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Eine Braut für Admiral Worsley: Historischer Liebesroman
Eine Braut für Admiral Worsley: Historischer Liebesroman
Eine Braut für Admiral Worsley: Historischer Liebesroman
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Eine Braut für Admiral Worsley: Historischer Liebesroman

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About this ebook

Wenn die Not einen zwingt, sich mit dem Feind zu verbünden, entdeckt man möglicherweise, dass der Feind nicht ist, was er scheint ...

Im England des Jahres 1816 kämpft die junge Witwe Melina um ihr Gestüt und die Zukunft ihrer Kinder. Die Rückkehr ihres unausstehlichen Nachbarn Benjamin wirbelt ihr Leben gehörig durcheinander - und sie das seine. Denn so hat sich Konteradmiral Benjamin Worsley seine Brautschau wahrlich nicht vorgestellt ...

***

Heimkehren, eine Braut finden, eine Familie gründen - so lautet Benjamin Worsleys Plan. Ein leichtes Unterfangen für den attraktiven Admiral, wäre da nicht seine Nachbarin Melina. Denn eine unbedachte Äußerung von ihr führt zu unerhörten Gerüchten über ihn und Melina, die seine Aussichten auf eine standesgemäße Braut zunichtemachen.

Schlimmer könnte es für Melina nicht kommen. Eine Liaison? Ausgerechnet mit Benjamin Worsley? Nicht genug damit, dass ihr verstorbener Mann sie mit Schulden, einem Gestüt und zwei kleinen Kindern zurückließ, wird ihr nun auch noch eine Liebesaffäre angedichtet - ausgerechnet mit diesem unausstehlichen Admiral. Lächerlich! Denn nach zahlreichen Schicksalsschlägen hat Melina mit der Liebe längst abgeschlossen.

Doch als Melina in Schwierigkeiten gerät, ist es ausgerechnet Benjamin, der ihr ein überraschendes Angebot macht - ein Angebot, von dem beide Seiten profitieren könnten. Wird Melina ihre Abneigung gegen Benjamin überwinden können und sein Angebot annehmen? Und werden die beiden doch noch zueinander finden?

***

Der historische Liebesroman "Eine Braut für Admiral Worsley" ist eine traditionelle Regency Romance mit Romantik, Humor und Liebe zum historischen Detail. Tauchen Sie ein in die Welt von Jane Austen: in eine Geschichte um gekränkten Stolz, enttäuschte Hoffnungen und unverhoffte Liebe im England des frühen 19. Jahrhunderts!

Genre: Historischer Liebesroman, Clean & Sweet Regency Romance (keine erotischen Szenen)

***

In der Reihe bereits erschienen:
Ein Viscount per Annonce (Lost in Regency 1)
Kein Baron für Miss Louisa (Lost in Regency 3)
LanguageDeutsch
Release dateAug 19, 2022
ISBN9783756892785
Eine Braut für Admiral Worsley: Historischer Liebesroman
Author

Emily Alveston

Als Kind wollte Emily Alveston Bäuerin werden. Oder Sängerin. Oder Zirkusclown. Geworden ist es letztendlich ein Doppelstudium aus Astrophysik und Geschichte. Heute arbeitet Emily als Bibliothekarin und selbstständige Historikerin. Sie liebt belgische Schokolade, indischen Assamtee und das englische Regency.

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    Book preview

    Eine Braut für Admiral Worsley - Emily Alveston

    Die wichtigsten Personen

    Konteradmiral Benjamin Worsley

    Melina Everly, geborene Landon

    Alice Landon, Melinas Schwester

    Samuel und Paulina, Melinas Kinder

    Christopher Landon, Melinas älterer Bruder

    Leutnant Thomas Landon, Melinas jüngerer Bruder

    Oliver Jennings, Melinas Verehrer

    Dorothy Harthorpe, örtliche Klatschbase und Alices Freundin

    Mr. Bell, Parish Constable

    Mr. Plum, Melinas Butler

    Thayer, Stallmeister auf White Willows

    Staples, Stallknecht auf White Willows

    Will, Stallbursche auf White Willows

    Mr. Fawbert, Admiral Worsleys Butler

    Betsy, Admiral Worsleys Dienstmädchen

    Weitere Personen

    Sarah Landon, Christophers Gemahlin

    Miss Stanfield, Samuels und Paulinas Kindermädchen

    Miss Barclay, Admiral Worsleys Verehrerin

    Sir Henry und Lady Ashcroft

    Louisa Ashcroft, Lady Ashcrofts älteste Tochter

    Mr. Markham

    Phoebe Wright, Mr. Markhams Cousine

    Mr. Harvey, Pferdezüchter

    Mr. Denville

    Mr. Murphy

    Inhaltsverzeichnis

    KAPITEL EINS

    KAPITEL ZWEI

    KAPITEL DREI

    KAPITEL VIER

    KAPITEL FÜNF

    KAPITEL SECHS

    KAPITEL SIEBEN

    KAPITEL ACHT

    KAPITEL NEUN

    KAPITEL ZEHN

    KAPITEL ELF

    KAPITEL ZWÖLF

    KAPITEL DREIZEHN

    KAPITEL VIERZEHN

    KAPITEL FÜNFZEHN

    KAPITEL SECHZEHN

    KAPITEL SIEBZEHN

    KAPITEL ACHTZEHN

    KAPITEL NEUNZEHN

    KAPITEL ZWANZIG

    KAPITEL EINUNDZWANZIG

    KAPITEL ZWEIUNDZWANZIG

    GLOSSAR

    ANHANG

    EINS

    Wie haben die Korsaren denn ausgesehen?"

    Gebannt hing die neunzehnjährige Alice an den Lippen ihres Bruders, ihre dunklen Augen vor Aufregung weit aufgerissen, und strich zum wiederholten Male ungeduldig eine blonde Locke zurück, die sich aus ihrer Frisur gelöst hatte und ihr bei jeder Kopfbewegung ins Gesicht fiel.

    Melina lächelte in sich hinein. Seit ihre um zehn Jahre jüngere Schwester die Verserzählung ‚Der Korsar‘ von Lord Byron gelesen hatte, hatte sie der Rückkehr ihres Bruders entgegengefiebert. Als Leutnant der britischen Marine hatte Thomas in den vergangenen Monaten an der erfolgreichen Großoffensive gegen die Barbaresken-Korsaren im Mittelmeer teilgenommen. Erst vor wenigen Tagen war er nach Belcot heimgekehrt – vom milden mediterranen Herbst direkt in den kalten englischen November.

    Nun saß er zusammen mit seinen Geschwistern Melina, Alice und Christopher sowie seiner Schwägerin Sarah nach dem Dinner beim abendlichen Tee im Salon des Herrenhauses von Landon Park und wurde von Alice mit all den Fragen bestürmt, die ihr auf der Seele brannten.

    „Wie diese Kerle aussehen?, entgegnete Thomas, der es sichtlich genoss, im Mittelpunkt der kleinen Abendgesellschaft zu stehen. „Nun, vernarbte Gesichter, verfaulte Zähne, zerschlissene Kleidung. Nicht wenige haben ein Auge, eine Hand oder ein Bein verloren. Piraten eben.

    Er lehnte sich in seinem Polstersessel zurück und schlug seine schlanken, muskulösen Beine lässig übereinander. Die südliche Sonne hatte seine blasse Haut gebräunt und seine blonden Haare gebleicht, was seine mahagonibraunen Augen umso dunkler wirken ließ. Melina musste zugeben, dass ihr ‚kleiner‘ Bruder zu einem attraktiven jungen Mann herangewachsen war.

    Leider war Thomas sich seines guten Aussehens nur allzu bewusst. Er legte größten Wert auf eine modische Erscheinung, die mitunter an Eitelkeit grenzte. So hatte er sich für den heutigen Abend, der nichts weiter als ein Dinner im engsten Familienkreis war, mit nachtblauem Frack, einer enganliegenden Kniebundhose aus naturfarbener Seide, weißen Kniestrümpfen und schwarzen Spangenschuhen herausgeputzt und seine hellblonden Locken modisch im Brutus-Stil über der Stirn auftoupiert, während Melina ihr dunkles Haar lediglich zu einer einfachen Frisur hochgesteckt hatte und wie Alice ein schlichtes Kleid aus heller Baumwolle trug. Selbst Christopher als Gastgeber des Familiendinners hatte auf Kniebundhose und Frack verzichtet und stattdessen graue Pantalons und eine Jacke aus tannengrünem Wollstoff gewählt.

    „Denn das sind diese Korsaren schließlich, fuhr Thomas fort. „Nichts anderes als Piraten, auch wenn sie die offizielle Erlaubnis ihrer Regierung dafür haben, fremde Handelsschiffe zu überfallen.

    „Dann sind sie nicht so, wie Lord Byron sie in ‚Der Korsar‘ schildert?" Alice verzog enttäuscht ihr hübsches Gesicht.

    „Du meinst, verwegen, gutaussehend und im Herzen edel und gerecht? Thomas schwenkte seinen Brandy spielerisch im Glas, bevor er einen Schluck nahm und die bernsteinfarbene Flüssigkeit genüsslich die Kehle hinunterrinnen ließ. „Nein, meine Liebe. Sie sind nichts davon, ganz im Gegenteil. Sie sind ein Haufen wilder Barbaren, die mit ihren Säbeln und Entermessern jeden niederhauen, der es wagt, sich ihnen in den Weg zu stellen.

    Alice riss erschrocken ihre dunklen Augen auf. „Dann ... Sie zögerte. Offenbar musste sie erst Mut fassen, um ihre nächste Frage stellen zu können. „Dann versetzen die blutroten Flaggen der Korsaren die Seeleute tatsächlich in Angst und Schrecken, wie Lord Byron schreibt?

    „Allerdings!"

    Melina warf Thomas über den Rand ihrer Teetasse hinweg einen warnenden Blick zu. Nähere Einzelheiten über die Gräueltaten der Piraten waren gewiss nicht nötig.

    „Sie besitzen leichte und wendige Schebecken, mit denen sie auch in seichten Gewässern operieren können, im Gegensatz zu den schweren Handelsschiffen, fuhr Thomas fort. Er leerte sein Glas Brandy, und Christopher erhob sich vom Sofa, um seinem jüngeren Bruder nachzuschenken. „Manchmal greifen sie aus dem Hinterhalt an, ein andermal tarnen sie ihre Schebecken als Handelsschiffe. Wenn die Seeleute die Täuschung bemerken, ist es meist zu spät, um noch die Flucht ergreifen zu können.

    „Und was passiert dann mit den Seeleuten?", erkundigte sich Alice und strich erneut ihre blonde Locke aus dem Gesicht. Melina beugte sich zu ihr, löste eine von Alices Haarnadeln und befestigte die widerspenstige Haarsträhne in der Frisur.

    Thomas nahm seinem Bruder das neu gefüllte Glas Brandy ab, das dieser ihm entgegenhielt. „Manche von ihnen töten die Korsaren an Ort und Stelle. Andere nehmen sie gefangen und misshandeln sie. Dann erpressen sie Lösegeld oder verkaufen sie in die Sklaverei."

    „Oh, keuchte Alice und schlug ihre Hand entsetzt vor den Mund. „Wie grausam!

    „Thomas! rief Melina mahnend. „Nun ist es aber genug.

    Missbilligend schüttelte sie den Kopf, was Thomas mit einem breiten Grinsen quittierte. Seine jüngere Schwester zu erschrecken, machte ihm offensichtlich Spaß.

    „Konntet ihr die versklavten Seeleute denn befreien?", meldete sich Christopher unvermittelt zu Wort und trank einen Schluck Sherry.

    Thomas nickte, und sein neckischer Blick wich einer sachkundigen Miene. „Nach der erfolgreichen Bombardierung von Algier ließ Admiral Pellew eine Reihe von Verträgen aufsetzen und konnte dadurch die Freilassung aller christlichen Gefangenen bewirken. Unsere Offensive war auf ganzer Linie ein Erfolg."

    Der Stolz, der bei diesen Worten in seiner Stimme mitschwang, war nicht zu überhören.

    „Und was geschieht mit den Piraten, die ihr gefangengenommen habt?", erkundigte sich Sarah und schenkte sich eine Tasse Tee nach.

    Zum wiederholten Male bewunderte Melina die langen, schmalen Finger und die anmutigen Bewegungen ihrer Schwägerin. Sie konnte sich noch gut erinnern, wie hingerissen Christopher gewesen war, als er die grazile junge Frau mit den großen blauen Augen und den glänzenden brünetten Haaren vor vielen Jahren zum ersten Mal gesehen hatte. Er hatte tagelang davon geschwärmt, seine zukünftige Gemahlin kennengelernt zu haben. Alice und Melina hatten sich bereits heimlich darüber lustig gemacht, dass eine hübsche junge Dame ihrem stets so vernünftigen ‚großen‘ Bruder mit wenigen Worten und Blicken den Kopf verdreht hatte. Doch Christopher hatte recht behalten – wenige Monate später war Sarah tatsächlich seine Frau geworden.

    „Die Piraten bekommen, was sie verdient haben. Thomas machte ein zufriedenes Gesicht. „Sie sitzen im Marshalsea Prison in London und warten auf ihre Hinrichtung. Leider steht zu befürchten, dass der Rest der Bande weiterhin sein Unwesen treiben wird.

    „Dann wird es eine weitere Offensive gegen die Korsaren geben?", fragte Christopher.

    Thomas seufzte und nahm erneut einen Schluck Brandy. „Davon ist auszugehen. Aber zunächst muss die gute alte Pegasus instand gesetzt werden. Ihr hättet sie sehen sollen! Das Kanonenfeuer der Korsaren hat ihr ganz schön zugesetzt, aber sie hat sich nicht bezwingen lassen. Im Nachhinein betrachtet grenzt es an ein Wunder, dass sie die Reise zurück nach England geschafft hat. Es wird Wochen, wenn nicht Monate dauern, bis sie für den nächsten großen Einsatz bereit ist."

    Die HMS Pegasus, erinnerte sich Melina, war jenes Linienschiff, auf dem Thomas seit acht Jahren unter Captain Worsley diente. Benjamin Worsley stammte ebenfalls aus Belcot und hatte Thomas, nachdem dieser im Alter von sechzehn Jahren die Royal Naval Academy abgeschlossen hatte, als Midshipman in seine Crew aufgenommen. Mittlerweile war Thomas zum Leutnant aufgestiegen, und Melina war sich sicher, dass er die weiteren Ränge bis zum Captain ebenfalls rasch durchlaufen würde. Was Benjamin Worsley konnte, konnte ihr Bruder schon lange.

    „Und wie sieht es mit einer Belohnung aus?, erkundigte sich Christopher. „Nach diesem großen Erfolg für unser Land wird für die Schiffsmannschaften wohl hoffentlich etwas herausspringen!

    Thomas grinste. „Wie man hört, sollen etliche Besatzungsmitglieder für die Anerkennung ihrer Dienste befördert werden. Möglicherweise habt ihr also schon bald einen Commander statt eines Leutnants in der Familie! Er warf sich stolz in die Brust. „Worsley rechnet mit der Beförderung zum Konteradmiral. Und Admiral Pellew soll, so wird gemunkelt, sogar zum Viscount ernannt werden. Apropos Worsley, Thomas wandte sich an Melina. „Ich habe ihm von deinem Gestüt erzählt. Er ist sehr daran interessiert, ein Paar hochwertiger Kutschpferde zu erwerben, und wird dir auf White Willows in nächster Zeit einen Besuch abstatten."

    „Tatsächlich? Verwundert sah Melina ihren Bruder an. „Wäre es nicht besser, wenn er sich für seine kurzen Aufenthalte in Belcot ein Paar mietete? Er verbringt doch die meiste Zeit seines Lebens auf See. Ich habe ihn kaum je zu Gesicht bekommen, obwohl Thornshurst weniger als eine Meile von White Willows entfernt liegt.

    Ein flüchtiges Bild von einem breitschultrigen, hochgewachsenen Mann mit kantigem, wettergegerbtem Gesicht, schwarzbraunen Haaren und einer fürchterlich altmodischen Meerschaumpfeife im Mundwinkel trat vor ihr inneres Auge.

    „Nun, Thomas lächelte wissend, „in Zukunft wird Worsley wohl öfter auf Thornshurst sein als bisher. Er will diesen Landurlaub nutzen, um sich eine Gemahlin zu suchen und eine Familie zu gründen.

    „Dann sollte er sich seine stinkende Pfeife abgewöhnen und stattdessen Schnupftabak nehmen, entgegnete Melina trocken. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass die jungen Schönheiten von Belcot Gefallen an Tabakqualm finden. Nicht wahr?

    Sie zwinkerte ihrer Schwester zu. Alice schüttelte lachend den Kopf und verzog angewidert ihr Gesicht.

    Thomas grinste. „Ich denke nicht, dass Worsley einer Frau zuliebe auf die Pfeife verzichten würde. Seine Braut wird ihn schon zusammen mit seiner Pfeife nehmen müssen!"

    Melina rümpfte die Nase. „Ich hoffe, er lässt die Pfeife wenigstens zu Hause, wenn er nach White Willows kommt. Meine Pferde können Tabakrauch nicht ausstehen."

    „Rede dich nur nicht auf deine Pferde aus!, erwiderte Thomas lachend. „Wie steht es denn um White Willows? Ist es bereits schuldenfrei?

    Melina seufzte. „Beinahe. Die Verkäufe im letzten Jahr waren gut, und ich habe derzeit einige vielversprechende Fohlen und Jährlinge."

    Ihr Bruder nickte anerkennend. „Wie schön. James wäre stolz auf dich!"

    Melina lächelte wehmütig. Der Gedanke an ihren verstorbenen Mann stimmte sie wie immer traurig. Kaum zu glauben, dass bereits über ein Jahr vergangen war, seit James unerwartet einem heftigen Fieber erlegen war. Wie schön wäre es, könnte er heute hier bei ihnen sitzen und Thomas‘ Rückkehr feiern! Doch auch ihn hatte ihr das Schicksal genommen, wie so viele ihrer Liebsten.

    Es schien sie wie ein Fluch zu verfolgen. Ein Fluch, der ihr die Menschen nahm, die ihr am nächsten standen. Ihre Mutter, die zusammen mit dem jüngsten Geschwisterchen im Kindbett starb, als Melina gerade zwölf Jahre alt war. Ihre geliebte ältere Schwester Sophy, die die Mutterrolle für die jüngeren Geschwister übernahm und drei Jahre später an einer Lungenkrankheit starb. Die Erinnerung an Sophy, wie sie blass und schwach im Bett lag, nicht mehr als ein Schatten ihrer selbst, und verzweifelt mit letzter Kraft nach Luft rang, hatte Melina viele Jahre lang verfolgt. Papa, der im Jahr darauf einem Herzanfall erlag, sodass Christopher, kaum volljährig, nicht nur die Verantwortung für Landon Park, sondern auch die Vormundschaft für Melina, Thomas und Alice übernehmen musste.

    Und als sie dachte, ihr Glück mit James auf White Willows gefunden zu haben, nahm ihr das Schicksal im vergangenen Jahr nicht nur ihren Erstgeborenen, sondern auch ihren Ehemann. Nein, es konnte nichts anderes als ein Fluch sein, der auf ihr lastete und ihr stets die liebsten Menschen nahm. Wieder einmal schnürte es ihr bei dem Gedanken an ihre beiden verbliebenen Kinder das Herz zusammen. Die Angst, auch Samuel und Paulina zu verlieren, war unerträglich.

    „Leider gab es einige unerfreuliche Zwischenfälle mit Mr. Harvey", riss Christophers Stimme Melina aus ihren Gedanken.

    „Harvey? Thomas runzelte die Stirn. Es war ihm anzusehen, dass er angestrengt nachdachte, wo er den Namen bereits einmal gehört hatte. Schließlich hellte sich seine Miene auf. „Der Pferdezüchter in Reading?

    „Eben der. Christopher trank den letzten Schluck Sherry und stellte das leere Glas vor sich auf den Sofatisch. „Offenbar möchte er nicht tatenlos dabei zusehen, wie ein nahegelegenes Gestüt – noch dazu geführt von einer Frau – dem seinen den Rang abläuft.

    Erstaunt hob Thomas die Augenbrauen. „Was ist denn geschehen?"

    „Er hat bei der letzten Auktion in Reading versucht, den Ruf von White Willows mit falschen Behauptungen über die Qualität meiner Zucht zu untergraben", erwiderte Melina bitter.

    „Und es steht zu befürchten, dass er es auf der kommenden Auktion bei Tattersall’s in London ebenfalls versuchen wird", fügte Christopher hinzu.

    Melina nickte bedrückt. „Wenn mir dieser Markt wegbricht, kann ich das Gestüt nicht halten." Ein Gedanke, der wie immer nur schwer zu ertragen war. Sie hatte das Gestüt nicht nur zusammen mit James über viele Jahre hinweg aufgebaut, es war auch das Erbe ihres kleinen Sohnes. Sowohl um ihretwillen als auch um seinetwillen wollte sie die Zucht ihrer geliebten Cleveland Bays auf keinen Fall aufgeben.

    „Harvey hat mir nach dem Vorfall in Reading ein Angebot zur Übernahme des Gestüts gemacht. Zu einem beleidigend niedrigen Preis, ergänzte Christopher. „Aber als Vormund von Samuel und Verwalter seines Treuhandvermögens kann ich es nicht verantworten, das Erbe meines Neffen zu einem derart geringen Preis zu verkaufen.

    „Außerdem möchte ich das Gestüt behalten, wandte Melina ein. „Ich betrachte es als meine Pflicht, James‘ Vermächtnis für Sammy weiterzuführen, bis er eines Tages alt genug ist, das Gestüt zu übernehmen. Auch wenn Christopher überzeugt ist, es wäre klüger, das Gestüt aufzugeben, die Zuchtpferde zu einem guten Preis zu veräußern und das Geld für Sammy anzulegen.

    „Es wäre zumindest sicherer, bestätigte Christopher und wandte sich an Melina, die bereits wusste, welche Argumente ihr Bruder im nächsten Augenblick wieder vorbringen würde. Schließlich hatten sie nicht erst einmal darüber gesprochen. „Gerade in Hinblick auf die Probleme, die Harvey uns möglicherweise noch machen wird. Sollte es ihm gelingen, Zweifel an der Qualität deiner Pferde zu verbreiten, würden die Erlöse für die Tiere drastisch zurückgehen. Sollten wir dann gezwungen sein, das Gestüt aufzulösen, wären die Gewinne deutlich geringer als derzeit. In Samuels Interesse kann ich das nicht befürworten.

    „Ich weiß, lenkte Melina ein und seufzte. „Ich würde dennoch gerne noch etwas abwarten.

    „Vielleicht solltest du wieder heiraten, schlug Thomas vor. „Eine starke männliche Hand würde dir nicht nur bei der Arbeit auf dem Gestüt helfen, sondern auch Kerle wie Mr. Harvey in die Schranken weisen. Und Sammy und Polly hätten wieder einen Vater.

    Melina warf ihrem jüngeren Bruder einen strafenden Blick zu. „James ist erst vor etwas mehr als einem Jahr verstorben, und du schlägst mir ernsthaft vor, nach Ablauf meines Trauerjahres sofort wieder zu heiraten? Einfach irgendjemanden, Hauptsache, ein Mann im Haus?"

    Thomas hob beschwichtigend seine Hände. „Nicht irgendjemanden, natürlich, widersprach er. „Gibt es denn niemanden, der in Frage käme?

    „Nein", zischte Melina verärgert, obwohl das nicht ganz der Wahrheit entsprach.

    „Das stimmt nicht", widersprach Alice deshalb umgehend.

    „Ach, nein?" Thomas‘ Interesse schien geweckt. Melina warf ihrer Schwester einen vielsagenden Blick zu und schüttelte kaum merklich den Kopf.

    „Thomas kann es doch wissen, Melina", fuhr ihre Schwester dennoch fort. „Er wird es ohnedies über kurz oder lang erfahren. In Belcot kommen alle Dinge ans Licht, seit Lady Secret ihre Geheimnisse einer Lady veröffentlicht."

    Melina verdrehte die Augen. Diese Klatschkolumne im Belcot Chronicle hatte der Stadt wahrlich noch gefehlt.

    „Also schön, gab sie nach. „Dann erzähle es meinetwegen.

    „Da ist ein gewisser Mr. Oliver Jennings, der Melina seit einigen Monaten den Hof macht." Alices Stimme zitterte beinahe unmerklich.

    „Jennings? Thomas überlegte. „Der Name sagt mir nichts.

    „Die Jennings sind vor etwa einem Jahr zugezogen, erklärte Melina. „Sie haben das Haus der Kendells gekauft. Mr. Oliver Jennings ist der älteste Sohn der Familie.

    „Keine Kendells mehr in Belcot?, erkundigte sich Thomas in spöttischem Tonfall. „Zu schade! Dann werde ich also nicht das zweifelhafte Vergnügen haben, Mrs. Kendell auf den kommenden Bällen und Dinnerpartys zu erleben?

    Alice lachte. „Dazu müsstest du schon nach Oxford fahren!"

    Thomas machte eine wegwerfende Handbewegung. „So viel liegt mir an Mrs. Kendells Gesellschaft nun auch wieder nicht! Zurück zu diesem Mr. Jennings. Melinas Verehrer, wenn ich das richtig verstehe?"

    „Obwohl ich ihn nie dazu ermuntert habe", bemerkte Melina.

    „Weshalb heiratest du ihn nicht?, erkundigte sich Thomas. „Hat er dir noch keinen Antrag gemacht?

    „Nein. Außerdem denke ich, dass sein Interesse mehr dem Gestüt gilt als mir selbst."

    „Oh, Melina, so etwas darfst du nicht sagen, warf Alice ein. „Mr. Jennings ist stets freundlich und liebenswürdig zu dir!

    Was das betraf, musste Melina ihrer Schwester recht geben. Mr. Jennings war in der Tat ein angenehmer Gesprächspartner und ein durchaus geeigneter Kandidat für eine Vernunftehe – wäre da nicht Alice. Melina hatte bereits seit einigen Wochen den Verdacht, dass ihre Schwester dem ruhigen, charmanten jungen Mann, der ihnen regelmäßig Morgenbesuche abstattete, heimlich zugetan war.

    „Melina möchte allerdings nur einen Mann heiraten, den sie nicht ausstehen kann, fuhr Alice indessen zu Thomas gewandt fort. „Wegen des Fluchs. Du weißt schon.

    „Natürlich. Thomas zog belustigt eine Augenbraue hoch. Er hatte nie ein Hehl daraus gemacht, dass er Melinas Befürchtung, verflucht zu sein, für reinen Unsinn hielt. „Wie wäre es dann mit Worsley? Er verzog seinen Mund zu einem schelmischen Grinsen. „Habe ich im Übrigen schon erwähnt, dass er auf Brautschau ist? Das träfe sich doch hervorragend."

    Melina schnaubte entrüstet. „Von allen ledigen Männern in Belcot werde ich sicherlich nicht ausgerechnet jenen in Betracht ziehen, dessen Tabakgestank bereits die Luft verpestet, noch bevor er selbst in Sicht kommt!"

    Allein der Gedanke, dieser grauenhafte Geruch könnte die Räumlichkeiten von White Willows durchziehen, drehte ihr beinahe den Magen um.

    „Damit wäre Melina außerdem nicht geholfen, wandte Alice ein. „Der Captain ist doch ständig auf See, genau wie du. Wie soll er da auf dem Gestüt helfen, für Samuel und Paulina da sein und Mr. Harvey in Schach halten?

    Thomas wiegte nachdenklich seinen Kopf, sodass seine über der Stirn auftoupierten hellen Haare hin und her wippten. „Da ist etwas dran. Er nahm einen Schluck Brandy und warf Alice einen verschmitzten Blick zu. „Und wie sieht es bei dir aus?

    Alice entglitt vor Schreck beinahe die Teetasse. „Bei mir?"

    Thomas lachte. „Du bist immerhin schon neunzehn. Nimm dir ein Beispiel an Cousine Isabella. Sie ist ein Jahr jünger als du und hat vor kurzem geheiratet. Wird es nicht langsam Zeit, dass du dich ebenfalls nach einem geeigneten Ehemann umsiehst? Er lehnte sich vor und zwinkerte Alice neckisch zu. „Du möchtest doch sicherlich nicht für den Rest deines Lebens Melinas Gesellschafterin bleiben und eine alte Jungfer werden?

    „Mir gefällt es auf White Willows, erwiderte Alice trotzig. „Außerdem kann ich Pollys Gouvernante werden, wenn sie etwas älter ist.

    „Darüber haben wir doch schon gesprochen, Liebes, entgegnete Melina ihrer Schwester. Zu Thomas gewandt, fuhr sie fort: „Wir hatten für vergangenes Frühjahr Alices erste Saison in London geplant, doch ich hätte sie während meines Trauerjahres nicht begleiten können. Daher mussten wir die Saison um ein Jahr verschieben. Diesen Frühling ist es so weit. Wir werden im März aufbrechen.

    Alice zog einen Schmollmund. „Ich will nicht nach London. Dort ist es laut und schmutzig, und es gibt keine Tiere, nur viele Menschen!"

    „Vielleicht wäre Worsley ein geeigneter Ehemann für dich?, schlug Thomas vor. „Dann müsstest du nicht nach London.

    „Kommt nicht in Frage!, rief Melina, bevor ihre Schwester antworten konnte. „Er ist viel zu alt für Alice.

    „Aber er wäre eine gute Partie, gab Thomas zu bedenken. „Er ist ein ranghoher Offizier, gutaussehend – auch wenn du von seiner Pfeife nicht viel halten magst! – und wohlhabend. Und wenn du ihn nicht selbst heiraten willst ...

    „Hältst du Worsleys Heiratsaussichten denn für so schlecht, dass du unbedingt einer deiner Schwestern einreden willst, sich seiner zu erbarmen?", konterte Melina.

    „Mitnichten. Thomas grinste. „Ich bin sicher, er wird bei vielen jungen Damen auf Interesse stoßen.

    „Alice ist sehr hübsch, entgegnete Melina. „Mit ihren goldblonden Haaren und dunklen Augen kommt sie ganz nach Mama, und Mama war eine Schönheit. Sie wird sicherlich eines der hübschesten Mädchen der Londoner Saison sein und den jungen Gentlemen reihenweise den Kopf verdrehen. Es wäre eine Schande, sie stattdessen mit dem erstbesten Mann zu verheiraten, der in Belcot zufällig gerade zu haben ist!

    Nun gut, ‚Schande‘ war vielleicht etwas übertrieben. Nicht zum ersten Mal dachte Melina an Mr. Jennings. Er und Alice würden perfekt zusammenpassen. Leider interessierte sich Mr. Jennings weniger für ihre Schwester als für sie selbst, obwohl er mit seinen siebenundzwanzig Jahren etwas jünger war als Melina. Sie

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