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Der Fluch von Burg Rion (Der Neuro Buch 2): LitRPG-Serie
Der Fluch von Burg Rion (Der Neuro Buch 2): LitRPG-Serie
Der Fluch von Burg Rion (Der Neuro Buch 2): LitRPG-Serie
Ebook417 pages4 hours

Der Fluch von Burg Rion (Der Neuro Buch 2): LitRPG-Serie

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Burg Rion! Eine einzigartige Zitadelle, erbaut von der untergegangenen Zivilisation der Gründergötter. Werden Alex und Enea die Prüfung bestehen und von der Burg Besitz ergreifen? Im verzweigten Labyrinth der Dungeons unter dem Bollwerk warten nicht nur Geheimnisse und mächtige Artefakte, sondern auch unzählige infernalische Kreaturen auf unsere Helden. Doch Alex’ Impulskauf zeigt Auswirkungen weit über Burg Rion hinaus. Möglicherweise hat er damit den ersten Clan-Krieg der Kristallsphäre losgetreten. Dabei ist das finsterste Geheimnis noch gar nicht aufgedeckt. Tief in den Eingeweiden des Wehrturms lauert ein Albtraum, der sich zum neuen Fluch von Burg Rion auswachsen wird.

Währenddessen beginnt die Infosystems Corporation in der Wirklichkeit mit einer aggressiven Marketing-Kampagne, mit der ahnungslose Spieler davon überzeugt werden sollen, sich eines der modernen Neuroimplantate einpflanzen zu lassen. Eine neue Ära ruchloser Zerstörung bedroht die Realität!
LanguageDeutsch
Release dateAug 3, 2022
ISBN9788076197435
Der Fluch von Burg Rion (Der Neuro Buch 2): LitRPG-Serie

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    Der Fluch von Burg Rion (Der Neuro Buch 2) - Andrei Livadny

    Kapitel 1

    DIE STERNE FUNKELTEN über den Giftmooren.

    Noch vor wenigen Minuten hatten Christa und Enea sich einen erbitterten Kampf geliefert.

    Jetzt blitzte eine Systemmeldung nach der anderen vor meinem geistigen Auge auf.

    Glückwunsch! Du hast das stationäre Portal der Burg aktiviert.

    Glückwunsch! Du hast den sicheren Respawn-Bereich der Burg aktiviert.

    Glückwunsch! Du hast Burg Rion in Besitz genommen.

    Du hast ein neues Level erreicht!

    Neue Quest: Säuberung

    Questtyp: einzigartig

    Vor Anbruch der Morgendämmerung musst du den Donjon von der Brut der Finsternis säubern.

    Belohnung: Wenn du Erfolg hast, brichst du den uralten Fluch, mit dem die Burg von feindlichen Magiern belegt worden ist. Du erhältst dann die volle Kontrolle über die Burg.

    Immer wieder wurde der Mond von vorbeiziehenden Nebelschwaden verdeckt. Die uralte Zitadelle thronte über der Insel und erhob sich in drei meisterhaft in den Klippen angelegten Verteidigungsringen in die Höhe. Burg Rion hatte in der Schlacht vor einem Jahrhundert viel einstecken müssen. Breschen in den Mauern, zerstörte Tortürme.

    Was der Feind begonnen hatte, war vom Zahn der Zeit fortgesetzt worden. Herbststürme hatten die Innenhöfe mit einer Schicht aus verrottendem Laub und abgebrochenen Ästen bedeckt. Im Laufe der Jahre war fruchtbarer Erdboden daraus geworden, in dem knorrige Ranken Fuß gefasst hatten. Die Mauern waren unter dem Grün ihrer Blätter verborgen.

    Ich stand im Hof, vor mir der Donjon, der große Wehrturm. Dies war jetzt der Sitz unseres Clans. Das Herz der Burg wurde von drei steil abfallenden Gipfeln gebildet, aus denen Türme gehauen waren. Kleine, befestigte Plattformen auf unterschiedlicher Höhe, über Gänge erreichbare Schießscharten und hohe Rundbogenfenster verliehen der Fassade ihr eigenes Gesicht.

    Aus der Ferne drangen fremdartige Rufe über das Moor. Das Mondlicht beschien die uralten Mauern.

    Rostige Scharniere quietschten. Zander, der Anführer der Söldner, kam zu mir und folgte meinem Blick.

    „Alexatis, wir müssen uns beeilen, ermahnte er mich. „Wir sollten mit der Säuberung fortfahren, denn in sieben Stunden geht die Sonne auf. Worauf wartest du?

    „Ich finde keine Informationen zu dem uralten Fluch, gab ich zu. Ein durchscheinender Geist kam aus einer Bresche heraus und verschwand in einem der höher gelegenen Fenster. „Das Wiki gibt dazu nichts her, in den Foren ebenfalls nichts.

    Schatten schossen im Mondlicht über uns hinweg – vermutlich eine Schar Gargoyles, die von einer Verteidigungsplattform zur nächsten flogen.

    „Level 30", stellte Zander fest, bevor die Mobs aus seinem Blickfeld verschwanden.

    Ein schwaches Licht drang durch einige Schießscharten über uns. Hinter den Fenstern darüber war ein schwaches, scharlachrotes Flackern zu erkennen.

    „Wenn der Auftrag Teil eurer Quest ist, dann solltet ihr ihm gewachsen sein, sagte Zander zuversichtlich. „Langeweile plagt uns diese Nacht auf keinen Fall. Sein Grinsen verriet, dass er sich auf den bevorstehenden Kampf freute. „Pass auf. Du hast sowohl das stationäre Portal als auch den Respawn-Punkt aktiviert. Wenn du möchtest, kann ich Verstärkung rufen. Vielleicht zehn Mann? Was hältst du davon?"

    Ich überschlug in Gedanken den Saldo meines Bankkontos und die bisher angefallenen Kosten. Währenddessen stießen die anderen zu uns – mit Ausnahme von Platinus. Der Alchemist durchsuchte die Überreste der Artefakte, die den Boden des Donjons bedeckten. Die meisten davon waren nutzlos, doch unter dem ganzen Staub hatte sich auch ein Zauberstab verborgen, den er Enea als Ersatz für den im Kampf gegen Christa zerstörten Stab geschenkt hatte.

    Iskandar und Rodrigo, unsere beiden Magier, warfen neugierige Blicke auf das antike Stück.

    „Dürfen wir den Stab einmal sehen?", fragten sie schließlich.

    „Natürlich, antwortete Enea. Sie war nach dem Schlagabtausch mit Christa noch immer blass und angespannt. „Ich sehe nur Fragezeichen, keine Attribute.

    „Das ist seltsam, stimmte Rodrigo zu. „Sieh nur, der Stein ist ganz stumpf.

    „Darf ich?" Iskandar nahm den Stab in die Hand, aber auch er konnte ihm kein Leben einhauchen. Das ursprünglich sichtbare, schwache Glimmen im Edelstein war vollends erloschen.

    Iskandar zuckte mit den Schultern. „Wie lässt er sich bloß aktivieren? Reichen unsere Level dafür überhaupt aus?"

    Togien trippelte ungeduldig von einem Fuß auf den anderen. „Alexatis, worauf warten wir noch?"

    „Ich versuche, herauszufinden, wie sich der Fluch brechen lässt."

    „Mach die Sache nicht so kompliziert, Mann. Laut der Quest müssen wir die Burg säubern. Also sollten wir das tun. Wir nehmen uns einen Raum nach dem anderen vor. Wo liegt das Problem? Bis zum Morgen schaffen wir das schon!"

    Enea kam zu mir.

    Ihr Haustier Alpha, eine winzige Schwarze Gottesanbeterin, krabbelte aus ihren Haaren und flitzte dann den Arm bis zur Hand hinunter. Dort hüpfte Alpha auf den Stab und kletterte bis zum Knauf mit dem toten Edelstein hinauf.

    Ein spaßiges Wesen! Er saß eine Weile dort, als ob er meditieren würde, und lief dann wieder den Stab hinab.

    „Alpha, du tust mir weh!", schrie Enea. Die kleine Gottesanbeterin hatte ihr in die Fingerkuppe gezwickt.

    Was sollte das denn? Ein Haustier, das seiner Besitzerin Schaden zufügte?

    Blut tropfte aus der Wunde auf den Stab, der auf einen Schlag durchscheinend wurde und ein Netz aus mumifizierten Blutgefäßen offenbarte. Eneas Lebenssaft wurde davon absorbiert und ließ die Adern im Stab aufblühen.

    Der Stein leuchtete auf. Zuerst langsam, dann immer schneller pulsierte er, als hätte Eneas Blut ihm neues Leben eingehaucht.

    Herz einer Hydra

    Objekttyp: Magischer Stab

    Klasse: Relikt

    Der Träger benötigt 50 % weniger geistige Energie für das Zauberwirken.

    +10 % auf körperliche Verteidigung

    +10 % auf geistige Verteidigung

    +10 % auf Nahkampfschaden

    Auswirkung: Aura eines Raubtiers. Verlangsamt alle nicht-elementaren Feinde oder stößt sie zurück.

    Einschränkung: Kann nur von einem rechtmäßigen Verteidiger Burg Rions verwendet werden.

    „Das ist super, staunte Rodrigo, als er die Werte sah. „Aber warum die Sache mit den Elementen? Basiert die Magie der Gründer nicht auf dem Chaos?

    „Du bist der Experte, grinste Iskandar. „Hör nicht auf ihn, Enea. Er ist bloß neidisch. Es gibt keine Gewissheit bezüglich der Gründer und ihrer Magie, nur Gerüchte. Niemand hat jemals ihre Ruinen untersucht. So gesehen war das Glück dir und Alexatis wirklich hold!

    „Er hat recht, nickte Rodrigo. „Könnt ihr euch vorstellen, auf welche Geheimnisse wir hinter diesen Mauern stoßen mögen? Oder welche Macht ein Clan besäße, der sie aufdeckt? Ich habe zwar schon von der uralten Blutmagie gehört, aber noch nie davon, dass eines ihrer Artefakte noch existiert …

    „Okay. Zander unterbrach das Gespräch. „Alexatis, wie lautet deine Entscheidung? Soll ich Verstärkung rufen? Oder ziehen wir das alleine durch?

    Mechanisch blickte ich auf die Uhr in meinem Status-Interface.

    23:59:52

    Er hatte recht. Es war bereits Mitternacht, und wir hatten nicht begonnen.

    „Ich denke, dass ein paar mehr Leute nicht schaden", sagte ich dann.

    * * *

    Urplötzlich wurde es dunkel.

    Gerade noch hatte das Mondlicht den Donjon erhellt und das Geräusch der Hydren, die in der Ferne durch den Morast stapften, weniger unheimlich erscheinen lassen. Im nächsten Augenblick drang aus den Schießscharten und Fenstern ein zäher, schwarzer Nebel heraus, der die gesamte Umgebung bedeckte. Kein Stern war mehr zu erkennen, und alle Geräusche klangen dumpf.

    Ich streckte meine Hand aus – sie war praktisch unsichtbar.

    „Was ist da los?, rief ein verärgerter Platinus aus dem Wehrturm. „Wer hat das Licht gelöscht?

    Der Boden bebte.

    „Verschwinde von mir!" Ein schwacher Lichtblitz erhellte das Innere des Donjons, bevor ein verängstigter Platinus herauslief und dabei eine seiner Phiolen auf einen unsichtbaren Gegner schleuderte. Ein wütendes Knurren ertönte, doch die Dunkelheit gab das Geheimnis nicht preis.

    00:00:00

    Mitternacht, Kristallsphäre-Spielzeit.

    „Folgt meiner Stimme, forderte Zander die Gruppe auf. „Wir müssen zusammenbleiben.

    Die Finsternis schien sich zu bewegen, ihre unberührbaren Tiefen gerieten in Aufruhr. Ein heftiger Flügelschlag wirbelte Böen auf. Etwas Riesiges schoss über unsere Köpfe hinweg. Ich hörte eine Art Aufprall, gefolgt von einem schwachen Aufschrei und dem abscheulichen Geräusch von Klauen, die durch eine Rüstung drangen.

    Togien, Kämpfer

    Gegenwärtiger Status: wartet auf Respawn

    Keuchen und das Klappern von Schwertern. Ein gelber Knochensplitter, der aus der Schwärze direkt vor meinen Füßen landete. Das Aufblitzen eines Zaubers in der Dunkelheit.

    Platinus, Hexenmeister

    Gegenwärtiger Status: wartet auf Respawn

    Der uralte Fluch, der auf Burg Rion liegt, währt von Mitternacht bis zur Morgendämmerung. Er verzehnfacht die Respawn-Zeit und belegt alle respawnten Wesen – ob Spieler oder NPCs – mit einem Debuff, der alle Werte für die Dauer von fünf Stunden um fünf Punkte verringert. Gilt nicht für die Kohorte der Gefallenen.

    * * *

    „Sie sind überall!", schrie Iskandar.

    Die undurchdringliche Finsternis trennte uns. Selbst meine Dämmersicht half nicht weiter. Einzig Geräusche boten Anhaltspunkte. Eine unheimliche Situation! Mauerwerk bröckelte. Pflastersteine rieben knirschend aneinander.

    Knochenhände griffen nach meinen Schienbeinen. Ich trennte sie mit einem Hieb von verschrumpelten Armen.

    „Enea!" Während ich zur Seite sprang, rief ich nach ihr.

    Einen kurzen Moment lang erhellte Zanders Reinigende Aura die Umgebung. Die Dunkelheit wich zurück, und ein grauenhaftes Bild bot sich uns. Etwa ein Dutzend Kämpfer in rostigen Rüstungen und auf hohem Level hatten die Söldner umringt. Virgils Avatar verblasste, aufgespießt von einem Speer. Tylor kniete mit letzter Kraft auf dem Boden. Sein Schild war geborsten, das Schwert gebrochen, sein Lebenspunktebalken fiel rasant. Seine gesamte Namensmarkierung war von Debuff-Zeichen bedeckt.

    Wieder bebte der Boden.

    Eine Aschewolke hob sich in die Luft. Die Flocken vereinten sich und formten eine groß gewachsene Gestalt.

    Legionär der Gefallenen, Level 27

    Panische Angst überkam mich. Ich wirkte eilig einen Zauber, bevor der Feind vollständig reinkarnieren konnte. Eine tosende Feuersäule leuchtete in der Finsternis und ließ die Asche zerstieben.

    Ich fuhr herum. Hinter mir waren Enea, Rodrigo und Iskandar von Mobs umzingelt. Der pulsierende Stein am Stab der Hydra ließ die Gegner Abstand halten. Die Aura eines Raubtiers verlangsamte ihre Bewegungen und bewahrte die Zauberer vor einer direkten Konfrontation.

    Virgil, Kämpfer

    Gegenwärtiger Status: wartet auf Respawn

    Tylor, Kämpfer

    Gegenwärtiger Status: wartet auf Respawn

    Das Licht erlosch.

    Bevor die Schwärze uns umschließen konnte, hob ich einen Speer auf und schleuderte ihn auf einen Legionär in der Nähe, um Zander zu helfen.

    Der Paladin stand wie ein Fels in der Brandung. Mit der Klinge seines Langschwerts wob er unermüdlich neue Combos in die Luft. Doch das anbrandende Zwielicht drohte bereits, das mondsilberne Glänzen der Waffe zu verschlingen.

    Rodrigo, Kampfmagier

    Gegenwärtiger Status: wartet auf Respawn

    Iskandar, Kampfmagier

    Gegenwärtiger Status: wartet auf Respawn

    Jetzt blitzte Zanders Symbol im Gruppen-Interface rot auf.

    „Enea!" Ich rief und versuchte, ihren Standort in der Dunkelheit auszumachen. Keine Chance.

    „Alex, ich bin hier drüben. Hilf mir!"

    Eine Feuerwand erhob sich in den Himmel und stieß die dunklen Umrisse der Gegner zurück.

    Ich sprintete darauf zu. Einer der Legionäre hatte bereits seinen Speer gehoben und war drauf und dran, ihn in Eneas Brustkorb zu stoßen. Als er mich bemerkte, fuhr sein Kopf herum. Zu spät. Mein Schwert glitt durch seine alte Rüstung. Ein heiserer Schrei ertönte.

    Zander, Paladin

    Gegenwärtiger Status: wartet auf Respawn

    Das war kein Kampf, das war ein Gemetzel!

    Die vom Wind angehäuften Blätter begannen zu schwelen. Enea und ich kämpften Rücken an Rücken. Die fünf übrigen, untoten Legionäre hatten uns eingekreist. Unsere Chancen standen mehr als schlecht. Mein Herz raste. Mein Atem ging rasselnd.

    Der Gestank des Todes umgab uns. Mit dem Unterschied, dass all das für mich real war. Das Neuroimplantat flutete mein Gehirn mit den Bildern der glänzenden Rüstungen der Feinde in den flackernden Flammen. Aus ihren Visieren strömte pechschwarze Finsternis. Zu meinen Füßen vermischten sich tote Blätter mit Fetzen verbrannten Fleisches.

    Eine Schweißperle tropfte von meiner Stirn und suchte sich einen Weg auf meiner Wange. Ich fühlte, wie Enea hinter mir zitterte. Die Legionäre zögerten. Die Aura eines Raubtiers gebot ihnen Einhalt.

    Gedankenfetzen schwirrten durch meinen Kopf. Ich hatte beinahe das nächste Level erreicht. Ich sollte das Risiko eingehen. Ich musste zuerst angreifen.

    „Du musst mich immer wieder heilen", rief ich Enea zu.

    Mit der linken hob ich einen Speer aus dem glimmenden Gras auf und stieß ihn in den Schild des Gegners, der mir am nächsten stand. Der Zombie wurde vom Stoß herumgeworfen, sodass der lange Speerschaft den Legionär neben ihm ins Stolpern brachte. Dieser kämpfte um sein Gleichgewicht, was mir die Gelegenheit verschaffte, einen Schwerttreffer zu landen. Er sprang nach hinten, wobei er seine Waffe fallen ließ, und griff sich heulend an die Wunde, um das nicht vorhandene Blut zu stillen.

    Ich schlug erneut zu. Meine Schwertklinge blitzte in der Dunkelheit auf. Ein weiterer Feind ging keuchend zu Boden.

    Ich bewegte mich wie jemand, dem alle Dämonen der Hölle im Nacken saßen. Die Aura eines Raubtiers war ein unglaublich mächtiger Debuff! Der Stab der Hydra verlangsamte die Feinde und beschränkte ihre Bewegungen. Dennoch, sie waren uns einige Level voraus. Zwei der Gegner durchdrangen meine Verteidigung. Schmerz hatte meinen Verstand fest im Griff. Ich verlor den Halt, bevor ich erneut angreifen konnte. Blut lief an meinem Bein hinunter. Ein heftiger Schlag mit einem rostigen Kriegshammer hatte meine Schulter betäubt.

    Irgendwie schaffte ich es, dem nächsten Schlag auszuweichen, und zog mich humpelnd einen Schritt zurück. Enea heilte mich immer wieder, doch der schwache Heilzauber stellte meine Gesundheit nicht schnell genug wieder her.

    Dennoch: Einen hatte ich erledigt. Blieben noch vier. Die Söldner hatten gute Vorarbeit geleistet. Legionäre regenerierten nicht. Ihre Lebenspunktebalken leuchteten rot. Ich musste ihnen nur den letzten Rest geben. Das war zu schaffen!

    Der größte und stärkste Gegner warf seinen Schild beiseite und stürzte in meine Richtung. Sein rostiges Schwert zischte durch die Luft. Im letzten Moment duckte ich mich, schlug meinerseits nach seinem Bein und rollte mich ab, direkt auf den nächsten Feind zu, dem ich das Schwert von unten in die Brust rammte. Der schwere Körper brach über mir zusammen und nagelte mich am Boden fest, bevor er zu Asche zerfiel.

    Ein Feuerball rauschte knapp an meiner Schulter vorbei und ließ einen weiteren Zombie in Flammen aufgehen. Als brennende Fackel machte er noch ein paar Schritte, bevor er in einer Rußwolke zu Boden ging.

    Noch zwei! Sollten wir so viel Glück haben? Enea teleportierte aus der Reichweite eines der Zombies. Eine Armbrust war in der Dunkelheit zu hören. Ein schwerer Bolzen durchdrang meine Rüstung und steckte in meinen Rippen.

    Meine Lebenspunkte sanken auf 10 %. Blut strömte aus der Wunde. Mein Atem setzte kurz aus. Mein Blick verschwamm. Eneas geistige Energie war fast erschöpft. Auf Heilung konnte ich nicht hoffen. Mein Schwert zehrte meinen eigenen Manavorrat auf, um die Runen zu füttern, die mich mehr Schaden austeilen ließen.

    Nur mit Mühe hielt ich mich auf den Beinen. Der kritische Treffer hatte mir eine tödliche Wunde zugefügt, ein Debuff, der meine Bewegungsfreiheit einschränkte.

    „Alex, die Phiole", drang Eneas verzweifelter Schrei an mein Ohr.

    Unmöglich. Meine Beine zitterten, meine Finger gehorchten mir nicht, die Schnellzugriffsplätze in meinem Inventar verschwammen und waren dann ganz verschwunden. Mein Verstand schaltete ab.

    Ich musste ein paar Sekunden lang ohnmächtig gewesen sein. Vor meinen Augen explodierte ein grüner Blitz. Der Schmerz gab mich frei. All meine Muskeln wurden von neuer Stärke durchströmt. Die Anzeigen für meine Lebenspunkte und die geistige Energie füllten sich im Nu bis zum Anschlag.

    Du hast ein neues Level erreicht!

    Unglaublich! Irgendwie hatte ich es geschafft und einen Respawn vermieden. Rasch sprang ich auf die Beine und blickte mich um.

    Von Enea keine Spur. Zwei der überlebenden Legionäre standen mit dem Rücken zu mir und versuchten, die Finsternis mit ihren Blicken zu durchdringen.

    Der eine hob den Arm und wies auf einen Punkt. „Dort!"

    Trotz meines Schocks schaffte ich es, ihnen nachzustürzen, bevor sie in der Dunkelheit verschwanden. Dem einen fügte ich einen kritischen Treffer zu, denn ein solcher Überraschungsangriff ist quasi ein Garant für einen Crit. Der andere Mob schlug mit seinem Kriegshammer zu, doch ich tauchte darunter hinweg und hieb nach seinen Beinen.

    Du hast ein neues Level erreicht!

    Die Finsternis um mich herum löste sich auf. Das Pulsieren des Edelsteins am Stab der Hydra wurde sichtbar.

    „Enea!"

    Sie drehte sich um. Mit einem schwachen Schrei stürzte sie zu mir und umarmte mich. Sie drückte sich fest an mich, alles um sie herum vergessend. Ihr Herz pochte heftig.

    „Alex! Du bist am Leben!"

    Das fühlte sich nicht an wie ein Spiel. Alles war so intensiv, so quälend, so zerbrechlich – so real.

    „Ist ja gut. Beruhige dich. Ich streichelte ihren Kopf. „Du hast mich vor einem Respawn bewahrt.

    Sie schniefte. „Nein, das ist nicht wahr. Ich war kopflos. Meine Hände zitterten so sehr, dass ich den halben Inhalt der Phiole verschüttet habe. Ich wollte dich ja heilen, aber es ging nicht. Die beiden Mobs stürzten sich auf dich, und ich, ich bin einfach weg teleportiert. Dann war da plötzlich dieser Ork mit seiner Armbrust. Er stank entsetzlich. Seine Rüstung war ganz löchrig. Ich habe mich so erschrocken, dass ich ihn mit Blitzschlag angegriffen habe."

    „Das ist die Antwort! Dadurch hast du mir die XP verschafft, die ich noch gebraucht habe!"¹

    „Ist das wahr? Ihre Hand streichelte über meine stoppelige Wange. Verlegen machte sie einen Schritt zurück und hob ihren Stab auf. „Was sollen wir jetzt tun?

    Gute Frage. Ich blickte mich um. Das erste Stockwerk war geschafft – zumindest der Außenbereich. Die Dunkelheit hatte sich wirbelnd nach oben zurückgezogen.

    Die kleine Schwarze Gottesanbeterin kletterte auf Eneas Schulter und blickte sich wachsam um. Da keine Gefahr drohte, begann sie damit, Eneas Frisur neu zu ordnen. Was für ein süßes Tier. Vielleicht würde irgendwann ein furchterregendes, treues Haustier daraus.

    „Zander lag absolut richtig, sagte ich. „Die Quest ist immer machbar. Wenn der Fluch sich nicht aufheben ließe, hätte man unseren Kaufantrag für die Burg gar nicht genehmigt.

    „Aber wir sind nur noch zu zweit, gab Enea ängstlich zu bedenken. „Die anderen kehren nicht vor Sonnenaufgang zurück. Und sie sind durch den Debuff geschwächt!

    Aus den oberen Stockwerken des Turms drangen Todesschreie von Trollen zu uns hinab. Es hörte sich so an, als würden die Legionäre keinen Unterschied zwischen Mob und Mensch machen.

    „Ich weiß noch immer nicht mehr über den Fluch, sagte ich. „Aber wir haben einen neuen Hinweis erhalten. Ich möchte, dass du dich mit der Kohorte der Gefallenen beschäftigst.

    „Okay. Sollen wir hier bleiben?"

    „Nein, wir gehen hoch. Ich will wissen, ob der Donjon mehrere Schauplätze umfasst."

    „Warum?"

    „Nun, wenn jedes Stockwerk ein eigener Schauplatz ist, haben wir vielleicht eine Chance, sie alle zu säubern. Erinnerst du dich an unser Gespräch über die Spielmechanik?"

    Ein Lächeln kräuselte ihre Lippen. Natürlich wusste sie noch, was am Teich mit der Kröte gewesen war, und wie sie dort ihren ersten Erfolg gefeiert hatte. „Natürlich! Zanders Level hat den Level der Mobs bestimmt. Level sind adaptiv, korrekt?"

    So langsam benutzte sie echte Gamer-Sprache. „Genau. Wenn diese Schauplätze auch adaptiv sind, dann können wir die Mobs besiegen." Das sollte sie aufmuntern.

    Der Kampf gegen Christa hatte unschöne Nebenwirkungen gehabt. Enea war in sich gekehrter und lächelte nicht mehr. Ihre Impulsivität war fort, eine plötzliche Mattheit hatte ihre Leidenschaft für das Gameplay ersetzt. Sie war all das hier noch nicht gewohnt. Kein Wunder: 24 Stunden vor einer Konsole, umgeben von lebensechten Hologrammen, verlangtem einem Newbie in geistiger Hinsicht enorm viel ab.

    * * *

    „Komm mit." Ich führte Enea in die Auferstehungshalle. So wurde der Hauptraum dieser Ebene zumindest in der Karte des Donjons bezeichnet.

    Es war dunkel. Die Lichtquellen an den Wänden waren erloschen. Kleine, purpurfarbene Funken tanzten über der Portalplattform. Gern hätte ich mir die Runen auf der Steuertafel näher angesehen, aber uns fehlte die Zeit. Nachforschungen und Experimente mussten bis zum nächsten Tag warten.

    Das Herz einer Hydra erhellte die uralten Mauern. Ein schmaler Treppenaufgang wand sich nach oben. Die Überreste mehrerer Fallgatter lagen zerstört und rostig da. Sie versperrten niemandem den Weg in den nächsten Stock.

    Enea befragte derweil die Wiki. Bis jetzt hatten wir nur einen kleinen Hinweis erhalten. Wir mussten unbedingt herausfinden, ob die öffentlichen Archive mehr Informationen über die Kohorte enthielten.

    Eine dicke Schicht aus Staub und Asche federte unsere Schritte ab. Hoch über uns wirbelte die Finsternis. Schon bald würden wir wieder in sie eintauchen. Bis dahin nutzte ich meine Dämmersicht, um mir das ehemalige Schlachtfeld genauer anzusehen.

    Ich fand einen guten, robusten Schild. Noch immer floss geistige Energie in mein Schwert. Für den Moment war mir das ganz recht. Ich konnte jeden Zusatzschaden gebrauchen, den ich auf diese Weise austeilte. Die schmale Treppe kam uns ebenfalls gelegen. So konnten keine feindlichen Horden auf uns einstürmen, sondern ich könnte den Weg halten, bis Enea ihre Zauber wirkte.

    „Ich hab’ etwas gefunden", rief sie. Es war wunderbar, die Begeisterung in ihrer Stimme zu hören.

    „Prima. Was denn?"

    „Ich lese es dir vor. Warte.

    Vor langer Zeit, als die Kräfte des Lichts und der Finsternis sich gemeinsam gegen jene stellten, die den Gründergöttern nachfolgten, war Burg Rion die letzte Feste der uralten Religion, ein Zufluchtsort für die verbliebenen Anbeter. Die Belagerung dauerte viele verzweifelte Jahre. Unzählige Male mühten sich die Angreifer, die Burg zu erstürmen – doch ihre Anstrengungen waren nicht von Erfolg gekrönt."

    Ich unterbrach sie. „Das ist uns doch alles schon bekannt. Wir müssen wissen, wer die Legionäre der Gefallenen sind."

    Unbeeindruckt las sie weiter vor:

    „Die Kohorte der Erwählten stellte sich gemeinsam den stärksten Kämpfern, Hexenmeistern und Zauberern aus dem Lager der Jünger. Sie kannten keine Niederlage. Ihre Ankunft entschied die heftigste aller Schlachten. Doch derweil wuchs der Widerspruch unter den Belagerern, denn Licht und Finsternis können nicht friedlich miteinander leben. Schon bald wurde deutlich, dass die Tage des Bündnisses gezählt waren. Dieses Umstandes gewahr schlug der Anführer der Dämonen einen letzten Sturmangriff vor. Auf sein Geheiß hin wurden Tunnel gegraben, mit denen die unterirdischen Gewölbe und Dungeons der Burg erschlossen und verbunden wurden. Auf dem Höhepunkt der Schlacht opferten Hunderte dunkler Zauberer sich selbst, um einen letzten Zauber zu wirken, der die Klippen erzittern und zersplittern ließ. Die Kohorte der Erwählten wurde geschickt, den Angriff aufzuhalten …"

    Enea stoppte und holte Luft. Ich starrte in das Zwielicht. Eine Tür führte auf ein schmales Treppenpodest.

    „Alles in Ordnung?", fragte ich Enea, ohne meinen Blick abzuwenden.

    „Nur außer Atem, gab sie zurück. Der Edelstein auf ihrem Stab schien schneller zu pulsieren, um mit ihrem Herzschlag Schritt zu halten. „Ich habe gestern ein neues VR-System installiert und muss mich noch daran gewöhnen.

    „Was ist jetzt mit der Kohorte? Konnten sie die Dämonen zurückdrängen?"

    „Ich glaube nicht. Hier steht:

    Dann beschworen die Höheren Dämonen einen mächtigen Fluch aus den Eingeweiden der Erde hervor. Nur wenige der Legionäre konnten dem Zauber widerstehen. Die anderen wurden Opfer der dunklen Magie und fielen ihren Gefährten in den Rücken. Die verzauberten Kämpfer schlachteten die Zauberer ab, bevor diese eine Reinigende Aura herbeirufen konnten. Und so geschah es, dass die Legionäre den feierlichen Eidschwur brachen, den sie den Gründern gelobt hatten, und aus ihnen die Kohorte der Gefallenen wurde."

    „Steht da auch etwas zu dem Fluch?"

    „In jeder Nacht kehren die Legionäre zurück, um jene schicksalhaften Stunden erneut zu durchleben. Immer wieder aufs Neue verraten sie ihre Kameraden und stürmen die Burg, wobei sie alle töten, denen sie begegnen."

    „Heißt das, sie stehen noch immer formell unter dem Einfluss der Dämonen?"

    „Bestimmt nicht. Die Kohorte der Gefallenen wird zwar den Mächten der Finsternis zugeschrieben, aber die Legionäre befolgen nicht deren Befehle. Sie zahlen lediglich den Preis für ihre Taten."

    „Du denkst, sie wissen, was sie tun?"

    „Ja, das glaube ich. Aber es scheint nicht in ihrer Macht zu stehen, das zu ändern", schlussfolgerte Enea.

    Ich ging die Treppe hinauf und drückte gegen die Tür. Knarzend schwang sie auf und offenbarte einen kleinen Raum. Vermutlich war dies eine Waffenkammer gewesen, denn am Boden lagen Unmengen an Pfeilen und ein paar rostige Schwerter. An den Wänden lehnten Hellebarden. Ein paar leere Ölkessel standen in einer Ecke.

    „Hast du eine Idee, wie wir den Fluch brechen können?", fragte ich.

    „Noch nicht, gab sie zu. „Vielleicht fällt uns etwas ein, wenn wir noch weitere Hinweise finden. Ich glaube allerdings nicht, dass wir uns einfach einen Raum nach dem anderen vornehmen können, wie Togien dachte. Es gibt einfach zu viele.

    „Du hast recht", stimmte ich zu und verließt die Waffenkammer. Mein Blick folgte den Stufen, bis sie sich in der Finsternis verloren.

    * * *

    Wir folgten den Stufen nach oben. Kurz darauf verschlang uns die klebrige Dunkelheit erneut. Geheimnisvolles Wimmern und Flüstern ließ uns erschauern.

    Der Stab in Eneas Hand konnte das Dämmerlicht kaum vertreiben. Wir bewegten uns in einem schwachen Lichtkegel fort, doch Schatten warfen wir keine.

    „Mir ist so kalt …", flüsterte Enea.

    Auch ich war durchgefroren. Die Umgebung war nicht zu erkennen, und mein Kopf schmerzte.

    „Alex, sprach Enea mich an, „was ist da zwischen dir und Christa?

    „Können wir bitte später darüber sprechen? Ich werde dir alles erzählen", versprach ich, während ich weiterlief, immer wieder innehaltend und lauschend. Doch ich hörte nichts Verdächtiges.

    „Ich möchte es aber jetzt wissen, forderte sie ungeduldig und mit eifersüchtiger Stimme. „Warum stellt sich die Schlampe immer wieder zwischen uns?

    Ungläubig starrte ich sie an. Was war plötzlich mit ihr los?

    Das unstete Licht des Edelsteins ließ ihre Gesichtszüge wie gemeißelt erscheinen. Was war das für ein Blick in ihren Augen? Ich wurde nicht schlau aus dieser Person.

    Das Herz einer Hydra pulsierte schneller.

    Die Stabspitze kratzte über den Boden, als sie ihn abrupt hob und damit auf mich zeigte.

    Sie veränderte den Griff und hielt den Stab nun mit beiden Händen. So angespannt und so wunderschön. So begehrenswert.

    Was zum Teufel passierte hier? Die Welt schien sich zu überschlagen. Meine geheimsten und unmöglichsten Träume traten plötzlich ans Tageslicht und wurden meiner Selbstbeherrschung entrissen.

    „Liebst du sie?"

    Schmerzerfüllt blickten wir uns an. Unsere Gefühle fuhren Achterbahn und schlugen Saltos bis an den Rand des Wahnsinns. Ein unbedachtes Wort würde alles zerstören.

    Die Runen auf meiner Schwertklinge glühten trotzig. Enea wartete auf meine Antwort. Doch die Wahrheit würde sie umbringen.

    Ich spürte kalten Schweiß auf meine Stirn treten. Meine Hände umschlossen das Schwert mit festem Griff. Gleichzeitig würgten meine turbulenten Gefühle jedwede Vernunft, um sie zu ersticken und in den Tiefen aufkeimender Sehnsüchte zu ertränken.

    „Alex, antworte mir! Ich habe alles aufgegeben, um dir zu folgen. War das ein idiotischer Fehler?"

    In der Realität enden solche Momente entweder in einer Welle der Leidenschaft oder in einer Trennung. Wir standen da, wie funkensprühende Stromkabel über einer gefüllten Badewanne.

    Ihre Lippen bebten. Ihre Augen schleuderten Dolche auf mein Herz, und

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