Raue Gefährten im Sattel: Glorreiche Western Sammelband 7 Romane
Von Alfred Bekker, Pete Hackett, Heinz Squarra und
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Über dieses E-Book
Heinz Squarra: Showdown in der Geisterstadt
John F. Beck: Das Teufelsrennen
Pete Hackett: Todesfalle am Rio Grande
Alfred Bekker (Neal Chadwick): Die Todesreiter vom Rio Pecos
Pete Hackett: Pulverdampf am Bow Creek
Larry Lash: Sattelgefährten bis in den Tod
John F. Beck: Die Kansas-Queen
Alfred Bekker
Alfred Bekker wurde am 27.9.1964 in Borghorst (heute Steinfurt) geboren und wuchs in den münsterländischen Gemeinden Ladbergen und Lengerich auf. 1984 machte er Abitur, leistete danach Zivildienst auf der Pflegestation eines Altenheims und studierte an der Universität Osnabrück für das Lehramt an Grund- und Hauptschulen. Insgesamt 13 Jahre war er danach im Schuldienst tätig, bevor er sich ausschließlich der Schriftstellerei widmete. Schon als Student veröffentlichte Bekker zahlreiche Romane und Kurzgeschichten. Er war Mitautor zugkräftiger Romanserien wie Kommissar X, Jerry Cotton, Rhen Dhark, Bad Earth und Sternenfaust und schrieb eine Reihe von Kriminalromanen. Angeregt durch seine Tätigkeit als Lehrer wandte er sich schließlich auch dem Kinder- und Jugendbuch zu, wo er Buchserien wie 'Tatort Mittelalter', 'Da Vincis Fälle', 'Elbenkinder' und 'Die wilden Orks' entwickelte. Seine Fantasy-Romane um 'Das Reich der Elben', die 'DrachenErde-Saga' und die 'Gorian'-Trilogie machten ihn einem großen Publikum bekannt. Darüber hinaus schreibt er weiterhin Krimis und gemeinsam mit seiner Frau unter dem Pseudonym Conny Walden historische Romane. Einige Gruselromane für Teenager verfasste er unter dem Namen John Devlin. Für Krimis verwendete er auch das Pseudonym Neal Chadwick. Seine Romane erschienen u.a. bei Blanvalet, BVK, Goldmann, Lyx, Schneiderbuch, Arena, dtv, Ueberreuter und Bastei Lübbe und wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt.
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Raue Gefährten im Sattel - Alfred Bekker
Raue Gefährten im Sattel: Glorreiche Western Sammelband 7 Romane
Alfred Bekker, Pete Hackett, Heinz Squarra, John F. Beck, Neal Chadwick, Larry Lash
Dieses Buch enthält folgende Western:
Heinz Squarra: Showdown in der Geisterstadt
John F. Beck: Das Teufelsrennen
Pete Hackett: Todesfalle am Rio Grande
Alfred Bekker (Neal Chadwick): Die Todesreiter vom Rio Pecos
Pete Hackett: Pulverdampf am Bow Creek
Larry Lash: Sattelgefährten bis in den Tod
John F. Beck: Die Kansas-Queen
John Cutler ist unterwegs nach Fort Worth. Dort erwartet ihn ein weiterer Auftrag. Aber bevor er sein Ziel erreicht, gerät er in einen Hinterhalt. Einen Mann erschießt er, die anderen Halunken fliehen. Noch ahnt Cutler nicht, dass er diesen Männern bald wieder begegnen wird – in einer verlassenen Stadt mitten im Niemandsland, in der er zusammen mit seiner Begleiterin Susan um Leben und Tod kämpfen muss. Denn es geht um 2.600 Dollar, die Susan bei sich hat. Geld, das die Halunken haben wollen. John Cutler wird das natürlich nicht zulassen! Und deshalb kann es am Ende nur einen Sieger geben!
Copyright
Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker
© Roman by Author
COVER FIRUZ ASKIN
© dieser Ausgabe 2021 by Alfred Bekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.
www.AlfredBekker.de
postmaster@alfredbekker.de
Showdown in der Geisterstadt
Ein Western von Heinz Squarra
IMPRESSUM
Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker
© Roman by Author / Cover 2019: Firuz Askin
Redaktion und Korrektorat: Alfred Wallon
© dieser Ausgabe 2019 by Alfred Bekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.
www.AlfredBekker.de
postmaster@alfredbekker.de
**
John Cutler ist unterwegs nach Fort Worth. Dort erwartet ihn ein weiterer Auftrag. Aber bevor er sein Ziel erreicht, gerät er in einen Hinterhalt. Einen Mann erschießt er, die anderen Halunken fliehen. Noch ahnt Cutler nicht, dass er diesen Männern bald wieder begegnen wird – in einer verlassenen Stadt mitten im Niemandsland, in der er zusammen mit seiner Begleiterin Susan um Leben und Tod kämpfen muss. Denn es geht um 2.600 Dollar, die Susan bei sich hat. Geld, das die Halunken haben wollen. John Cutler wird das natürlich nicht zulassen! Und deshalb kann es am Ende nur einen Sieger geben!
**
Aus schwefelfarben verhangenem Himmel blies heißer Wüstenwind über die öden Landstriche im südwestlichen Texas. Staub und Lavaasche hüllten die vulkanischen Felsengebilde und die Kakteen ein und standen wie ein dichter Vorhang vor den Glass Mountains in der Ferne. Wolkengebilde schoben sich am Horizont zusammen. Alles deutete auf ein sich näherndes Gewitter hin.
John Cutler zügelte seinen Braunen, als er die Reiter wie Schemen in den Staubschwaden auftauchen sah, und zog das Spencer Gewehr aus der Sattelhalfter. Die drei Reiter verließen den Schutz der Kakteen und sprengten ihm entgegen. Im Staubvorhang waren keine Einzelheiten, wie etwa die Gesichter oder die Farben der Pferde ,zu erkennen.
Schüsse peitschten.
Das Pfeifen einer Kugel ließ das braune Pferd in die Höhe steigen und mit den Hufen wirbeln.
»Zum Teufel!«
Cutler rutschte aus dem Sattel und feuerte zurück. Gleich mit der ersten Kugel traf er ein Pferd. Das Tier stürzte. Der Reiter rettete sich durch einen Sprung.
Cutler repetierte und schoss in schneller Folge. Er kannte solches Gelichter, das den Reisenden an den Wagenwegen auflauerte. Sie schossen erst und sahen dann nach, ob es sich auch gelohnt hatte. Und sie stellten keine Fragen. Sie nahmen mit, was sie bei den Opfern fanden, und zogen sich ins Big Bend zurück, wo die wandernde Asche der Vulkane ihre Spuren tilgte.
Da gab es nur eins: schneller schießen und versuchen, zu überleben.
Er drückte erneut ab. Und während neben ihm eine Kugel eine Furche in den lockeren Staubboden zog, traf er einen der Schurken. Der Kerl stieß noch einen abgerissenen Schrei aus, kippte aber bereits kopfüber aus dem Sattel und überschlug sich. Eine dichte Staubfontäne quoll in die Höhe und ließ die Gestalt verschwinden.
Der letzte Reiter zügelte sein Pferd.
Cutler repetierte die Spencer. Er hatte die siebenschüssige Waffe fast leergeschossen und musste nun vorsichtig sein.
Der dritte Kerl, der sein Pferd einbüßte, schrie etwas. Cutler konnte es nicht verstehen. Er vermochte auch den ersten noch immer nicht zu erkennen. Der Kerl hatte sich den Hut tief ins Gesicht gezogen, schoss und schaute über die Schulter.
Cutler legte an und zielte.
Da riss der Kerl sein Pferd herum. Cutler schoss. Die Kugel traf nicht. Der Kerl sprengte zurück, packte die Zügel des ledigen Pferdes und nahm es mit.
Wieder wurde etwas gerufen. Nur undeutlich konnte Cutler durch die Staubwand den Reiter sehen. Der andere schwang sich auf das ledige Pferd. Cutler jagte den beiden die letzte Kugel hinterher, was sie veranlasste, die Flucht zu ergreifen.
»Banditengesindel«, murmelte er, lud das Gewehr und hielt nach seinem Braunen Ausschau.
Im Südwesten entfernte sich der Hufschlag. Die grau-braunen Schleier stoben in den Himmel. Von den Reitern war nichts mehr zu sehen.
Der zurückgebliebene Kerl rührte sich nicht mehr. Mit dem Gesicht nach unten lag er im heißen Lavastaub. Ein Stück dahinter verendete das getroffene Pferd.
Fernes Gewittergrollen schallte über das karge Land. Der Wind nahm von einer Sekunde zur anderen zu, pfiff und heulte und ließ die trockenen Kakteen wie Papier rascheln. Er schleuderte Sand und Asche über den Boden und begann die reglose Gestalt schon zuzudecken.
Cutler ging auf den Reglosen zu und wälzte ihn auf den Rücken.
Steif fiel die Gestalt herum. Die Hand rutschte von der Brust herunter. Starr und glasig blickten die Augen ins Nichts. Der Tote war wie ein Cowboy gekleidet; kariertes Hemd, Levishose, Texasstiefel. Gesehen hatte er ihn nie in seinem Leben, was ihn in dem Glauben bestärkte, dass es Wegelagerer waren, die jeden überfielen, der ihnen vor die Flinten geriet.
Das Donnergrollen wiederholte sich.
Cutler schaute nach Westen und sah die Gewitterfront. Mit großer Geschwindigkeit schob sie sich heran. Der Wind nahm an Heftigkeit weiter zu. Schon waren die Sandwehen zu erkennen, die yardhoch dahinflogen, und schon wurde der Leichnam erneut von ihnen zugedeckt.
Ein Schnauben ließ Cutler zur anderen Seite blicken.
Sein Pferd hatte sich wieder genähert, kam an seine Seite und rieb die Nüstern über sein verstaubtes Hemd.
»Warum bist du denn weggelaufen?« Cutler lächelte. »Mit drei Halunken werden wir doch noch fertig!«
Das Donnergrollen wiederholte sich lauter und länger anhaltend als vorher.
»Dann wollen wir mal zusehen, dass wir weiterkommen.« Der große Mann zog den Sattelgurt nach.
Cutler saß auf und ritt nach Süden. Beerdigen konnte er die Leiche nicht, da er über kein Werkzeug dafür verfügte. Aber die Natur würde das für ihn erledigen. Er schob das Gewehr in den Scabbard, schaute noch manchmal in die Richtung, in der die Banditen verschwunden waren. Er sah sie nicht mehr.
*
Der Wind entfesselte ein Pfeifen und Orgeln in der Luft. Gebeutelt von den tobenden Elementen bogen sich die Kakteen. Losgerissene Kugelbüsche sprangen von Erhöhung zu Erhöhung auf dem Boden und verschwanden in den Wehen.
Cutler erreichte das ausgetrocknete Bett des Coyanosa Draw, ritt hinunter und folgte ihm ein Stück. Als es jedoch flach und steinig wurde, lenkte er den Braunen erneut ans Ufer.
Die schwarzen Wolken stießen im Nordwesten zusammen. Das Donnergrollen fachte den Wind weiter an.
Cutlers Brauner wurde immer schneller und schien vor dem Sturm entfliehen zu wollen. Und der Reiter hielt nach einer Deckung Ausschau. Irgendwo musste er Schutz für sich und das Pferd finden.
Da sah er im Süden ein Dach in der Staubwand, auf dem große Steine als Beschwerung lagen.
Cutler lenkte das Pferd darauf zu, bemerkte bald, dass es sich um eine einsame Handelsstation handeln musste, und erkannte dem geduckten Haus gegenüber einen leeren Korral, durch den der Staub flog.
Dünen bauten sich bereits an der Nordwand der wehrfähigen Hütte auf.
Das Pferd wieherte, als wollte es Freude ausdrücken.
»Das ist wirklich Glück in diesem trostlosen Landstrich«, murmelte Cutler überrascht. Er zügelte den Braunen vor dem Haus. »Hallo, ist da jemand?«
Der Ruf wurde vom Sturmwind mitgenommen und verwehte in der Ferne.
Hinter einem der kleinen Fenster bewegte sich etwas. Dann wurde die Tür geöffnet.
Im Rahmen stand eine große, schlanke Frau, die Cutler auf dreißig Jahre schätzte. Der Wind bewegte den Faltenrock des derben grünen Kleides der Frau. Auch ihr rotblondes Haar flatterte. Sie strahlte den Reiter aus großen graugrünen Augen an.
»John Cutler!«
Unwillkürlich duckte er sich und schaute in das fahle Dunkel hinter der Frau, in der sich aber keine weitere Person sehen ließ.
»Erkennst du mich nicht?«, fragte die Frau.
Er kannte zu viele Frauen, als dass er sich an jedes einzelne Gesicht zu erinnern vermochte.
»Ich bin Susan! Hays City! Letztes Jahr!«
»Ja, natürlich.« Er lachte befreit. »Wie geht es dir denn?«
Das Lächeln verschwand aus ihrem Gesicht.
Ein grollender Donnerschlag und ein jäher Sturmstoß ließen den Braunen einen Satz vollführen.
»Steig ab, und bring ihn in den Stall, Cutler. Und dann komm ins Haus. Jeden Augenblick geht der Sturm voll los.«
»Ja.« Er saß ab.
Susan lief vor ihm her zum Stall und öffnete die Tür. Cutler führte das Pferd hinein, band es an und sattelte es ab. Dabei schaute er sich um. Es stand kein weiteres Pferd unter dem Dach.
»Beeile dich«, rief Susan. »Wir müssen außen herum ins Haus. Und es kann jede Minute anfangen, unheimlich zu schütten!«
»Na, das sind ja nur ein paar Schritte.« Cutler blickte auf den Rücken des Mädchens. Es stand an der offenen, im Wind pendelnden Tür und schaute hinaus. Er erinnerte sich jetzt wieder an die Nacht mit ihr. Saloonmädchen war sie in einer Kneipe gewesen, die sich »Blutiger Eimer« nannte. Ein Wunder, dass sie sich an ihn erinnerte. Denn er war nur eine Nacht geblieben.
»Bist du nun soweit?« Sie blickte sich um.
»Ja.« Cutler trat zu ihr. Der Wind donnerte die Tür gegen die Wand und ließ den Stall erzittern.
»Dann schnell!« Susan lief hinaus und an der Wand entlang um das Gebäude herum.
*
Ein Blitz zuckte wie ein weißer Strahl vom Himmel und entfesselte einen Donnerschlag, unter dessen Wucht der Boden zitterte und das Haus bebte. Der Wind heulte um das Gebäude herum. Schlagartig begann es zu regnen. Große Tropfen rauschten vor den kleinen Stationsfenstern herab und trommelten auf das Dach.
Es war halb dunkel in der Station. Im großen Vorderraum stand rund ein Dutzend Tische und Stühle. Ein langer Tresen teilte den Raum. Regale mit Gläsern, Flaschen und Geschirr befanden sich dahinter und trennten den Saloon vom Store ab, ohne dass sich dazwischen eine Tür befand.
Im Stall schlug der Braune mit einem Huf gegen die Wand.
Susan lehnte sich gegen Cutler, der am Tresen stand. »Das Pferd hat sicher so große Angst wie ich.«
Er merkte, dass sie zitterte wie eben erst der Boden. »Damit muss das Tier fertig werden«, sagte er. »Oder soll ich es vielleicht hier hereinholen?«
»Nur das nicht!«, rief das Mädchen entsetzt. »Es schlägt hier alles kurz und klein. Was denkst du denn, was Russel zu mir sagt?«
»Wer ist Russel?«
»Ihm gehört die Handelsstation.«
»Und wo ist er?«
Susan drehte sich um. »In die Stadt geritten. Das macht er jede zweite Woche mal. Um Lebensmittel zu holen. Hierher kommen keine Postkutschen. Niemand bringt etwas zu essen für uns. Nur die Waren für den Store und der Whisky werden von Zeit zu Zeit angeliefert.«
»Ist es weit in die Stadt?«
»Vielleicht acht Meilen. Toyahville heißt sie. Russel trinkt dort mal besseren Whisky als den eigenen. Am Abend kommt er meistens ziemlich besoffen zurück.«
Cutler griff nach der Flasche und schenkte sich ein.
Da blitzte es wieder im halbdunklen, staubverhangenen Vorfeld der Station. Und wieder folgte unmittelbar ein berstender Donner, mit dem ein zunehmender Windstoß und abermalige Regenmassen einhergingen.
Susan schrie leise auf, biss sich in die bleiche Unterlippe und hielt sich an Cutler fest, als brauchte sie Halt.
Die Hütte ächzte. Polternd rollte ein Stein vom Dach und stürzte in den Sand.
»Bin ich froh, dass dich das Schicksal hierher führte, Cutler! Allein hätte mich die Angst vielleicht umgebracht. Denkst du, ein Blitz trifft das Haus?«
»Ich denke, es ist schon über uns hinweg.«
Susan bog den Kopf zurück. »Wirklich? Oder sagst du es nur, um mich zu beruhigen?«
»Nein, Susan, es ist vorbeigezogen.«
»Woher willst du das wissen?«
»Du musst die Zeit zwischen dem Blitz und dem Donner zählen. Je länger sie wird, um so weiter ist es bereits weg.«
Der nächste Blitz erschien auch dem Barmädchen weniger grell, und es dauerte zwei Herzschläge lang, bis der Donnerschlag über das Land brauste und an der Hütte rüttelte.
»Ja, es entfernt sich.« Susan ließ ihn los. »Schenk mir auch einen Whisky ein. Den habe ich jetzt nötig.«
Er lächelte ihr zu und schenkte ein. Draußen rauschte der Regen auf das ausgedörrte Land hernieder. »Das gibt Wasser für die Creeks«, sagte er.
»Man sagt, sie könnten nach Unwettern zu reißenden Strömen werden. Stimmt das?«
»Ja, natürlich. Im Coyanosa Draw kann einer in ein paar Stunden ertrinken, wenn er Pech hat. Und in zwei Tagen wird das Bett wieder leer sein. So wie vorher.« Er nahm sein Glas und stieß es gegen das eben gefüllte.
Susans noch zitternde Hand griff zu. »Jedenfalls hat dich der Himmel geschickt.«
Sie tranken.
Susan stellte das Glas ab, lehnte sich an Cutler und küsste ihn. Ihre Angst war verflogen. Auch das neuerliche Aufblitzen und der nachfolgende, grollende Donner beunruhigten sie nicht mehr.
Regenwasser floss an den Wänden und Fenstern hinunter und wusch den Staub weg. Es wurde etwas kühler. Der Wind ließ nach. Gereinigte Luft blieb zurück. In der Station wurde es allmählich wieder heller, was den Gedanken daran, der Abend könnte nahe sein, verdrängte.
»Wieso bist du hier?«, fragte Cutler.
Susan trat zurück. Resignation zeigte sich in ihrem, von ein paar Falten gezeichneten Gesicht. »Sieh mich doch an! Seit zehn Jahren bin ich in den Städten der Wildnis daheim. Man sagt, die Jahre hier draußen zählen doppelt und bei manchen Frauen dreifach. Und die Kneipenwirte finden junge Mädchen, seit die Eisenbahnschienen durch die Einöde führen. Sie kommen in hellen Scharen aus dem Osten. Da bist du weg vom Fenster, bevor du es richtig begreifst.«
»Also wolltest du den Eisenbahnschienen nach Süden ausweichen?«, stellte Cutler fest.
»Genau. Möglichst weit weg von der Eisenbahn, wo das Land wirklich noch wild ist und die Kneipenwirte weniger wählerisch sind. Eine Weile war ich dann noch in Amarillo. Aber da war nichts los. Ich versuchte es mit El Paso. Dort hast du es mit mehr Mexikanern als mit Weißen zu tun. War auch nicht mein Fall. So weit unten wähnte ich mich schließlich selbst noch nicht. Also kehrte ich um, kam hierher und blieb hängen.«
Cutler nickte, weil er das erwartet hatte. Hunderte, Tausende gingen diesen Weg, wenn sie erst einmal jenseits der dreißig angekommen waren und nach der Rechnung der Wildnis so gut wie vierzig oder fünfzig waren.
Aber Susan sah noch recht gut aus, weswegen er glaubte, dass es ihr in den verräucherten Saloons vielleicht auch nicht mehr gefallen hatte, was ja auch oft vorkam.
»Zuerst wollte ich nur eine Woche bleiben«, fuhr sie fort. »Nun sind schon zehn daraus geworden.«
»Die Zeit vergeht schnell.«
Sie griff nach der Flasche und schenkte die Gläser wieder voll. »Russel kommt nie vor dem Abend zurück.«
Ihr verheißungsvoller Blick verriet ihm leicht, was sie damit sagen wollte.
»Das dauert noch Stunden. Prost, Cutler!«
»Prost!«
Sie tranken. Susan küsste ihn flüchtig, ging vorbei und verließ den Stationsraum durch eine Tür im Hintergrund, die zu den Wohn- und Schlafräumen führte. »In der Küche liegen Brot und geräucherter Schinken!«, rief sie zurück.
Er stellte sein leeres Glas ab und ging in die Küche. Maisbrot und Schinken lagen auf dem Tisch am Fenster. Cutler nahm beides, biss vom Brot ab, wie es war, und schob sich den Schinken in Scheiben geschnitten in den Mund.
Weit entfernt hallte das Donnergrollen herein. Nur der Regen hielt mit unverminderter Heftigkeit an und bildete große Pfützen vor dem Haus und im leeren Korral.
Das Pferd hatte sich wieder beruhigt.
Als Susan in der Tür erschien, hatte sie sich der Kleidung entledigt. Cutler war keineswegs überrascht, nein, er hatte es sogar erwartet. Ihr Blick hatte es verraten. Die rotblonden, langen Locken fielen ihr bis auf die weißen, schmalen Schultern und berührten mit den Spitzen die Brüste.
»Russel ist ein alter Mann«, sagte sie erklärend. »Und hässlich wie die schwärzeste Nacht noch dazu. Ein dicker Kerl mit Wasseraugen und einer Knollennase.«
»Und doch gefällt es dir hier, was?«
»Er lässt mich in Ruhe. Es ist eine Erholung, hier zu leben. Einfach so in den Tag hinein. Nichts tun müssen, keine Sorgen haben. Das ist etwas, was ich bisher gar nicht kannte.« Sie kam herein, lehnte sich erneut an ihn, nahm ihm den Schinkenrest aus der Hand und biss hinein.
Sie schauten hinaus in den Regen. Cutler strich ihr mit der Hand über den Rücken und merkte, dass sie den Körper gegen ihn drängte.
»Hast du heute ein paar Reiter gesehen, Susan? Fremde aus dem Big Bend?«
Sie trat zurück und schaute ihn entsetzt an. »Russel hat davon gesprochen, dass es Wegelagerer hier unten geben würde. Aber ich habe noch nie einen gesehen. Nein, auch heute nicht. Warum fragst du?«
»Ich wurde von drei Kerlen angegriffen. Aber als einer tot aus dem Sattel stürzte, gaben die beiden anderen Fersengeld.«
»Nein, ich habe niemanden gesehen«, wiederholte das Barmädchen. »Kommst du nun mit?«
Cutler brauchte gar nicht nachzudenken, ob er mit ihr gehen wollte oder nicht. Sie ergriff schon seine Hand und führte ihn durch den Saloonteil nach hinten.
Sie bewohnte eine Kammer mit einem nicht sehr breiten Bett darin. Ein paar an die Wände geklebte Zeitungen sollten die Ritzen zwischen den ausgetrockneten Brettern verdecken, was ihnen mehr schlecht als recht gelang. In einer Ecke stand ein Drahtständer mit einer Waschschüssel darin und einem Wasserkrug darunter. Ein zur Hälfte vergilbter Spiegel hing an der Wand. Darunter stand ein Frisiertisch, dem hinten ein Bein fehlte, weswegen er an der Wand lehnen musste.
Susan schloss die Tür und half Cutler aus Hemd und Hose. Und als er nackt war wie sie, drängte sich ihr Körper gegen ihn, und ihre feuchten Lippen küssten seinen Mund.
»Dich scheint wirklich der Himmel geschickt zu haben, Cutler. Nicht nur wegen des Gewitters!«
Sie legten sich auf das leise knarrende Bett und umarmten sich. Susans Küsse wurden rasch feuriger. Ihr linkes Bein umschlang Cutler wie ihre Arme. Ihr Atem ging schneller. Schweiß bedeckte die Haut und ließ sie schimmern.
»Komm!«, flüsterte sie an seinem Ohr und zog ihn mit sanfter Gewalt herum, bevor er selbst dem Verlangen nachgab, das ihn längst gepackt hatte.
*
Feuchte Nebel stiegen aus dem Boden, auf den die Nachmittagssonne brannte.
Cutler stieg in den Sattel.
Susan kam von der Stationstür herüber und griff nach dem Zügel.
»Wirst du noch lange hierbleiben?« Er fragte es nur, um zum Abschied noch etwas zu sagen.
Sie zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung. Wenn ich Geld hätte, ginge ich fort.«
»Ich würde dir gern ein paar hundert Dollar geben, wenn ich sie hätte.« Er lächelte zu ihr hinunter.
»Sicher gehe ich irgendwann. Und vielleicht führt uns der Zufall mal wieder zusammen. Adios, Cutler. Und denke an mich!« Sie ließ den Zügel los.
Cutler schnalzte mit der Zunge und ritt nach Süden. Er schaute zurück und hob grüßend die Hand.
Susan winkte ihm nach, kam ein paar Schritte hinterher, blieb jedoch wieder stehen.
Er ließ das Pferd schneller gehen, um die Szene abzukürzen. Die Hufe patschten durch Pfützen. Cutler passierte Kakteen, an denen der frisch eingesogene Lebenssaft leuchtend rote Blüten auftrieb. Auch das sonst verdorrt in der Sonne in Gräben stehende Gestrüpp zeigte strahlendes Grün.
Nicht weit von der Station entfernt stieß er wieder auf das Bett des Coyanosa Draw, durch das sich ein noch ansteigender Fluss mit lehmig gelben Fluten wälzte.
Cutler unterließ den Versuch, diesen mit gewaltiger Strömung dahinrauschenden Fluss zu durchfurten und folgte weiterhin dem westlichen Ufer. Als er noch einmal zurückschaute, sah er nur noch das feucht schimmernde Dach der Station in der Sonne und darauf die großen, der Beschwerung dienenden Steine.
Weit wollte er an diesem Nachmittag nicht mehr reiten. Und eigentlich hätte er auch bleiben können. Aber er wollte keinen Ärger mit jenem Tobe Russel, wie der Stationer heißen sollte. Denn sicher dachte der über Susans Liebschaften anders als sie selbst. Und Susans von Leidenschaft geprägter Blick hätte auch dem dümmsten Mann alles verraten müssen, was nach dem Gewitter geschehen war.
*
Der Mann kam mit der herabsinkenden Dämmerung zu seiner Station zurück. Er hockte zusammengesunken im Sattel und bemerkte die eigene Ankunft erst richtig, als sein Pferd stehenblieb.
Tobe Russel hob den Kopf, fluchte leise und spuckte auf den Boden.
Susan öffnete, die Tür und stemmte die Fäuste in die Hüften. »Da bist du ja wieder mal. Und stockbesoffen wie immer!«
»Halts Maul«, brummte Russel. Unsicher griff er nach dem Sattelhorn und stieg ab. Seine Hände vermochten einen Sturz zu verhindern. Erst als er sicher auf den Beinen stand, ließ er los.
»Stockbesoffen!« Susan näherte sich. »Geh hinein, ich kümmere mich um das Pferd.«
»Stell es in den Korral. Heute wächst endlich mal wieder Gras hier!«
Tobe Russel schleppte sich an ihr vorbei und mit schwankenden Schritten zur Station.
Susan führte das Pferd in den Korral und sattelte es ab. Sie hatte damit keine Schwierigkeiten, da sie oft körperlich schwere Arbeiten verrichten musste, solange sie zurückzudenken vermochte.
Als sie ins Haus kam, trank Tobe Russel Whisky aus einer Flasche. Dazu musste er sich mit der linken Hand am Tresen festhalten. Er stellte sie hart ab, drehte sich um und rülpste. »War.. . war jemand hier?«
»Nein, wie kommst du denn darauf?« Sie schloss die Tür und lehnte sich dagegen.
»Hätte doch sein können. Los, trink einen mit mir.«
Sie verließ die Tür und ging langsam auf ihn zu. »Hast du eigentlich bemerkt, dass du keine Lebensmittel mitbringst?«
»Was?«
Susan blieb neben ihm stehen.
»Keine Le .. . Lebensmittel?« Der mittelgroße, dicke Mann im abgeschabten dunkelbraunen Cordanzug wischte sich über das gedunsene Gesicht, die Wasseraugen, die Knollennase und seinen Stoppelbart. Er schien die Trunkenheit verdrängen zu wollen. Dann nahm er den Schlapphut ab und warf ihn auf den Tresen.
»Nein. Du hast nichts mitgebracht.«
»Verdammter Mist. Muss ich glatt vergessen haben.«
»Du wirst dir das bisschen Verstand noch völlig aus dem Kopf saufen, Tobe!« Böse funkelten die grau-grünen Augen der Frau. »Und ich frage mich, wie lange ich dich noch ertragen kann!«
Er grinste und strich sich unsicher durch das graue, licht gewordene Haar. Schwankend kam er zu ihr und wollte sie umarmen.
Aber Susan stieß ihn heftig zurück. Er strauchelte, taumelte rückwärts zu den ersten Tischen und stürzte zwischen die Stühle, die mit Gepolter umkippten.
»Du bist wohl verrückt?«, stieß sie schroff hervor. Dann wirbelte sie herum und ging mit harten Schritten auf die Hintertür zu.
»Susan!«, rief er ihr nach.
Sie reagierte nicht.
»Susan, mein Täubchen, warte!«
Krachend schlug die Tür hinter ihr zu. Staub wehte von den Dachsparren herunter.
Der Mann quälte sich auf die Beine. »Dann eben nicht, alte Hexe!«
Er schleppte sich zum Tresen, ergriff die Flasche und kippte den scharfen Whisky wie pures Wasser in sich hinein.
Irgendwo im Hinterteil des Hauses schlug eine zweite Tür zu, und laut war das Scharren eines Riegels zu hören.
»Dann eben nicht«, wiederholte der Mann. »Aber irgendwann habe ich die Nase voll und jage dich zum Teufel!« Seine Wasseraugen funkelten böse. »Irgendwann. Bald!«
Draußen verglomm das Tageslicht. Von Osten schob sich Nachtschwärze über Texas.
Tobe Russel merkte endlich, dass ihm der Schädel brummte. Das Kratzen im grauen Haar nützte nichts, ihm wurde davon nicht besser.
»Muss mir ... Kaffee ...«, murmelte er abgerissen, ließ die Flasche los und schleppte sich in die Küche.
Das Licht der noch von Susan angebrannten Lampe fiel in die Küche herein. Der Stationer öffnete den Spind, griff unbeholfen hinein und riss ein paar Tassen heraus, die auf dem Boden zerschellten. Dann hatte er die Kaffeemühle gefunden.
*
Coyoten heulten in dem Bergmassiv um den Limpia Canyon im Nordwesten der Station am Coyanose Draw, aber noch gut fünf Meilen von ihr entfernt.
Ein Schatten floh durch einen Hohlweg, glitt an den nass schimmernden Wänden vorbei und verschwand in einer Spalte.
Hufe klirrten auf dem Gestein. Zwei Reiter näherten sich und erreichten den silbern schimmernden Mondschein in der Verbreiterung des Weges. Sie hielten an. Als der eine Reiter den Hut zurückschob und in den Nacken fallen ließ, wo ihn die Windschnur festhielt, war eine Frau zu erkennen. Kupferfarbenes Haar umgab in weichen Wellen ihr ovales, hartes Gesicht mit dem scharfgeschnittenen Kinn. Sie schaute auf den Mann neben sich.
Er lächelte ihr zu, glättete den schwarzen Schnurrbart und schaute zurück. Er war groß und hager wie die Frau, hatte schwarzes, halblanges Haar und Jettaugen.
»Denkst du, sie könnten aus Saragosa noch hinter uns her sein, Marv?«
»Nein. Bei dem Unwetter haben sie alle Spuren verloren. Zudem sind wir erst nach Osten und später nach Süden.«
»Dann können wir ja ganz beruhigt sein.« Die Frau lächelte und schaute auf die prall gefüllte Tasche am Sattel des Mannes. »Und wann sind wir in Mexiko?«
»In ein paar Tagen.«
»Dann wollen wir hoffen, dass der Telegraf wieder mal nicht funktioniert. Sie haben doch einen Telegrafen nach Süden hinunter, nicht wahr?«
»Ja, Simone. Und er könnte einem. Außenkommando der Texas Ranger eine Meldung gebracht haben. Aber das ist die einzige Gefahr, die ich sehe. Reitern müssen wir eben versuchen aus dem Weg zu gehen.«
»Dann weiter!« Die fünfunddreißig jährige Frau trieb ihr Pferd erneut an.
Der Mann blieb neben ihr. Sie ritten den Hohlweg weiter hinunter und vorbei an der Spalte, in welche der Coyote geflohen war.
Ein Rauschen erreichte ihre Ohren. Die Frau hob die Hand und zügelte ihr Pferd.
Der Mann folgte ihrem Beispiel und beugte sich vor.
»Was ist das, Marvy?«
»Wasser. Im Canyon.«
»Aber kennst du den Weg nach Süden denn nicht?«
»Doch. Einigermaßen, Simone. Aber da war früher kein Wasser. Der Regen muss es verursacht haben. Das verdammte, heftige Gewitter. Da läuft dann alles einen Tag oder zwei durch die Schlucht, was über den Bergen niederging. Wir wollen erst nachsehen. Vielleicht ist es nicht schlimm.«
Nebeneinander ritten sie weiter.
»Denkst du, in der Bank in Saragosa könnte uns jemand gekannt haben, Marv?«
»Ausgeschlossen. Ich war nie dort.«
»Es gibt von dir Steckbriefe mit einem beachtlich guten Bild darauf. Weißt du das nicht?« Sie lächelte verächtlich.
»Ich glaube nicht, dass die uns erkannt haben. Die waren geschockt, als wir auftauchten.«
»Mindestens vage werden sie uns schon beschreiben können. Ein Mann mit schwarzem Haar und Schnurrbart und eine Frau mit roten Haaren. Ist das vielleicht nichts?«
»Zu wenig, als dass es in ein paar Monaten noch eine Rolle spielen könnte.«
»Warum in ein paar Monaten?«
»Weil wir dann aus Mexiko zurückkehren werden, Simone. Nicht hierher nach Texas. Vielleicht nach Arizona oder New Mexico.«
Das Rauschen in der Tiefe der Berge war lauter geworden. Gebannt schauten sie beide den Weg hinunter.
Geröll bedeckte immer stärker den Boden. Es war mit trockenem Schlamm vermischt, an dem sich erkennen ließ, dass noch vor wenigen Stunden auch durch den Hohlweg Wassermassen geflossen sein mussten.
Der Weg beschrieb zwischen senkrechten Granitwänden einen Bogen. Im nächsten Augenblick war der Limpia Canyon zu erkennen. Mondlicht lag auf den sich dahinwälzenden Fluten, von denen losgerissenes Gestrüpp und die Stämme verkrüppelter Bergkiefern mitgeführt wurden.
»Da kommen wir nicht rüber«, sagte die Frau, als sie wieder anhielten.
Der Regenfluss nahm die ganze Breite der Schlucht ein. Seine Tiefe ließ sich nicht erkennen.
Marv lenkte sein Pferd noch etwas dichter an den Strom. Das Tier schnaubte und wollte zurück.
»Ich habe Angst«, gestand die Frau. »Und ich kann auch nicht schwimmen.«
»Ob man schwimmen kann oder nicht, ist hier bedeutungslos, Simone. Wer da hineinfällt, kommt nur mit Gottes Hilfe wieder heraus.«
»Mit einer gehörigen Portion Glück, meinst du vielleicht.«
»Oder das.« Der Mann fluchte vor sich hin. »Wir können nicht umkehren und zehn Meilen zurück nach Norden reiten. Falls sie doch in der Richtung suchen, reiten wir ihnen in die Arme.«
Die Frau schaute in die Schlucht. Ein Stück weit beherrschte das Mondlicht noch die Szene. Dahinter lag undurchdringliche Schwärze.
»Wir müssen hinüber, koste es, was es wolle, Simone!« Entschlossen gab der Mann seinem Pferd die Sporen.
»Warte!«
Er achtete nicht darauf. Es gab für ihn nur diesen einen Weg weg von seinen Häschern, und er war fest entschlossen, ihn auch zu gehen. Das Pferd sträubte sich und stemmte die Hufe ein. Aber der Mann schlug ihm die Faust gegen den Hals und gab ihm abermals die Sporen. »Vorwärts!« befahl er.
»Marv, warte noch!«
Das Pferd trug den Mann bereits in die lehmigen Fluten. Ein Baum schwamm dicht vor ihm vorbei, tauchte unter und wieder auf und wurde von der Nacht verschluckt.
»Marv!«, gellte der Ruf der ängstlich gewordenen Frau in das Rauschen hinein.
Er trieb das Pferd wieder an, weil es langsamer wurde und der Wasserdruck sich gleichzeitig verstärkte. Es gehorchte, sank tiefer und tiefer. Schon war der Sattelgurt in den kalten Wassermassen verschwunden.
»Los, los!« Der Mann drosch auf das Tier ein und hielt es damit in Bewegung. Zu seinem Glück war der Boden glattgewaschen und bot dem Pferd genügend Halt. Und schon hatte er die Hälfte des Weges hinter sich. Der Regenfluss wurde flacher. Er frohlockte, schaute zurück und erreichte glücklich das Ufer. Das Pferd blieb zitternd stehen.
»Was ist, willst du dich da drüben verewigen, Simone?« Marv lachte schallend und winkte der Frau, und er verdrängte dabei, dass er selbst erleichtert war.
Buschwerk floss schnell vorbei.
»Das schaffe ich nicht!«, rief die Frau hinüber.
»Aber sicher schaffst du das, Simone. Einfach den Gaul antreiben, weiter nichts!«
Die Frau drängte das Pferd bis an den Wasserlauf, doch dann hielt sie wieder.
»Los, Simone! Oder willst du vielleicht, dass ich mit dem vielen Zaster allein in Mexiko verschwinde?«
»Wage es!«
Er lachte, dass es das Rauschen übertönte und einen Moment im Hohlweg widerhallte.
Die Frau trieb das Pferd an. Es bewegte die Hufe, ging aber zurück.
»Los, Simone!«
Sie schimpfte auf den Mann und das Pferd und setzte ihm viel zu hart die Sporen ein.
Schrill wieherte das Pferd. Mit einem Satz flog es in die aufspritzenden Fluten, so dass die überraschte Frau den Halt und einen Steigbügel verlor. Zu allem Unglück kam noch eine Krüppelkiefer angeschwommen, die das Pferd rammte.
Ein abermaliges Wiehern erschallte.
»Festhalten!«, brüllte Marv.
Doch das Tier wurde von dem Stamm aus der Bahn gedrückt, verlor den Halt auf dem Boden vollends und stürzte.
Simone schrie, flog ins Wasser und wurde von der Strömung gepackt.
»Simone, nach links!«, schrie der Reiter sinnlos.
Die gigantische Strömung des Regenflusses drückte die Frau wie ein willenloses Spielzeug hinunter.
Marv sah noch, wie Simone auf einen Stein mitten im überfluteten Canyon geworfen wurde. Sie schrie gellend.
»Simone, nach links!«, schrie er.
Das Wasser riss die Frau vom Stein wieder herunter und trug sie in das Dunkel hinter dem Mondlicht. Sie drehte sich auf einem Strudel, wurde unter Wasser gedrückt und verschwand aus dem Blickfeld des entsetzten Mannes. Hinter ihr schwamm das Pferd her, knallte gegen die Wand, versank und war mit den Hufen näch oben noch einmal zu sehen.
»Mein Gott«, flüsterte der schwarzhaarige, schnurrbärtige Mann, der sich den Hut in den Nacken schob. »Endlich haben wir mal ein richtiges Fass aufgemacht zusammen. Und nun das!«
Eines war ihm klar: Wer einmal zum Opfer dieses Regenflusses inmitten der Berge wurde, der entkam ihm auch nicht mehr lebend. Nicht da unten zwischen den schroffen Wänden, wo es keinen Platz gab, an dem ein Entrinnen möglich wäre.
»Adios, Simone.« Der Mann zog sich den Hut in die Stirn und setzte seinen Weg nach Süden fort.
*
Der Kaffee hatte Tobe Russels Lebensgeister angestachelt und die Trunkenheit weitgehend aus seinem Kopf vertrieben. Er dachte noch an Susan. Vor ein paar Stunden in der Stadt hatte ihn schon das einzige Barmädchen dort abblitzen lassen. Wegen eines jüngeren Mannes, der obendrein vielleicht mehr Geld besaß als er.
Da war er sich endlich schlüssig geworden, bei Susan Nägel mit Köpfen zu machen. Schließlich hatte er sie in seiner Handelsstation nicht aufgenommen, weil er vielleicht nicht mit Geld wüsste, wohin. Im Gegenteil. Aber er hatte Angst gehabt, ihr zu sagen, was er wirklich wollte. Er lief durch die Station, betrat den dunklen Gang im hinteren Teil und schlug gegen ihre von innen verriegelte Tür.
Drinnen rührte sich nichts.
»Susan!« Abermals hämmerte Tobe Russel gegen die dürren Bretter, die sich ächzend bogen und das Hallen der Hiebe durch das ganze Haus schickten.
Doch drinnen blieb es immer noch still.
»Susan, mach doch auf!« Der Stationer verlegte sich in seiner eigenen Hütte aufs Flehen. »Ich muss mit dir reden. Dringend reden! Hörst du, Susan?«
»Was willst du mit mir reden, Tobe?«, fragte drinnen das ehemalige Barmädchen mit barscher Stimme.
»Schieb den Riegel zurück, und lass mich hinein!«
»Du bist besoffen. Wenn du was mit mir bereden musst, dann warte gefälligst bis morgen.«
»Es ist aber wichtig! Es muss jetzt sein.«
»Lass mich in Ruhe, ich habe schon geschlafen!«
Russel seufzte. Seelischer Schmerz und Wut rangen in ihm miteinander um die Oberhand, und er wusste nicht, ob er nachgeben oder die Tür eintreten sollte.
Da war das Wiehern eines Pferdes zu hören.
Russel wandte sich um und lauschte.
»Ein Reiter ist angekommen«, sagte das Mädchen hinter der Tür. »Kümmere dich um ihn.«
Russel fluchte vor sich hin und verließ mit schlurfenden Schritten den Gang. Er betrat den Saloonteil der Station, schloss die Tür und ging nach vom weiter.
»Hallo!«, rief eine Stimme vor dem Haus.
»Bin ja gleich da«, brummte der Stationer. Am Tresen ergriff er seine Tasse und trank den Rest des lau gewordenen Kaffees. Die Tasse ließ er ins schmutzige Spülwasser fallen. Kurz darauf öffnete er die Tür.
In der Lichtbahn hielt ein großer Mann auf einem stämmigen Grauen, der ihn abschätzend, beinahe schon finster musterte.
»Was wollen Sie denn?« Tobe Russel gefiel die Störung überhaupt nicht. Seine Gedanken beschäftigten sich noch mit Susan.
»Ich habe lange nichts gegessen und würde gern ein paar Stunden in einem Bett schlafen.« Der große Mann stieg ab und zwirbelte seinen schwarzen Schnurrbart.
Russel kniff die Augen zusammen. Irgendwoher kam ihm dieses Gesicht bekannt vor.
»Also, was ist?«, fragte der Mann schroff.
»Jaja, kommen Sie ins Haus. Ich kümmere mich um den Gaul. Gehen Sie nur, Mister.«
Der schwarze Mann schaute etwas freundlicher drein, löste eine volle Satteltasche von einem Riemen und klemmte sie unter den Arm.
»Im Korral steht gerade einmal frisches Gras«, fuhr Russel fort.
»Ja, das wird ihm gut tun. Aber satteln Sie das Pferd nicht ab. Haben Sie verstanden?«
»Verdammt, ich stehe nicht auf den Ohren!« Fluchend ergriff Russel den Zügel, führte das Pferd zum Korral und hängte die Fenz aus.
Der Fremde schaute ihm nach, doch auch er war nicht richtig bei der Sache. Er dachte noch an Simone, die so plötzlich im überfluteten Canyon ein tragisches Ende gefunden hatte. Dann drehte er sich um und ging in die Station hinein. Ein schneller Rundblick ließ ihn erkennen, dass wie erwartet niemand weiter da war. Er hatte unbewusst zum Coltkolben gegriffen, ließ ihn nun los und ging weiter.
Russel trat ein und versetzte der Tür einen Tritt. Sie schwang zurück und knallte zu.
Der Fremde wirbelte herum und riss den Revolver aus der Halfter.
Russel zuckte zusammen und hob die Hände. »He, was soll denn das, Mister?«
Der Mann ließ den Colt sinken. »Sind Sie verrückt geworden, Mann?«
»Teufel, sind Sie schreckhaft.« Russel ging hinter den Tresen und schenkte für den Mann Whisky ein. Und da er sich in der Tat wieder recht fit fühlte, füllte er auch für sich ein Glas zur Hälfte. »Also dann auf Ihr Wohl, Mister.«
»Prost.« Der Fremde legte die Satteltasche auf den Tresen, ließ aber die linke Hand darauf.
Russel blickte erstmals richtig hin. Doch da zog der andere die Tasche schnell vom Tresen herunter.
Sie tranken. Russel trat zurück.
»Was starren Sie mich denn an?«, schimpfte der andere.
»Mir ist es, als hätte ich Sie schon mal gesehen, Mister ...«
»Ausgeschlossen. Ich war nie hier.«
»Nein, nicht hier.« Tobe Russel schüttelte den Kopf.
»Ich wollte was essen und ein paar Stunden in einem Bett schlafen, verstanden?«
»Jaja, das sagten Sie bereits.« Russel starrte ihn immer noch an und überlegte fieberhaft.
»Ich kann auch wieder wegreiten, wenn Sie nichts verdienen wollen.« Der Fremde warf einen Dollar auf den Tresen.«
»Ich gehe ja schon.« Russel raffte das Geldstück vom Schanktisch, und während er es einsteckte, ging er auf die Küche zu.
Der schwarze Mann wandte sich einem Tisch zu und setzte sich. Er legte die Tasche auf die Platte und trommelte mit den Fingern darauf herum. Er war nervös und dachte immer noch an Simone. Sein Blick war auf die offene Küchentür gerichtet.
Geschirr klirrte. Dann wurde es still.
Der Fremde blickte auf seine verstaubten Stiefel und grinste plötzlich. Eigentlich hatte er Simone ja gemocht. Aber die Tasche voll Geld allein zu besitzen, erschien ihm immer besser, je länger er darüber nachdachte.
Als er den Kopf wieder hob, stand Tobe Russel auf der Türschwelle. Er hielt eine doppelläufige, abgesägte Schrotflinte in der Hand. Den Kolben presste sein Ellenbogen gegen die Hüfte.
Dem Fremden lief es kalt über den Rücken. Er stand auf wie in die Länge
gezogen. »Was .. .? Mann, was ist denn in Sie gefahren?«
»Mir ist jetzt eingefallen, woher ich Sie kenne. In der Tat, wir sind uns nie begegnet. Aber bei Hilfssheriff Wayne in Toyahville hängt Ihr Steckbrief, Marv Bates!«
Der Fremde duckte sich etwas. Scharf funkelten seine Augen. »So, hängt er dort?«, fragte er.
»Ja.« Russel trat neben den Tresen.
Marv Bates konnte erkennen, dass die beiden außenliegenden Hämmer der Schrotflinte gespannt waren. Und er wusste, dass die Ladungen seinen ganzen Körper treffen mussten. So sehr konnte der alte Russel gar nicht wackeln oder die Waffe aus der Richtung bringen, dass er nicht getroffen würde.
»Aha«, sagte der Mann. Er wollte vor allem Zeit gewinnen, den Stationer irgendwie hinhalten und selbst eine Chance finden, das Blatt zu wenden.
»Und es steht eine ganz nette Summe dabei«, redete Russel weiter. Er begann zu grinsen. »Dreihundert Bucks, Mister Bates. Das ist für unsereinen eine schöne Stange Geld!«
»Was sind schon dreihundert Dollar.« Bates grinste abfällig. »Ich gebe dir das Doppelte, wenn du das verdammte Gewehr endlich wegsteckst und mich vergisst, sobald ich diesen Laden verlassen habe. Hast du verstanden? Das Doppelte!«
Tobe Russel leckte sich über die Lippen. Er grinste noch unsicher. Aber die steilen Falten auf seiner Stirn ließen erkennen, dass er krampfhaft nachdachte.
»Hier, ich habe es bei mir!« Bates hielt die Satteltasche vor. »War gerade erst abkassieren!«
»Abkassieren?«
»Habe eine Bank aufgemacht, Mann. Mit der Brechstange!«
Russel kicherte. Heftig schwankte das Schrotgewehr in seiner Hand. »Du gibst das Doppelte, Mister?«
»Aber ja. Wir regeln das in aller Freundschaft. Und zum gegenseitigen Vorteil. Ich habe natürlich auch kein Interesse daran, in der Zelle eines Hilfssheriffs zu landen.«
»Der dich dem Sheriff von Pecos und damit dem Henker ausliefem würde, Mister Bates!« Russel lachte schallend.
»Du sagst es. Also?«
Tobe Russel leckte sich abermals über die Lippen. Unverhüllte Gier blitzte in seinen Wasseraugen. Die Knollennase hatte sich gerötet. Er trat hinter den Schanktisch, ohne das Gewehr aus der Richtung zu bringen.
Bates ging auf den Tresen zu. Er verharrte erst, als ihn von den abgesägten Läufen nur noch zwei Schritte trennten und er den Tresen hätte ergreifen können.
»Leg es darauf!« Mit einer Kopfbewegung deutete der Stationer auf den Tresen.
Bates öffnete die Tasche. Das Licht der Petroleumlampe fiel auf die Goldmünzen.
Russel sperrte den Mund auf. Schweiß lief über seine Stirn und die Wangen. »Wieviel? Zur Hölle, wieviel ist denn das?«
»Gar nicht so schlimm. Zweitausendsechshundert Dollar.«
»Du meine Fresse, soviel Zaster hatte ich noch nie in der Hand!«
Tobe Russel hatte alles andere vergessen. Er sah nur noch die funkelnden Goldmünzen. Der Gedanke, sich in Gefahr befinden zu können, kam ihm nicht. Und dass der Mann, der dreihundert Dollar tot oder lebendig wert sein sollte, ein Mörder war, daran dachte Russel längst nicht mehr. Seine linke Hand löste sich von der Schrotflinte und streckte sich zitternd aus.
»Darf ich es … Darf ich es mal anfassen?«
»Aber natürlich!« Bates grinste freundlicher, hob die Hand mit der Tasche an und hielt sie über den Schanktisch.
Russel tropfte der Schweiß vom Kinn. Er trat weiter vor. Sein Mund stand offen.
Bates gab ihm die Tasche in die zitternde Hand, ließ sie los und stieß das Schrotgewehr zurück.
Russel taumelte, verlor die Tasche dabei und schrammte gegen das Regal, in dem Flaschen, Gläser und Geschirr klirrten.
Die Tasche knallte auf die Theke. Goldmünzen rollten über die Platte.
Bates war zurückgesprungen und riss den Colt heraus. Und bevor der Stationer sich zu fangen vermochte und die Waffe erneut anschlagen konnte, schoss der Bandit.
Russel zuckte getroffen zusammen.
»Idiot!«, rief der Bankräuber. »Hast du wirklich gedacht, ich würde dir auch nur einen lausigen Dollar in den Rachen werfen?« Schallendes Gelächter folgte den Worten.
Tobe Russel schwankte keuchend am Regal entlang.
Noch immer hatte er die Schrotflinte in der Hand. Und bevor Marv Bates am Tresen war und seine Tasche ergreifen konnte, drückte Russel mit letzter Kraft ab. Der Stationer zog beide Hähne durch.
Von einem brüllenden Knall begleitet, jagten die Stichflammen ineinander verschmolzen aus den Mündungen.
Bates schrie auf und schwankte rückwärts. Er stürzte zwischen die berstenden Stühle. Zugleich wurde die pendelnde Lampe von der morschen Schnur gerissen, die sie an der Decke hielt. Sie flog gegen den nächsten Pfosten. Der Zylinder und der Glasbehälter zerschellten.
Petroleum lief über das Holz und färbte es dunkel. Und während die Lampe noch fiel, sprang die Flamme vom immer noch brennenden Docht über und fuhr am Pfosten in die Höhe.
Bates sah es nicht mehr, da er sein schäbiges Leben bereits aushauchte.
Russel schwankte noch an den Tresen. Er verlor die Schrotflinte. In den Pulverdampfschwaden stand der Stationer wie in einer dichten Wolke. Sekundenlang vermochte er sich noch am Rand des Tresens festzuhalten. Doch dann versagte seine Kraft. Seine Knie knickten ein. Und während auch er zu Boden stürzte, riss der seidene Faden durch, an dem sein Leben seit zwei Minuten gehangen hatte.
*
Susan stürzte aus dem hinteren Trakt des Hauses. Die Tür schwang herum und donnerte gegen die Wand.
Eine Feuersäule reichte an einem Pfosten fast vom Boden bis zur Decke hinauf und leckte an den Dachsparren. Von ihr kam das bizarre Licht, das gespenstische Schatten über die Wände, den Boden und die Gegenstände springen ließ.
Susan sah die Stiefel des für sie fremden Mannes, den Pulverrauch über dem Tresen und dahinter die Satteltasche, die offen auf dem Schanktisch lag. Goldmünzen schimmerten davor.
Sekundenlang stand sie wie gelähmt und schaute mehrmals über die Szene hinweg. Sie hatte nicht die geringste Ahnung, was geschehen war, denn sie war froh gewesen, Russel abgewimmelt zu haben.
Vom Feuer sprang ihr Wärme entgegen. Es leckte schnell immer höher, verursachte ein lauter werdendes Knistern und trieb Rauchschwaden durch die Station.
Susan musste husten. Tränen rannen ihr aus den Augen und verminderten etwas das Brennen darin.
Sie schaute wieder zum Schanktisch und ging wie von magischer Kraft gezogen darauf zu.
Fasziniert schaute sie auf die Tasche, denn sie sah erst aus der Nähe, dass sie voll war mit den goldenen Münzen. Wie einem Zwang folgend, drehte sich Susan um und studierte das zerrissene Gesicht des Toten zwischen den Stühlen. Die springenden Schatten schienen es wiederbeleben zu wollen. Auch der schwarze Schnurrbart schien zu zucken.
Sie trat näher heran und erkannte die Täuschung. Nein, dieser Fremde war tot. Und er schien die Tasche voll Dollars mitgebracht zu haben.
Das Feuer fauchte über die Decke hinweg. Die Rauchschwaden verdichteten sich so sehr, dass Susan husten musste.
Aber sie blickte auch hinter den Tresen, wo der Stationer lag. Russel, dieser alte Kerl mit der Knollennase im Säufergesicht, der ihr aus der Patsche geholfen hatte, als sie nicht mehr so recht gewusst hatte, was nun mit ihr werden sollte, und der offenbar heute die Rechnung dafür hatte präsentieren wollen.
Er hatte ebenfalls das Zeitliche gesegnet.
Susan begriff das alles nicht. Und sie war wie gelähmt.
Das Feuer fraß sich über die Dachsparren und den Boden und an den Wänden in die Höhe. Unter dem Hitzeeinfluss zerbarst eine Fensterscheibe.
Susan zuckte zusammen. Vor ihr stürzte ein brennender Balken aus den Verstrebungen.
Das löste ihre Starre. Ohne darüber nachzudenken, ohne einen Plan zu haben, griff sie zu, schob hastig die Münzen in die Tasche, raffte sie vom Tresen und schnallte sie zu. Dabei war sie bereits zum hinteren Teil des Hauses unterwegs. Die Tür stand noch offen. Der Flammenschein reichte in den Gang hinein, und das Knistern und Fauchen des Feuers verfolgten das Mädchen.
Susan hastete in ihre Kammer, raffte ein paar Kleidungsstücke zusammen und lief hinten aus dem Haus.
Im Korral wieherten die Pferde. Sie jagten von sich steigernder Panik getrieben durch die Umzäunung, schrammten gegen die Latten und Bretter und strauchelten manchmal.
Das Mädchen erreichte den Korral und rief Russels Pferd, wie sie es in den letzten Wochen aus reinem Zeitvertreib manchmal getan hatte.
Aber das Tier jagte schnaubend weiter.
»Komm her, Feller!«, schrie sie lauter. »Er nennt dich doch so, ich habe es gehört!«
Das Pferd hörte in der Tat, blieb stehen und bewegte den Kopf nach der Seite.
Susan ließ die Tasche mit den Goldmünzen und ihre Habseligkeiten aus den Händen fallen. Sie hängte die Fenz aus und sprang zurück, als das Stück Zaun kippte und sie es nicht mehr zu halten vermochte.
Das zweite Pferd kam geradewegs durch den Korral galoppiert und sprengte an Susan vorbei. Beinahe wäre sie umgerissen worden. Das Tier wieherte, passierte die Helligkeit vor der lichterloh brennenden Station und verschwand in der Nacht.
Russels Pferd schnaubte und sprang an. Es schien dem anderen Tier folgen zu wollen.
»Nein, lauf nicht weg!«, rief Susan. In ihrer Sorge, inmitten einer feindlichen Wildnis allein zurückzubleiben, warf sie sich dem Tier entgegen und erfasste mit beiden Händen das Kopfgeschirr. Sie verlor den Halt, wurde ein paar Yards mitgeschleift, brachte das Tier aber dadurch zum Stehen. Susan hielt eisern fest.
»Warte doch«, sagte sie keuchend. »Nimm mich mit. Was soll ich denn allein hier?«
Sie zog das Pferd beinahe mit Gewalt an den Zaun zurück, nahm einen Zügel, der über den Brettern und Latten hing, befestigte ihn am Kopfgeschirr und band das Pferd damit an den Zaun.
Im brennenden Haus brach etwas zusammen. Glas splitterte erneut. Das Pferd keilte aus und gebärdete sich mit jeder neuen Sekunde panischer.
»Hör auf!«, schimpfte Susan, die den schweren Sattel in den Händen hielt und ihn nicht auf den Rücken des Pferdes bringen konnte. »Hör auf damit!«
Schnaubend hielt das Tier inne.
Susan riss alle Kraft zusammen und wuchtete den Sattel auf den glatten, glänzenden Tierrücken hinauf. Sie schnallte ihn fest, raffte ihre Habseligkeiten zusammen, vergaß auch die Tasche nicht und band den Zügel vom Zaun los. Kaum saß sie im Sattel, preschte das Pferd los wie von Furien gehetzt.
Susan verlor ein paar Kleidungsstücke, was sie aber nicht kümmerte. Nur die schwere Satteltasche mit dem Geld hielt sie wirklich fest.
Hinter ihr schlugen Flammen aus dem Dach der Station. Wie ein Fanal stand das brennende Haus in der Wildnis. Die Feuersbrunst verschlang die Spuren eines grausigen Geschehens, von dem niemand mehr Zeugnis abgeben konnte.
Auf einer flachen Bodenerhebung gelang es ihr, das Pferd zu zügeln. Sie drehte sich im Sattel und schaute zurück.
Die Wände des Hauses brannten innen und außen. Rauch und Funken stiegen in den Himmel. Der Rest des Daches brach zusammen, und die Wände knickten ein. Eine Feuersäule raste empor und fiel wieder in sich zusammen. Rauchschwaden trieben unsichtbar durch die Nacht.
Susan stieg ab. Das Pferd war soweit zur Ruhe gelangt, dass sie es wagen durfte, den Zügel fallenzulassen. Sie legte ihre letzten Habseligkeiten auf den Boden. Halbhohe Stiefel, das derbe grüne Reisekleid mit Faltenrock, ein Cowboyhut, Strümpfe und Unterwäsche waren ihr verblieben. Susan zog das graue Nachthemd aus und warf es achtlos von sich. Sie zog die anderen Kleider an und saß wieder auf.
Das Feuer in der Ferne war zusammengesunken. Wenn es Tag würde, fand man sicher nur noch einen Aschehaufen von der Station, und den würde der Präriewind bald verweht haben. Gras, Buschwerk und Kakteen würden dort wachsen. Und bald wussten vielleicht nur noch die Alten in Coyahville, dass es in der Wildnis nahe dem Coyanosa Draw einmal eine Handelsstation gegeben hatte.
Susan trieb das Pferd des toten Tobe Russel an und ritt weiter nach Süden. Ihre rechte Hand hielt den Zügel und die linke die prall gefüllte, schwere Tasche.
Nach einiger Zeit kam ihr der Gedanke, die so unverhofft gefundenen Mittel zu zählen. Zuerst schob sie den Gedanken wieder von sich. Aber er blieb in ihrem Kopf und spukte darin herum, bis sie das Pferd abermals zügelte, absaß, auf den Boden kniete und vor sich den harten, längst wieder trocken gewordenen Sand glattstrich. Sie schüttete die Satteltasche aus und zählte die klimpernden Dollars hinein.
» Zweitausendsechshundert«, murmelte sie, als sie den Riemen verschloss. Ihre Wangen glühten. Das war sehr viel Geld. Mehr, als sie in zwei Jahren in den Saloons jemals verdienen konnte.
Sie erhob sich und griff nach dem Zügel. Ihr wurde auf einmal klar, dass sie die ganze Zeit in Richtung zur mexikanischen Grenze unterwegs war.
»Ja, das ist vielleicht gut so«, sagte sie leise im Selbstgespräch. »Denn was weiß ich, was für ein Mann das war und woher er die vielen Bucks hatte!«
Susan stieg auf und ritt in der gleichen Richtung weiter. Und inzwischen betrachtete sie die Dollars schon als ihren eigenen Besitz, den sie mit Zähnen und Klauen verteidigen würde, wollte ihn jemand ihr streitig machen.
*
John Cutler richtete sich im Gestrüpp auf und schlug das Gewehr an der Hüfte an. Im Osten sah er den ersten fahlen Streifen eines neu heraufdämmernden Tages.
Sein Pferd schnaubte leise hinter ihm.
»Still!«, flüsterte der große Mann. »Ich habe doch längst gehört, dass da jemand kommt.«
Das Pferd scharrte mit einem Huf im Sand.
Ein Coyote floh bei den Kakteen im Norden Richtung Westen.
Cutler hörte den Hufschlag wieder, der ihn geweckt hatte. Seine Hände packten das Gewehr fester, und er schob mit dem Lauf das Sagegestrüpp auseinander.
Noch war die Nacht von tiefschwarzer Farbe geprägt und verriet nicht, was sich in ihr bewegte. Aber unüberhörbar war der Hufschlag, wurde lauter und lauter und kam direkt auf Cutler zu.
Er trat vor, sah undeutlich die Silhouette des Reiters und repetierte das Gewehr. »Halt! Hände hoch!«
Ein erschrockener, heller Schrei erschallte.
»Eine Frau?«, staunte Cutler. »He, wer sind Sie?«
»Cutler?«, schallte es ungläubig zurück.
»Ja.«
»So ein Zufall! Ich bin es, Susan! Aus der Station des alten Tobe Russel!«
»Susan?« Cutler ließ das Gewehr sinken und ging vorwärts. Laut raschelten die Büsche, die seine Arme auseinanderbogen, und peitschend schlugen sie hinter ihm zusammen. Er griff nach dem Zügel des fremden Pferdes und sah das helle Gesicht des Mädchens unter dem in den Nacken geschobenen Cowboyhut. Die rotblonden Haare bewegten sich ein wenig im lauen Nachtwind.
»Hast du hier übernachtet, Cutler?«'
»Ja.«
»Ist denn der Boden nicht nass in diesem Tal?«
»Nein, Susan. Es hat hier nicht geregnet.«
»Nicht geregnet?«, fragte das Mädchen ungläubig. »Aber es war ein furchtbares Unwetter.«
»Nicht hier. Es muss im Norden vorbeigezogen sein und hat diesen Landstrich noch nicht einmal gestreift.«
Susan stieg ab. Die abgeschabte Satteltasche hielt sie unter den Arm geklemmt. »Gibt es denn so was, dass ein Gewitter im Osten vorbeigeht und du nichts abbekommst?«
»Manchmal kann man es sehen, ohne es abzukriegen. Selbstverständlich.« Er blickte sie an. »Und wieso bist du hier? Du musst die Station mitten in der Nacht verlassen haben. Ist es dein Pferd?«
»Es gehörte Russel. Ich hatte kein Pferd, kam mit einem Wagen damals zu ihm.«
»Gehörte? Hast du gesagt, gehörte?«
»Ja. Es ist etwas Merkwürdiges passiert, Cutler. Russel kam betrunken zurück. Er war meistens betrunken, wenn er aus der Stadt heimkehrte. Und diesmal wollte er in mein Zimmer. Offenbar mit der Rechnung für meinen langen Aufenthalt bei ihm. Ich glaube, er hätte die Tür eingetreten, und ich überlegte schon, wie ich mich verhalten sollte. Aber da wieherte ein Pferd. Ein Fremder kam. Danach hörte ich nichts mehr. Bis geschossen wurde. Erst aus einem Revolver, dann aus Russels abgesägter Schrotflinte. Ich stürzte nach vorn. Die Lampe lag auf dem Boden. Die Station brannte. Und Russel und der Fremde waren tot. Auf dem Tresen lag das hier.«
Susan nahm die Satteltasche in beide Hände und hielt sie vor sich. Sie schaute Cutler dabei an. Schweiß brannte auf ihrem von Rauch und Staub grauschwarz gefärbten Gesicht.
Cutler blickte auf die Tasche.
»Zweitausendsechshundert Golddollar. Ich habe es gezählt.« Susan ließ die Hände mit der Tasche sinken. »Die muss der Mann mitgebracht haben.«
»Kanntest du ihn bestimmt nicht?«
»Ich weiß nicht genau. Nein, wahrscheinlich nicht.«
»Was heißt das, nicht genau?«
»Nein, ich kannte ihn wohl nicht. Er hatte jedenfalls schwarzes Haar und einen Schnurrbart. Mehr war doch nicht übrig. Russel hat auf kurze Distanz mit der abgesägten Schrotflinte auf ihn geschossen.«
»Ach so.« Cutler stellte die Spencer mit der Kolbenplatte auf den Boden und stützte sich eine Hand über der anderen auf die Mündung.
»Es gehört uns, wenn du willst!«, stieß das Mädchen hervor.
»Wieso uns?«
»Wenn wir zusammenbleiben, gehört es uns.«
Cutler lächelte und schüttelte den Kopf. »Nein, Susan, ich will das Geld nicht.«
»Aber es ist herrenlos. Der Mann war allein. Und er ist tot. Ich habe keine Ahnung, wer er gewesen sein könnte und woher das viele Geld stammt. Soll ich es vielleicht in den Coyanosa Draw werfen? Es gehört mir allein, wenn du nicht willst.«
»Von mir aus, Susan.«
»Nimmst du mich wenigstens mit? Ich reite nicht gern ganz allein durch die Wildnis.«
»Gut.« Er drehte sich um und ging durch die raschelnden Büsche zurück.
Sein Pferd stand hinter der Campdecke und dem Sattel auf dem Boden.
Susan folgte ihm mit Russels Tier am Zügel. Gestrüpp barst unter den Hufen. Sie blieb stehen und blickte auf den großen Mann, der sich bückte und das Gewehr in den Scabbard schob.
»Ich bin ziemlich fertig«, gestand Susan. »Und geschlafen habe ich auch nicht.«
»In spätestens zwei Stunden ist es heller Tag.«
»Können wir so lange noch hierbleiben?«
»Von mir aus.« Er sattelte ihr das Pferd ab und faltete die Decke auf dem Boden noch einmal auseinander, damit auch für sie genügend Platz darauf wurde. Dann legte er sich nieder.
Susan legte sich zu ihm. Ihr rotblondes Haar streifte sein Gesicht.
»Willst du es dir nicht doch noch überlegen?«
»Was?«
»Mit mir zusammen, Cutler! Wenn wir über den Rio Grande reiten, dann nach Westen und dreihundert Meilen weiter zurück in die Staaten, dann sind wir in der Nähe von Lordsburg. Niemand wird vermuten, dass wir aus Texas kommen. Und von Russels verbrannter Station brauchen wir nichts zu erzählen.«
Er schwieg und blickte in den Himmel, über dem sich das Grau anschickte, nach Westen vorzudringen. ‘
»Es ist doch sehr viel Geld, nicht wahr?«
»Natürlich«, erwiderte er, obwohl er diese Meinung nicht teilen konnte. Ihm waren weitaus größere Summen durch die Finger gewandert. Und selbst seinen erbitterten Gegnern von der Union Pacific war er damals viel mehr wert gewesen, als Susan da in die Hände gefallen war. Aber dennoch, viel war es, wenn es richtig eingesetzt wurde. Aber ihm stand der Sinn nicht nach dem Geld. Er hatte sich immer beschafft, was er brauchte.
»Wir können ein Geschäft eröffnen!«, fuhr Susan fort.
Er lächelte bitter. Nie mehr das. Er hatte ein Geschäft betrieben, sich dafür aufgeopfert und genau genommen jahrelang keine Zeit gehabt zu leben.
Mit einem Freund zusammen hatte er ein Frachtwagen-Unternehmen aufgebaut. Aber die Union Pacific hatte darin eine Störung der eigenen, monopolistischen Interessen gesehen und es zerschlagen. Er hatte es ihnen nach dem Tod des Freundes und Mitinhabers heimgezahlt. Dafür hatten sie ihn lange verfolgt.
Er wollte jetzt nach Norden in die Staaten zurückkehren. Genauso wie Susan jetzt. Sie ahnte wohl, dass mit dem Geld etwas nicht in Ordnung sein könnte, dass es besser war, alle Spuren gründlich auszulöschen.
»Also?«, fragte sie.
»Ich will dein Geld bestimmt nicht, Susan. Aber ich habe nichts dagegen, wenn wir ein Stück gemeinsam reiten.«
»Danke, Cutler. Ich habe es geahnt.« Sie stützte sich auf den Ellenbogen, lehnte sich gegen ihn und küsste sein stoppelbärtiges Gesicht.
»Hast du mich vielleicht gesucht?«
»Nein. Das heißt, nicht bewusst. Aber vielleicht haben mich geheime Gedanken, mir selbst verborgen, gelenkt.« Wie helle Sterne strahlten ihre grau-grünen Augen ihn an. »Ich bin auch gar nicht mehr müde. Und es ist heiß. Findest du das auch?«
Es war nicht heiß. Aber auch Cutler spürte warme Wellen in sich, wenn er sie betrachtete. »Ja«, gab er zurück.
»Dann wollen wir uns ausziehen.« Susan kniete und entledigte sich ihrer geretteten Kleider.
In der nächsten Minute lagen sie beide nackt auf der Decke und umarmten sich. Susans heiße Küsse brannten ihm auf den Lippen und am Hals, und ihre Finger fuhren durch sein Haar. Sie lag auf ihm und flüsterte: »Bei dir würde ich immer bleiben, wenn du es nur verlangst, Cutler!«
»Wir sind beide wie die Zugvögel, Susan. Was wir heute glauben und wünschen, kann morgen vergessen sein.« Er streichelte über ihren Rücken und ihre Schenkel.
»Nein, bestimmt nicht!«
»Auch wenn du es heute nicht glaubst.« Er zog sie weiter herunter und küsste sie, um den Gedanken zu zerreißen, der sie beseelte und nicht mehr loslassen wollte.
*
Lou Wolter, ein alter, von schwerer Arbeit gekrümmter Farmer, durchschritt sein Maisfeld und näherte sich dem Regenfluss, der aus dem Limpia Canyon strömte und auch den Kanal füllte, den er vor Jahren gezogen hatte und der während der langen Trockenperiode schon fast wieder vom Sand verweht war. Immerhin, die Wassermassen des Gewitters hatten den Graben wieder tiefer gezogen und führten das Wasser zwischen den Maisfeldem hindurch bis zu dem Tal, in dem sich ein kleiner See gebildet hatte.
In zwei oder drei Tagen würde alles wieder im Boden versickert sein, das wusste Lou Wolter. Aber immerhin, es hob den Grundwasserspiegel doch merklich für längere Zeit an, und der Mais dankte auch die kurze Nässe bei der Ernte noch.
Wolters Frau, eine verhärmte Sechzigerin, stand am Kanalanfang. Sie hatte nach dem Mann gerufen, der den Korral flickte.
Als er sie sah, sagte er: »Kannst du denn gar nichts allein schaffen, zur Hölle? Was ist schon weiter dabei, die Kanalmündung vom Gestrüpp zu befreien?«
An der Abzweigung hatte sich wie nach jedem der seltenen Regenfälle eine Menge Gestrüpp verfangen, das weiter hinaus in die Strömung bugsiert werden musste, damit der Fluss es weiter mitnehmen konnte.
Aber das hatte die Frau immer leicht erledigen können, da es ja kümmerliche Büsche waren, die da oben in dem Bergmassiv wuchsen und losgerissen und fortgespült werden konnten.
»Sieh nur!« Die Frau deutete auf das Dickicht am Bogen des Regenflusses, wo der Kanal abzweigte und auf eine Länge von vier Yards die Strömung umkehrte und einen kleinen Strudel bildete.
Eine Leiche hing mit dem Gesicht nach unten vom Dickicht festgehalten in den Fluten. Gerade bewegte sie sich mit dem Buschwerk zurück und in den Kanal hinein.
»Mein Gott«, flüsterte der Mann erschrocken. »Wie kommt denn die da hinein?«
»Offenbar ist sie weiter oben in den Fluss gestürzt«, sagte die Farmersfrau. »Hatte vielleicht ein Pferd dabei, das irgendwo an einem Hindernis im Limpia Canyon zurückblieb.«
Der Farmer ging weiter, nahm seiner Frau den Haken aus der Hand, wagte sich dicht ans Ufer und hakte sein Werkzeug ins Gestrüpp. Er zog es mit der Leiche in den Kanal und zum ruhigen Ufer. Dann beugte er sich nach unten, ergriff die Kleidung der Toten und zog sie auf den wieder weiß und trocken leuchtenden Sandstreifen am Rande des Maisfeldes. Er wälzte die Wasserleiche herum und sah ein blaufleckiges, gedunsenes Gesicht, in dem langes rotes Haar klebte.
Die Frau wandte sich ab, lief ins Maisfeld und musste sich übergeben. Auch dem Mann war speiübel zumute. Doch er zwang den Brechreiz hinunter und zwang sich, die Wasserleiche genau anzusehen.
»Hast du sie jemals gesehen?«, fragte die Frau im Maisfeld.
»Nein.«
»Sollen wir sie in die Stadt bringen?«
»Wie denn, Martha? Das Pferd lahmt, das weißt du doch. Ich kann sie so weit nicht tragen. «
Die Farmersfrau tauchte aus dem raschelnden Mais wieder auf, bemühte sich aber, nicht