verkrüppelten Sträuchern und tragen es zu einem Haufen zusammen. Und immer noch, ohne ein Wort zu sagen, holen sie Wasser, bestreichen die Sauerteigwecken mit Pemmican-Pastete und reichen sie herum. Sie kochen Kaffee und teilen mit wenigen Worten die Wachen ein.
Bill bindet sein Pferd an einem Wagen fest und hockt sich am Feuer nieder. Neben ihm sitzt der alte Mann, der auf dem Bock neben dem jungen Mädchen saß.
„Ich bin Bill Jackson, sagt Bill, um irgend etwas zu sagen. „Ich komme ... komme ...
Er bricht ab, weil er nicht weiß, was er sagen soll, woher er kommt.
Der alte Mann nickt nur. Er stochert im Feuer herum.
„Bridger, sagt er dann. „Wir interessieren uns nicht dafür, woher ein Mann kommt und weshalb er kommt. Jeder von uns hat seinen Grund, hierher zu gehen. Wir behalten ihn alle für uns.
„Wohin gehen Sie?"
„Nicht mehr weit. Noch hundert Meilen westwärts. Ich habe am Platte River ein Stück Land. Fünfundfünfzig Hektar."
„Ach so. Ich dachte, Sie wollten nach Kalifornien."
Der alte Bridger dreht den Kopf.
„Wir wollen Ruhe und Frieden. Die Regierung wird uns das Land, auf das wir uns eingetragen haben, schenken, wenn wir es fertigbringen, es sechs Monate lang zu bewirtschaften. Wir werden das fertigbringen."
Bill hört den festen Willen aus der Stimme des alten Mannes. Sie alle werden wahrscheinlich so denken wie Bridger. Sie sind keine Menschen, die das Glück suchen. Sie wollen nur noch Frieden.
Bill steht auf. Er geht zu Bridgers Wagen hinüber und legt sich darunter. Nach einer Weile hört er Schritte. Über ihm rumort etwas. Er denkt, dass das jenes Mädchen mit den schwarzen Haaren sein könnte, als er den alten Mann erkennt, der auf einmal neben ihm kauert. Er wirft ihm eine Decke zu.
„Die Nächte hier sind kalt, sagt Bridger. „Decken Sie sich zu.
„Danke."
*
In der dritten Nacht übernimmt Bill Jackson mit Owen Brewster zusammen die letzte Wache. Sie gehen außen um die Wagen herum, blicken ins hüfthohe Gras und zu den Sternen, die hier klarer zu sein scheinen als weiter östlich. Sie treffen sich am westlichsten Punkt und blicken sich um.
Brewster ist ein alter Mann. Alle Männer des Trecks sind alt. Auch die Frauen. Nur drei Kinder und die halb erwachsene May Bridger sind bei ihnen.
Owen Brewster stemmt sich auf den Lauf seiner Long Rifle und blickt an Bill hinunter, dessen ehemals piekfeiner Anzug arg gelitten hat.
„Wenn Sie in Kalifornien ankommen, ist von Ihrem Anzug nichts mehr übrig, Jackson, sagt Brewster gedehnt. „Wahrscheinlich hängt Ihnen dann auch die Haut in Fetzen vom Körper.
„Ich weiß. Ich war auf der Flucht. Sie kamen dicht hinter mir. Ich habe noch Geld. Ob man irgendwo etwas kaufen kann?"
„Kaum. Hier draußen hat Geld noch keinen Wert. Es soll ein paar Forts geben. Weiß der Teufel, wo die sind." Owen Brewster spuckt den braunen Tabaksaft ins Gras, nimmt das Gewehr hoch und läuft nach der anderen Seite.
Bill fasst das Sharpsgewehr fester. Bridger hat es ihm gegeben. Er gab ihm auch die Patronen, die er in der Tasche hat. Er geht den Weg zurück, den er gekommen ist.
Plötzlich kracht ein Schuss. Hallend streicht das Echo durch die Prärie, vermischt sich mit einem Schrei und verklingt.
Da kracht wieder ein Schuss. Überall in den Wagen wird es lebendig.
„Indianer!", schreit Brewster von der anderen Seite.
Bill lehnt sich gegen das Rad des Wagens, bei dem er gerade steht. Er starrt in das fahle Dunkel hinaus und sieht nichts als leise wogendes Gras.
Auf der anderen Seite kracht eine ganze Salve. Bill dreht sich um und läuft zurück. Ein helles Schwirren lässt ihn zusammenzucken. Neben ihm fährt ein gefiederter Pfeil in den Wagenkasten. Er sieht eine schattenhafte Gestalt im Grasmeer verschwinden. Immer mehr Schüsse krachen. Ein Pfeil reißt die Plane über Bill auf.
Plötzlich wird es ruhig. Irgendwo wiehert ein Pferd. Hufschlag hallt zu den Wagen herüber. Dicht neben Bill ist ein keuchendes Atmen. Eine Hand greift nach seinem Arm. Er dreht den Kopf und sieht May Bridger. Sie ist weiß wie eine frisch gekalkte Wand.
„Sie sind geflohen, sagt ein Mann. „Diese verdammte Brut!
May lässt seinen Arm los. Sie versucht zu lächeln, aber es gelingt ihr nicht.
„Indianer sollen sehr grausam sein, sagt sie wie entschuldigend. „Ich habe gehört, sie würden Menschen braten und essen.
„Das ist vielleicht nur eine Geschichte", entgegnet Bill rau.
„Anspannen, kommandiert Brewster. „Wir fahren sofort weiter.
Bill drängt das Mädchen in den Kreis der Wagenburg zurück. Überall beginnen die Männer emsig zu arbeiten. Die Frauen räumen das Blechgeschirr zusammen Die Ochsen werden in die Geschirre gedrängt. Zehn Minuten später rollt der erste Wagen los.
Als es hell wird, sind sie schon zwei Meilen von dem Lagerplatz entfernt. Brewster steigt auf den Bock seines Wagens und sucht das Land ab.
„Nichts!", ruft er. Es klingt erleichtert.
„Es scheint nur ein kleiner Haufen gewesen zu sein."
Bill sieht während des ganzen Tages, dass ein dumpfer Druck auf den Menschen lastet.
Als in den folgenden Nächten nichts geschieht, fällt der dumpfe Druck von den Menschen ab. Auch tagsüber bekommen sie keinen Indianer zu Gesicht. Nichts als das endlose Grasmeer ist vor ihnen.
May, die manchmal auf dem Pferd reitet, das Brewster mit über den Fluss brachte, beginnt wieder zu lachen. Oft reitet sie stundenlang neben Bill Jackson und erzählt ihm Geschichten aus ihrer Heimat. Er erfährt, dass sie aus Kentucky stammt, genau von dort, wo er selbst her ist. Aber er erfährt nicht, warum ihr Vater das Land verlassen hat. Er erzählt auch selbst nichts von sich, als hätten sie darüber eine Absprache getroffen.
Eines Tages sagt May: „Mein Vater meint, wir würden in zwei Tagen das Land erreichen, auf das er sich eingetragen hat."
Er sieht die Frage in ihren Augen und blickt zu Boden. Er denkt an Kalifornien - an Gold, Spieltische, rollende Kugeln und Chips, die über einen grünen Tisch geschoben werden. Und plötzlich sieht er einen gebeugten Mann, der hinter einem Pflug geht, den Ochsen über ein unberührtes Land ziehen. Über ein Land, das Büffel, Indianer und Pfadfinder in zahllosen Jahren festgetreten haben.
„Ich wünsche, dass Ihr Vater seine Wette gegen die Regierung in Washington gewinnt", entgegnet er.
Sie treibt das Pferd Owen Brewsters dichter an seine Seite und sieht ihn zwingend an.
„Wissen Sie, wie schön es ist, wenn man einen festen Besitz hat, Bill?"
„Mein Vater hatte in Kentucky einen."
„In Kentucky?"
„Ja. Vielleicht in einer anderen Ecke als der, aus der Sie kommen. Mein Vater war einer der alten Männer der Grenze. Er hielt von den Neuerungen nicht viel - bis sie ihn überrollten. Auch hier draußen wird eines Tages alles anders sein."
Er blickt zu den Wagen hinüber, die ungefähr zweihundert Meter von ihnen entfernt über das Land fahren.
May will etwas sagen, als ein Geräusch in der Luft liegt. Es weht über die Wagen hinweg von Norden herunter. Sie blickt zum Himmel, aber der ist blau. Nirgends eine Wolke.
Das Geräusch wächst zu einem Donnern an, doch der Himmel ist blau. Plötzlich beginnt der Boden unter den Hufen der Pferde zu zittern.
„Was ist das?", schreit sie und blickt ihn gehetzt an.
„Ich weiß nicht", ruft er zurück. Er drängt das Pferd herum und will zu den Wagen hinüber. Er sieht, dass die stoischen Ochsen auf einmal zu rennen beginnen. Und hinter den Planen der Wagen quillt heller Staub in einer breiten, fast unübersehbaren Wolke in die Luft.
Das Pferd bricht schnaubend nach der Seite aus. May scheint ihr Pferd nicht mehr unter Kontrolle halten zu können.
Ein Schrei bricht aus dem Inferno. Bill sieht, dass der erste Wagen mit einem wilden Ruck über eine Bodenerhöhung gerissen wird. Bridger schwebt durch die Luft und landet neben dem Wagen auf dem Boden. Der erste Wagen wird immer schneller. Das Donnern in der Luft wächst zu einem Inferno an.
Durch die Lücke zwischen dem ersten Wagen und den nachfolgenden sieht Bill eine gewaltige braune Masse, die wie eine Springflut durch das Grasland kommt. Büffel!
Er wirft den Kopf herum und sieht May, die verzweifelt bemüht ist, im Sattel zu bleiben. Das Tier scheint sie abwerfen zu wollen. Er treibt sein eigenes Pferd gewaltsam zu ihr, greift nach der Trense ihres Tieres und zieht es mit sich. Die Pferde jagen einen kleinen Hügel hinauf, auf dessen Höhe niedrige Büsche und ein paar verkrüppelte Bäume stehen. Bill blickt nach Norden. Deutlich sieht er nun die gewaltige Büffelherde, die die Wagen fast erreicht hat. Er glaubt, die Schreie der entsetzten Menschen hören zu können, aber zugleich weiß er, dass das Donnern jedes andere Geräusch verschluckt.
Er denkt, dass er den Menschen helfen müsste, aber er weiß auch, dass das unmöglich ist. Er könnte nicht einmal das ängstliche Pferd drehen.
Da sind sie heran. Ein Knirschen und Krachen liegt in der Luft. Ein Wagen scheint in der Luft zu tanzen, kippt dann und verschwindet im wallenden Staub.
Der erste Wagen wird von der Flanke der Büffelherde herumgerissen, rast aber weiter. Die anderen sind nicht mehr zu sehen.
Die Büffelherde jagt mit dröhnendem Hufschlag über das Land. Die Pferde hetzen den Hügel hinauf und sind oben hinter den Büschen nicht zu bremsen. Sie rasen ins grüne Tal hinunter. Hinter ihnen ist das Dröhnen in der Luft und wallender Staub, der meilenweit den Weg der Herde markiert.
Bill Jackson zieht die Pferde in einem weiten Bogen nach links, bis es ihm endlich gelingt, sie zum Stehen zu bringen.
Er sieht hinter dem Hügel die Staubwand, die sich immer weiter nach Süden hinunterzieht. Das Donnern wird leiser, und der Boden unter ihnen scheint nun nicht mehr zu zittern und aufbrechen zu wollen wie die Hölle.
Er blickt Mays staubverkrustetes Gesicht an und sieht die Tränen, die weiße Bäche in den Schmutz auf ihren Wangen gegraben haben.
„Mein Vater, sagt sie. „Der Wagen ist entkommen.
„Ich sah ihn vom Bock fallen, meint Bill mit gesenktem Kopf. „Es tut mir so leid, May. Ich werde jetzt sehen, was zu tun ist. Bleiben Sie hier.
Er treibt sein immer noch zitterndes Pferd vorwärts und merkt, dass sie an seiner Seite bleibt. Er blickt sie an.
„Es ist egal, ob ich es sehe, oder ob du es mir sagst", erwidert sie und scheint nicht zu merken, wie vertraut sie ihn anspricht.
*
Sie halten hinter den struppigen Büschen auf der Höhe des Hügels. Die Büffelherde ist nicht mehr zu sehen.. Aber dort, wo die Wagen fuhren, liegen Bretter, zerschmetterte Räder, zertrampelte Ochsen, ein verschmierter Klumpen bunt bedruckten Kattunstoffes, eine zerbrochene Kiste und vieles andere - zerschmettert - vernichtet. Daneben stehen ledige Ponys, und ein paar bronzefarbene Gestalten laufen umher.
„Indianer, sagt. May neben ihm tonlos. „Ob sie die Herde getrieben haben?
„Vielleicht", gibt er zurück, ohne sie anzusehen. Er schaut auf den breiten, braunen Streifen, den die Herde hinterlassen hat. Tödliche Stille liegt in der Luft.
Plötzlich gehen die Indianer zu ihren Pferden, sitzen auf und reiten langsam nach Norden.
Bill fragt sich, ob es die Indianer sind, die damals entkamen, als Owen Brewster zu schießen begann. Wenn ja, dann haben sie sich fürchterlich gerächt.
Als die Indianer verschwunden sind, treibt er sein schaumbedecktes Pferd durch die Büsche und reitet den Hügel hinunter.
„Du solltest hierbleiben, sagt er, als er May neben sich sieht.. „Das da unten ist furchtbar.
„Ich komme mit."
Als Bill neben einem zerschmetterten Wagen anhält, sieht er May bei einer verkrümmten Gestalt aus dem Sattel springen und sich zu Boden werfen. Ihr Schluchzen schallt in seinen Ohren und lässt ihn frieren. Er steigt mit hölzernen Bewegungen ab und greift nach dem Spaten, der neben dem Wagen liegt, als hätte ihn jemand so für ihn hingelegt.
May hebt den Kopf, als sie das knirschende Geräusch hört, mit dem der Spaten in den Boden fährt. Sie steht auf und kommt schwankend herüber. Neben dem Loch, das Bill aushebt, fällt sie zu Boden. Ihr Schluchzen gellt in seinen Ohren.
Bill gräbt weiter. In ihm ist alles leer und hohl. Nur wenige Tage war er mit diesen Menschen zusammen. Und doch scheint es, als hätten sie ihn vollkommen umgekrempelt.
Er fürchtet sich vor dem Moment, in dem er die Toten zusammensuchen und in die Grube legen muss. Doch zugleich weiß er, dass er es machen wird.
Alles zerstört. Sinnlos vernichtet. Aber vielleicht war Brewster wirklich selbst daran schuld. Vielleicht wären die Indianer, wenn es dieselben waren, mit zwei oder drei Gewehren zufrieden gewesen.
Plötzlich springt May auf, rennt um die Grube herum und schüttelt ihn wild und wie von Sinnen an der Sdiulter.
„Schrei doch!, brüllt sie ihn an. „Bill, du sollst schreien!
Ihre Arme fallen von ihm ab. Sie fällt wieder auf den Boden und heult wie ein Kind - und sie ist auch fast noch ein Kind. Sechzehn Jahre, Flucht und Schrecken hinter sich. Und nun das.
Hart rammt er den Spaten wieder in den Boden. Natürlich hat sie ihren Vater erkannt. Oder das, was die Hufe und die tonnenschweren Tiere von ihm zurückgelassen haben.
Sie hatten hier siedeln wollen. Vorhin noch hatte May gesagt, dass sie nun bald am Ziel wären. Fünfundfünfzig Hektar festgewalztes, ödes Land und eine Wette gegen die Regierung. Sie waren alle fest entschlossen gewesen, diese Wette zu gewinnen. Sie waren die amerikanischen Siedler, die bereit waren, härter als das Land zu sein, das Clark eine Wüste genannt hatte. Hinter ihnen waren alle Brücken zerbrochen. Sie hatten nur noch das Vorwärts gekannt. Und sie hatten verloren. Vielleicht nur, weil sie das Land und seine Menschen nicht gekannt hatten.
Das Mädchen hebt das tränenüberströmte Gesicht und schaut ihn an.
„Warum sagst du nichts?", fragt May hohl.
Er gräbt schweigend weiter.
„Du bist wie alle!, schreit sie auf einmal. „Du bist so hart und schweigsam wie alle! Du bist genau wie die anderen!
Er denkt daran, dass er ganz anders ist. Aber irgendwie haben sie ihn umgekrempelt, obwohl sie kaum ein Dutzend Sätze zu ihm sagten.
„Was soll denn nun werden? fragt sie. „Bill, ich ... ich bin ...
„Ich weiß, dass du nun niemanden mehr hast, sagt er. „Nur noch mich. Den Spieler vom Mississippi, den die Kojoten in die Einöde gejagt haben. Ich werde bei dir bleiben, May. Wir gehen zusammen irgendwohin.
„Wohin?"
„Ich weiß es noch nicht."
*
Die Nacht senkt sich über das Land. Bill hat das Grab geschlossen. Er bindet zwei abgebrochene Wagenbretter zu einem Kreuz zusammen und stößt es neben dem unförmigen Hügel in den Boden. Dann zieht er das weinende Mädchen hoch, das ein paar Prärie-Anemonen auf den Grabhügel gelegt hat.
Bill führt sie zu den Pferden und schiebt sie in den Sattel. Er steigt selbst auf und reitet nach Westen. Er findet die Spur des Wagens, der dem Inferno entkommen ist.
Als er zu May hinüberblickt, sieht er, dass sie zittert. Laut schlagen ihre Zähne aufeinander.
„Ob die Indianer zurückkommen?", fragt sie zaghaft.
„Du darfst keine Angst haben."
„Wohin wollen wir gehen, Bill?"
„Ich weiß noch nicht. Ich wollte immer nach Kalifornien. Aber nun? Ich weiß es wirklich nicht."
Sie sind drei Stunden geritten, als sie den Wagen sehen. Er steht mitten in der Prärie. Die Ochsen haben sich niedergelegt. Sie springen auf, als sie die Geräusche hören. Ihre Ohren drehen sich.
Bill hält an und blickt den Wagen an. Er weiß, dass unter der Plane alles das zu finden ist, was ein Mann braucht, um in einem fremden, feindlichen Land siedeln zu können.
„Mein Vater hat die Urkunde des Landbüros in der Tasche gehabt, hört er May sagen. „Ich weiß nicht, wo sein Land ist. Aber vielleicht spielt das hier draußen keine Rolle. Vielleicht lässt sich das auch gar nicht so genau bestimmen.
„Vielleicht", meint er und steigt aus dem Sattel. Er bindet das Pferd hinter dem Wagen an und klettert auf den Bock.
May folgt seinem Beispiel. Als sie neben ihm sitzt, lässt er die Peitsche knallend durch die Luft streichen. Die Ochsen ziehen an.
Sie greift schutzsuchend nach seinem Arm. Sie weint, während der Wagen weiter nach Westen fährt, Ein kleiner Punkt mit einer weißen Plane in einem Land, das sie nicht kennen.
Bill denkt daran, dass er den Gedanken, jemals einen Pflug anzugreifen, weit von sich schob, als er den Untergang in Kentucky sah. Irgendwie ist alles anders geworden.
Wie eine Fata Morgana sieht er Alice Carpenters Gesidit aus der Dunkelheit auftauchen. Damit fing es an.
*
Als die Sonne aufgeht, rollt der Wagen über einen Hügel.
Bill Jackson zieht an den Zügeln. Eine Meile entfernt sieht er ein kleines Gehölz.
„Was ist?", fragt das Mädchen.
„Hier bleiben wir", gibt er zurück.
May schreckt zusammen, als aus der Ferne das Heulen von Kojoten an ihre Ohren schlägt.
Bill ist abgestiegen. Er trägt Büffeldung zusammen und brennt ein Feuer an. Er wird hier mit ihr leben müssen, als wären sie Mann und Frau. Aber vielleicht kann er sie auch wie seine kleinere Schwester behandeln. Er schirrt die Ochsen aus. Sie laufen zu dem kleinen Bach unten am Fuße des Hügels. Dort grasen sie.
Bill stellt den eisernen Dreifuß über das Feuer, holt im Kupfertopf Wasser und hängt ihn an die Kette. Er denkt an Kentucky, wo sein Vater Bäume roden musste, um das Land urbar zu machen. Vielleicht wird es hier leichter sein, wo er nur den Pflug in den Boden zu pressen braucht. Er schreitet darüber und merkt, wie die Erde unter ihm federt. Zehntausend Jahre ist hier nichts als Gras gewachsen. Hier auf dem Hügel ist es kniehoch. Unten am Bach verschwinden die Ochsen darin. Er holt noch mehr Büffeldung, um das Feuer in Gang halten zu können. Dann sucht er im Wagen die Vorräte zusammen und zerstampft Kaffee mit dem Kolben der Sharps.
Während der ganzen Zeit liegt May Bridger neben dem Feuer auf der Erde und weint leise. Sie hört nicht, wie das Wasser im Kessel zu singen beginnt. Und sie hört auch nicht, als Bill sie anruft, um ihr Kaffee zu geben. Für sie scheint die Welt untergegangen zu sein.
Er steht auf, nimmt den Spaten und beginnt, einen Erdbunker auszuheben.
Es ist Nachmittag, als May aufsteht, nach einer Schaufel sucht und ihm zu Hilfe kommt. Sie haben eine Woche zu tun, um den primitiven Bunker am Südhang des Hügels fertigzustellen. Dann wirft Bill Jackson den Pflug vom Wagen. Er schreitet fünfundfünfzig Hektar ab, baut hölzerne Dreibeine und stellt sie an den Ecken seines Landes auf. Die Grenze der künftigen Farm ist abgesteckt.
Bill Jackson ist entschlossen, hierzubleiben und die schwere, entbehrungsreiche Arbeit eines Siedlers auf sich zu nehmen. Er spannt die Odisen vor den Pflug, treibt sie, mit der Peitsche knallend, den Hügel hinauf und legt die Pflugschar um. Er stemmt sich auf die ausladenden Holzarme und presst sie nach unten. Die Ochsen ziehen an und legen die erste Furche des zähen Bodens um.
Weiter unten in der Talsenke ist der Boden so fest, dass die Ochsen den Pflug nicht vorwärtsbringen oder die Schar aus dem Boden springt. So bleibt er also zunächst oben auf dem Flügel und pflanzt noch im selben Sommer Kartoffeln an.
Müde und abgespannt fällt er abends auf sein hartes Lager in dem Erdloch am Hang. Er hat aus Wagenbrettern ein Vordach gezimmert und Grasplanken als Wand gegen die offene Seite hin aufgebaut.
Die erste Ernte ist mager. Immerhin genug, um May und ihn über den Winter zu bringen und noch Saatkartoffeln übrigzulassen.
Eines Abends sagt May: „Ich hatte heute Geburtstag, Bill. Nun bin ich siebzehn. Bei uns zu Hause heiraten die meisten Mädchen in diesem Alter."
Bill Jackson nickt zerstreut und blickt hinaus. Der Wind trägt ihm den Geruch von Weite und Gras entgegen, und irgendwo in der Ferne ist das langgezogene, klagende Heulen eines Kojoten zu hören.
„Ja, sagt er. „In Kentucky war sicher vieles anders als hier.
Am Morgen geht er zu dem Wäldchen hinüber und fällt Bäume. Wochenlang hat er damit zu tun. Es wird Winter. Schnee fällt und deckt das Gras zu. Die Ochsen ziehen die Stämme zum Hügel herüber, und unten am Fluss beginnt Bill Jackson ein Haus zu bauen. Er merkt, dass seine Muskeln stahlhart geworden sind.
Eines Tages ist das Pökelfleisch alle, das Bridger in seinem Wagen verstaut hatte. Zwei Tage lang leben sie nur von Kartoffeln und Sauerteigwecken. Dann sattelt Bill sein Pferd und reitet fort. Er kommt nach vier Tagen zurück. Hinter seinem Pferd schleift er eine erlegte Antilope auf zwei langen Fichtenstämmen her.
Im Januar weht eisiger Wind über die Prärie und fegt den Schnee fast völlig weg. Bill Jackson arbeitet weiter an seinem Haus. Er hätte niemals gedacht, dass er dies fertigbringen würde. Aber zu Ostern 1859 steht das Gebäude. Es ist eine einfache, schmucklose, aber stabile Hütte, die aus zwei Räumen besteht. May Bridger richtet den einen Raum als Küche und Wohnraum ein, ohne eine Frage zu stellen. Der andere wird ihr Schlafzimmer.
*
Über die mit Schneeresten bedeckte Prärie schiebt sich ein Wagenzug.
Bill Jackson greift nach der Sharps und tritt vor die Hütte. Er blickt den an kommenden Männern und Frauen entgegen. Er sieht Hoffnung und Angst in ihren Blicken, wie er das damals bei den Leuten sah, denen er sich anschloss und die dann unter der Büffelherde blieben.
„Ich bin Matt Halskell, sagt der Mann auf dem Bock des ersten Wagens. „Ich komme mit meiner Familie aus dem Spencer County in Indiana. Unser Haus ist abgebrannt. Bauholz konnten wir nicht bezahlen. Da schlossen wir eine Wette mit der Regierung ab.
Bill nickt, sagt aber nichts.
Der Mann bringt eine mehrmals gefaltete Urkunde aus der Tasche, die er Bill zeigt.
„Mir gehört hier ein Stück Land, redet er weiter. „Ich werde von der Krümmung des Platte River aus vermessen, wo es liegt.
Er zeigt über die Schulter. „Die anderen Männer haben Land hier in der Nähe."
May Bridge ist vor die Tür getreten und lächelt dem strohblonden Sohn eines Auswanderers schüchtern zu. Der Junge tippt umständlich an seinen Hut, während sich sein Gesicht mit flammender Röte überzieht.
Als die Wagen weitergefahren sind und Bill ins Haus tritt, sieht er May noch draußen stehen und den Wagen nachschauen.
„Wohin fahren sie?", fragt sie durch die Tür.
„Zum Platte River. Sie wollen von dort aus feststellen, wo die Farm ist, die sie bekommen haben."
„Warum haben wir das nicht gemacht, Bill?"
„Weil wir nicht wissen, was auf der Urkunde stand, die dein Vater in der Tasche hatte. Und weil wir allein hier waren."
„Es werden noch viele kommen."
„Es scheint so, May."
Sie dreht sich um und kommt in die Hütte herein. Am einfachen Tisch, den Bill selbst angefertigt hat, bleibt sie stehen und stemmt die Hände auf die rissige Platte.
„Es kann sein, dass eines Tages ein Siedler kommt, der Ansprüche auf den Hügel erhebt. Er hat die beste Erde im weiten Umkreis."
„Ja."
„Du redest, als würde dich das nicht interessieren! Wir haben keine Landurkunde! Du musst vermessen, wo wir genau sind und das Land für dich eintragen lassen."'
„Dazu müsste ich über den Missouri. Dorthin will ich nicht."
„Du meinst, dorthin kannst du nicht."
„Stimmt. Ich kann nicht - und will nicht! Aber ich glaube, dass sich dieses Land gar nicht so genau vermessen lässt. Es gibt keine Karten darüber."
„Es gibt welche. Gewiss, sie sind unvollständig. Aber es gibt welche. Ich habe sie in Omaha gesehen."
Bill tritt hinaus ins Licht der Frühlingssonne und blickt zu den Wagen hinunter, die tiefer in der Talsenke zu einem Kreis zusammengefahren sind.
„Wir waren zuerst hier, sagt er über die Schulter. „Jeder wird das respektieren. Außerdem ist es fraglich, ob die Männer in der Lage sind, das Land genau zu vermessen, und ob sie ausgerechnet auf unseren Hügel Anspruch erheben können.
*
Bill hat den Boden frisch umgebrochen und Weizen und Mais ausgesät. Seine Schultern sind breiter geworden. Sein von Wind und Wetter gegerbtes Gesicht überzieht ein dichter Bart. Er hatte sein Rasiermesser nicht bei sich, als er damals mit dem alten Advokaten zu der Waldlichtung fuhr. Bei Bridgers Sachen hatte er auch keins finden können.
Als er zu der Hütte kommt, sitzt May mit dem jungen Burschen von dem Treck in der Hütte. Die beiden haben sich so angeregt unterhalten, dass ihnen seine Annäherung entgangen ist. Sie springen hastig auf, als er eintritt.
„Das ist John Halskell, Bill, sagt May. „Er ist achtzehn.
Bill nickt dem Jungen freundlich zu. Er denkt daran, dass er gerade drei Jahre älter ist als John. Und wahrscheinlich denkt Halskell, er wäre längst über dreißig, weil er nicht glatt rasiert ist wie andere .junge Männer. Auf einmal kommt .ihm zu. Bewusstsein, in welch ärmliche Verhältnisse er sich selbst manövriert hat. Und er erkennt schlagartig, dass er hier wahrscheinlich sein Leben lang schuften könnte, ohne jemals zu etwas zu kommen.
Aber da ist noch etwas anderes in ihm. Vielleicht hat er es von seinem Vater geerbt. Die Sturheit des amerikanischen Bauern.
Er geht an den beiden vorbei in den nächsten Raum und setzt sich auf die Bettkante. Seine Gedanken wandern zu den glänzenden Tagen am Mississippi zurück. Noch heute hat er Geld, vielleicht mehr, als die Siedler unten in der Talsenke alle zusammen. Und doch nützt es ihm nichts. Er hat die Zivilisation hinter sich zurücklassen müssen. Hier draußen kann er nichts kaufen.
Als sich die Tür öffnet, hebt er den Kopf. May steht vor ihm.
„Warum bist du so hässlich zu ihm gewesen?", fragt sie.
„Hässlich?"
„Ja. Du hast kein einziges Wort zu ihm gesagt."
„Er sagte zu mir auch nichts. May, ich habe etwas gegen diese Leute. Sie sind nun zwei Wochen hier und kriechen überall herum. Hat er dir gesagt, was sie machen?"
„Sie vermessen das Land, Bill. Das haben wir doch gewusst. Er hat gesagt, sein Vater wollte noch einmal alles genau nachrechnen, damit er niemandem Unrecht tut."
Bill Jackson steht langsam auf.
„Unrecht tut?", fragt er.
„Ja. Er wollte sich darüber nicht aussprechen. Ich habe ihm erzählt, dass wir wie Geschwister zusammenleben."
„So."
„Ja, Bill. Es dauert nicht mehr lange,