Erfüllung einer Sehnsucht: Sophienlust 377 – Familienroman
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Diese beliebte Romanserie der großartigen Schriftstellerin Patricia Vandenberg überzeugt durch ihr klares Konzept und seine beiden Identifikationsfiguren.
»In Endersbach ist es richtig schön, Tante Isi!« Richard Herzog rannte zur offenen Balkontür. »Komm, Tante Isi, das mußt du dir anschauen!« Er kehrte um und ergriff den Arm Denise von Schoeneckers, die sich noch mit seiner Adoptivmutter unterhielt. »Ricky, gib Ruhe!« meinte Denise. »Ich bin gleich wieder da.« Sie ließ sich von dem Kleinen auf den Balkon führen. »Schau, da vorne ist die Jahnstraße, Tante Isi!« zeigte Ricky geradeaus. »Da wohnen Freunde von mir. Sie heißen Frank und Marisa. Ihrer Mutter gehört der Buchladen an der Ecke. Manchmal gehen wir dort einkaufen. Richtig tolle Bücher gibt es dort.« »Ich weiß«, erwiderte Denise lächelnd. »Da habe ich vorhin auch das Buch gekauft, das du von mir bekommen hast.« »Ricky, der Kaffee wird kalt«, sagte Brigitte Herzog.
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Sophienlust (ab 351)
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Erfüllung einer Sehnsucht - Anne Alexander
Sophienlust
– 377 –
Erfüllung einer Sehnsucht
Wo bleibt meine Mami?
Anne Alexander
»In Endersbach ist es richtig schön, Tante Isi!« Richard Herzog rannte zur offenen Balkontür. »Komm, Tante Isi, das mußt du dir anschauen!« Er kehrte um und ergriff den Arm Denise von Schoeneckers, die sich noch mit seiner Adoptivmutter unterhielt.
»Ricky, gib Ruhe!« meinte Denise. »Ich bin gleich wieder da.« Sie ließ sich von dem Kleinen auf den Balkon führen.
»Schau, da vorne ist die Jahnstraße, Tante Isi!« zeigte Ricky geradeaus. »Da wohnen Freunde von mir. Sie heißen Frank und Marisa. Ihrer Mutter gehört der Buchladen an der Ecke. Manchmal gehen wir dort einkaufen. Richtig tolle Bücher gibt es dort.«
»Ich weiß«, erwiderte Denise lächelnd. »Da habe ich vorhin auch das Buch gekauft, das du von mir bekommen hast.«
»Ricky, der Kaffee wird kalt«, sagte Brigitte Herzog. Sie stand auf der Schwelle zum Wohnzimmer.
»Dann trinken wir eben Kaffee«, erklärte der Kleine aufseufzend.
»Du könntest mir dabei erzählen, wie es dir in der Schule gefällt«, schlug Denise vor.
Richard zog die Nase kraus. »Na ja, es geht«, meinte er dann ergeben. »Weshalb muß ich überhaupt noch in die Schule gehen? Lesen und schreiben kann ich doch schon.«
»Das genügt aber nicht«, erwiderte Denise lachend.
Es klingelte an der Wohnungstür. Richard sprang auf und lief hinaus. Die beiden Frauen schauten ihm nach.
»Seit Ricky bei uns ist, führen wir ein richtiges Familienleben«, meinte Frau Herzog. »Mein Mann und ich wissen erst jetzt, was uns alles entgangen ist. Wir haben die Adoption noch nicht einen Augenblick bereut.«
»Und Ricky liebt Sie, das spürt man«, sagte Denise von Schoenecker. »Es ist eine Freude, ihn zu sehen. Wenn man bedenkt, wie eingeschüchtert wir ihn nach Sophienlust bekamen. Es dauerte fast eine Woche, bis er von sich etwas sagte. Er...«
Richard steckte den Kopf ins Zimmer. »Die Marisa ist da!« rief er. »Kann ich mit ihr spielen gehen?«
»Aber Ricky, Frau von Schoenecker ist extra deinetwegen gekommen«, protestierte seine Mutter.
»Er soll ruhig spielen gehen«, meinte Denise lächelnd.
»Danke, Tante Isi!« Ricky stürzte ins Zimmer und schlang seine Arme um ihren Hals. »Ich hab dich schrecklich lieb«, bekannte er und gab ihr einen dicken Kuß.
Denise von Schoenecker und Brigitte Herzog unterhielten sich noch etwas, dann wurde es für Denise Zeit, aufzubrechen. Sie hatte ihrem Mann versprochen, pünktlich zum Abendessen zurück zu sein.
Frau Herzog begleitete sie zum Wagen. »Schön, daß Sie uns einmal besucht haben, Frau von Schoenecker«, meinte sie zum Abschied. »Sie haben nicht nur mir, sondern auch Ricky eine große Freude gemacht. Auch wenn er dann mit Marisa spielen gegangen ist.«
»Das nehme ich ihm gar nicht übel«, versicherte Denise. »Er hat sich benommen, wie man es von einem Kind erwartet, und das ist viel wert.« Sie reichte Richards Mutter noch einmal die Hand, bevor sie sich ans Steuer setzte.
Frau Herzog kehrte ins Haus zurück. Denise von Schoenecker fuhr die Jahnstraße entlang. Sie hatte gerade die Buchhandlung Weber passiert und wollte in die Schafgasse einbiegen, als eine junge Frau blindlings über die Straße lief, so daß sie scharf bremsen mußte. Quietschend kam ihr Wagen zum Stehen.
Die junge Frau starrte entsetzt auf den bereits stehenden Wagen, dann griff sie sich an die Brust und brach lautlos zusammen. Der kleine Koffer, den sie mit der linken Hand getragen hatte, schlug hart auf der Straße auf.
Innerhalb weniger Sekunden hatte Denise den Motor ihres Wagens ausgeschaltet und war ausgestiegen. Sie beugte sich über die Bewußtlose.
»Was ist denn passiert?« fragte ein Junge.
Bevor Denise ihm noch antworten konnte, kamen Passanten von allen Seiten herbei. Einige vermuteten, daß die junge Frau angefahren worden wäre, wurden aber gleich eines Besseren belehrt, als die junge Frau die Augen aufschlug. Verwirrt schaute sie sich um, dann sah sie Denise an, die ihr auf die Beine geholfen hatte. »Mir ist plötzlich schwarz vor Augen geworden«, sagte sie. »Tut mir leid, daß ich Ihnen so viel Umstände mache.«
»Aber das sind doch keine Umstände«, erwiderte Denise freundlich. »Kann ich Sie vielleicht irgendwo hinbringen?«
»Nein, nein, das kommt gar nicht in Frage«, protestierte die Fremde.
»Bitte, steigen Sie ein!« Denise öffnete den Wagenschlag. »Es macht mir keine Mühe.« Daß sie pünktlich zu Hause sein wollte, daran dachte sie in diesem Moment nicht.
Die junge Frau zögerte, doch dann fühlte sie, wie ihr erneut schwindlig wurde. Haltsuchend streckte sie die Hand zum Kotflügel aus. Sie wehrte sich nicht, als Denise ihr half, auf dem Beifahrersitz Platz zu nehmen. »Ich wollte ins Waiblinger Kreiskrankenhaus«, sagte sie mühsam und schloß die Augen.
»Ich bringe Sie hin!« Denise stellte den Koffer auf den Rücksitz, ging um den Wagen herum und ließ sich in den Fahrersitz fallen.
Die Leute machten die Straße frei. Als Denise von Schoenecker in die Schafgasse einbog, sah sie Ricky und ein dunkelhaariges Mädchen aus dem Buchladen kommen. Er winkte ihr zu. Flüchtig erwiderte sie seinen Gruß.
»Ich habe mich noch nicht einmal vorgestellt«, meinte die junge Frau verlegen, als sie Endersbach hinter sich gelassen hatten. Das Schwindelgefühl hatte etwas nachgelassen.
»Ich mich auch nicht«, erwiderte Denise und nannte ihren Namen. »Ich komme aus Wildmoos, das ist ein kleiner Ort bei Maibach.«
»Haben Sie etwa mit Sophienlust etwas zu tun?« fragte die junge Frau. »Der kleine Richard Herzog hat mir von Sophienlust erzählt und von seiner Tante Isi.« Sie sah Denise an. »Natürlich, das müssen Sie sein!«
»Ich gestehe.« Denise lachte. »Ich wußte gar nicht, daß Ricky soviel Reklame für uns macht.«
»Wenn man ihm Glauben schenkt, und warum sollte man nicht, muß Sophienlust der zweitschönste Ort der Welt sein. Der schönste ist für ihn Endersbach. Er liebt seine Adoptiveltern über alles. Er...« Die junge Frau schlug sich an den Kopf. »Ich habe mich ja noch immer nicht vorgestellt. Ich bin Bettina Clasen. Ich wohne in der Nähe der Herzogs.« Sie lehnte sich zurück und schloß die Augen.
»Geht es Ihnen wieder schlechter?« fragte Denise besorgt.
Bettina Clasen nickte. »Dieses Schwindelgefühl und diese Übelkeit kommen und gehen. Deswegen muß ich ins Krankenhaus. Man wird mich dort gründlich untersuchen. Ich war auf dem Weg zum Taxistand. Es wäre besser gewesen, ich hätte das Taxi zu mir kommen lassen.«
»Sind Sie schon lange in Behandlung?«
»Seit einigen Wochen, mein Arzt weiß nicht mehr weiter.« Bettina zuckte die Schultern. »Unkraut vergeht nicht, es wird schon nicht so schlimm werden.« Sie preßte die Lippen zusammen, weil sie plötzlich von heftigen Kopfschmerzen überwältigt wurde.
*
»Tobias, nicht so weit!« Ingrid Neumann, eine bildhübsche Frau von fünfundzwanzig, sprang auf und rannte zum Wasser, um ihren unternehmungslustigen Sohn zurückzuholen.
Tobias drehte sich um. Er lachte schelmisch, als er sah, daß seine Mutter ihm nachjagte. »Du kriegst mich doch nicht, Mama!« schrie er und bemühte sich, so schnell wie möglich weiter ins Wasser hineinzurennen. Da der Boden sehr steinig war, und er wieder einmal vergessen hatte, Sandalen anzuziehen, war das ziemlich schwierig.
»Hiergeblieben, junger Mann!« Nikolaos Andreios, ein junger, sehr gut aussehender Grieche, packte den
Fünfjährigen sanft an der Schulter und hielt ihn fest.
»Loslassen!« Tobias kämpfte gegen Nikolaos an. »Ich will weg!« Sein schmales Gesichtchen drückte deutlich Empörung aus.
»Ich denke nicht daran!« Lachend blickte der junge Mann Ingrid Neumann entgegen, die nur noch zwei Meter von ihnen entfernt war. »Ich habe den kleinen Ausreißer sichergestellt«, sagte er zu ihr, als sie ihn und Tobias erreicht hatte.
»Danke!« Ingrid erwiderte sein Lachen. »Tobias hat wieder einmal nicht hören können!« Sie nahm ihren kleinen Sohn auf den Arm. Sofort schmiegte er sich an sie und legte die Arme um ihren Hals.
»Dein Papa wird sicher schimpfen, wenn du deiner Mama nicht gehorchen kannst«, meinte Nikolaos. Er strich mit einer gekonnten Geste seine pechschwarzen Haare zurück.
»Ich habe keinen Papa«, sagte Tobias. Leise fügte er hinzu: »Mein Papa ist tot.«
»Oh, das tut mir leid.« Nikolaos Andreios wandte seine Augen wieder Ingrids Gesicht zu. »Es ist hart, einen Menschen zu verlieren, den man liebt. Meine Frau...« Er sprach nicht weiter. »Sagen Sie, was würden Sie davon halten, wenn ich Sie beide zu einer Portion Eiscreme einlade? Mein Vetter Philos hat hier in der Nähe eine Eisdiele.«
Ingrid wollte zuerst ablehnen, schließlich kannte sie den jungen Mann doch gar nicht – aber er gefiel ihr. Er sah nicht nur blendend aus, sondern besaß auch einen Charme, dem sie sich nur schwer entziehen konnte. Sie war schon bereit, die Einladung anzunehmen, als Tobias sie anstieß.
»Sag ja, Mama!« forderte er.
»Dann muß ich wohl der Stimme meines Herrn und Meisters gehorchen«, meinte die junge Frau, froh, daß Tobias die Initiative ergriffen hatte.
»Das freut mich!« Nikolaos’ dunkle Augen blitzten. »Dann werde ich mich erst einmal vorstellen: Nikolaos Andreios!«
»Ingrid Neumann«, sagte die junge Frau. »Woher kommt es, daß Sie so gut deutsch sprechen?« fragte sie, während sie zum Strand zurückgingen.
»Ich habe in Deutschland studiert, in München«, erwiderte Nikolaos. »Mein Vater wollte unbedingt, daß ich Arzt werde, aber ich war für ihn eine schreckliche Enttäuschung.« Er zuckte mit den Schultern. »Wer weiß, zu was es gut war, daß