Diagnose F32.2: Schwere depressive Episode ohne psychotische Symptome
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About this ebook
Die Patientin ist wach, bewusstseinsklar und voll orientiert. Gepflegtes Erscheinungsbild. Aufmerksamkeitsstörungen. Keine mnestischen Defizite. Formales Denken eingeengt auf depressive Inhalte. Gedankenabreißen. Äußerungen nehmen beinahe zerfahrende Ausmaße an. Grübeln. Gedankendrängen. Zukunftsängste. Kein Wahn. Keine Halluzinationen. Keine Ich-Störungen. Im Affekt ratlos. Gefühl der Gefühllosigkeit. Insuffizienzerleben. Ambivalenz. Antrieb reduziert. Psychomotorik reduziert. Kein selbstverletzendes Verhalten. Äußerungen von Lebensüberdruss. Konkrete Suizidgedanken nicht auszuschließen. Nicht sicher von akuter Suizidalität distanziert.
Kein Hinweis für Fremdgefahr.
Dörthe Premer
Dörthe Premer, born in 1990, is a passionate surfer. After her master's degree in health management and a few years as a project manager at BMW in Munich, she quit her supposedly secure job and everything she had. She surfed countless waves in different countries with her board, got stuck in Portugal, and met her husband there, with whom she had a little daughter. Her depression almost tore all the happiness apart. Her strength and endurance to get through the worst time of her life she took from experiences of adventurous travels, risky hobbies, her family, friends, and last but not least God. Today she lives easygoing with her small family in Portugal.
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Book preview
Diagnose F32.2 - Dörthe Premer
WIDMUNG
Dieses Buch widme ich allen, die
die beschissene Diagnose F32.2
erhalten haben. Ihr kommt aus der
Scheiße wieder raus!
Auch wenn ihr nicht dran glaubt.
Haltet durch und baut keinen Mist!
An alle Angehörigen: Seid geduldig
und besonders für eure Liebsten da!
Nur mit euch werden sie es
schaffen!
INHALT
PROLOG
FREIER FALL
EASY LEBEN
SCHLAFLOS
DAS ENDE DER WELT
RÜCKZUG
WAISENHAUS, TESTAMENT, VERHUNGERT
ANZIEHUNGSKRAFT
EINLIEFERUNG
TAG X, 12.12.2021
EXPLOSION
TEILGESCHLOSSENE ANSTALT
PILLEN, PILLEN, PILLEN
THERAPIEN
WEIHNACHTEN UND SILVESTER IN DER KLAPSE
DER WEG RAUS
FAHRLÄSSIG
MEHR ÄRZTE
STOPP!
HEILUNG
PROLOG
Da saß ich also. Im Wohnzimmer meiner Eltern, im tiefsten Loch meines Gehirns gefangen. Ein leerer Blick, tief in der Hocke. Nur noch der Gedanke an diese beschissene Nagelschere, die ich mir einfach irgendwie in die Unterarme rein rammen könnte.
Dieses kleine, silberne, spitze Stück würde schon reichen, um dem Ganzen ein Ende zu setzen. Ich müsste sie nur tief genug rein stechen und einen Schlitz entlang der Pulsader ziehen. Am Besten in der Dusche und wenn meine Eltern dann vom Spaziergang mit meiner kleinen Tochter zurückkommen würden, wäre ich einfach nicht mehr da.
Ich konnte nicht mehr, ich wollte nicht mehr…
FREIER FALL
EASY LEBEN
Es gab überhaupt keinen Grund, in eine Depression zu rutschen. Ich hatte in meinem Leben bisher Go-Kart-Crashs, Verletzungen im Leistungsturnen, die heftigsten „Wipeouts" beim Surfen, Erdbeben, Denguefieber, eine Hundeattacke und eine Hausgeburt überlebt. Dass ich ausgerechnet in eine psychische Krankheit rutschen würde und an dieser fast gestorben wäre, hätte ich niemals für möglich gehalten.
Eigentlich hatte ich alles, was ich wollte, sogar noch etwas mehr als das. Ich hatte alle Ziele, die ich mir unterbewusst gesetzt hatte, erreicht. Mein Kindheitswunsch, irgendwann bei BMW zu arbeiten und dann auch noch im Design Bereich, war geschafft.
Ich hatte meine Wohnung in München, ein tolles Auto und ein easy Single Leben, eine tolle Familie und viele Freunde. Noch dazu reichlich Geld.
Doch irgendwie hatte ich trotzdem seit Montags darauf gewartet, dass endlich wieder Wochenende war.
Die Arbeit hatte mich maximal zwei Jahre am selben Ort und beim gleichen Arbeitgeber bleiben lassen. Wirklich Spaß hatte ich kaum dabei. Wobei das Mittagessen bei BMW und die Ritter Sport nachmittags schon ziemlich gut waren. Auch die Kollegen waren top. Die Arbeit an sich war nicht wirklich „Arbeit". Ich hatte eigentlich nur versucht, die Zeit rumzubringen, um so schnell wie möglich wieder Feierabend machen zu können.
Irgendwann hatte mich das Surffieber gepackt und der Moment, an dem mir klar wurde, wie absurd eigentlich die Arbeit war, die ich den ganzen Tag „erledigte", hatte mein Leben radikal verändert.
Es war der Moment, als ich in einem abgefuckten Jeep auf Fuerteventura mit Surfboards auf dem Dach saß und das „Kombi (Anzeige hinter dem Lenkrad) anstarrte. Dort gab es nur drei verschiedene analoge Anzeigen: Den Tank-füllstand, die Geschwindigkeitsanzeige und die Motortemperatur. Alle drei Nadeln auf „0
, trotz fahrendem Auto. Keiner hatte sich beschwert.
Am nächsten Tag saß ich wieder schick gekleidet in München bei BMW im Meeting und es wurde darüber diskutiert, ob der Kunde im „Kombi bemerken würde, dass die digitale Anzeige zwei Pixel nach rechts verschoben und mit etwas kräftigerem Grün versetzt war. „What the fuck!
Jetzt reichte es, ich machte Schluss und wollte kündigen. In dem Moment wurde mir einfach klar, wie sinnlos die Arbeit war (zumindest für mich). Ja, der Geldtropf war stark… Aber sollte ich mal ans Limit kommen, könnte ich ja jederzeit wieder anfangen. Trotzdem hatte es vier Monate gedauert, bis ich tatsächlich einen Schlussstrich unter BMW zog und meine Kündigung einreichte.
Tränen waren geflossen. Der Abschied war sehr schwer aber schön und mit vielen Kollegen und Kolleginnen. Es gab einige, von denen hätte ich nicht gedacht, dass eine Reaktion auf meine Abschiedsmail kommen würde. Viele mit Respekt und vielleicht ein bisschen Neid, dass ich diesen Schritt wagte. Klar, ich hatte nicht viel zu verlieren. Keinen Partner oder Kinder. Trotzdem immer noch eine Wohnung in München, die bezahlt werden wollte.
Ich fing in einem kleinen Surf Café in München an zu arbeiten. Just for fun. Ich kannte die Besitzer aus meiner Kindheit und die ganze Arbeit hatte mich mehr mit dem Surfen verbunden. Obwohl es nur um Kaffeekochen ging. Egal, irgendwie hatte es Spaß gemacht. Viele „BMWler" kamen hin und wieder zu Besuch, um den besten Kaffee Münchens bei ein paar Surfvideos zu genießen. Doch irgendwann kam der Punkt, an dem auch das keinen Spaß mehr machte. Ich war immer noch nicht am Meer sondern in einer Großstadt, nur jetzt mit der Hälfte des Gehalts. Der Fun-Faktor schwand. Außerdem hatte ich bisher kaum etwas von der Welt gesehen. Der Gedanke, einmal alles zu kündigen, was ich so im Leben hatte und einfach loszuziehen ohne Plan wuchs…
Bis zu dem Zeitpunkt, an dem ich alles was ich hatte, kündigte.
Meine Wohnung, meine Berufsunfähigkeitsversicherung, meine Handyversicherung, sämtliche Verträge. Alles, bis auf meinen Handyvertrag und meine Krankenversicherung. Es fühlte sich verdammt gut an.
Befreiend, minimalistisch.
Ich war noch nie die Person, die wirklich viele Gegenstände besessen hat. Auch die Anzahl an Kleidung war überschaubar. Mit den letzten paar Umzugskartons bin ich also wieder zu Hause bei meinen Eltern eingezogen und habe ein One-Way Ticket nach Sri Lanka gebucht.
Das Ziel: Einmal mit dem Surfboard um die Welt, ohne Plan.
Lange Rede, kurzer Sinn: Ich bin in Portugal hängen geblieben. Dort habe ich meinen Verlobten kennengelernt und wir haben eine kleine Tochter bekommen. Ich wollte nie Mutter werden und erwartete nicht, dass ich mal eine sein würde. Meinem Mann ging es ebenso. Wir waren uns in dieser Hinsicht sehr ähnlich. Aber wir entschieden uns definitiv für den kleinen Wurm und zweifelten keinen Moment daran, sie in die Welt zu setzen. Wir waren beide Surfer aus Leidenschaft, waren viel gereist, hatten viele verschiedene Arbeitgeber und sind letztendlich im Surf- und Tourismusbereich hängen geblieben.
Theoretisch schien alles perfekt.
Wir hatten eine kleine Wohnung direkt hinter der Düne an Portugals Silver Coast in Peniche, der „Hauptstadt der Wellen", einem perfekten Ort zum Surfen. Der Ort, an dem ich das erste Mal in meinem Leben den Moment erlebte, etwas gefunden zu haben, was mir wirklich Spaß machte. Der Moment purer Zufriedenheit.
Das war 2017 während meines zweiten Surfurlaubs überhaupt. Drei Jahre später, nach vielen Abenteuern (ich berichte gerne) wohnte ich dort mit