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Trotz allem lieb ich dich
Trotz allem lieb ich dich
Trotz allem lieb ich dich
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Trotz allem lieb ich dich

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About this ebook

Alles könnte so schön sein. Käthe Wolter und Heinz Carsten sind ein glückliches Paar und wollen bald den Bund fürs Leben schließen. Doch die Liebe der beiden ist Käthes Mutter ein Dorn im Auge, denn sie möchte Käthe mit dem reichen Geheimrat Hornau verheiraten. Um ihr Vorhaben in die Tat umzusetzen, schreckt sie auch nicht vor einer gemeinen Hinterlist zurück. Wird sie das junge Glück damit zerstören?-
LanguageDeutsch
PublisherSAGA Egmont
Release dateSep 16, 2022
ISBN9788726950557
Trotz allem lieb ich dich

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    Trotz allem lieb ich dich - Hedwig Courths-Mahler

    Hedwig Courths-Mahler

    Trotz allem lieb ich dich

    Saga

    Trotz allem lieb ich dich

    Coverimage/Illustration: Shutterstock

    Copyright © 1929, 2022 SAGA Egmont

    Alle Rechte vorbehalten

    ISBN: 9788726950557

    1. E-Book-Ausgabe

    Format: EPUB 3.0

    Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für gewerbliche und öffentliche Zwecke ist nur mit der Zustimmung vom Verlag gestattet.

    Dieses Werk ist als historisches Dokument neu veröffentlicht worden. Die Sprache des Werkes entspricht der Zeit seiner Entstehung.

    www.sagaegmont.com

    Saga ist Teil der Egmont-Gruppe. Egmont ist Dänemarks größter Medienkonzern und gehört der Egmont-Stiftung, die jährlich Kinder aus schwierigen Verhältnissen mit fast 13,4 Millionen Euro unterstützt.

    1

    Stumm schritten die beiden jungen Menschen aus dem Schatten des Parkes, der heute von einer festlichen Menge belebt wurde. Sie passierten das Parktor, das offenstand, und gingen weiter bergaufwärts, zu der Ruine, die oben auf dem Berg lag und die Gegend beherrschte.

    Das blonde, schlanke Mädchen mit den feinen, lieblichen Zügen hielt die Augen gesenkt. Ihre Hand ruhte leicht auf dem Arm ihres Begleiters, der oft unverwandt seine Augen auf ihrem reizenden Profil ruhen ließ. Diese grauen Männeraugen waren durchleuchtet von einem starken, heißen Gefühl, von einer Zärtlichkeit, die seinem Gesicht, dessen Züge sich im Lebenskampf gehärtet hatten, etwas Weiches und Gütiges gaben.

    Langsam, noch immer stumm, schritten sie im Waldesschatten den Berg hinan, bis sie vor der Ruine standen, deren verfallene Mauern ein dichtes Netz von Efeu und anderen Schlingpflanzen malerisch umgab.

    Sie traten durch das verfallene Burgtor in den großen Vorhof der Ruine, in dessen Mitte ein noch leidlich gut erhaltener Brunnen stand. Mit großen Augen blickte das junge Mädchen um sich und sah hinüber zu dem Eckturm, in dessen Schatten eine breite Steinbank zur Rast einlud.

    Ihr Begleiter führte sie, ohne zu fragen, hinüber nach dieser Steinbank. Vor derselben blieb er stehen. Sie sah mit einem scheuen Blick zu ihm auf. Dunkle Glut wallte in ihr Gesicht, als sie seinen Augen begegnete, die ihr so viel verrieten von dem, was bisher unausgesprochen zwischen ihnen lag. Sie wollte erschrocken den Blick wieder senken, aber seine Augen hielten sie fest mit leidenschaftlich zärtlicher Bitte.

    Ganz still und einsam war es um sie her. Nur zuweilen klang ein verlorener Laut zu ihnen herauf, wo fröhliche Menschen beisammen waren. Und nun hingen die beiden Augenpaare weltvergessen ineinander. Scharf hob sich die weiße Lichtgestalt des Mädchens mit dem goldflimmernden Haar von den grünumsponnenen Ruinenmauern ab. Wie ein Glorienschein umgab das blonde Haar ihr reizendes Gesicht. Das Gefühl ging dem sonst so energischen und besonnenen jungen Mann durch, er faßte die Hände des Mädchens, vor sie hintretend.

    »Käthe!«

    Es war das erste Mal, daß er sie bei diesem Namen rief. Sie erzitterte leise, und wieder lief eine dunkle Glut über ihr Gesicht, ohne daß sich ein Wort über ihre Lippen wagte.

    »Käthe!«

    Wieder rief er diesen Namen, mit einem so bebenden, sehnsüchtigen Klang, daß er in ihrem Herzen tausend Seligkeiten weckte. Sie sank wie kraftlos unter den auf sie einstürmenden Gefühlen auf die Steinbank und sah zu ihm auf, mit einem Blick, der ihm ihr ganzes Empfinden verriet. Stumm ließ er sich neben ihr nieder und nahm sie in seine Arme, ganz fest und innig. Er fühlte, daß sie erzitterte, und preßte stumm seine Lippen auf die ihren. Mit einem leisen, erlösten Seufzer ließ sie es geschehen, hielt ganz still in seinen Armen und trank seine Küsse wie den Quell des Lebens in sich ein. Wieder und wieder fanden sich die Lippen, die stumm waren in übergroßer Seligkeit. Nur die Augen sprachen zueinander von ihrer tiefen, starken Liebe, von ihrer Glückseligkeit. So saßen sie lange Zeit, alles um sich her vergessend.

    Aber plötzlich erklang unten im Park Musik, die Ouvertüre von den Meistersingern scholl herauf, wo der Gastgeber seinen Gästen Erfrischungen reichen ließ.

    Die beiden in ihr stummes, heißes Glück versunkenen Menschen schraken aus ihrer Umarmung auf und sahen einander in die erregten Gesichter.

    »Käthe, meine süße Käthe, nun bin ich doch schwach geworden, habe dich in meine Arme gerissen. Daß ich dich liebte, wußtest du schon längst, wie ich auch wußte, daß dein Herz mir gehörte. Aber – ich hätte mich nicht überwältigen lassen dürfen von meinem Gefühl, hätte dich nicht mit mir hineinreißen dürfen in dieses heiße, drängende Sehnen«, sagte Heinz Karsten.

    Sie lächelte verträumt zu ihm auf.

    »Es war eine Erlösung für mich, Heinz – lieber Heinz! So sehr habe ich gelitten unter deiner Zurückhaltung. Zuweilen zweifelte ich an deiner Liebe. Nun quälen mich diese Zweifel nicht mehr, nun weiß ich es gewiß, daß du mich liebst.«

    Ein weiches, gerührtes Lächeln huschte um seinen sonst so herb geschlossenen Mund.

    »Nun weißt du es, mein Liebes? Ach, Käthe, hast du wirklich zweifeln können? Ich habe nicht gezweifelt, daß du mich liebst, deine lieben Augen waren mir holde Verräter, wenn du auch noch so formell warst. Wie schwer ist es mir geworden zu schweigen, immer nur zu schweigen von dem, was ich für dich empfand.«

    »Und warum schwiegst du so lange?« fragte sie mit einem Lächeln, das er schnell von ihren Lippen trinken mußte, weil es so hold und lieb war.

    »Weil ich wußte, Käthe, daß ich dir kein gesichertes Los an meiner Seite bieten kann. Ich bin ja so arm, Käthe. Du weißt, daß ich mich durchgehungert habe, seit dem Tode meines Vaters, der mir das Studium nur mit schweren Sorgen ermöglichen konnte. Als er starb, blieb selbst dieser bescheidene Zuschuß aus, und ich konnte nur mit Aufbietung aller Kräfte mein erstes Ziel erreichen. Dann fand ich gottlob gleich eine Anstellung bei den Union-Werken, weil meine Professoren mich Geheimrat Hornau sehr empfohlen haben. Aber du weißt, wie gering das Gehalt eines jungen Ingenieurs ist. Davon kann man sich kaum selbst ernähren. Und auch du bist arm, meine Käthe; ich weiß, daß auch dein Vater alles, was er sich in seiner langjährigen Tätigkeit ersparte, infolge der Inflation verloren hat. Auch er ist nur auf sein Gehalt angewiesen und kann uns kein noch so bescheidenes Nest bauen. Käthe, meine Käthe – ich habe dich so lieb, verzeihe, daß ich dich in meine Sorgen mit hineinriß.«

    Sie faßte seine Hand und sah mit leuchtendem Blick zu ihm auf.

    »Was tut es, Heinz – wenn wir uns nur lieben.«

    Wieder küßte er sie heiß und innig. Dann sagte er, ihr Haar aus der Stirn streichend:

    »Du leichtsinnige kleine Käthe! Es macht leider sehr viel aus, daß wir arm sind.«

    Unverzagt sah sie ihn an.

    »Wir sind ja noch jung und können warten.«

    »Warten! Mein süßes Herz, das ist ein grausames Wort für Liebende. Aber sei gesegnet, daß du warten willst. Wie soll ich dir danken?«

    »Mit nichts als mit deiner Liebe.«

    »Aber mach dir klar, daß es ein schmerzvolles, langes Warten sein wird, um so schmerzvoller, je mehr wir uns lieben. Ein Jahr ist schon eine qualvolle Ewigkeit, und wir werden drei oder vier Jahre warten müssen, bis ich in eine Gehaltsklasse aufrücken werde, die mir ermöglichen wird, dir ein sehr bescheidenes Los zu bieten, wenn nicht ein ganz besonderer Glücksfall eintrifft.«

    »So wollen wir auf diesen Glücksfall hoffen, Heinz«, sagte sie tapfer und unverzagt.

    Er zog sie wieder voll Entzücken an sich.

    »Mein tapferes Lieb! Aber wenn dieser Glücksfall ausbleibt?«

    »Was tut es, Heinz! Wir warten, und das Warten wird nicht schwer und quälend sein, da unsere Liebe uns über alles Schwere hinweghelfen wird. Wir sind ja noch so jung, und die Gewißheit unserer Liebe und die Hoffnung auf eine Vereinigung wird uns trösten. Sieh doch nicht so sorgenvoll aus, mein Herz – das Leben ist doch so wunderschön.«

    Gerührt sah er in ihre braunen Augen hinein, in denen das Glück wie goldene Funken sprühte.

    »So zürnst du mir nicht, daß ich dich an mich fesselte?«

    Sie schmiegte sich in seine Arme.

    »Halt mich nur recht fest – binde mich für alle Zeit an dich. Wie soll ich dir zürnen, da du mich so glücklich machst.«

    Und sie reichte ihm in reizender Verschämtheit ihre Lippen zum Kuß.

    Er sah das Lächeln, das ihn zuerst so an Käthe entzückt hatte, sah tief in ihre Augen hinein, in diese schönen, samtbraunen Sterne, und preßte seine Lippen auf die ihren.

    »Wenn du nur warten willst, Käthe! All meine Kräfte will ich anspannen, um dir so bald als möglich ein bescheidenes Heim schaffen zu können – aber – bescheiden, sehr bescheiden wird es sein«, sagte er aufatmend.

    Sie lehnte ihre Wange an seine Hand.

    »Mag es noch so bescheiden werden, Heinz. Ich werde unsagbar glücklich sein an deiner Seite und alle Sorgen freudig mit dir teilen. Aber – nun müssen wir zu den anderen zurück, es darf nicht auffallen, daß wir uns zurückgezogen haben.«

    Er erhob sich schnell und zog sie mit sich empor.

    »Du hast recht, Käthe, verzeih mir, daß ich nicht selbst daran dachte. Noch kann ich mich ja nicht offen zu dir bekennen. Vor deinen Vater kann ich nicht hintreten mit der Bitte, dein Schicksal in meine Hände zu legen – ich habe ja nichts zu bieten als meine große Liebe und den ehrlichen Willen, für dich zu arbeiten. Er ist berechtigt, andere Garantien für das Glück seiner Tochter zu fordern.«

    Ein leiser Schatten flog über Käthes Gesicht. Sie wußte, der Vater und ihre Stiefmutter erwarteten von ihr, daß sie eine sogenannte gute Partie machen solle. Wie oft hatte die Stiefmutter ihr in Gegenwart des Vaters gesagt: »Ein so schönes Mädchen wie du, Käthe, muß einen großen Treffer in der Ehelotterie machen, du mußt klug sein.«

    Und der Vater pflegte dann zu antworten: »Ja, Käthe, einen armen Schlucker darfst du mir um keinen Preis zum Schwiegersohn bringen, denn ich bin leider nicht mehr in der Lage, dir eine Ausstattung zu schaffen.«

    Wie Käthe solche Worte gequält hatten. Wußte sie doch, daß der Mann, den sie liebte, ein armer Schlucker war. Die Eltern durften um keinen Preis jetzt erfahren, daß sie darauf warten wollte, bis sie Heinz Karsten heiraten konnte.

    Aber der Schatten verflog schnell. Sie war viel zu glücklich, daß sie Heinz liebte, und wie alle Liebenden in so jungen Jahren, fest davon überzeugt, daß die Zukunft eine glückliche Vereinigung bringen mußte. Sie brauchte nicht Glanz und Reichtum, um glücklich zu sein. Zärtlich strich sie über seine Hand.

    »Ich aber brauche keine andere Garantie für mein Glück, Heinz, als deine Liebe«, sagte sie innig mit verhaltener Glückseligkeit.

    Er preßte sie noch einmal an sich.

    »Käthe – meine Käthe!«

    Sie standen am Burgtor und sahen zurück nach der Steinbank, auf der sie ihren ersten Kuß getauscht hatten. Es war, als könnten sie sich nur schwer trennen von diesem Ort, wo sich ihre Herzen gefunden hatten. Still und malerisch lag die Ruine vor ihnen. Neben dem großen, guterhaltenen Eckturm waren Mauerreste anscheinend frisch aufgebaut, und oben auf diesem Bau, der eine gleichmäßige Fläche bildete, wucherten Blumen. Auch das Dach eines kleinen Pavillons war sichtbar, der da oben in neuzeitlicher Eleganz stand. Es war ein friedliches, idyllisches Bild, und es prägte sich den beiden Liebenden ein für immer. Sie wußten, ihre Sehnsucht würde immer wieder hier herauffliegen.

    Die Ruine gehörte Geheimrat Hornau, dem reichen Besitzer der Union-Werke, in dessen Park ein großes Fest stattfand. Er hatte diese Ruine gekauft, um einen malerischen Hintergrund für seine Besitzung zu erhalten.

    »Unter Ruinen fanden wir unser Glück, Käthe, möge es kein böses Vorzeichen sein«, sagte Heinz leise.

    Zuversichtlich sah sie zu ihm auf.

    »Diese Ruinen haben Jahrhunderte überdauert, Heinz, und werden noch weitere Jahrhunderte stehen. Das soll als Symbol für unser Glück und unsere Liebe gelten.«

    Mit tiefer Rührung sah er in ihre schönen Augen.

    »Möge das eine Prophezeiung sein, Käthe.«

    Seite an Seite schritten sie nun wieder den Berg hinab, immer durch dichte Bäume vor neugierigen Augen geschützt. Noch einmal fanden sich ihre Lippen, als sie den Park wieder betreten hatten. Aber dann sahen sie die weiß- und rotgestreiften Zelte auftauchen – da nahmen sie eine formelle Haltung an und mischten sich unauffällig unter die Gesellschaft.

    Vor der Villa des Geheimrates Hornau, eines vornehmen, sehr geräumigen Gebäudes mit prachtvoller Sandsteinfassade, Säulengängen und breiten Terrassen, die mit Blumen geschmückt waren, hatte der Besitzer eine Anzahl bunter Zelte aufstellen lassen, in denen Tische und Stühle gruppiert waren, um für mehrere hundert Gäste Ruheplätze zu schaffen. Am Fuß der Terrasse, vor einem Zelt, stand Geheimrat Hornau im Gespräch mit der noch sehr jugendlichen und hübschen Stiefmutter Käthe Wolters. Er ließ dabei seine Augen suchend umherschweifen, sprach jedoch erst von allerlei gleichgültigen Dingen, ehe er auf das kam, was ihm am meisten am Herzen lag.

    »Ich sehe Ihr Fräulein Tochter gar nicht mehr, gnädige Frau«, sagte er endlich mit einem unruhigen Forschen.

    Frau Melanie Wolter hatte auch schon bemerkt, daß ihre Stieftochter seit geraumer Zeit nicht mehr zu sehen gewesen war. Sie war eine sehr kluge Frau und hatte mit ihren scharfen Augen längst bemerkt, daß der sonst so unnahbare stolze Chef der Union-Werke sich einige Male sehr interessiert in die Betrachtung Käthes vertieft hatte. Walter Hornau war Junggeselle, er stand in den sogenannten besten Jahren und – war enorm reich. Das wäre so ein Schwiegersohn nach ihrem Herzen gewesen; und sie war ärgerlich auf Käthe, daß sie eine solche Aussicht nicht klüger zu nutzen verstand. Wo mochte sie nur sein? Hoffentlich befand sie sich nicht in Gesellschaft dieses unbedeutenden armen Ingenieurs Karsten, der Käthe mit seinen Augen schon immer verfolgt hatte.

    Frau Melanie baute schon hurtig an Luftschlössern. Sie hatte Hornau sehr interessiert und aufmerksam beobachtet, seit sie einen Blick voll brennender Glut aufgefangen hatte, den er hinter Käthe hersandte.

    Daß er ihre Stieftochter vermißte, erfüllte sie mit großer Freude. Immer war sie schon auf der Suche gewesen nach einem echten Freier für ihre schöne Stieftochter –, aber so hoch hatten sich ihre Wünsche noch nie verstiegen wie heute. Jetzt aber, da sie sein schlecht verhehltes Interesse bemerkte, fragte sie sich kühn: Warum nicht er? Käthe war schön und bezaubernd genug, um auch einen von Frauengunst sehr verwöhnten Mann, wie Hornau, zu fesseln – wenn sie nur wollte.

    »Vor wenigen Minuten sah ich meine Tochter mit einigen andern jungen Damen in den Park hineingehen, Herr Geheimrat«, sagte sie scheinbar gelassen, obschon sie danach fieberte, daß Käthe in ihrer und des Geheimrats Nähe wiedererscheinen möge.

    Dieser sah die hübsche, mollige Frau forschend an, als wollte er prüfen, wie weit er sie seinen Plänen dienstbar machen konnte. Er hatte Käthe Wolter erst vor kurzer Zeit genauer kennengelernt. Zwar hatte er sie schon seit Jahren zuweilen flüchtig von weitem gesehen, wenn er am Hause ihres Vaters, des Oberingenieurs Wolter, vorüberkam. Aber er hatte sie nie genauer betrachtet. Das war erst vor einigen Wochen geschehen, als er zufällig vorüberkam, wie Käthe ihrem Vater entgegenlief und ihn lächelnd umarmte. Dabei hatte sie dann auch mit demselben Lächeln zu dem Geheimrat herübergeblickt – und dieses Lächeln hatte den verwöhnten Mann seltsam gefesselt. Öfter als zuvor kam er an dem kleinen Wolterschen Hause vorbei und blickte gespannt nach den Fenstern. Das hatte Frau Melanie sehr bald bemerkt, und ahnungsvoll hatte sie dann dafür gesorgt, daß er irgendwie Käthe zu Gesicht bekam. Und Geheimrat Hornau hatte sich mehr und mehr von der ganz ahnungslosen Käthe bezaubern lassen und darüber nachgegrübelt, wie er näher mit ihr bekannt werden konnte.

    Sehr ehrenwert waren seine Absichten dabei durchaus nicht.

    Nun hatte schließlich das Parkfest, das er einigen Geschäftsfreunden und seinen Beamten mit ihren Familien gab, diese Gelegenheit herbeigeführt, aber natürlich konnte er Käthe nicht durch seine ungeteilte Aufmerksamkeit auszeichnen, das wäre aufgefallen. Und auffallen wollte er bestimmt nicht.

    Das heutige Fest hatte er gegeben, weil die Union-Werke sich mit den amerikanischen Atlantik-Werken vereinigt hatten. Die amerikanischen Vertreter, mit denen Geheimrat Hornau die letzten Formalitäten erfüllt hatten, waren anwesend. Diese Vereinigung war ein großer Vorteil für die Union-sowohl als auch für die Atlantik-Werke, und es war eine Sache von weittragender Bedeutung.

    Am Tage vorher hatte schon eine intimere Feier stattgefunden, an der nur die amerikanischen Vertreter und die obersten Leiter der Union-Werke teilgenommen hatten. Ein ganz auserlesenes Festmahl hatte die Herren vereinigt. Heute sollten nun alle kaufmännischen und technischen Beamten der Union-Werke mit ihren Damen dieses Ereignis mitfeiern – und dabei hatte Hornau stark darauf gerechnet, Käthe Wolter etwas näherzukommen. Bis jetzt war sie ihm aber immer wieder schnell entwischt; nicht weil sie eine Ahnung von seinen Wünschen gehabt hätte, sondern einfach, weil sie eine heilige Scheu und einen großen, mit Furcht gemischten Respekt vor diesem allgemein als hochmütig geltenden Mann hegte. Sie war immer wieder froh, wenn sie aus seiner Nähe kommen konnte.

    Je mehr sie ihm aber auswich, desto heißer brannte die Glut in Geheimrat Hornaus Herzen. Käthes frühlingsfrischer Zauber, ihre blonde, liebliche Schönheit und vor allem ihr bezauberndes Lächeln machten einen immer tieferen Eindruck auf ihn. Wäre sie ihm entgegengekommen, wie er es bisher von anderen Frauen gewöhnt gewesen war, so hätte sich die Glut in seinem sehr leidenschaftlichen Herzen wahrscheinlich schnell wieder abgekühlt, aber da sie sich von ihm fernhielt, ihm immer wieder auswich, brannte das Verlangen nach ihr immer heißer in ihm. Ein begehrliches Funkeln flammte in seinen harten Augen auf, wenn er sie ansah. Und Frau Melanie Wolter sah dieses Funkeln – und rechnete damit. Käthe aber hatte gar kein Interesse für diese mächtige Persönlichkeit; ihr war der arme, junge Ingenieur Heinz Karsten bedeutend wichtiger und wertvoller. Sie hatte wohl einige Male ein paar Worte mit Hornau gewechselt, wenn er sie ansprach, hatte artig vor im geknickst und auch ihm ihr liebes Lächeln geschenkt, dessen Zauber ihr ganz unbekannt war, war aber immer schnell wieder aus seiner etwas beklemmenden Nähe gewichen. Dabei hatte sie gedacht: Sehr glücklich scheint dieser mächtige, reiche Mann nicht zu sein, und es ist kein Wunder, wenn sich seine Leute vor seinem strengen, harten Gesicht so sehr fürchten. Aber hochmütig kann ich ihn nicht finden, wie man ihn überall schilt. Vielleicht ist er aber auch heute anläßlich des Festes besonders leutselig gestimmt.

    Und als sie dann neben Heinz Karsten in den Park hineingegangen war, hatte sie zu diesem gesagt:

    »Das ist ein wundervoller Besitz, aber Herr Geheimrat Hornau sieht meist so aus, daß man glauben muß, er könne sich nicht darüber freuen.«

    Und Heinz Karsten hatte geantwortet:

    »Unser Chef ist einer von den Menschen, die sich so viel Freuden schaffen können, daß sie an nichts mehr Freude haben.«

    »Dann ist er aber doch mehr zu bedauern, als zu beneiden.«

    »Ganz recht, das ist auch meine Ansicht.«

    Aber dann hatten sie von etwas anderem gesprochen – bis sie verstummt waren vor der Allgewalt ihrer Empfindungen.

    Niemand in der Gesellschaft, außer Frau Melanie Wolter, ahnte, daß Geheimrat Hornau mit nervöser Unruhe nach Käthe Wolter Ausschau hielt, als diese für eine Weile verschwunden war. Da er sie ganz aus den Augen verloren hatte, war er zu ihrer Stiefmutter getreten und zeichnete diese nun durch eine längere Unterhaltung aus, weil er meinte, Käthe werde am ehesten hierher zurückkehren. Aber es dauerte sehr lange, und Frau Melanie war sehr stolz über diese Auszeichnung und wurde neidvoll von den anderen Damen beobachtet.

    Aber endlich trat Käthe neben Heinz Karsten zwischen den Bäumen hervor, allerdings in Begleitung einiger anderer junger Leute. Aber in Walter Hornaus Blicken sprühte es doch sogleich eifersüchtig auf:

    »Ah, da sehe ich Ihr Fräulein Tochter an der Seite Doktor Karstens. Dieser ist wohl ein Bewerber um die Hand Ihrer Tochter?« fragte er mit seltsam rauher Stimme.

    Frau Melanie hätte Karsten von Käthes Seite verscheuchen mögen. Sie merkte sehr wohl die Spannung in Hornaus Zügen, sagte aber scheinbar gleichgültig:

    »Aber ganz ausgeschlossen, Herr Geheimrat. Doktor Karsten kommt nur zuweilen in unser Haus, wenn er mit meinem Mann, der ja sein direkter Vorgesetzter ist, etwas zu besprechen hat. Und er glaubt, meiner Tochter gegenüber besonders artig sein zu müssen.«

    »So, so? Und – Ihr Fräulein Tochter?«

    »Steht ihm gottlob sehr gleichgültig gegenüber.«

    »Warum gottlob?« fragte er, sie scharf beobachtend.

    »Weil doch gar keine Rede davon sein kann, daß meine Tochter einen armen Mann heiraten kann. Ihr Vater hat ja leider alles verloren und kann ihr in Jahren noch keine Aussteuer geben. Sie denkt auch, wie gesagt, gottlob nicht daran.«

    Walter Hornau sah nun wieder mit seinem seltsam glimmenden, forschenden Blick zu Käthe hinüber, die jetzt allerdings scheinbar gleichgültig neben Heinz Karsten herging und sich mit einer jungen Dame angeregt unterhielt.

    Die jungen Leute gingen jetzt alle hinüber zu dem großen Tanzpodium, das Hornau hatte aufstellen lassen. Hier wurde nun zum Tanz aufgespielt, nachdem einige Konzertstücke zum Vergnügen der älteren Herrschaften gespielt worden waren. Die Jugend sollte nun zu ihrem Rechte kommen.

    Heinz Karsten war froh, daß er Käthe jetzt wenigstens wieder für die Dauer eines Tanzes in seinen Armen halten und ihr leise innige Liebesworte zuflüstern konnte. Zwischen all den jungen Leuten und auch älteren Paaren, die sich im Tanze wiegten, waren sie wie allein. Walter Hornaus Blick verfinsterte sich, als er Käthe in Karstens Armen sah. Er verabschiedete sich jetzt hastig von Frau Melanie und ging schnell zu dem Podium hinüber. Die erste beste der jungen Damen, die dem Tanze zusahen, ohne einen Tänzer zu haben, forderte er auf, mit ihm zu tanzen. Das geschah nur, um es unauffällig zu machen, daß er dann auch Käthe um einen Tanz bat. Selbst Heinz Karsten fand nichts dabei. Und Käthe blieb ganz harmlos. Sie tanzte mit dem Chef der Union-Werke, wie sie mit jedem andern Mann getanzt haben würde, der sie aufgefordert hätte. Er plauderte mit ihr. In seiner harten, spröden Stimme war dabei ein Unterston, der ihr nur nicht auffiel, weil sie nicht wußte, daß er sonst fehlte. Ruhig und artig, ein wenig respektvoll, gab sie ihm Antwort, und als er dann den Arm etwas fester um sie legte, meinte sie ganz unbefangen, das geschehe nur, damit er sie beim Tanzen besser führen könne.

    Als der Tanz zu Ende war, gab er ihren Arm nicht frei. Er führte sie zu einem der Zelte hinüber.

    »Sie müssen jetzt erst eine Erfrischung nehmen, ehe Sie weitertanzen, Fräulein Wolter«, sagte er scheinbar ruhig.

    Käthe warf einen schnellen Blick nach der Stelle, wo sie Heinz wußte, ihre Augen trafen strahlend mit den seinen zusammen. Heinz wußte, daß er sich jetzt Käthe nicht schon wieder nähern durfte, sondern sich nun auch den anderen jungen Damen zu widmen hatte. Keine Ahnung kam ihm, daß der Chef an demselben süßen Lächeln Feuer gefangen hatte, das ihm selbst das Herz betörte. Artig erledigte er einen Pflichttanz nach dem andern und plauderte so angeregt, als es ihm möglich war. Ein sogenannter Kurmacher war er nie gewesen. Seine harte, entbehrungsreiche Jugend, sein angespanntes Studium und später sein Amt bei den Union-Werken hatten ihm wenig Zeit gelassen, sich mit jungen Damen zu befassen. Erst als er Käthe Wolter kennengelernt, hatte er sich Zeit genommen, sich für eine, für diese eine Frau zu interessieren. Sie nahm aber dann auch gleich sein ganzes Denken und Empfinden in Anspruch. Neben Käthe Wolter konnte kein anderes weibliches Wesen mehr in seinem Leben Raum gewinnen, das wußte er. Sosehr er bisher in harter Jugend gelernt hatte, seine Gefühle zu meistern, so stark und tief war nun das geworden, was er für Käthe fühlte. Er hatte selbst nicht geahnt, daß er für eine Frau so tief würde empfinden können, daß ihn eine so große Weichheit und Zärtlichkeit erfüllen konnte. Nie hatte er seine Gefühle in kleiner Münze verschwendet. Um so größer war nun der Schatz der Empfindungen, den er in sich aufgespeichert hatte. Und dieser Schatz gehörte Käthe Wolter.

    Er schwankte, nachdem sie an Hornaus Arm in einem der Zelte verschwunden war, zwischen einer heißen, starken Glückseligkeit und einem leisen, heimlichen Schuldbewußtsein, daß er sich hatte hinreißen lassen, ihr junges Leben an das seine zu binden. Stets war er sehr gewissenhaft gewesen, hatte sich nie einer Verantwortung entzogen, die er auf sich genommen hatte. Und nun war er sich bewußt, daß er Käthe in ein Leben voll Sorgen und Kämpfe hineingerissen hatte. Er kannte das Leben, das harte, fordernde Leben, viel besser als sie, wußte, was es hieß, arm zu sein, wußte auch, daß es heute, nach Deutschlands Verarmung, viel schwerer war als je, sich eine gesicherte Existenz zu gründen. Es war nicht viel Hoffnung für ihn, sich bald emporarbeiten zu können, auch dann nicht, wenn er alle Kräfte anspannte, höchstens vielleicht dann, wenn ihm eine Erfindung glückte, an der er heimlich arbeitete. Aber das war soviel, wie das Hoffen auf das große Los. Ehe er Käthe kennengelernt hatte, war der Plan in ihm aufgetaucht, wie so viele junge, tatkräftige Ingenieure in dieser Zeit, ins Ausland zu gehen und da sein Heil zu versuchen. Aber jetzt, nachdem er Käthe kennengelernt, ihr seine Liebe gestanden hatte – jetzt durfte er doch nicht mehr daran denken. Oder – war es nicht gerade jetzt seine Pflicht, alles daranzusetzen, vorwärtszukommen, damit er dem geliebten Mädchen eher ein sorgenloses, wenn auch bescheidenes Leben an seiner Seite bieten konnte? Freilich gab es dann ein schmerzhaftes Scheiden vorher – aber – mußte er es nicht wagen? Durfte er Käthe eine lange ermüdende Wartezeit aufnötigen, wenn er es irgendwie ändern konnte?

    Alle diese Gedanken schossen ihm durch den Kopf, während er eine der jungen Damen nach der

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