Pistolero-Legenden: Super Western Sammelband 7 Romane
Von Alfred Bekker, John F. Beck, Larry Lash und Glenn P. Webster
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Dieses Buch enthält die Western:
John F. Beck: Mortimers teuflischer Plan
Alfred Bekker: Zieh, Pistolero
Larry Lash: Das alte Gesetz
Alfred Bekker: Im Schatten der Outlaws
Glenn P. Webster. Tochter der Wildnis
Glenn P. Webster: Die Legende von San Raphael
Glenn P. Webster: Die Bestie vom Bärenfluss
Alfred Bekker
Alfred Bekker wurde am 27.9.1964 in Borghorst (heute Steinfurt) geboren und wuchs in den münsterländischen Gemeinden Ladbergen und Lengerich auf. 1984 machte er Abitur, leistete danach Zivildienst auf der Pflegestation eines Altenheims und studierte an der Universität Osnabrück für das Lehramt an Grund- und Hauptschulen. Insgesamt 13 Jahre war er danach im Schuldienst tätig, bevor er sich ausschließlich der Schriftstellerei widmete. Schon als Student veröffentlichte Bekker zahlreiche Romane und Kurzgeschichten. Er war Mitautor zugkräftiger Romanserien wie Kommissar X, Jerry Cotton, Rhen Dhark, Bad Earth und Sternenfaust und schrieb eine Reihe von Kriminalromanen. Angeregt durch seine Tätigkeit als Lehrer wandte er sich schließlich auch dem Kinder- und Jugendbuch zu, wo er Buchserien wie 'Tatort Mittelalter', 'Da Vincis Fälle', 'Elbenkinder' und 'Die wilden Orks' entwickelte. Seine Fantasy-Romane um 'Das Reich der Elben', die 'DrachenErde-Saga' und die 'Gorian'-Trilogie machten ihn einem großen Publikum bekannt. Darüber hinaus schreibt er weiterhin Krimis und gemeinsam mit seiner Frau unter dem Pseudonym Conny Walden historische Romane. Einige Gruselromane für Teenager verfasste er unter dem Namen John Devlin. Für Krimis verwendete er auch das Pseudonym Neal Chadwick. Seine Romane erschienen u.a. bei Blanvalet, BVK, Goldmann, Lyx, Schneiderbuch, Arena, dtv, Ueberreuter und Bastei Lübbe und wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt.
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Pistolero-Legenden - Alfred Bekker
Pistolero-Legenden: Super Western Sammelband 7 Romane
Alfred Bekker, John F. Beck, Larry Lash, Glenn P. Webster
Dramatische Western aus einer beispiellos harten Zeit. Männer im Kampf um Recht und Rache in einer Epoche, deren Gesetz der Colt schrieb. Top-Autoren des Wildwest-Roman-Genres haben diese Geschichten in Szene gesetzt. Aufrechte Männer, hinterhältige Schurken und atemberaubend schöne Frauen spielen hier die Hauptrollen.
Dieses Buch enthält die Western:
John F. Beck: Mortimers teuflischer Plan
Alfred Bekker: Zieh, Pistolero
Larry Lash: Das alte Gesetz
Alfred Bekker: Im Schatten der Outlaws
Glenn P. Webster. Tochter der Wildnis
Glenn P. Webster: Die Legende von San Raphael
Glenn P. Webster: Die Bestie vom Bärenfluss
Lary Lash war das Pseudonym eines bekannten Western-Autors.
Alfred Bekker ist ein bekannter Autor von Fantasy-Romanen, Krimis und Jugendbüchern. Neben seinen großen Bucherfolgen schrieb er zahlreiche Romane für Spannungsserien wie Ren Dhark, Jerry Cotton, Cotton reloaded, Kommissar X, John Sinclair und Jessica Bannister. Er veröffentlichte auch unter den Namen Neal Chadwick, Henry Rohmer, Conny Walden, Sidney Gardner, Jonas Herlin, Adrian Leschek, John Devlin, Brian Carisi, Robert Gruber und Janet Farell.
Copyright
Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker
© by Author
© Cover FIRUZ ASKIN
© dieser Ausgabe 2021 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.
Alle Rechte vorbehalten.
www.AlfredBekker.de
postmaster@alfredbekker.de
Mortimers teuflischer Plan
Ein Western von John F. Beck
SALTILLO
Band 2
IMPRESSUM
Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker
© by Author/ Titelbild: Nach einem Motiv von F.T.Johnson mit Steve Mayer, 2016
Früherer Originaltitel: Die Teufelsmine
© dieser Ausgabe 2016 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.
www.AlfredBekker.de
postmaster@alfredbekker.de
Klappe
Sie kommen nachts und versetzen die Bewohner der Stadt Nuevo Saltillo in Angst und Schrecken – und sie entführen einige kräftige, junge Männer. Nur Layla Sheen, die eine Cantina in der kleinen Stadt betreibt, kann in letzter Sekunde entkommen und sucht Hilfe auf der nahe gelegenen Hazienda del Saltillo.
Sam O´Hara und seine Vaqueros reiten sofort los, aber die Entführer sind in der Weite des öden Landes untergetaucht. Trotzdem gibt O´Hara nicht auf. Er und Tortilla-Buck Mercer bleiben den Banditen auf den Fersen. Denn ein Kämpfer wie „Saltillo" Sam O´Hara lässt sich von niemandem in die Enge treiben. Erst recht nicht, wenn es sein Todfeind Mortimer ist. Denn der ist wieder aufgetaucht und hat Saltillo Rache geschworen...
Die Unerschrockenen vom Rio Bravo
Saltillo (30), heißt eigentlich Sam O'Hara. Ihm gehört die Hazienda del Saltillo. Der Besitz ist das Erbe seines Vaters, des Alamo-Kämpfers Jim O'Hara. Saltillo ist ein halber Comanche. Er versteht mit Bullpeitsche und Paterson Colt gleichermaßen virtuos umzugehen - was seine Gegner immer wieder schmerzhaft zu spüren bekommen.
Layla Sheen (28), hat eine bewegte Vergangenheit im Rotlichtbezirk von New Orleans hinter sich. Die aparte, etwas zur Fülle neigende Kreolin betreibt die Cantina von Nuevo Saltillo. weil sie unabhängig bleiben will. Als gebranntes Kind scheut sie das Feuer auch wenn Saltillo die Flamme der Leidenschaft in ihr immer wieder neu entfacht.
Tortllla-Buck Mercer weiß selbst nicht genau, ob er Anfang Vierzig ist. Doch das ficht den schlitzohrigen, mit allen Wassern gewaschenen Haudegen nicht an. Auf den Vormann und seine »Betsy«, die Harpers Ferry-Rifle, kann Saltillo sich auch in brenzligen Situationen blind verlassen. Denn auf der Hazienda glaubt Buck nach einem langen, rauchigen Trail jenen Platz gefunden zu haben, den es zu verteidigen lohnt.
Roman
Ein Schrei gellte durch den Sturm, der die Büsche am Rio Bravo peitschte und um die Hütten von Nuevo Saltillo heulte. Rafaelo Valdez, der Alcalde, tastete im Dunkeln nach dem Gewehr über dem Türbalken.
Seine Frau trat zu ihm. Sie hatte sich rasch eine Decke umgehängt. »Sei vorsichtig, Rafaelo«, flüsterte sie besorgt.
Der kräftige, knapp fünfzigjährige Dorfvorsteher lauschte angestrengt. Irgendwo klapperte ein Fensterladen. Zweigstücke und Sandkörner prasselten auf das Dach. Die Waffe lag ungewohnt in den schwieligen Fäusten des schnurrbärtigen Mexikaners. Erst seit zwei Monaten, nachdem Saltillo hier in seinem eigenen Dorf von Mortimer in eine Falle gelockt worden war, gab es dieses Gewehr in Valdez' Haus. Damals hatte keiner der Dorfbewohner dem Patron, dem dieses Land vom Fluss bis weit hinauf in die Nebentäler der Tierra Vieja Mountains gehörte, beistehen können. Nur knapp war Saltillo dem Tod entronnen. Das sollte sich nicht wiederholen.
»Was auch geschieht, Teresa, bleib hier«, raunte Valdez, als er den Riegel wegschob. Draußen krachte ein Schuss.
»Santa Madonna!« Erschrocken griff die Mexikanerin nach dem Arm ihres Mannes. Da riss der Sturm schon die Tür auf. Sand und Blätter wirbelten herein. Entschlossen trat Valdez auf die Schwelle - und verharrte verblüfft.
Lodernde Fackeln steckten in der Erde. Sie tauchten den Dorfplatz in zuckendes Licht. Unter der sturmzerwühlten alten Weißeiche stand ein klobiger Wagen mit einem Sechsergespann. Weitere, an den Zügeln zerrende Gäule waren beim Brunnen festgebunden. Sie trugen hochbordige Vaquerosättel.
Die Wagenplane an einer Seite flatterte wie ein loses Segel. Darunter befand sich ein käfigartiger Gitteraufbau. Eine Tür war an der Heckseite des Fuhrwerks eingelassen. Sie stand offen. Zwei Männer in dunklen, mit Silberfäden bestickten Charro-Anzügen wuchteten gerade ein schweres, längliches Bündel hindurch.
Der Schreck lähmte Valdez, als er erkannte, dass dieses Bündel ein Mensch war; ein junger, in weißes Leinen gekleideter Dörfler. Er schien bewusstlos.
Drei Fremde, deren wagenradgroße Sombreros auf den Rücken baumelten, umstanden mit angeschlagenen Gewehren das Gefährt. Schwere Colts steckten in ihren Halftern. Der Sturm zerrte an den Jacken und Halstüchern. Die Mündungen ihrer Waffe deuteten auf die von den Fackeln angeleuchteten Hütten. Menschen drängten sich in den offenen Türen. Sie waren ebenso in fassungslosem Entsetzen erstarrt wie Valdez. Eine Frau sank weinend neben einem Dorfbewohner nieder, der reglos im Staub vor dem Campanario, dem Glockenturm, lag. Währenddessen schleppten weitere Bewaffnete junge, aus dem Schlaf geschreckte Burschen zum Wagen.
Das Brausen des Sturms übertönte jedes andere Geräusch. Schwarze Wolken jagten über den Himmel. Die Silberscheibe des Mondes schimmerte matt dazwischen. Ein in einen schwarzen Mantel gehüllter Reiter tauchte hinter dem Fahrzeug auf - eine große, breitschultrige Gestalt. Die Silberbeschläge an Sattel und Zaunzeug seines Rappen schienen Funken zu sprühen.
»Pronto, pronto!«, feuerte er die sporenklirrenden Entführer an.
Der Junge, den sie eben auf den Wagen stoßen wollten, wand sich verzweifelt im Griff der harten Fäuste. Schreiend rannte eine Frau auf die Männer zu. Einer holte mit dem Gewehrkolben aus.
»Miguel! Ihr Teufel, lasst mir meinen Sohn!«
Der Kolben streckte die Frau nieder.
Da zerbrach Valdez’ Erstarrung. Mit der erhobenen Waffe sprang er aus der Tür.
»Ihr verfluchten Hunde, gebt ihn frei!«
Die Männer stießen den erschlaffenden Jungen in den Käfig, drehten sich und griffen zu den Colts.
Bevor Valdez feuern konnte, war ein Schatten neben ihm. Ein wuchtiger Schlag traf ihn seitlich am Kopf und schleuderte ihn gegen die Hüttenwand. Er rutschte bewusstlos an der Adobelehmwand herab. Ein verkniffenes Gesicht neigte sich über ihn. Ein Stiefel schob sich unter seinen Körper und wälzte ihn herum.
»Zu alt«, meinte der Mann achselzuckend zu einem neben ihn tretenden Kumpan. Hufe malmten heran. Der Schatten des schwarzgekleideten Reiters fiel auf den Bewusstlosen. Der tief in die Stirn gezogene, vom Kinnriemen gehaltene Hut und der hochgestellte Mantelkragen ließen nur die kantigen Umrisse des Gesichts erkennen.
»Er ist kräftig und zäh genug. Los, auf den Wagen mit ihm!« Es war eine Stimme wie klirrender Stahl. Der Mann sprach das südlich der Grenze übliche Mexiko-Spanisch, doch der Akzent verriet, dass er ein Gringo war.
»Nein, bei der Heiligen Jungfrau von Guadalupe, lasst ihn!«
Valdez’ Frau stürzte aus dem Haus. Der Reiter zog den nervös stampfenden Rappen halb herum, nahm gelassen einen Stiefel aus dem Metallbügel und stieß im nächsten Moment kräftig zu. Mit einem Aufschrei fiel die Frau des Alcalden zu Boden. Die beiden anderen schleiften bereits den Bewusstlosen durch den Staub der Plaza zum Wagen.
»Das genügt!« Der Anführer der Horde trieb sein Pferd von der Hütte weg. Ein kalt glänzender Paterson Colt lag nun in seiner Rechten. »Adelante, Amigos, verschwinden wir!«
Die Gittertür schlug hart hinter Valdez und den anderen halb besinnungslos geschlagenen Gefangenen zu. Die Kette klirrte. Ein schnauzbärtiger Bursche mit einem funkelnden Goldring am rechten Ohr schwang sich auf den Wagenbock. Ein anderer band bereits die Sattelpferde los.
Da zuckte ein Bitz aus dem Schatten der niedrigen, kastenförmigen Bodega.
Der Reiter im schwarzen Mantel fluchte wild, als die Kugel knapp an ihm vorbeipfiff. Sein Colt sauste hoch. Doch da war nur eine Wand aus Staub und Dunkelheit. Hufe trommelten dahinter.
Gleich darauf jagte eine tief auf den Pferdehals geduckte Gestalt an den Hütten vorbei zu den Feldern, hinter denen das Weideland der Hazienda del Saltillo begann. Für eine gezielte Kugel aus dem Paterson war die Entfernung zu groß. Doch schon waren drei, vier der fremden Entführer wie Raubkatzen in den Sätteln.
Ein zwischen den Wolken hervorbrechender Mondstrahl fing den fliehenden Reiter ein. Alle erkannten nun, dass es eine Frau war. Das lange, im Nacken zusammengebundene Haar flatterte im Reitwind. Augenblicke später hatte die Dunkelheit sie wieder verschluckt. Das Hämmern der Hufe verklang.
Der Anführer verharrte einige Sekunden wie versteinert. Alle warteten auf sein Kommando. Keiner sah, wie seine schmalen, harten Lippen lautlos einen Namen formten. Er hatte die Reiterin sofort wiedererkannt.
»Layla...«
Verzehrender Hass loderte in den Augen des Schwarzgekleideten. Er fuhr in den Bügeln hoch.
»Jagt sie!« schrie er mit einer Stimme, die auch seine eigenen Leute wie ein Peitschenhieb traf. »Lasst sie nicht entkommen!«
*
Der Sturm fauchte der jungen Reiterin ins Gesicht, zerzauste das blauschwarze Haar und bauschte den knöchellangen Rock. Das Cape, das die verkrampften Schultern umhüllte, flatterte heftig.
Sie zog ihr Pferd auf der langgestreckten Anhöhe halb herum und spähte den Fluchtweg zurück. Die Sträucher wogten im mannshohen Grammagras. Fahle Dunkelheit lag über dem Land.
Layla Sheen, die hübsche Kreolin aus New Orleans, die nach ihrer schweren Schusswunde die Bodega im Dorf übernommen hatte, beugte sich im Sattel vor und lauschte. Ihr Herz klopfte noch wild. Das Brausen des Sturms mischte sich mit dem fernen Alarmgeläute der Glocke von Nuevo.
Sie musste weiter! Es waren noch knapp zwei Meilen zur Hazienda, die dem Mann gehört, der den verzweifelten Menschen im Dorf jetzt allein noch helfen konnte. Das war Sam O’Hara, der Sohn eines irischen Mountain Man und einer Comanchin. Alle im weiten Land am Fluss, das nun auch Laylas Heimat war, nannten ihn nur Saltillo. Das war auch der Name jener Stadt, die er vor Jahren in selbstlosem Einsatz vor der Vernichtung bewahrt hatte. Der Name war längst zur Legende im Grenzgebiet von Texas geworden.
Die Wolken klafften plötzlich auf. Eine Flut bleichen Lichts übergoss die Bodenwelle und erfasste gleich darauf auch die beiden Verfolger. Sie brachen eben aus einer Strauchgruppe, schienen über das Grasland heranzufliegen. Schüsse flammten.
Layla zog instinktiv den Kopf ein und riss den Braunen herum.
»Lauf!«, feuerte sie ihn an. Fast im selben Moment spürte sie, wie das Tier unter einem wuchtigen Schlag zusammenzuckte.
Entsetzen packte Layla. Doch dann fing sie sich. Sie musste aus dem Sattel.
Eben noch rechtzeitig, um von dem stürzenden Tier nicht mitgerissen zu werden, bekam sie die Füße in den bequemen Mokassins aus den Steigbügeln.
Der Sturm verschluckte das klägliche Wiehern des in den Kopf getroffenen Braunen.
Layla versuchte, den Sturz so abzufangen, dass das gerade ausgeheilte Bein nicht in Mitleidenschaft gezogen wurde. Vor ein paar Wochen noch war sie an einer Krücke herumgehumpelt. Der Oberschenkel-Steckschuss, den sie sich beim Kampf vor Trujillos ehemaliger Bodega zuzog, hatte sich als langwierige Verletzung erwiesen. Sie konnte das Bein noch längst nicht voll belasten und fühlte sich deshalb nur im Sattel wieder richtig sicher.
Sie schaffte es nicht. Ein stechender Schmerz zuckte durch den Schenkel, als sie mit dem Hüftknochen auf die hartgebackene Erde prallte. Einen Augenblick ließ der Schock sie wie gelähmt verharren.
Dann nahm sie das Trappeln von Pferdehufen wahr.
Weiter! Layla wusste, dass sie verloren war, wenn sie sich nicht aufraffte.
Mühsam rappelte sie sich auf, kam schwankend auf die Beine. Der geprellte Oberschenkel sandte Schmerzwellen durch ihren Körper, dass sie fast ohnmächtig zu werden drohte.
Sie biss sich die Lippen blutig, dass die Augen zu tränen begannen. Doch dann hatte sie den Schwächeanfall überwunden.
Gehetzt sah sie sich um. Der Mond schimmerte fahl durch rasch vorübertreibende Wolkenbänke. Weit voraus machte sie den verschwommenen hellen Fleck am Fuß der Bergzüge aus.
Die Mauern der Hazienda.
»Saltillo!«, keuchte Layla, ohne es zu hören oder sich des Rufes bewusst zu werden. Im Toben des Sturmes, der den heißen Atem Mexikos über den nahen Rio Bravo trieb, begann sie zu laufen. Sie musste die nächste Buschinsel erreichen, bevor die beiden Verfolger die Bodenwelle hinter ihr gewannen.
Es waren keine dreißig Yard zu überwinden, dennoch schien ihr diese Strecke unendlich weit. Schwerfällig kämpfte sie gegen den Sturm an, zog das verletzte Bein nach.
Sie verlor das Cape, japste nach Luft, während sie die hochgeschlossene Kattunbluse bis zum Mieder aufriss. Das straff sitzende Korsett behinderte sie jetzt. Früher hatte sie Mädchen verlacht, die sich in New Orleans in solche Formgeber zwängten. Sie hatte das nie für nötig gehalten, obschon sie eigentlich etwas zur Fülle neigte. Das war ihr jedenfalls vor dem Spiegel im Zimmer über der Bodega bewusst geworden, als sie während der vielen Wochen der Genesung verbissen das Gehen übte. Als sie die zusätzlichen Fettpölsterchen an den falschen Stellen wahrnahm, hatte sie in den sauren Apfel gebissen und sich ein Korsett beschaffen lassen.
Layla war nicht unbedingt eitel, doch es gab in ihrer Umgebung einen Mann, den sie auch als Frau beeindrucken wollte: Saltillo, dem sie es zuletzt verdankte, dass sie sich jetzt in einer solchen Situation befand.
Noch fünf Yard. Layla kämpfte die aufkommende Schwäche nieder. In der Welt der Spielhöllen und Tingeltangel, der sie nach einer falschen Mordanklage mit Mortimer entflohen war, hatte sie eine gesunde Härte auch gegen sich selbst entwickelt.
Und dann verfing sich das unverletzte Bein in einer Wurzel.
Layla stürzte schwer vornüber vor das Gesträuch.
Während neue Schmerzwellen sie durchtobten, hörte sie die Stimmen auf der Bodenwelle. Der Sturm trieb ihr Wortfetzen zu.
»Pferd erledigt... kann nicht weit sein...«
Als sie vorsichtig den Kopf hob, lag der Kamm der Bodenwelle verlassen im eben wieder durchschimmernden Mondlicht.
Doch Layla ließ sich nicht täuschen. Die Verfolger hatten noch nicht aufgegeben.
Sie versuchte, sich zu erheben, schaffte es aber nicht. Sie konnte das Knie des verletzten Beines nicht anziehen.
So robbte sie mit zusammengebissenen Zähnen in das schützende Unterholz. Dornen zerrissen Rock und Bluse, zerkratzten die bloßen Beine, Brust und Hals.
Wohin?
Im Gewoge der rauschenden Zweige hatte sie die Orientierung verloren. Doch dann wies ihr der Sturm den Weg, der gegen die Mauern der Hazienda brandete.
Auf allen Vieren kroch sie voran, während sie das verletzte Bein nachschleifte.
Plötzlich krachten Schüsse.
Sie hatte das andere Ende der Buschinsel fast erreicht.
Layla blieb reglos lieben.
Eine weitere Salve folgte. Diesmal strichen die Geschosse nur knapp über die Sträucher, die ihr einen allzu kläglichen Schutz boten.
Langsam ging Laylas Atem wieder ruhiger, doch der Schmerz blieb.
Da hörte sie das Stampfen ganz in der Nähe.
Ein Reiter!
Layla erstarrte.
Eine Gebisskette klirrte.
»He, Jorge, wo zum Teufel steckst du? Sie hat sich hier irgendwo verkrochen. Wenn wir den Busch durchkämmen ...«
Der Hufschlag verklang.
»Jorge?«
Der Ruf schien von jäher Unruhe erfüllt.
Doch es war nicht der Kumpan, der sich zwischen einigen sturmgepeitschten Cottonwoods meldete.
Eine harte Stimme befahl:
»Layla, bist du das? Dann bleib, wo du bist! Rühr dich nicht vom Fleck!«
Der Mexikaner fluchte erschrocken.
Dann blitzte ein Mündungsfeuer auf.
Das Stampfen entfernte sich rasch.
Saltillo!
Er war ihr zu Hilfe gekommen. Layla atmete befreit auf.
Es gab nur eine Erklärung dafür: Der Sturm hatte einem der Herdenwächter in der Nähe der Hazienda das Glockengeläute von Nuevo zugetragen, und der Mann hatte sofort Saltillo alarmiert. Angespannt lauschte Layla den Geräuschen um sich herum. Der Sturm tobte mit ungebrochener Wut. Ein Zweig knackte unter einem Stiefel oder Huf. Metall klirrte.
»Jorge!«, schrie die raue Stimme von vorhin, die nun auch Unsicherheit verriet.
»Er liegt ungefähr fünf Schritte rechts von dir, Hombre, und schläft«, kam es gelassen aus der Dunkelheit zurück.
Saltillos Erwiderung war noch nicht ganz verhallt, da brüllte wieder ein Revolver auf. Mündungsblitze hieben durchs Gestrüpp. Ein zweiter Colt antwortete. Dann gellte ein Schrei, so durchdringend, dass Layla alle Vorsicht vergaß und hochfuhr.
»Saltillo ...«
Keuchend presste sie eine Hand an die Kehle. Das Band in ihrem Nacken hatte sich gelöst, und der Wind zwang das Haar wie einen seidigen Fächer halb über ihr Gesicht. Dann brachen Zweige. Ein Schatten bewegte sich im blassen Licht heran, das durch die Wolken sickerte.
Ein Pferd. Der hochbordige, lederüberzogene Holzsattel auf seinem Rücken war leer. Hastig strich Layla das Haar aus dem Gesicht.
Es war das Pferd eines Verfolgers. Ihr Blick brannte sich an dem im Sattelfutteral steckenden Gewehr fest. Sie zögerte. Vielleicht war das Ganze nur eine Falle.
Vorsichtig humpelte sie auf das Tier zu. Nichts geschah. Das Pferd ließ sie näher kommen, wieherte nur leise. Rasch zog sie die Waffe aus dem Scabbard, ein kurzläufiges, ihr unbekanntes Modell.
»Gib dir keine Mühe, Muchacho, die Knarre ist nicht geladen.«
Ein hämisches Lachen erklang nur wenige Schritte hinter ihr.
Der Sturm schien einen Moment auszusetzen. Jedenfalls hörte sie ganz deutlich das metallische Schnappen eines Colthammers. Gleichzeitig begriff sie, dass der Mann schießen würde, sobald sie sich umdrehte. Ihre Finger umkrampften den kalten Stahl noch fester. Vielleicht bluffte der Bandit nur, vielleicht ...
»Wenn du schießen willst, du Lump, hier bin ich!«, meldete sich da Saltillo schräg von links.
Im Dröhnen der Schüsse zuckte Layla herum und richtete blitzschnell das Gewehr auf den noch im eigenen Mündungsfeuer erkennbaren Mexikaner.
Die Waffe war tatsächlich nicht geladen.
Layla schluckte. Ihr Blick fand die dunkle, geschmeidige Gestalt, die sich eben aus dem Schatten der Büsche löste. Das Gewehr entglitt ihr.
»Sam!«
Saltillo fing die Stürzende auf.
*
Am nächsten Morgen war der Himmel wie blankgefegt. Kein Lufthauch bewegte mehr die Zweige der mächtigen Dorfeiche. Die Frauen von Nuevo hatten unter dem Baum einen blumengeschmückten Altar errichtet.
Lopez Gonzalo, der in der vergangenen Nacht verzweifelt die Entführung seines Sohnes zu verhindern versuchte, war auf einem mit weißen Laken ausgeschlagenen Brettergestell aufgebahrt. Kerzen brannten. Ringsum knieten die Bewohner des Dorfes. Hölzerne Rosenkranzperlen klapperten. Die Frauen trugen schwarze Kopftücher. Drüben am Rand des Domen und Kakteendickichts schaufelten schweigende, düster blickende Männer ein Grab. Sie blickten nicht auf, als eiliger Hufschlag sich in das monotone, immer wieder von Schluchzen unterbrochene Beten auf der Plaza mischte.
Ein Reiter trieb sein Pferd durch das aufspritzende Wasser der Furt vom mexikanischen Ufer herüber.
Saltillo trat lautlos zu seinem Pferd und schwang sich in den Sattel. Die Männer, die mit ihm von der Hazienda gekommen waren, folgten seinem Beispiel. Ihre Mienen waren ernst.
Der Betgesang dauerte an, als der Vaquero in einer Staubwolke das schweißbedeckte Pferd vor Saltillo parierte. Saltillo legte die Hände auf das Sattelhorn und wartete mit jener äußeren Ruhe, die er auch dann zeigte, wenn alles in ihm zum Zerreißen gespannt war.
Er war ein großer, schlanker, ganz in weichgegerbtes Antilopenleder gekleideter Mann. Sein schwarzes Haar glänzte. Er trug mokassinähnliche Weichlederstiefel ohne Sporen. Das rote Seidenhalstuch umgab seinen Hals. Darunter baumelte ein Amulett, das aus mehreren sonnenförmigen, in Silber gefassten Türkisen bestand. Seine Waffen waren ein fünfschüssiger Paterson Colt und ein Bowiemesser.
»Ich bin der Fährte sechs Meilen gefolgt, Patron«, berichtete der Mexikaner keuchend. »Diese Teufel haben sich keinerlei Mühe gemacht, sie zu verwischen. Sie scheinen sich ganz sicher zu fühlen...«
»Oder sie wollen, dass wir ihnen leicht folgen können«, murmelte Saltillo kehlig. Sein tiefgebräuntes Gesicht blieb unbewegt, die grauen Augen blickten kühl.
Der Kundschafter, den er im Morgengrauen über den Rio Bravo geschickt hatte, wischte sich mit dem Ärmel den Staub und Schweiß vom dunklen Gesicht.
Bis auf den bulligen, blonden Reiter neben Saltillo bestand die Mannschaft der Hazienda durchweg aus schwarzhaarigen, drahtigen Vaqueros. Männer des Südens, die die Hälfte ihres Lebens im Sattel verbrachten und mit ihren Reateas, den Wurfseilen, wahre Kunststücke fertigbrachten. Sie waren die Vorläufer und Lehrmeister der späteren Texascowboys. In diesem Jahr 1845, in dem die bisher selbständige Republik Texas dem Staatenverband der Union angegliedert wurde, gehörte Männern ihres Schlages noch das ganze weite Grasland bis hinüber zum Nueces. Dort war für die von Osten vordringenden Landsucher und Viehzüchter die noch am weitesten vorgeschobene Grenze.
Saltillos Land, zu dem auch das Dorf mit den Feldern gehörte, lag wie eine Insel inmitten des noch unbesiedelten Gebiets westlich davon. Zugleich war es ein Bollwerk der Unabhängigkeit des neuen Staates, ob er nun von Süden, von Santa Anas Soldaten, oder von streifenden indianischen Kriegstrupps oder Banden Gesetzloser bedroht wurde. Saltillo hatte dieses Land als Vermächtnis übernommen. Es war eine Schenkung Sam Houstons an den Hinterbliebenen eines seiner treuesten Gefolgsleute im Kampf um Texas. Denn Saltillos Vater gehörte zu jenen Unvergessenen, die in der Schlacht um den Alamo ihr Leben gaben.
»Sie kamen mitten im Sturm. Und bevor wir recht begriffen, was geschah, waren sie schon wieder fort«, hatte ihnen der alte Santino gleich nach der Ankunft in der Nacht mit brüchiger Stimme berichtet. Ähnliches hatte auch Layla gesagt.
Da hoffte Saltillo noch, aus dem Mann, den er während des nächtlichen Kampfes niedergeschlagen hatte, etwas herauszubekommen. Vergeblich. Als er nach dem Schurken zu suchen begonnen hatte, war der wieder aufgewacht und in wilder Flucht davongaloppiert. Nach Süden, über den Fluss.
Saltillos Blick glitt zur Rio Bravo-Furt. Das Land jenseits erschien ihm noch einsamer, grenzenloser, heißer als hier, wo der Fluss für saftiges Grün und fruchtbare Felder sorgte.
»Außer Valdez hat die Horde noch fünf weitere Männer aus dem Dorf verschleppt«, riss Ramon Ruidosa, der grauhaarige, ledergesichtige Mayordomo, Saltillo aus seinen Gedanken. »Lauter junge, kräftige Burschen, die besten Arbeiter auf den Feldern. Doch wozu?«
»Buck und ich werden das herausfinden«, erwiderte Saltillo und legte dem Bulligen eine Hand auf die Schulter.
»Du meinst - nur wir beide?« Buck Mercer, genannt Tortilla-Buck, zeigte grinsend sein Prachtgebiss, um das ihn jeder Kannibale beneidet hätte. Die blonden, von vereinzelten Silberfäden durchzogenen Zottelhaare hingen ihm bis auf die Schultern.
Saltillo nickte entschlossen.
»Wir haben nur eine Chance, Valdez und die anderen herauszuhauen, wenn alles blitzschnell und überraschend geschieht. Das heißt, wir müssen unbemerkt so nahe wie möglich an die Entführer heran. Das schaffen zwei Männer eher als ein Dutzend.« Er wandte sich wieder an Ruidosa. »Lass für alle Fälle einige Männer hier im Dorf, Ramon, bis feststeht, dass keine Gefahr mehr droht. Buck und ich brechen sofort auf.«
»Ohne Frühstück?«, entrüstete sich der blonde Draufgänger aus Kentucky. »Da hat Paco, dieses Schlitzohr, ja nur die halbe Arbeit auf der Hazienda.«
Paco, der Koch, hatte Buck zu seinem »Kriegsnamen« verholfen, nachdem der Kentuckier die Kochkünste des kleinen Mexikaners und seinen eigenen Wolfshunger in einem regelrechten Duell etwas strapazierte. Seitdem ließ keiner die Gelegenheit ungenutzt, dem anderen eins auszuwischen. Was sie nicht daran hinderte, im nächsten Augenblick wieder ein Herz und eine Seele zu sein. An diesem Morgen stieß Bucks kauziger Humor jedoch auf keinen Widerhall. Die Falten im Gesicht des hageren Mayordomo vertieften sich eher noch.
„ Zwei Männer können leicht auch in der Wildnis auf der anderen Seite des Flusses verschwinden«, warnte er. »Noch dazu, wenn es Hombres aus dem Norden sind.«
Ruidosa musste Saltillo nicht deutlicher an die alte Feindschaft zwischen seinen Landsleuten jenseits der Grenze und den Texanern erinnern. Die Toten von Alamo, auf welcher Seite sie auch gestorben waren, würden auch in zwanzig, dreißig Jahren noch nicht vergessen sein.
»Die Kerle, die das Dorf überfielen, rechnen wahrscheinlich mit Mexikanern als Verfolgern. Das kann ein Trumpf mehr für uns sein. Alles weitere müssen wir riskieren. Bist du soweit, Buck?«
»Gleich werd’ ich noch viel weiter sein, Freund!«
»Pass auf dich auf, Sam«, rief Layla, die mit ihnen nach Nuevo zurückgekehrt war. »Du natürlich auch, Buck.«
»Sagen wir’s lieber so: Ich werd’ auf uns beide aufpassen!«
Layla hatte sich von den Strapazen der Nacht schon wieder einigermaßen erholt. Unter dem roten weiten Rock trug sie einen Stützverband, das angeschwollene Knie war mit einem Salbenbrei aus Juanas Kräutergarten behandelt.
Layla stützte sich auf den Stock, als sie nun langsam zu Saltillo ans Pferd trat.
Er beugte sich aus dem Sattel und küsste sie auf die sternförmige Narbe am Haaransatz.
»Bis ich zurückkomme, bist du wieder auf dem Damm«, tröstete er sie, während sein Blick unwillkürlich die sich unter der hellen Bluse abzeichnenden harten Warzen der üppigen Brüste streifte. Ihre ganze Haltung war ein Versprechen für die Rückkehr.
Tortilla-Buck konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen.
Wie die Turteltauben, dachte er vergnügt. Da muss ich wohl wieder höllisch aufpassen, dass diesem Tiger an meiner Seite nichts passiert. Laut sagte er nur:
»Adios, Amigos.«
»Vaya con Dios!« riefen die Vaqueros.
Als Saltillo und Buck ihre Pferde in Bewegung setzten, löste sich ein dritter Reiter aus dem Pulk. Es war Antonio, der Jüngste in Saltillos Mannschaft, heißblütig, mutig, aber noch reichlich unerfahren. Sein Talent, sich selbst und andere in die Klemme zu bringen, wäre Saltillo schon beinahe zum Verhängnis geworden. Eine Gitarre, sein kostbarster Besitz, hing am Riemen auf seinem Rücken.
»Nimm mich mit, Patron«, bat er, als Saltillo seinen Rehbraunen anhielt. »Diesmal werd’ ich alles gutmachen.«
Buck machte sein »Das-fehlt-uns-grade-noch-Gesicht«.
Saltillo schüttelte ruhig, aber entschieden den Kopf.
»Ein andermal, Amigo. Du wirst hier gebraucht.«
Die Trauerversammlung unter der Dorfeiche hatte sich aufgelöst.
»Bring unsere Söhne und Brüder zurück, Patron«, schluchzte eine Frau.
Abseits von allen verharrte Teresa Valdez, die Frau des Alcalden. Als Saltillo vorbeikam, streckte sie ihm das Gewehr ihres Mannes entgegen. Ihre Augen waren tränenlos und ihre Stimme ruhig. Gerade diese Gefasstheit erschütterte Saltillo.
»Bring diese Waffe Rafaelo, Patron. Du und dein Amigo werdet dann nicht mehr auf euch allein gestellt sein.«
Saltillo nahm das Gewehr und legte es vor sich über den Sattel. »Ich versprech es dir, Teresa.«
*
Das Land glühte unter der Sonne. Es lag wie eine gigantische, mit staubgrauen Kräutern bedeckte Ebene, die im Süden von der blauen Silhouette der Sierra Madre begrenzt wurde, vor den beiden Reitern. Doch als sie dann Meile um Meile vorstießen, erwies sich das Ganze als ein Meer aus sanften Bodenwellen und weit verstreuten Salbei, Yucca und Kakteengruppen. Sand knirschte unter den Hufen. Die Spur des Wagens und der Reiter, die ihn begleiteten, war deutlich eingegraben. Schnurgerade, nur dann und wann einem Dickicht oder einer Felsansammlung ausweichend, näherte sie sich den fernen Bergen.
Weit und breit gab es hier keine Ansiedlung, keinen von Soldaten oder Händlern benutzten Trail. Das Land schien den Kojoten, Klapperschlangen und Skorpionen zu gehören. Von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang lag es wie tot unter dem flammenden Himmel von Chihuahua. Nirgendwo schien die Leere grenzenloser, das Schweigen bedrückender.
Diese hitzegesättigte Stille verschloss sogar Tortilla-Buck den Mund. Immer wieder wischte sich der bullige, zottelhaarige Mann den Schweiß von der Stim, ohne zu begreifen, dass seinem Gefährten diese mörderische Glut nichts auszumachen schien. Sogar hier genügte Saltillo das dichte, pechschwarze Comanchenhaar als Schutz gegen die Sonnenstrahlen.
Sie hatten genügend Wasser, Proviant und Futter für die Pferde. Dennoch waren sie von Anfang an darauf bedacht, die Rationen einzuteilen.
Der Wagen hatte einen Vorsprung von etwa sieben Stunden. Er kam nur langsam voran. Doch Saltillo und Buck ließen sich Zeit. Gerade am ersten Tag nach dem Überfall würden die Menschenräuber besonders auf der Hut sein. Jeden Fehler, den die Verfolger begingen, würden nicht nur sie selbst, sondern auch die Gefangenen bezahlen müssen.
Saltillo hatte bei den Comanchen gelernt, dass ein Jäger, der zäh und geduldig war, auch das gefährlichste Wild zur Strecke bringen konnte. Der große, ledergekleidete Reiter hielt sein gleichmäßiges Tempo auch, als die Sonne schon tief im Westen stand und Buck unruhig im Sattel hin und her zu rutschen begann.
Die Nacht kam mit der in diesen Breiten üblichen Schnelligkeit. In einer geschützten Mulde schlugen sie ihr Lager auf. Mit Stockschlägen prüften sie, dass sie die Decken nicht zufällig auf einer Schlange oder einem Skorpion ausrollten.
»Kein Feuer«, entschied Saltillo.
Buck warf die dürren Zweige weg, die er aufgesammelt hatte.
»Wenn du mich fragst, Hombre: Sie sind höchstens noch zehn Meilen vor uns. Wir sollten es hinter uns bringen. Glaub nur nicht, ich fall’ aus dem Sattel, wenn wir noch ein Stück reiten, bevor der Mond aufgeht.«
»Doch«, grinste Saltillo hart. »Das glaub ich. Denn heute Nacht liegen die Halunken bestimmt abwechselnd auf der Lauer und passen wie Schießhunde auf, dass sie keinen überraschenden Besuch kriegen. Hau dich lieber aufs Ohr und nimm dir ’nen Hut voll Schlaf, bevor du mit der Wache dran bist.«
»Auch das noch!«, seufzte Buck, streckte sich aber grinsend auf der Decke aus und zog gemütlich den verbeulten Stetson über das Gesicht.
Es war das erste Abenteuer, das sie gemeinsam bestehen wollten; zwei Männer, die sich vor Monaten noch als Feinde gegenübergestanden waren. Buck Mercer und Layla Sheen hatten Ben Mortimers Landpiraten angehört. Bis Mortimer den Fehler machte, sich mit dem Tiger vom Rio Bravo, Saltillo, anzulegen. Im entscheidenden Kampf hatten Layla und Buck sich auf Saltillos Seite geschlagen. Nur Mortimer und der Verräter Trujillo, dem die Bodega in Nuevo gehört hatten, waren damals entkommen. Die Weite Mexikos hatte sie verschluckt - wie den Wagen, dem die beiden Partner nun folgten.
Mit dem ersten Sonnenstrahl saßen sie wieder im Sattel. Der Tag war heiß, wolkenlos und still wie der vorangegangene. Das grüne Land am Fluss kam ihnen so weit entfernt vor, als wären sie nicht erst einen Tag, sondern schon Wochen auf dem Trail. Das Gelände wurde felsiger, hügeliger. Hinter den Hitzeschleiem traten die schroffen Flanken der Sierra deutlicher hervor.
Kurz nach Mittag entdeckten sie den Mann. Eine weiß gekleidete, schwankende Gestalt erschien plötzlich auf einem kahlen Hügelkamm weit vor ihnen, verharrte gekrümmt und stolperte dann den sandigen Hang herab. Kein Geräusch durchdrang die Stille.
Buck, der Augen wie ein Falke besaß, stellte sich in den Bügeln auf.
»Ich will nie mehr ’ne Flasche oder ’ne hübsche Muchacha anfassen, wenn das nicht einer der Boys aus dem Dorf ist«, stieß er heiser hervor. »He, was ...«
Saltillo lenkte sein Pferd in den Schatten hoher Pitahaya-Kakteen. Buck folgte ihm hastig. Der schwankende Mann war in einer Senke verschwunden. Es dauerte fünf Minuten, bis sie ihn zwischen den Radfurchen wieder ausmachten.
»Manolo«, murmelte Saltillo gepresst. Es war tatsächlich einer der Entführten. Der junge Mexikaner schleppte sich auf bloßen Füßen durch den heißen Sand. Immer wieder schaute er sich gehetzt um.
Da tauchte auch schon ein Reiter auf dem Kamm hinter ihm auf; ein sehniger Mann mit einem spitzkronigen Sombrero und einem Gewehr, das er lässig vor sich auf dem Sattel hielt. Sein dunkler, mit Silberfäden bestickter Charro-Anzug war staubbedeckt. Seine Haltung strahlte tödliche Ruhe und Überlegenheit aus. Beinahe gemächlich ritt er auf den Fußstapfen des Flüchtenden den Hang hinab.
Der junge Dörfler versuchte verzweifelt schneller zu laufen, stolperte jedoch, fiel auf die Knie. Mühsam raffte er sich auf. Eine Hand gegen die rechte Seite gepresst, hastete er gekrümmt weiter.
Saltillo und Buck entdeckten einen dunklen Fleck auf seinem Leinenkittel: Blut. Saltillos Miene wirkte wie aus Mahagoniholz geschnitzt. Mit funkelnden Augen zog Buck seine »Betsy«, die langläufige Harpers Ferry-Rifle, aus dem Scabbard.
»Na warte, du verdammter Menschenjäger!«
Saltillo griff nach seinem Arm..
»Komm!« Er lenkte sein Pferd von der Wagenspur, auf der der Fliehende herantaumelte. Buck ritt hinter ihm durch eine staubgefüllte Senke und im Bogen um eine Anhöhe, bis sie die Deckung verwitterter Felsen erreichten.
»Was hast du vor?«
Statt einer Antwort wies Saltillo auf einen Staubschleier, der schräg rechts von dem Verfolgten über einem Dornbuschgürtel hing. Noch weiter rechts waberte ebenfalls eine durchsichtige Staubfahne.
»Teufel!«, entfuhr es Buck. »Sie sind zu dritt.«
»Mindestens«, nickte Saltillo. Der Verwundete bewegte sich noch immer auf der Radspur nach Norden. Er brachte kaum mehr die Füße vom Boden. Der Reiter folgte ihm im Schritt. Knöcheltiefer Sand dämpfte den Hufschlag. Bucks Augen suchten wieder die Staubfahne, die nun hinter einem langgestreckten Höhenzug fast schon auf gleicher Höhe mit dem jungen Mexikaner war.
»Sieht wie ’ne Falle aus, was?« Er bleckte angriffslustig die Zähne.
Saltillos Hände umspannten das Gewehr, das Teresa ihm mitgegeben hatte.
»Das sieht nicht nur so aus, Amigo. Die Kerle warten nur drauf, dass jemand auftaucht und Manolo hilft. Wenn nichts geschieht, werden sie überzeugt sein, dass ihnen niemand folgt.«
»Mann, das heißt doch nicht etwa, dass wir den Jungen opfern?«
Saltillo lächelte hart.
»Das heißt, Amigo, dass keiner dieser Schurken zum Wagen zurückkehren darf, bevor wir die Gefangenen befreit haben.«
»Worauf du dich verlassen kannst.«
»Bueno.« Saltillos Lächeln erstarrte. Er sprach jetzt leise und schnell, weil Manolo und sein Verfolger nun schon ziemlich nahe waren. »Schnapp dir den Kerl. Ich werd’ versuchen, den anderen in den Rücken zu kommen, bevor...«
Diesmal war es Buck, der seinen Arm festhielt.
»Schätze, du wirst deine Pläne ändern müssen, Amigo.«
Aus zusammengekniffenen Augen spähte er in die Richtung, in die Manolo floh.
Saltillos Kopf ruckte herum. Er presste den Mund zusammen. Ein weiterer Reiter war plötzlich auf der Bildfläche erschienen; ein junger, drahtiger Bursche. Er hatte seinen Braunen neben einer zerklüfteten Felsgruppe gezügelt. Betroffen blickte er auf den knapp zweihundert Yard entfernten Manolo, der nun keuchend stehenblieb, Halt suchend eine Hand ausstreckte und im nächsten Moment mit einer halben Drehung in den Staub schlug.
»Antonio!«, kam es über Saltillos Lippen, halb als Stoßseufzer, halb als Fluch.
*
Die Stille, die ihn seit eineinhalb Tagen umgab, verdichtete sich in Antonios Ohren zu einem unheilvollen Sirren.
Gleichzeitig mit ihm hatte Manolos sehniger Verfolger das Pferd angehalten. Sie waren beide ungefähr gleich weit von dem Gestürzten entfernt.
Antonios Rechte tastete zum Paterson Colt, der in einer am Sattel aufgenähten Halfter steckte. Seine Gitarre hing daneben. Er führte das Instrument stets bei sich. Jetzt war sie ihm freilich hinderlich.
Schweißrinnsale furchten die Staubschicht auf seinem jungen, angespannten Gesicht. Der Strohsombrero hing an einer Lederschnur auf dem nun leicht gebeugten Rücken. Das Hemd klebte auf der Haut. Seine aus frischer Rindshaut genähte Hose saß wie angegossen. Er ritt barfuß. Die hochhackigen Stiefel, an die er sich nicht gewöhnen konnte, waren in dem hinter seinem Sattel festgeschnürten Bündel verstaut.
Der Junge war auf alles gefasst gewesen, vor allem auf eine Strafpredigt des Patrons - nur nicht auf dieses Zusammentreffen.
Der Fremde beobachtete ihn kalt. Ein spöttisches Grinsen erschien auf seinem Gesicht, als er merkte, dass Antonio allein war und nicht wusste, was er nun tun sollte.
Der Junge ballte die Fäuste. Da vorn lag einer seiner Freunde aus Nuevo. Was immer geschehen würde, er durfte ihn nicht im Stich lassen. Heftig stieß er dem Braunen die Fersen gegen die Flanken und verließ den Schatten der Felsen.
Die Haltung des Sehnigen spannte sich. Rasch schlang er die Zügel um das Sattelhom und ergriff das Gewehr nun auch mit der zweiten Hand.
Nur das dumpfe Schaufeln der Hufe durchbrach die Stille. Der junge Dörfler lag wie tot im Staub. Auf halber Strecke stoppte Antonio wieder. Er hielt den Fünfschüsser auf dem Knie, ohne zu bedenken, dass die Entfernung für diese Waffe noch viel zu groß war.
»Manolo!«
Zuerst war es nur ein Krächzen, das mühsam aus seiner Kehle kam. Dann nochmals, lauter, auch verzweifelter: »Manolo!«
Der am Boden Liegende bewegte sich, hob den Kopf, starrte aus trüben Augen zu ihm her.
»Steh auf, Manolo! Komm, Amigo!«
Da sank das von Schmerz und Anstrengung verzerrte Gesicht des Verwundeten wieder in den Staub. Der Blutfleck an seiner rechten Seite vergrößerte sich.
Gehetzt blickte der junge Vaquero auf den Reiter, der noch immer am selben Fleck verharrte. Deckungslose Fläche lag zwischen ihnen.
»Na los, Amigo, hol ihn dir doch!«, höhnte der Schurke, warf den Kopf zurück und lachte schrill.
Antonios Blick jagte über die mit Felsbrocken und Chollakakteen bedeckten Hänge. Nirgends war der Schatten einer Bewegung. Stille und Hitze umschlossen ihn wie ein Panzer. Voller Ungestüm jagte er plötzlich los. Staub brodelte hinter ihm. Das Gewehr des Sehnigen flog hoch. Der in der Sonne schimmernde Lauf bewegte sich mit dem Reiter.
»Vaya al Diablo, Bandido! Geh zum Teufel, Bandit!«, schrie der Junge, feuerte, duckte sich im Aufflammen des Gewehrs und preschte weiter, als das Blei sein flatterndes Hemd aufriss.
Der Gaul des Sehnigen tänzelte erschreckt. Fluchend stieß der Mann das Gewehr in den Scabbard, zog ebenfalls den Colt und stürmte vorwärts.
Antonio war schon bei dem Verwundeten, sprang ab und rannte um Manolo herum. Mit dem Colt in beiden ausgestreckten Händen stellte er sich dem aus einer wallenden Staubwand herausjagenden Angreifer entgegen.
Es war nur das Pferd. Der Sattel war leer. Der Sehnige hing mit einem Fuß im Steigbügel und wurde von dem an Antonio vorbeistürmenden Tier wie ein Stoffbündel mitgeschleift. Einen Moment verharrte der Junge wie betäubt. Dann fuhr er halb herum, immer noch den Paterson krampfhaft in Augenhöhe erhoben.
»Pass bloß auf, dass das Ding nicht aus Versehen doch noch losgeht«, erreichte ihn die beherrschte Stimme aus der Staubwand. Eine große, schlanke Gestalt mit breiten Schultern und rabenschwarzem Haar schälte sich aus den Schwaden.
Antonio hatte plötzlich weiche Knie. Sein Colt sank herab.
»Patron!« Ein Leuchten glomm in seinen Augen.
Ruhig ritt Saltillo heran.
Er hatte mit dem Colt geschossen, der nun wieder in seiner Halfter steckte. Valdez’ Gewehr, eine Hall-Rifle, einschüssig wie alle Gewehrmodelle dieser Zeit, lag lässig in seiner Armbeuge.
»Wir sprechen uns später noch«, sagte er leise und ohne die Miene zu verziehen, als er geschmeidig aus dem Sattel glitt.
Erschrocken starrte Antonio ihn an. Saltillo ging an ihm vorbei zu dem leise stöhnenden Verwundeten.
»Wirf dich auf den Bauch, wenn’s losgeht«, raunte er. »Es ist gleich soweit ...«
Ein trompetendes Wiehern hallte in die Senke.
Antonio bewies sowohl Geistesgegenwart als auch Mut: Er ließ sich nicht nur einfach fallen, sondern warf sich schützend über den Verletzten.
Saltillo schnellte mit dem plötzlich angeschlagenen Gewehr herum. Pulverdampf umhüllte die beiden Reiter auf dem Kamm links von ihm. Im Donnern der Schüsse versank jedes andere Geräusch. Sandfontänen spritzten hoch.
Gleichzeitig fetzte das Blei aus Saltillos Waffe. Bucks »Betsy« wummerte dazu.
Ein Pferd und ein Mann wirbelten in einer Staubwolke als Knäuel den Hang herab. Der Gaul des anderen Reiters stand mit leerem Sattel reglos vor dem glutübergossenen Firmament.
Mit aschfahlem Gesicht richtete Antonio sich auf. Jetzt erst wurde ihm voll bewusst, in welcher Gefahr er die ganze Zeit geschwebt hatte.
»Por Dios!«, ächzte er. »Ich hab gedacht ...«
»Das ist es ja, mein Junge«, lachte Tortilla-Buck, der seinen hässlichen, rammsnasigen Pinto durch Staub und Pulverqualm herantrieb. »Wenn du schon mal denkst. Uberlass das lieber deinem Pferd. Das hat ’nen größeren Kopf.«
Antonio machte ein schuldbewusstes Gesicht, aber Saltillo hatte jetzt andere Sorgen. Er kniete schon neben Manolo, stützte ihn mit einem Arm und hielt ihm die lederüberzogene Sattelflasche an die zuckenden, aufgesprungenen Lippen.
»Trink, Amigo, es wird dir helfen.«
Bereits nach dem ersten durstigen Schluck drehte Manolo den Kopf weg.
»Kehr um, Patron!«, stieß er mühsam hervor. »Reite nicht zu den ...«
Seine Hand rutschte von Saltillos Arm. Ein Schleier senkte sich über seine fiebrigen Augen. Behutsam legte Saltillo ihn auf die Erde zurück.
»Wer sind diese Männer, Manolo? Was haben sie vor?«
Der Verwundete atmete flach. Schmerzen zerrissen sein Gesicht.
»Sierra ... Goldbergwerk... Sie wollen ...«
Seine Stimme war nur mehr ein Flüstern. Es erlosch, als Saltillo sich tiefer hinab beugte, um ihn besser zu verstehen. Manolo hatte wieder die Besinnung verloren. Saltillo blickte auf.
»Nun kannst du dich doch noch nützlich machen, Antonio. Bau’ mit Buck eine Schleppbahre. Ich werde Manolo inzwischen verarzten. Dann bringst du ihn ins Dorf zurück. Die alte Juana soll sich um ihn kümmern.«
»Si, Patron«, nickte der Junge beklommen.
Buck kratzte sich hinter dem Ohr. »Er wollte dich warnen, Amigo. Nur - wovor?«
Der Haziendero erhob sich.
»Bald werden wir das wissen.«
★
Stunden später fanden sie die Abdrücke unbeschlagener Hufe. Sie kamen aus den Hügeln im Westen, kreuzten die Wagenfährte, begleiteten sie eine Meile und schwenkten wieder in das raue Gelände westlich davon zurück.
Saltillo stieg ab. Seine Finger tasteten über die Spurenränder, von denen noch kein Krümchen abgebröckelt war. Sein Schatten fiel lang auf die Erde, als er sich erhob. Seine Stimme kratzte leicht. Nicht nur die Hitze, der Staub und der lange Ritt, der hinter ihnen lag, war daran schuld.
»Jetzt geht’s um jede Minute.«
Mit einem Satz war er wieder im Sattel. Buck stellte keine Fragen. Nebeneinander preschten sie los, den Radfurchen nach. Sie bogen um eine mit Felsen bedeckte Anhöhe und strebten den nun schon zum Greifen nahen Gebirgshängen zu. Die Hufe trommelten den uralten Rhythmus vom Jagen und Gejagtwerden, der zu diesem öden Land gehörte wie die Sonne und der Staub. Kakteen und Dornbüsche huschten vorbei.
Saltillos brennende Augen suchten nach dem Planendach des Wagens, der irgendwo vor ihnen durch die Wildnis rollte. Doch da waren nur immer neue, mit Sand und Geröll bedeckte Bodenwellen. Sie glichen einer erstarrten Brandung vor der Mauer der Sierra.
Die Pferde wurden langsamer. Der Himmel im Westen überzog sich mit flammendem Rot. Der Tag neigte sich dem Ende zu. Bevor sie schließlich das Fahrzeug zu Gesicht bekamen, hörten sie wildes Peitschenknallen, Hufgetrappel und Schüsse.
Mit den Gewehren in den Fäusten jagten sie einen steilen Hang hinauf. Felskegel ragten neben ihnen empor. Vor ihnen öffnete sich ein staubiges, in kupfernes Licht getauchtes Becken.
Der Wagen!
Buck fluchte. Saltillos Miene verkantete sich. Das klobige, von einer Plane überdachte Gefährt war aus den Hügeln schräg links von ihnen gekommen. Ein rötlicher Staubnebel umhüllte es. Die Räder verschwammen zu flirrenden Scheiben. So raste es auf einen den Bergen vorgelagerten Höhenrücken zu, auf dem die bizarren Ruinen einer ehemaligen spanischen Missionsstation in der Abendsonne zu brennen schienen.
Der Fahrer, ein Schatten im brodelnden Staub, hatte die Füße fest eingestemmt und knallte wild mit der Peitsche. Die Pferde galoppierten, als wären ihnen Kakteen unter die Schweife gebunden.
Vier Reiter, alle in staubbedeckten Charro-Anzügen, hetzten neben dem schlingernden Gefährt her. Ihre Sombreros hingen auf den Rücken. Revolver lagen in ihren Fäusten. Halb in den Sätteln gedreht, feuerten sie auf die Verfolger. Ein Dutzend Yard hinter ihnen lief ein reiterloses Pferd, aus dessen Sattel ein gefiederter Pfeil ragte.
Auch in das Hackbrett des Planwagens hatten sich Pfeile gebohrt Saltillos Rechte krampfte sich hart um das Hall-Gewehr, als er an die Männer dachte, die hilflos in den Käfig unter der schwappenden Plane eingeschlossen waren. Eine wilde Wut packte ihn.
Es waren mindestens zwanzig Reiter auf gescheckten, zähen, kurzbeinigen Mustangs, die das Fahrzeug verfolgten. Ihre Körper schimmerten wie Bronze. Sie waren nur mit Lendenschurz und kniehohen Mokassins bekleidet. Bunte Stirnbänder umschlangen das flatternde schwarze Haar. Die Hufe ihrer Ponys schienen auf der Wagenspur dahinzufliegen. Schrille Schreie ertönten. Immer wieder blitzten im vollen Galopp abgeschossene Pfeile in den Wolken aus kupfern schimmerndem Staub. Der Stahl von Tomahawks und Lanzenspitzen blinkte. Keiner der Indianer besaß jedoch ein Gewehr.
Tortilla-Buck blickte schnell auf seinen Partner, der angespannt und etwas vorgeneigt auf seinem Rehbraunen verharrte. Alles an dem großen Mann war nun Wildheit und Härte.
»Comanchen?«, fragte Buck heiser. Er wusste, dass Saltillo nach dem Tod seines Vaters mehrere Jahre bei diesem Volk gelebt hatte.
»Apachen«, erwiderte Saltillo kehlig. Sein Ton wurde ätzend. »Seit dem Massaker von Santa Rita del Cobre, bei dem vierhundert Krieger, Frauen und Kinder umgekommen sind, hassen sie nicht nur die Weißen, sondern auch jeden Mexikaner wie die Pest.«
Das war im Sommer 1837, ein Jahr nach dem blutigen Kampf um den Alamo, geschehen. Fünfzehn Jahre lang hatten die Apachenstämme des Südwestens mit den Mexikanern einigermaßen friedlich in diesem weiten Land gelebt - bis es bei den Kupferminen von Santa Rita zu jenem grauenvollen, von mexikanischen Soldaten und Missouri-Trappern entfesselten Blutbad gekommen war. Seitdem war für die Apachen jeder Fremde in ihren Jagdgründen ein Feind und Todgeweihter.
Rasch holten die bronzehäutigen Jäger auf. Ein Hagel von einem Dutzend gleichzeitig von den Sehnen schnellender Pfeile sauste durch die Luft. Einer der Wagenbegleiter fuhr im Sattel hoch, breitete die Arme aus und stürzte von dem in Panik weiterrennenden Pferd. Die Colts der anderen krachten. Einer ritt nun neben den Wagenpferden und hieb verzweifelt mit einer zusammengerollten Reata auf die Tiere ein. Aber bei diesem Rennen hatte das viel zu schwerfällige Fuhrwerk keine Chance. Die einzige Hoffnung der Flüchtenden war, dass sie noch den Schutz der Ruinen auf dem ins Becken vorstoßenden Kamm erreichten.
Buck drehte den Kopf zur Seite, spuckte aus.
»Teufel noch mal! Wenn sich die Kerle nicht beeilen, schnappte sich die Rothäute den Ratterkasten, bevor wir von hier aus zum Schuss kommen. Verdammt, da hat’s schon wieder einen erwischt!«
Der Mexikaner mit der Reata sank plötzlich nach vom. Ein Pfeil steckte in seinem Rücken. Ein paar Sekunden hielt er sich noch mit den in die Mähne gekrallten Händen auf dem Pferd, dann kippte er seitlich herab. Die anderen preschten vorbei, nichts anderes im Sinn, als die eigenen Skalps zu retten. Der Staub senkte sich wie ein graues Leichentuch auf den Getroffenen.
Gleich darauf geriet der Wagen in eine Bodenrinne. Mindestens zehn Yard weit rumpelte er auf nur zwei Rädern dahin. Schreiend bog sich der bärtige Fahrer auf dem Bock nach rechts, um das Gewicht zu verlagern. Dann waren wieder alle vier Räder auf der knöcheltief zu Staub verfallenen Erde. Zweihundert Yard noch, dann würde das Fahrzeug in etwa auf gleicher Höhe mit den im Schatten der Felsen verborgenen Gefährten sein. Vielleicht zweihundert Yard zuviel, dachte Saltillo. Wieder schwirrten die gefiederten Todesboten. Saltillo stieß seinem Hengst die Fersen gegen die Flanken.
»Gib mir Feuerschutz, Amigo!«
Der blonde Kentuckier hatte bereits die Harpers Ferry-Rifle an die Schulter gehoben. Mann und Waffe wirkten wie aus einem Stück. Buck war auch der beste Gewehrschütze, der Saltillo jemals begegnet war. Nun zuckte er herum.
»He, zum Teufel, bleib in Deckung, Mann! Willst du deinen Skalp verlieren?«
»Ich will den Wagen, auf dem die Gefangenen sind«, rief Saltillo. Dann war er schon auf dem Hang unterhalb der Felskegel. Buck fluchte. Für ihn war es halber Selbstmord, diesen verhältnismäßig sicheren Platz auf dem Hügel zu verlassen. Der Planwagen war inzwischen knapp über die Mitte des schlüsselförmigen Tals hinaus, aber immer noch weit vom Fuß der Anhöhe mit der Ruine entfernt.
Saltillos Gewehr blitzte. Doch vom galoppierenden Pferd besaß er höchstens die Chance eines Zufalltreffers. Hastig wechselte er die Waffe in die Linke und zog im Vorpreschen den Colt. Die Zügel hatte er um das Sattelhom geschlungen. Wie ein Comanche lenkte er den Rehbraunen nur mit den Schenkeln.
Die Männer beim Wagen hatten ihn noch nicht entdeckt, dafür jedoch die Apachen. Ein Krieger war bei dem vom Pferd geschossenen Mexikaner abgesprungen. Er skalpierte ihn. Vier andere lösten sich aus dem weiterbrausenden Pulk und sprengten Saltillo entgegen.
*
Es waren gedrungene, muskulöse Männer, die mit ihren struppigen Ponys wie verwachsen wirkten. Ihre breitflächigen Gesichter waren mit schwarzen und weißen Streifen bemalt. Von weitem glichen sie Dämonenmasken. Zwei hielten die Zügel zwischen den Zähnen, zogen Pfeile aus den Köchern auf ihrem Rücken und legten sie auf die Bogensehnen. Die beiden anderen hielten stoßbereite Lanzen.
Saltillo duckte sich, zog seinen Rehbraunen etwas nach rechts und versuchte im spitzen Winkel an ihnen vorbei zum Wagen zu kommen. Der Abstand zwischen ihnen verringerte sich schnell. Das Donnern der Hufe schien den ganzen Raum zwischen Erde und Himmel auszufüllen. Dann gellte ein wilder Schrei.
Ein Pfeil zischte haarscharf an Saltillos Gesicht vorbei. Der andere hieb in den Lederschutz, der seinen linken Steigbügel umschloss.
Saltillos Colt krachte. Schräg hinter ihm dröhnte Tortilla-Bucks Gewehr. Der eine Pfeilschütze wurde wie von einem Keulenschlag vom Pferd gefegt. Der Mustang des zweiten brach vom ein, und der Krieger sauste kopfüber in den wallenden Staub. Dann war der eine Lanzen-Reiter fünfzehn Schritte vor Saltillo. Sein Stammesbruder tauchte im brodelnden Staub direkt neben dem Haziendero auf.
Scorro fing den tödlichen Stoß mit der blitzschnell quergehaltenen Rifle ab. Stahl klirrte gegen Stahl. Die Lanzenspitze glitt ab. Die Pferde jagten jetzt Kopf an Kopf dahin. Der Skalpschrei des Indianers gellte Saltillo in den Ohren. Bevor der Mann nochmals zustoßen konnte, schlug Saltillo ihn mit dem Gewehr aus dem fellüberzogenen Sattel.
Der Apache vor Saltillo konnte gerade noch seinen Mustang vor dem heranbrausenden großen Hengst zur Seite reißen. Seine Faust, die die Lanze umklammerte, war über die Schulter zurückgebogen. Mit dem linken Unterarm hielt er einen dickgepolsterten, buntbemalten Büffelhautschild vor die Brust. Aber nun waren es nur mehr sieben oder acht Schritte, die die beiden Reiter trennten.
Saltillos Kugel durchschlug den Schild und warf den Krieger vom Pferd.
Fünfzig Yard noch zum Wagen, der nun nach rechts abbiegen musste, um einer Felsgruppe auszuweichen. Das kostete Zeit.
Die Apachen preschten jetzt von der Seite auf das Fahrzeug zu. Pfeile schlugen in die Plane. Saltillos Fünfschüsser schwang herum. Wieder zuckte eine Stichflamme aus dem Lauf. Der durchdringende Kriegsruf der Penateka-Comanchen, bei denen Saltillo lange Zeit gelebt hatte, durchzitterte den ohrenbetäubenden Lärm. Er bekam ein wildes Echo aus einem Dutzend Apachenkehlen. Denn seit Jahrzehnten, noch ehe Mexikaner und Weiße in die Wüsten und Canyons des Südwestens vorgedrungen waren, lagen diese beiden indianischen Völker in erbitterter Feindschaft miteinander.
Und dann mischte sich noch eine Stimme ein. Ein uriges Gebrüll, dem ein schmetterndes Krachen folgte. Wieder war der Rücken eines Apachenmustangs leer.
Hufe trommelten neben Saltillo. Ein staub- und schweißverschmiertes Gesicht, in dem verwegene blaue Augen blitzten, wandte sich ihm zu. »Du hast doch wohl nicht erwartet, dass ich da oben bloß den Zuschauer mime, was?«
Buck fluchte, als ein Pfeil einen roten Kratzer auf seiner rechten Wange hinterließ, aber es klang mehr nach Begeisterung als nach Schreck oder Wut. Dann waren sie neben den beiden letzten Wagenbegleitem. Die schweißüberströmten Gesichter der Mexikaner waren angstverzerrt, ihre Colts leergeschossen. Ohne volle Reservetrommeln war ein Nachladen auf den dahinjagenden Pferden unmöglich.
»Haltet sie auf, Amigos, haltet sie auf!«, schrie der Bursche mit dem Fuchsgesicht. Das dünne Bärtchen auf seiner Oberlippe wirkte wie ein Kohlestrich.
Saltillo feuerte auf das Pferd des am weitesten vorn galoppierenden Apachen. Da riss ein verzerrter Schrei seinen Kopf herum.
»Jose!« Es war der Kumpan des Fuchsgesichtigen. Entsetzt starrte er auf den bärtigen Wagenlenker, der plötzlich heftig auf dem Fahrersitz hin und her schwankte. Die Zügel drohten ihm zu entgleiten. Ein Pfeil war ihm schräg von hinten unterhalb der linken Schulter in den Rücken gedrungen. Sein Mund stand offen, aber sein Schrei versank im Rattern der Räder und dem Hufgedröhn.
Schaum flockte von den Nüstern der Pferde. Ihre Augen waren verdreht. In der Hinterhand des rechten braunen Handpferds steckte ebenfalls ein Apachenpfeil. Im Höllentempo stürmten die Gäule auf einen mindestens knietiefen Graben zu. Unter der Wagenplane drangen entsetzte Rufe hervor.
»Buck!«, schrie Saltillo und warf dem Freund das Gewehr zu, das ihn jetzt behinderte. Er trieb seinen Rehbraunen an den beiden Mexikanern vorbei neben den Wagen, zog die Füße aus den Bügeln und schnellte wie eine Raubkatze auf den Bock hinüber. Im letzten Moment erwischte er die Zügel. Der Bärtige kippte schwer zur Seite. Saltillo bekam noch seinen Ärmel zu fassen, aber der Stoff riss, und in der nächsten Sekunde war er allein auf der Fahrerbank.
Er hatte keine Zeit, sich um etwas anderes zu kümmern als um das Gespann. Mit aller Kraft stemmte er sich gegen die Zügel. Unaufhaltsam schlitterte das Gefährt auf den Graben zu. Saltillo bog den Oberkörper zurück, seine Muskeln verkrampften sich.
Endlich! Die Pferde reagierten, schwenkten ab. Knapp einen Yard neben dem Graben fegte der Planwagen dahin. Da war auch schon der Hang, über dem sich die zerklüfteten, von der sinkenden Sonne angestrahlten Mauern erhoben. Saltillo traute seinen Augen nicht! Da droben standen Männer, schrien, winkten mit Sombreros und Gewehren, feuerten sie an.
Es waren Mexikaner in silberbestickten Charro-Anzügen. Kein Zweifel, sie und die Reiter beim Wagen gehörten zusammen. Wahrscheinlich waren sie als Vorhut vorausgeritten und hatten da droben einen Lagerplatz vorbereitet.
Verfluchtes Pack! dachte Saltillo verbittert. Diesen Kerlen war es nicht eingefallen, aus ihrer Deckung heraus zu Hilfe zu kommen. Sie hatten die ganze Zeit schon die wilde Jagd beobachtet.
Buck tauchte schwitzend neben dem Prärieschoner auf. Er hatte seine »Betsy« ins Sattelfutteral geschoben, hielt Saltillos Gewehr in der einen, die Zügel von Saltillos Hengst in der anderen Hand.
»Treib sie, Mann, treib sie! Diese roten Kerle sind verrückt nach meinem prächtigen Skalp!«
Die Gestalten bei den Ruinen waren verschwunden. Blitze zuckten aus dem Schatten. Blei hieb in die Reihen der Verfolger. Sekunden später dirigierte Saltillo das Gespann an einer hohen Mauer vorbei. Ein Kreis halb zerfallener Lehmziegelgebäude umschloss den freien Platz dahinter. Unkraut und Gestrüpp umwucherten sie. Das Gerüst eines Ziehbrunnens ragte dazwischen wie ein Galgen auf. Von einem Gebäude war nur noch die Steintreppe vorhanden, die gespenstisch zwischen geborstenen Säulen ins Leere emporschwang. »SAN BUENAVENTURA« stand in verwaschenen Lettern auf einer einstmals weiß getünchten Wand. Alles atmete hier Untergang und Zerfall; eine düstere Kulisse für das Krachen der Colts und Gewehre. Gellendes Geschrei vermischte sich damit.
Die Pferde waren nun so abgehetzt, dass Saltillo sie mühelos zum Stehen brachte. Ihre Flanken zitterten. Staub und Pulverdampf umschwaberten das Fahrzeug.
»Hierher!«, brüllte Tortilla-Buck irgendwo hinter ihm. »Hölle noch mal, sie brechen durch!«
Das Krachen der Colts steigerte sich zum Stakkato.
Saltillo sprang auf. Ein Reiter fegte aus den um die Mauern wogenden Schleiern heraus auf den Wagen zu.
Ein Apache. Er schwang eine riesige Streitaxt.
Saltillo sprang ihn vom Wagenbock wie ein Panther an, riss ihn vom Pferd und schmetterte ihm den Coltlauf an die Stirn.
Im nächsten Moment war er wieder auf den Füßen. Keuchend zog er die Wagenplane zur Seite. Nie würde er die angstvollen, braunen Gesichter vergessen, die sich dahinter gegen die Gitterstäbe pressten. Gesichter von Verlorenen, Verzweifelten, die schon alle Hoffnung aufgegeben halten.
»Patron!«, stieß Valdez hervor.
»Gleich, Amigos! Ich hol euch da raus!«, knirschte Saltillo. Er rannte zum Heck, zerrte auch da die Plane weg und sah, dass die Gittertür mit einem massiven Schloss und einer Kette gesichert war. Die fünf Gefangenen waren wie wilde Tiere eingesperrt.
»Mortimer hat den Schlüssel«, keuchte Valdez, der sich mit Saltillo am Gitter entlang bewegt hatte.
Der Name traf den Mann vom Rio Bravo wie ein Kolbenschlag.
Mortimer!
Der Tod wurde mit diesem einen Wort heraufbeschworen. Der Tod, der schon damals in Nuevo nach ihm gegriffen hatte, als er in Ben Mortimers Hinterhalt geritten war. Für einen Moment schien das Krachen der Schüsse und das Kampfgeschrei der immer noch angreifenden Apachen ausgelöscht. Dann erkannte Saltillo ein jähes Erschrecken auf dem schnurrbärtigen Gesicht des Alcalden.
Ehe er sich herumwerfen und den Colt hochstoßen konnte, berührte eine kalte Revolvermündung sein Genick.
*
Ein Colthammer knackte.
»Wenn du jetzt nur einen Finger ohne meine Erlaubnis bewegst, bist du ein toter Mann, Bastard!«, drohte eine mitleidlose, hasserfüllte Stimme.
Er erkannte sie sofort wieder. Es war die Stimme des Mannes, der dem Tiger vom Rio Bravo nach einer blutigen Niederlage Tod und Vernichtung geschworen hatte.
Ben Mortimer.
Saltillos Schläfen pochten. Seine Kehle wurde trocken. Vor ihm war immer noch Valdez’ zerfurchtes, aschgraues Gesicht hinter den Käfigstäben. Der Alcalde rüttelte verzweifelt an ihnen. Die anderen, weitaus jüngeren Gefangen drängten sich hinter ihn. Saltillo erinnerte sich an jene andere schluchzende Stimme, die ihm in Nuevo nachgerufen hatte:
»Bring unsere Söhne und Brüder zurück, Patron!«
Da waren sie. Er hatte sein Leben für sie, alles auf eine Karte gesetzt und verloren. Plötzlich wurde ihm bewusst, dass der wüste Kampfeslärm verhallt war. Hufgetrappel entfernte sich. Ein einzelner Schuss krachte noch, dann triumphierte eine raue Stimme: »Denen haben wir’s gezeigt, Muchachos! Die kommen nicht wieder. Die Hölle soll sie fressen!«
Die Spannung löste sich in hartem Gelächter. Tritte malmten, Sporen klirrten. Doch das alles schien sich in einer anderen Welt abzuspielen. Wirklichkeit war nur der Druck des Fünfschüssers in Saltillos Nacken und wieder diese erbarmungslose Stimme, die befahl: »Weg mit dem Eisen, Bastard!«
Saltillo zögerte, verkrampfte sich. Nein, er hatte keine Chance. Ein Fingerdruck, und es würde weder für ihn, noch für Valdez und die jungen Dorfbewohner eine Rückkehr an den Rio Bravo geben. Der Paterson fiel in den Staub. Der Mann hinter Saltillo lachte spöttisch.
»All right, nun kannst du dich umdrehen, Bastard.«
Als der große, ledergekleidete Kämpfer sich umwandte, wich der andere ein Stück zurück. Der Colt schimmerte matt in seiner Faust. Die Mündung zielte genau dorthin, wo Saltillos Herz wie eine Apachentrommel hämmerte.
Die Schatten der Dämmerung flossen bereits zwischen die Mauern. Darin wirkte die breitschultrige, in einen schwarzen Mantel gehüllte Gestalt des Banditen noch drohender. Nichts an ihm erinnerte an die Verletzung, mit der er aus Nuevo entkommen war. Augen wie Eissplitter funkelten unter dem flachkronigen, schwarzen Hut. Nur das kantige, glattrasierte Gesicht war gezeichnet. Saltillo kannte den Namen der Krankheit, die an Mortimer fraß: Hass. Er würde erst erlöschen, wenn Mortimer sich an ihm gerächt hatte.
Ihre Blicke prallten gegeneinander wie damals in der Barranca Grande, als sie sich zum ersten Mal begegnet waren. Schon damals hatte jeder im anderen den Todfeind erkannt. Die Geräusche ringsum waren verstummt.
Saltillo spürte, wie sich alle Blicke auf ihn und Mortimer richteten.
Was war mit Buck geschehen? Aber Saltillo brachte es nicht fertig, jetzt den Blick von Mortimer abzuwenden.
Die schmalen Lippen des Bandenführers verzogen sich zu einem Grinsen.
»Zuerst einmal besten Dank dafür, dass du den Wagen durchgebracht hast, Bastard! Da, nimm!«
Er war so unheimlich schnell wie eh und je. Sein Hieb mit dem Coltlauf kam so plötzlich, dass Saltillo den Kopf nicht mehr zur Seite brachte.
Saltillo prallte gegen den Wagen, stürzte in den Sand.
»Lump! Mörder! Verfluchter Hund!«, hörte er Valdez’ heisere Stimme wie durch eine dicke Wand.
Er biss die Zähne zusammen. Ein gemeiner Tritt traf ihn. Kein Laut kam aus seiner Kehle. Er wälzte sich herum, stemmte sich auf die Knie, zog sich am Wagen hoch. Alles um ihn drehte sich. Er hörte Stimmen, Tritte. Jemand nahm ihm den Waffengurt ab, an dem außer seiner Colthalfter auch sein Bowiemesser hing. Dann zerriss der Schleier vor seinen Augen.
Drei mit Gewehren bewaffnete Mexikaner trieben die Männer aus Nuevo Saltillo zu einem auf dem Platz angezündeten Feuer. Dort mussten sie sich niederkauern. Jeder erhielt einen Becher Wasser und ein Stück trockenes Maisbrot. Stahlklammern, zwischen denen Ketten klirrten, umspannten nun ihre Handgelenke.
Valdez bekam einen Tritt, der ihn fast ins Feuer warf, als er sich nach Saltillo umschaute und aufstehen wollte. Sein Becher schwappte über. Das Brot fiel ihm aus der Hand und verschwand unter einem Stiefelabsatz. Eine Gewehrmündung hinterließ einen Abdruck auf der Wange des erstarrenden Alcalden.
Ein Stück vom Feuer entfernt standen die Pferde der Entführer. Saltillos und Bucks Tiere hatten sich ihnen zugesellt. Ein Mexikaner hängte gerade die Waffengurte der beiden Männer an die Sättel. In Bucks Scabbard steckte noch das Harpers Ferry-Gewehr. Auf der ins Leere ragenden Steintreppe zeichnete sich verschwommen die kauernde Gestalt eines Wachtpostens ab.
»Nun hast du hoffentlich kapiert, dass du hier nicht mehr lebend wegkommst«, zwang Mortimers höhnische Stimme Saltillos Kopf herum. Mortimer war nicht mehr allein. Mexikaner mit angeschlagenen Revolvern standen neben ihm. Ihre braunen Gesichter waren verkniffen. Sie trugen ihre Charro Anzüge wie Uniformen. Zwei stämmige Kerle hielten Buck fest. Mit einem zufriedenen Grinsen hielt ihm ein dritter den Colt unter das Kinn.
Es war Esteban Trujillo, der ehemalige Bodegabesitzer aus Nuevo Saltillo, der mit Mortimer gemeinsame Sache gemacht hatte, ein vierschrötiger, untersetzter Bursche. Ein Stoppelbart umrahmte das aufgeschwemmte Gesicht. Wenn er grinste wie jetzt, glich er einem zähnebleckenden Schimpansen.
Bucks rotes Baumwollhemd war zerrissen. Schweiß lief ihm über die Wangen.
»Sorry, Amigo«, schnaufte er. »Bis ich merkte, an wen wir da geraten sind, hatten sie mich schon.«
Mortimer lachte klirrend. »Es musste ja klappen. Nur die verdammten Rothäute hätten mir beinahe ’nen Strich durch die Rechnung gemacht. Ansonsten hab ich keinen Augenblick daran gezweifelt, dass ihr versuchen würdet, die Schollenbrecher rauszuhauen.«
Saltillo ballte die Fäuste. Zeit gewinnen war alles, was ihm vorerst blieb, und es war wenig genug.
»Wenn du deiner Sache so sicher warst, Mortimer, weshalb hast du dann Manolo als Köder entkommen lassen und drei Killer hinter ihm hergeschickt?«, fragte er mit spröder Stimme.
Mortimer brannte sich gemächlich ein dünnes, schwarzes Zigarillo an. Der Colt steckte jetzt in der Halfter unter seinem vom offenen Mantel.
»Ihr habt sie also erwischt? Na schön, damit war zu rechnen. Dabei hätten diese Dummköpfe nur rausfinden sollen, mit wieviel Gegnern wir es zu tun bekommen. Aber nun wissen wir’s ja.« Mit einem spöttischen Auflachen schnippte er das Streichholz weg. »Der ganze Aufwand hat sich gelohnt. Du musst nämlich wissen, Halbblut, dass ich für jeden dieser Männer aus deinem Dorf fünfhundert Pesos kassieren werde. Kein schlechtes Geschäft, was?«
Saltillo straffte sich und spuckte aus.
»Du hast dich also auf Menschenraub verlegt, nachdem es mit der Hazienda nicht geklappt hat.«
Mortimers Gesicht verschwand hinter einem Schleier aus Tabakqualm.
»Warum