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Totenboje. Ostfrieslandkrimi
Totenboje. Ostfrieslandkrimi
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Ebook177 pages2 hours

Totenboje. Ostfrieslandkrimi

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About this ebook

Der kaltblütige Mord an einem Gastwirt schockt das ostfriesische Norddeich. Jan Gerbrand liegt mit einem Messer in der Brust direkt neben einer dekorativen grünen Boje, getötet durch einen einzigen gezielten Stich mitten ins Herz. Die Kommissare Torsten Köhler und Gerrit Wolter von der Kripo Norden stehen vor einem Rätsel. Warum geschah der Mord bei Tageslicht und ausgerechnet in einer der belebtesten Straßen Norddeichs? Hat Jan Gerbrand ein dunkles Kapitel seines Lebens eingeholt? Ein Tattoo des Toten deutet auf ein internationales Drogenkartell hin… Fast zeitgleich taucht ein zwielichtiger Informant aus Köhlers BKA-Vergangenheit auf, der brisante Informationen verspricht. Gibt es einen Zusammenhang mit dem Mord bei der Totenboje? Hat das organisierte Verbrechen Ostfriesland erreicht? Die Aussage eines Zeugen weist auf eine attraktive blonde Killerin, doch von der Unbekannten fehlt jede Spur...

LanguageDeutsch
PublisherKlarant
Release dateDec 19, 2018
ISBN9783955739140
Totenboje. Ostfrieslandkrimi

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    Totenboje. Ostfrieslandkrimi - Sina Jorritsma

    1

    „Torsten?"

    Kommissar Köhler erkannte die Stimme sofort wieder, obwohl er sie seit fünf oder sechs Jahren nicht mehr gehört hatte. Der Anrufer klang heiser, er schien außer Atem zu sein. So, als ob er soeben gesprintet wäre.

    Oder war er um sein Leben gelaufen?

    „Ja, ich bin am Apparat. Wie hast du mich gefunden, Derek?"

    Köhler hatte sich von seinem Bürostuhl erhoben, während er telefonierte. Der Kommissar blickte hinaus auf den Marktplatz von Norden, an dem das Polizeikommissariat gelegen war. Dort genossen Einheimische und Touristen das milde Frühsommerwetter Ostfrieslands.

    Als Köhler das letzte Mal mit Derek gesprochen hatte, waren sie beide in einem mexikanischen Drogenlabor gefangen gewesen. Und es hatte nicht so ausgesehen, als ob einer von ihnen mit dem Leben davonkommen würde.

    Der Anrufer redete weiter: „Ich kann jetzt nicht lange sprechen. Aber ich muss jemanden informieren, dem ich vertraue. Jemanden wie dich. Da ist eine große Sache im Gang, Torsten. Ich … rufe wieder an!"

    „Derek!", stieß Köhler hervor. Doch die Leitung war schon tot. Er schaute den Telefonhörer an, als ob er einen verfaulten Fisch in der Hand halten würde.

    An dem Schreibtisch gegenüber saß Gerrit Wolter. Der gebürtige Ostfriese war nicht so schnell aus der Ruhe zu bringen. Auch er hatte einen Anruf entgegengenommen, während Köhler den kurzen Wortwechsel mit Derek hatte. Wolter hob die Augenbrauen und schaute seinen Kollegen prüfend an.

    „Ist etwas nicht in Ordnung, Torsten? Man könnte meinen, du hättest einen Geist gesehen."

    Wolter war ein Mann in mittleren Jahren von unauffälligem Aussehen. Es gab Menschen, die ihn für simpel gestrickt hielten. Doch Köhler wusste, dass sein Kollege sehr intelligent und außerdem ein erstklassiger Beobachter war.

    Hätte Wolter auch noch Ehrgeiz besessen, dann wäre er schon längst Dienststellenleiter gewesen. Das war jedenfalls Köhlers Meinung.

    Er atmete tief durch.

    „Da hat gerade ein Mann angerufen, den ich für tot hielt. Ich hatte vor ein paar Jahren beruflich mit ihm zu tun."

    „Als du noch Zielfahnder beim Bundeskriminalamt warst?"

    „Richtig, Gerrit. Der Anrufer nennt sich Derek. Es spielt keine Rolle, ob das sein richtiger Name ist oder nicht. Der Mann ist ein Phantom."

    „Ein Geist wird er jedenfalls nicht sein, denn die können nicht telefonieren."

    Köhler musste unwillkürlich grinsen.

    „Derek handelt mit Informationen, erklärte er. „Man braucht Leute wie ihn, wenn man das organisierte Verbrechen bekämpfen will. Derek ist ein zwielichtiger Typ, doch auf seine Hinweise konnte ich mich immer verlassen. Eben gerade hat er allerdings nur Andeutungen gemacht, mehr nicht.

    „Vielleicht wollte Derek nur auf den Busch klopfen, vermutete Wolter. „Ich habe jedenfalls gerade mit dem Chef telefoniert, und er hat einen konkreten Auftrag für uns. In Norddeich ist am Dörper Weg ein Mann mit einem Messer in der Brust gefunden worden. FF sind schon vor Ort und sperren ab.

    Die uniformierten Polizeimeister Fenja Tonken und Fiete Brodersen wurden auf der Dienststelle nur FF genannt.

    „Dann schauen wir uns die Sache doch mal näher an", meinte Köhler und griff nach seiner Jacke.

    Er war froh darüber, einen neuen Fall zu bekommen, an dem er und Wolter sich abarbeiten konnten. Der Anruf aus der Vergangenheit hatte ihn innerlich stärker erschüttert, als er sich selbst eingestehen wollte.

    Köhler hatte seiner Laufbahn beim Bundeskriminalamt den Rücken gekehrt und sich auf die freie Planstelle in Ostfriesland beworben, weil er die ständige Lebensgefahr als Zielfahnder nicht mehr ausgehalten hatte. Seine Erlebnisse aus der Zeit verfolgten ihn heute noch in seinen Alpträumen.

    Köhler schaute auf seine Armbanduhr. Es war kurz nach neun Uhr morgens.

    „Wann ist die Leiche denn entdeckt worden? Die Sonne dürfte gegen fünf Uhr aufgegangen sein, und der Dörper Weg ist ziemlich belebt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass dort ein Toter länger unentdeckt bleibt."

    Wolter hob die Schultern.

    „Der Alte hatte keine genaueren Informationen. Aber der Melder, der den Notruf gewählt hat, ist wohl noch dort."

    Köhler nickte. Sie fuhren in einem neutralen Dienstwagen nach Norddeich, das zum Stadtgebiet von Norden gehörte. Dort gab es nicht nur einen Fährhafen für Verbindungen nach Norderney und Juist, sondern auch einen Strand sowie zahlreiche Hotels und Pensionen. Der Dörper Weg gehörte zu den „Einfallschneisen", wenn man an den Strand gelangen wollte. Vor allem morgens zog bei schönem Wetter stets eine Karawane von Sonnenhungrigen dem Deich entgegen.

    Wegen der vielen Passanten auf der Fahrbahn kam Wolter auf dem Dörper Weg nur im Schritttempo voran. Sie erblickten den Streifenwagen ihrer Kollegen schon von Weitem.

    „Der Leichen-Fundort ist jedenfalls nicht gerade unauffällig", stellte der ostfriesische Kommissar fest. Köhler sah, was sein Kollege meinte. Der mit einer Plane abgedeckte Körper lag unmittelbar neben einer großen Boje, die zu Dekorationszwecken am Straßenrand deponiert worden war.

    „Totenboje, meinte Wolter trocken. „Wenn es Mord war, dann hat sich der Täter jedenfalls nicht um einen unauffälligen Auffindeort bemüht.

    Damit hatte Wolter zweifellos recht. Die Boje war ein echter Blickfang. Man konnte sie nicht übersehen – gleichgültig, ob man aus Richtung Strand oder vom Norder Ortskern aus zum Dörper Weg kam.

    Die Kommissare gingen zu FF hinüber. Die Polizisten hatten den unmittelbaren Tatortbereich mit rot-weißem Trassierband abgesperrt. Zum Glück gab es momentan nur wenige Schaulustige. Köhler konnte auf Gaffer verzichten, die seine Arbeit behinderten. Bei dem schönen Wetter und dem nahen Nordseestrand war es offenbar für kaum jemanden attraktiv, sich hinter einer Polizeiabsperrung die Beine in den Bauch zu stehen.

    Köhler nickte dem jungen blonden Kollegen Brodersen zu.

    „Moin, Fiete. Kann ich mit dem Melder sprechen, der uns alarmiert hat?"

    Brodersen nickte.

    „Ja, sicher. Der Mann hatte Kreislaufprobleme, der Anblick des Toten muss ihn ziemlich aufgewühlt haben. Fenja hat ihn erst mal in den Streifenwagen gesetzt, damit er nicht umkippt."

    Er deutete auf das Polizeifahrzeug, das ein Stück weit entfernt geparkt war. Die hintere linke Tür war geöffnet. Ein dürrer älterer Mann in abgetragener Kleidung hockte quer auf der Sitzbank. Seine langen Beine hatte er nach draußen ausgestreckt. Sein Gesicht war bleich, er machte einen abwesenden Eindruck.

    Fenja Tonken wandte sich an Köhler.

    „Das ist Herr Borchert, sagte sie leise. „Ich habe ihm etwas Mineralwasser gegeben, weil ihm etwas schummerig zumute war. Er behauptet aber, keinen Arzt zu benötigen.

    „Gut gemacht", erwiderte der ehemalige BKA-Zielfahnder. Dann sprach er den Zeugen an.

    „Moin, Herr Borchert. Ich bin Kommissar Köhler von der Polizei Norden. Fühlen Sie sich in der Lage, ein paar Fragen zu beantworten?"

    Der Melder schaute ihn aus geröteten Augen an. Seine Unterlippe zitterte. Er schien unter Schock zu stehen. Normalerweise hätte Köhler ihm Zeit gelassen, sich wieder zu beruhigen. Doch das Verbrechen musste sich erst vor kurzer Zeit ereignet haben. Womöglich hielt sich der Täter sogar noch in der Nähe auf. Die Chance, ihn möglichst bald zu verhaften, war noch groß.

    „Ja, natürlich, murmelte Borchert. „Fragen Sie nur, Herr Kommissar.

    „Konnten Sie die Tat beobachten?"

    Köhler hatte schon viele Menschen vernommen, die ein Verbrechen meldeten. Verständlicherweise waren die meisten von ihnen aufgeregt. Doch dieser alte Mann schien durch das Geschehen in seinen inneren Grundfesten erschüttert worden zu sein.

    „Ich … ich musste mitansehen, wie sie diesen armen Teufel einfach abgestochen hat."

    Köhler horchte auf.

    „Sie? Also wurde das Opfer von einer Frau attackiert?"

    „Ich würde sie eher eine Furie nennen, stieß Borchert hervor. „Wahrscheinlich hätte sie mich auch noch umgebracht, doch zum Glück bemerkte sie mich nicht. Ich war auf der gegenüberliegenden Straßenseite, ungefähr zehn Meter entfernt.

    Der Kommissar hatte bereits seinen Notizblock hervorgeholt.

    „Am besten erzählen Sie der Reihe nach, was Sie beobachtet haben, Herr Borchert."

    Der Alte blickte mit seinen blassblauen Augen an Köhler vorbei. Er sammelte sich einen Moment lang, bevor er stockend zu sprechen begann: „Ich kam von der Deichstraße, als ich ein Paar vor mir bemerkte. Sie gingen auf das Ocean Wave zu, also in die entgegengesetzte Richtung. Plötzlich rief die Frau etwas, gleichzeitig zog sie ein Messer. Sie stach wie eine Wilde auf ihren Begleiter ein. Er ging neben der Boje zu Boden. Die Irre rannte davon. Sie bog in die Seefalkenstraße ab, da verlor ich sie aus den Augen."

    Sein Bericht musste den alten Mann stark aufgewühlt haben. Er rang nach Luft und trank noch mehr von dem Wasser, das die Polizistin ihm gegeben hatte. Köhler wartete einen Moment, bevor er nachhakte.

    „Können Sie die Täterin genauer beschreiben?"

    Borchert nickte.

    „Sie ist ungefähr eins sechzig groß, hat langes blondes Haar. Sie trägt eine helle Hose und eine blaue Kapuzenjacke mit einem großen Anker auf dem Rücken. Wie ihr Gesicht aussieht, weiß ich nicht. Ich habe sie ja nur von hinten erblickt."

    „Hat die Frau das Messer mitgenommen?"

    „Ja."

    Köhler schrieb mit. Er wollte die Personenbeschreibung umgehend weiterleiten, damit alle Polizeistreifen in der näheren und weiteren Umgebung nach der Mörderin Ausschau hielten.

    „Um welche Uhrzeit ereignete sich die Tat? Können Sie mir das in etwa sagen?"

    Der Alte tippte mit dem linken Zeigefinger auf seine große Herrenarmbanduhr.

    „Es war genau 8.37 Uhr. Ich weiß nicht, weshalb ich mir die Zeit gemerkt habe. Das muss so eine Eingebung gewesen sein."

    „Wohnen Sie in Norddeich?"

    Borchert nickte.

    „Kam Ihnen das Opfer oder die Täterin irgendwie bekannt vor?"

    „Leider nein, Herr Kommissar. Vielleicht, wenn ich näher dran gewesen wäre. Meine Augen sind ja nicht mehr die besten. Ich bin nur froh, dass ich selbst mit heiler Haut davongekommen bin."

    „Sie sind ein guter Zeuge, sagte Köhler anerkennend. „Trotzdem muss ich Sie fragen, was Sie zu so früher Stunde hier gemacht haben.

    Borchert wurde plötzlich verlegen. Der Ermittler ließ seinen Blick schweifen und bemerkte erst jetzt zwei Plastiktüten, die neben dem Streifenwagen standen. Sie enthielten offenbar leere Pfandflaschen.

    Nun zeigte auch der Alte in die Richtung.

    „Ja, damit bessere ich mir meine schmale Rente auf. Die jungen Leute lassen oft ihre Bierflaschen liegen, wenn sie nachts am Deich oder am Strand einen über den Durst trinken. Und so ein bisschen Bewegung am frühen Morgen ist doch auch gesund, oder?"

    Köhler nickte bedrückt. Er fand es immer wieder traurig, wenn nach einem langen Arbeitsleben die Rente nicht reichte. Doch in diesem Fall war es ein Glück für die Ermittlungen, dass der alte Mann in aller Herrgottsfrühe Leergut gesammelt hatte. Seine detaillierte Zeugenaussage würde die Suche nach der Täterin enorm erleichtern.

    Der Kommissar bedankte sich bei Borchert. Dann bat er Fenja darum, die Angaben schriftlich aufzunehmen. Köhler gesellte sich zu Wolter, der währenddessen den Toten genauer in Augenschein genommen hatte.

    Der ostfriesische Ermittler hielt einen Zipfel der Plane hoch, sodass Köhler das Gesicht des Opfers sehen konnte.

    „Ich kenne den Mann", sagte Wolter. „Er heißt Jan Gerbrand und war der Wirt von der Nordsee Klause. Die Kneipe befindet sich an der Deichstraße, keine fünfhundert Meter Luftlinie von hier entfernt."

    Köhler musterte den Toten. Gerbrands Schädel war rasiert, er trug einen imposanten blonden Walross-Bart. Doch das war es nicht, was den Kommissar am stärksten beschäftigte. Ihm fiel sofort eine besonders einprägsame Tätowierung auf. Gerbrand hatte sich über dem linken Wangenknochen ein Motiv in Form eines Pik-Ass in die Gesichtshaut stechen lassen.

    Offenbar war Köhler seine Aufregung an der Nasenspitze anzusehen. Er führte sich wieder vor Augen, dass Derek ihn vor Kurzem angerufen hatte. Und die Erinnerung an längst gelöste Kriminalfälle aus der Vergangenheit kam wieder hoch.

    Wolter merkte, dass mit ihm

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