Discover millions of ebooks, audiobooks, and so much more with a free trial

Only $11.99/month after trial. Cancel anytime.

Blutläufer 3: Exodus
Blutläufer 3: Exodus
Blutläufer 3: Exodus
Ebook493 pages6 hours

Blutläufer 3: Exodus

Rating: 0 out of 5 stars

()

Read preview

About this ebook

Der Krieg verläuft schlecht für die Rebellen. Nach der für beide Seiten verheerenden Schlacht um die Erde, verstärkt das Imperium seine Offensive gegen die Freiheitskämpfer. Zahlen- und waffenmäßig weit unterlegen, muss Gareth Finch der Wahrheit ins Auge blicken: Der Aufstand droht zu scheitern. Infolge dessen trifft er eine schwierige Entscheidung. Die Rebellen sammeln all ihre Kräfte und nehmen Kurs auf den Raum jenseits des Imperiums. Ihre Hoffnung besteht darin, einen Planeten abseits des feindlichen Einflussgebiets zu finden, den sie besiedeln können. Cha`acko ist ihnen jedoch dicht auf den Fersen. Als die Rebellen endlich eine abgelegene Welt zwischen den Fronten finden, scheint ihr Plan tatsächlich aufzugehen. Doch die Syall und Sekari entdecken deren Anwesenheit und entsenden starke Verbände, um die Eindringlinge zu vertreiben. Als wäre das noch nicht schlimm genug, erscheinen auch noch die Ashrak auf der Bildfläche. Eingekesselt zwischen drei mächtigen Armeen, sehen die Rebellen der unausweichlichen Vernichtung entgegen …
LanguageDeutsch
Release dateSep 29, 2022
ISBN9783864028618
Blutläufer 3: Exodus

Read more from Stefan Burban

Related to Blutläufer 3

Titles in the series (3)

View More

Related ebooks

Science Fiction For You

View More

Related articles

Reviews for Blutläufer 3

Rating: 0 out of 5 stars
0 ratings

0 ratings0 reviews

What did you think?

Tap to rate

Review must be at least 10 words

    Book preview

    Blutläufer 3 - Stefan Burban

    Prolog

    Marc Watson, Befehlshaber des Angriffskreuzers Babylon, hielt sich krampfhaft am Geländer seiner Kommandostation fest. Praktisch ununterbrochen prasselten Raketen und Energiestrahlen auf das Rebellenschiff ein.

    Watson biss die Zähne zusammen. »Tony, volle Energie auf den Antrieb. Wir brauchen mehr Manövrierfähigkeit.«

    Der Navigator des Angriffskreuzers reagierte nicht. Marc runzelte die Stirn. »Tony? Mehr Energie auf den verdammten Antrieb!«

    Der Rebellenoffizier wandte sich um und verharrte auf der Stelle. Der Navigator lag regungslos in seiner horizontalen Halterung. Die milchig weißen Augen, in denen man die Pupillen nicht mehr sehen konnte, hätten für gewöhnlich bedeutet, dass sich der Mann im Vortex befand. Ein dünner Blutstrom zog aus beiden Nasenlöchern und den Augenwinkeln seine Bahn über das Kinn. Langsam und beständig tropfte der rote Saft auf den Boden. Der linke Arm des Navigators hatte sich aus der Halterung gelöst und wippte bar jedes Lebens im Takt der Erschütterungen des Kriegsschiffes hin und her.

    Der Navigator weilte nicht mehr unter den Lebenden. Noch während sein Geist im Vortex beschäftigt gewesen war, hatte ihn das Schicksal ereilt.

    Watson schluckte, trat zu seinem Freund und legte diesem dessen linke Hand auf die Brust. Anschließend drückte er ihm die Augen zu. »Wir sehen uns gleich wieder, Bruder«, sprach er die Unheil verkündenden Worte aus.

    Die überlebenden Besatzungsmitglieder seiner Brückencrew warfen ihm schräge Blicke zu. Es lag weder Anklage noch Verzweiflung darin, nur die Akzeptanz des Unausweichlichen.

    Watson trat zurück an die Kommandostation. Der Offizier war in früheren Zeiten bekannt gewesen als Templer GX-112587. Das kam ihm inzwischen vor wie ein böser Traum – oder schlichtweg wie ein anderes Leben. Seine Hände schlossen sich um den Rahmen, der die Kommandostation einhüllte. Vor dem zentralen Brückenfenster nahmen die imperialen Schiffe Aufstellung für die letzte Offensive. Und dieses Mal würden sie die Abwehrlinien der Rebellen durchbrechen.

    Unter der Babylon befand sich Basis Delta Blue. Man hatte sie auf einem Asteroiden inmitten eines großen Trümmerfeldes im Ipoli-System angelegt. Der Sinn dahinter war offensichtlich. Man hatte gehofft, damit der Aufmerksamkeit der Rod’Or und ihrer Schergen zu entgehen. Watson machte eine verkniffene Miene. »So viel dazu«, murrte er verdrossen. Seine Miene hellte sich sogleich wieder auf. Er bereute nichts. Seine Befreiung durch Gareth Finch und der Kampf, den sie gemeinsam mit so vielen anderen aufgenommen hatten: All das zählte zu den Sternstunden seines Lebens. Es gab überhaupt nichts zu bereuen.

    Ihre Chancen standen von Anfang an schlecht gegen einen Feind, der ihnen zahlenmäßig tausendfach überlegen war. Aber der Kampf für die Freiheit war immer lohnenswert. So etwas wie sinnlosen Widerstand gab es nicht, wenn freie Wesen darum rangen, frei zu sein. Er lächelte. Watson würde heute sterben. Dieser Ausgang war unvermeidlich. Aber er starb als freier Mensch. Manchmal konnte man vom Leben nicht mehr verlangen.

    Seine Finger verkrampften sich dermaßen fest um den Rahmen, dass die Knöchel weiß hervortraten. Mit einem schnellen Blick verschaffte er sich einen Überblick über die aktuelle Lage.

    Das Delta Blue zugeordnete Schutzgeschwader war zu mehr als neunzig Prozent vernichtet. Die noch vorhandenen Schiffe und Jäger würden demnächst von der Masse an feindlichen Kräften überwältigt. Aber noch waren sie nicht tot. Noch konnten sie kämpfen. Noch konnten sie dem Feind die Zähne zeigen.

    »Befehl an alle Schiffe«, ordnete er an. »Neu formieren zum Gegenangriff.«

    Jessica Mack, seine Nummer zwei, grinste angesichts des Befehls. Sie wusste, was im Kopf ihres Kommandanten vor sich ging. Sie wusste es und billigte es. Wenn sie schon draufgingen, dann würden sie den Ashrak vorher noch eine blutige Nase verpassen. Es blieb ihnen keine andere Option mehr, als den Preis des Feindes für die Einnahme von Delta Blue in die Höhe treiben.

    Die Offizierin gab den Befehl weiter. Umgehend formierten sich siebenundzwanzig Schiffe um die Babylon. Jagdgeschwader bezogen Position, um den schweren Kampfeinheiten Deckung zu geben.

    Watsons Miene nahm einen entschlossenen Ausdruck an. »Vormarsch einleiten!«, befahl er schlicht.

    Achtundzwanzig Rebellenschiffe rückten gegen mehr als zweihundert Ashrakkampfraumer vor. Das All zwischen beiden Verbänden war angefüllt mit den Trümmern und Wracks einer erbitterten Schlacht.

    Die Rebellenschiffe eröffneten das Feuer. Die taktischen Offiziere konzentrierten den Beschuss auf einzelne, zumeist bereits beschädigte Einheiten und schalteten sie mit chirurgischer Präzision aus. Die Ashrak verloren innerhalb weniger Minuten sieben Schiffe. Das Schutzgeschwader schlug in seinen letzten Zuckungen noch gefährlich die Krallen in das Fleisch des Feindes.

    Die Rebellenjäger stürmten vor, um die feindlichen Jagdgeschwader in Empfang zu nehmen. Es entbrannte eine hitzige Schlacht innerhalb der Schlacht und für einen winzigen Moment unvergleichlichen Ruhms schien es nicht nur, als würden die Rebellen die Stellung behaupten – nein, sie drängten den Feind allein durch die Wucht der Offensive zurück. Und dann konterte ihr Gegner.

    Die Ashrak entsandten Verstärkung und die Rebellenjäger wurden mit verächtlicher Leichtigkeit aus dem All gefegt. Währenddessen feuerten Watsons Schiffe mit allem, was sie aufzubieten hatten, auf den Gegner. Sie erzielten Treffer um Treffer und der Beschuss zeitigte sogar bescheidene Erfolge.

    Die Babylon allein schaltete einen Träger und einen Kampfkreuzer aus. Andere Schiffe erledigten Zerstörer, Fregatten und mehrere Kreuzer. Es gelang sogar, eines der Schlachtschiffe dermaßen entscheidend zu beschädigen, dass es beidrehen und den Kampf abbrechen musste.

    Watson wusste, sie hatten keine Chance. Trotzdem hielt sich hartnäckig eine euphorische Stimme in seinem Hinterkopf, die ihm einflüsterte, dass sie die Stellung unter Umständen lange genug würden halten können, bis die Basis evakuiert werden konnte und all die Blutläufer auf der Oberfläche des Asteroiden entkommen waren. Fall es gelang, den Feind aufzuhalten, würden Hunderte seiner Brüder und Schwestern überleben. Es handelte sich um eine illusorische Hoffnung, aber sie war nichtsdestoweniger vorhanden – dann hörten die Ashrak auf, Spiele zu spielen.

    Der Gegenschlag des Feindes brach mit verheerender Gewalt über die kleine Anzahl von Freiheitskämpfern herein. Innerhalb kürzester Zeit verschwanden die Symbole der eigenen Schiffe nach und nach von Watsons Plot.

    Der Rebellenoffizier ließ den Kopf hängen. Es war vorbei. Er wusste es und der Ashrakbefehlshaber auf der anderen Seite wusste es mit Bestimmtheit auch.

    Eine erste Welle von Sturmtransportern zog an der angeschlagenen Babylon vorbei. Der Gegner begann mit der Kampflandung.

    Watson knirschte mit den Zähnen. »Nicht so voreilig, ihr Drecksäcke! Noch sind wir nicht tot.«

    Die Babylon stieß aus den unteren Deckgeschützen mehrere kohärente Energiestrahlen aus, die einen Sturmtransporter aufspießten und in einen Feuerball verwandelten.

    Zwei Schwere Kreuzer der Ashrak flankierten die Babylon und beharkten sie aus den Breitseitenwaffen. Explosionen überschütteten das zum Untergang verurteilte Schiff. Nach und nach fielen sämtliche Waffen aus. Jessica Mack trat neben ihren Kommandanten und legte diesem mitfühlend die Hand auf die Schulter. Er berührte sie mit der eigenen, ohne sich umzudrehen.

    Eine letzte Salve durchbrach die Panzerung oberhalb der Brücke und vernichtete Schiff und Besatzung. Von der Babylon blieb nur ein leeres, ausgebranntes Gerippe zurück. Die Ashrak setzten ihren Angriff auf Delta Blue weiterhin fort, als wären die Leben, die sie gerade vernichtet hatten, nicht das Geringste wert.

    * * *

    Delta Blue war von der Außenwelt abgeschnitten, eine Evakuierung nicht länger möglich. Doch die Blutläuferrebellen verzagten keineswegs. Sie marschierten aus der Basis, ohne Hoffnung auf einen Sieg. Eine Kapitulation kam allerdings für keinen infrage. Durch ihre Rüstungen vor dem Vakuum geschützt, bemannten sie die Schützengräben, die die Asteroidenbasis umgaben.

    Die Männer und Frauen unterschiedlichster Spezies warteten angespannt, die Waffen im Anschlag, auf die Landung feindlicher Truppen. Die Sturmtransporter näherten sich dem Asteroiden. Noch im Anflug öffneten sie ihre Luken und Tausende von Ashraksoldaten strömten ins Freie. Die imperialen Truppen sanken die letzten Meter Richtung Oberfläche. Zeitgleich stoben feindliche Jäger über die Rebellenstellungen hinweg.

    Raketen und Laserstrahlen gingen zu Hunderten auf die in ihren Löchern verharrenden Blutläufer hernieder. Die Geschütze der Rebellen antworteten. Mehrere feindliche Jäger wurden abgeschossen. Im Gegenzug verwandelte das Bombardement zahlreiche Geschützbatterien der Verteidiger in qualmenden Schrott.

    Die Ashraktruppen gingen in perfekter Gefechtsformation gegen die Rebellenstellungen vor. Die Rebellen leisteten in jedem Augenblick erbitterten Widerstand. Kämpfer beider Seiten fielen unter dem unbarmherzigen Beschuss der jeweils gegnerischen Partei. Zwei Raketen trafen einen im Landeanflug befindlichen Sturmtransporter und rissen die komplette Hecksektion mitsamt Antrieb weg. Das Schiff rollte sich unkontrolliert um die eigene Achse und bohrte sich schließlich mit der Schnauze voran in eine Bergspitze. Die folgende Detonation pulverisierte den Gipfel.

    Für wenige Minuten gelang es den Bodentruppen der Rebellen, die Ashrakeinheiten aufzuhalten. Die Schoßhunde der Rod’Or erlitten schwere Ausfälle. Nachrückende Angriffskolonnen füllten die entstandenen Lücken, sodass ein steter Strom feindlicher Soldaten die Verteidiger zu überwältigen drohte. Schon bald gerieten die Blutläufer zunächst ins Hintertreffen und dann in Bedrängnis. Die Ashrak rückten siegessicher vor.

    Die schweren Luftabwehrbatterien der Rebellen holten einen Angriffskreuzer vom Himmel, gefolgt von einer Korvette. Das Antwortfeuer löschte nach und nach die Luftabwehrkapazitäten der Blutläuferrebellen restlos aus – bis der Raum oberhalb der Asteroidenbasis für die Ashrak gesichert war. Im Anschluss kamen mehrere Kriegsschiffe näher und begannen damit, sowohl die Basis als auch die Position der Verteidiger außerhalb der Anlage unter kontinuierlichen Beschuss zu nehmen. Von diesem Moment an war der Fall von Delta Blue nur noch eine reine Zeitfrage.

    * * *

    Marlena Boukari, die Kommandantin von Delta Blue, verfolgte den Kampf um die Basis von einem Bildschirm der Kommandozentrale aus.

    Marlena stammte aus Eritrea. Bei der Invasion des Imperiums auf der Erde war sie erst vier Jahre alt gewesen. An die Zeit davor erinnerte sie sich überhaupt nicht mehr. Die Fischköpfe hatten sie als Sklavin genommen, da war sie fünfzehn gewesen. Erst das entbehrungsreiche Dasein als Überlebende, dann der ständige Dienst in den zahlreichen Kriegen der Rod’Or – Marlena kannte nichts anderes als Krieg, Tod und Leid. Sie hatte das Dasein im Imperium länger geführt als das auf der Erde. Daher war sie an Verluste und Opfer gewöhnt. Es war Teil ihres Lebens.

    Doch als sie auf dem Bildschirm mit ansehen musste, wie ihre Leute beim heldenhaften Versuch, dieser Basis noch einige wenige kostbare Sekunden zu erkaufen, abgeschlachtet wurden, spürte sie einen Stich von Trauer und Bedauern in ihrer Brust.

    Reflexartig griff sie nach der schmerzenden Stelle. Es war ein seltsames Gefühl. In all den Jahren, die sie unter Ashrakkommando für die Rod’Or gekämpft hatte, war ihr eine derartige Emotion nie untergekommen. Sie lächelte grimmig. Marlena hatte zu ihren Gefühlen als Mensch zurückgefunden. Nicht dominiert von den Ashrak, nicht unterdrückt vom Imperium. Das waren ihre Emotionen, die sie für ihre Leute spürte. Schon allein das war die Befreiung wert gewesen, auch wenn der Anlass denkbar tragisch war.

    »Carsten«, sprach sie ihren Zweiten Kommandanten Carsten Kuhnold an. Der Mann trat mit ernster Miene näher. »Die Evakuierung abblasen.« Sie deutete auf ein Hologramm, das die neuesten taktischen Daten offenbarte. »Die feindliche Blockade ist zu dicht. Da kommen wir niemals durch.«

    Kuhnold seufzte. »Also Kampf bis zum Ende«, kommentierte er. »Schade. Ich hatte mich eigentlich auf ein langes, ereignisloses Leben gefreut.« Er nahm sein Pulsgewehr auf und grinste. »Dann wird es eben ein kurzes und stürmisches.«

    »Den Datenkern löschen und eine Hyperraumboje vorbereiten. Gareth muss wissen, was hier passiert ist. Ich nehme eine entsprechende Botschaft auf.« Sie drängte ihn mit einem Blick zur Eile. »Und schnell. Uns bleibt wenig Zeit.«

    Der Mann nickte und wandte sich um. Die Basis erzitterte, als unmittelbar über ihnen mehrere Salven aus den Schiffsgeschützen der feindlichen Flotte niedergingen. Staub rieselte von der Decke. Ansonsten hielt sich der entstandene Schaden in Grenzen.

    Marlena verzog hämisch das Gesicht. Die Basis war dermaßen tief in den Felsen hineingebaut, dass selbst ein ausgedehntes Orbitalbombardement Stunden brauchen würde, um sie zu erreichen. Das war auch der Grund, weshalb die Ashrak auf Bodentruppen setzten. Ihr missmutiger Blick richtete sich abermals auf die Kampfszenen in den Schützengräben. Der Feind stand kurz davor, die Verteidigungslinien zu überrennen. Sie stieß einen Schwall Luft aus. Die Fischköpfe mussten den Stützpunkt auf die harte Tour ausschalten. Das war ihre einzige Möglichkeit, die Sache schnell zu einem Ende zu bringen.

    Einer der Offiziere an einer Waffenstation stöhnte schmerzhaft auf und rutschte von seinem Stuhl. Kaum auf dem Boden, breitete sich eine Blutlache unter dessen Körper auf.

    »Paladine!«, schrie einer der Blutläufer.

    Marlena hob den Kopf. Aus einer Wartungsluke in der Decke eine Ebene über ihnen strömten die Elitesoldaten des Imperiums. Es waren ein Dutzend. Sie fluchte. Wie nur waren die Kerle hier hereingekommen?

    »Carsten«, brüllte sie, »der Datenkern!«

    Kuhnold zögerte keine Sekunde. Er hob sein Pulsgewehr und schoss auf den Hauptcomputer. Das verdammte Ding schlug zwar Funken, war jedoch immer noch einsatzfähig. Marlena fluchte erneut. Man mochte über die Ashrak sagen, was man wollte, aber ihre Technologie war erstklassig.

    Während ihr Zweiter Kommandant sich abmühte, den Hauptcomputer mit allen relevanten Daten zu zerstören, machte Marlena eine Boje bereit. Es blieb keine Zeit, eine Nachricht aufzunehmen, aber Gareth würde die Botschaft hoffentlich verstehen, wenn eine leere Boje dieser Basis ihn erreichte.

    Währenddessen richteten die Paladine unter der Besatzung der Kommandozentrale ein Massaker an. Die Blutläufer waren gute Kämpfer. Es gelang ihnen, sieben Paladine zu erledigen. Aber diese gehörten nicht umsonst zur Elite der Rod’Or. Sie metzelten sich ohne Rücksicht den Weg durch die Rebellen.

    Carsten Kuhnold starb durch das Schwert eines Paladins im Rücken. Der Mann feuerte sein Pulsgewehr ab, bis kein Leben mehr in ihm war. Er rutschte am Schwert entlang zu Boden und verblutete an Ort und Stelle. Soweit Marlena das beurteilen konnte, war der Computer zwar irreparabel beschädigt, aber es war durchaus im Bereich des Möglichen, dass die Ashrak relevante Daten bergen konnten. Aber sich darum zu kümmern, lag nicht im Rahmen ihrer Möglichkeiten. Nicht mehr.

    Sie arbeitete unter Hochdruck daran, eine Boje abzusetzen. Marlena spürte einen Stich im Rücken. Vor Schmerz rang sie nach Atem. Ihre umfangreiche Ausbildung übernahm die Oberhand. Sie schlug mit dem Ellbogen nach hinten aus und erwischte die Rüstung des Paladins an der Kehle. Dort befand sich eine der wenigen Schwachstellen.

    Der Krieger würgte und taumelte zurück. Immer noch das Schwert im Rücken, zog Marlena ihre Seitenwaffe und im Dauerfeuer schoss sie die Pulspistole auf den Kopf des Paladins ab, bis dessen Panzerung brach und die Energieimpulse ins Innere vordrangen. Der Mann stürzte ohne einen Laut.

    Sie streckte die Hand aus, um die Boje zu starten. Umgehend waren zwei weitere Paladine über ihr. Deren Schwerter nagelten sie an der Konsole fest. Sie war nicht in der Lage, sich zu rühren. Der Knopf für die Hyperraumboje befand sich knapp außer Reichweite. Sie streckte sich, um ihn noch zu erreichen. Die Klingen in ihrem Körper schnitten tief in ihr Fleisch.

    Ein Paladin über ihr streckte die Hand aus und hielt die ihre fest. Sie hob den Kopf, versuchte seinen Blick einzufangen. Der Mann blieb unter dem Helm mit dem vollverspiegelten Visier verborgen. Dieser ausdruckslose Helm, der ein Gesicht bar jedes Mitleids verbarg, war das Letzte, was Marlena sah, bevor sie in die Dunkelheit versank.

    * * *

    Cha’acko, Agent der Honuh-ton und Befehlshaber des Feldzugs gegen die Rebellen, betrat die Kommandozentrale der Basis, die die Aufständischen Delta Blue nannten.

    Bei seinem Auftauchen machten die Paladine respektvoll Platz. Der Raum glich einem Schlachtfeld. Cha’acko trat näher und stieg dabei über die Leichen von Menschen, Dys und auch einer Samirad hinweg. All das kümmerte ihn wenig. Bei der Einnahme der Basis hatte man mehr als dreihundert Rebellen gefangen genommen. Auch das kümmerte ihn wenig. Sie würden nach einem umfangreichen Verhör an die Organverwertung überstellt.

    Nein, Cha’acko hatte nur Augen für den Computer an der Nordseite des Kommandozentrums. Er war beschädigt, aber noch intakt. Seine Schuppen verfärbten sich ins Grünliche. Der Honuh-ton-Agent war äußerst erfreut.

    »Extrahiert alle Daten, die noch vorhanden sind«, ordnete er an. »In einer Stunde wünsche ich einen vollständigen Bericht.«

    Mit diesen Worten wandte sich Cha’acko um und verließ den Raum. Der Gestank toter Sklaven bereitete ihm Übelkeit. Außerdem gab es noch viel zu tun. Gareth Finch, sein Angstgegner, lauerte noch irgendwo in den Weiten des Raumes. Cha’acko hatte vor, ihn endlich zur Strecke zu bringen. Das war aber noch längst nicht alles. Er hatte einen Aufstand niederzuschlagen.

    1

    Gareth Finch rollte sich von Ris’rils Körper herunter und blieb in wohliger Ermattung neben der Samirad liegen. Der wunderschöne blaue Körper der Kriegerin von der Welt Raktia glänzte vor Schweiß.

    Ris’ril streckte die Arme nach oben und lockerte ihre Muskeln, indem sie sich ausgiebig reckte. »Ich muss zugeben, du hast eine Menge Ausdauer«, grinste sie. »Für einen Menschen.«

    Gareth schnaubte. »Na herzlichen Dank«, gab er ironisch zurück.

    Er atmete mehrmals tief durch. Währenddessen legte er den Arm um Ris’rils Schultern und sie schmiegte sich eng an seine Brust. Er spürte, wie ihr Atem leicht über seine Brusthaare strich. Es war ein seltsames Gefühl, eine Frau, die um einiges größer war als er und die ihn bestimmt problemlos in zwei Teile brechen konnte, im Arm zu halten, nachdem sie sich geliebt hatten. Seltsam, aber nicht unerotisch. Und ganz bestimmt nicht unangenehm.

    Nach einer Weile bemerkte er, wie sie zu ihm aufsah. »Alles in Ordnung?«

    »Warum fragst du?«

    »Deine Gedanken … sie scheinen weit weg zu sein.«

    Er beugte sich zu ihr herüber und hauchte einen zärtlichen Kuss auf die Stirn seiner Geliebten. »Mach dir keine Sorgen deswegen. Mir gehen nur einige Dinge im Kopf herum. Aber nichts Wichtiges.«

    »Du bist ein grauenvoller Lügner«, schalt sie ihn. »Wir teilen das Bett und die Freude unserer Körper. Wenn du nicht mit mir über deinen Kummer reden kannst, mit wem dann?«

    Er zwang sich zu einem schmalen Lächeln. »Bei uns auf der Erde gibt es ein Sprichwort: Das Haupt ist schwer, welches die Krone trägt.«

    Ris’ril runzelte die Stirn. »Und was genau soll das bedeuten?«

    »Nun ja, dass Anführer immer einsam sind, nehme ich an.«

    »Klingt dämlich.«

    Er grinste. »Das Sprichwort oder seine Bedeutung?«

    »Such dir was aus.«

    Gareth seufzte. »Ich mache mir Gedanken über den Krieg. Es vergeht kaum eine Woche ohne Nachrichten über weitere Niederlagen.« Schon allein bei dem Wort spannte sich jeder Muskel in seinem Körper an.

    Ris’ril bemerkte es. »Noch sind wir nicht geschlagen.«

    »Wir verlieren«, brach es aus ihm heraus. »Und zwar deutlich, Ris’ril. Und ich habe nicht die geringste Ahnung, wie man diese Entwicklung aufhalten kann.«

    In diesem Moment knackte es in Gareths Ohren. Das bereits bekannte Schwindelgefühl setzte ein und Michaels Stimme dröhnte in seinen Ohren. Der Lieutenant kontaktierte ihn über das implantierte Kommgerät, das jeder Blutläufer besaß.

    Gareth bevorzugte es, wenn man ihn über die stützpunktinterne Kommunikation anrief. Jeder wusste das. Michael wusste das. Gareth hatte den Verdacht, dass es sein Lieutenant gerade deshalb nicht machte. Und wie er den düsteren Michael – der gar nicht mehr so düster war – kannte, hatte dieser auch noch diebisches Vergnügen daran.

    »Störe ich?«

    Schon diese zwei Worte fachten Gareths Zorn an. Michael war klar, mit wem der Anführer der Blutläuferrebellion seine Zeit verbrachte, sobald er dienstfrei hatte.

    Gareth hob den Arm und entließ Ris’ril aus seiner Umarmung, erst dann bestätigte er die Verbindung, indem er die Kiefermuskeln anspannte.

    »Würde es etwas ändern, wenn ich Ja sage?«

    »Nicht wirklich«, gab Michael heiter zurück. Der Tonfall des Mannes wandelte sich allerdings gleich darauf ins genaue Gegenteil. Gareth wurde hellhörig angesichts des Ernstes in der Stimme des Rebellenoffiziers.

    »Komm in die Kommandozentrale. Wir müssen reden. Bring Ris’ril mit.«

    Michael kappte die Verbindung. Gareth stutzte und forderte seine Gefährtin mit einem Blick wortlos auf, sich anzuziehen. Gemeinsam begaben sich die beiden Blutläufer durch die Korridore des Hauptquartiers der Rebellion zum Kommandozentrum.

    Es war kurz nach acht Uhr morgens Stationszeit. Die Gänge der Basis waren bereits äußerst lebendig. Auf dem Weg zur Zentrale machten Gareth und Ris’ril einen kurzen Abstecher in die Andockbucht. Wie erwartet waren neue Schiffe zugegen. Den Kampfspuren nach kamen sie soeben von einer Kaperfahrt zurück. Die erbeuteten Materialien wurden ausgeladen, während die Kexaxa über die Außenhülle eines jeden Kampfraumes krochen, um eine erste Einschätzung der Schäden vorzunehmen.

    Untray und sein Assistent Ibitray waren ebenfalls zugegen. Gareth nickte ihnen kurz zu. Die beiden Kexaxa nahmen die Geste zur Kenntnis, kümmerten sich aber sogleich wieder um ihre Pflichten.

    Als Gareth und Ris’ril wenige Minuten später das Kommandozentrum erreichten, waren Michael, Fabian Hoffmann sowie Ludwig Kowalski bereits vor Ort und in eine angeregte Unterhaltung vertieft, die jedoch von heftigen Gesten begleitet wurde. Etwas war vorgefallen, etwas verdammt Übles.

    Beim Eintreffen des Paares verstummten die Männer und versammelten sich um einen Holotank. Die Blutläufer an den Konsolen und den Bildschirmen ignorierten die Führungsriege. Derlei Besprechungen waren sie bereits zur Genüge gewohnt. Sie bedeuteten selten etwas Gutes.

    »Delta Blue meldet sich nicht mehr«, begann Michael ohne Einleitung.

    Gareth biss sich unwillkürlich auf die Unterlippe. »Ein technisches Problem? Irgendetwas mit der Kommunikation möglicherweise?«

    Michael wechselte einen finsteren Blick mit Fabian und Ludwig. »Dachte ich zuerst auch. Deswegen schickte ich einen Aufklärer hin.«

    »Und?«

    »Hat sich nicht zurückgemeldet. Außerdem ist er inzwischen überfällig.«

    Ein eisiges Gefühl kroch Gareths Nacken hoch. Seine Härchen richteten sich abrupt auf. »Wie lange?«

    »Fünf Tage.«

    Gareth schloss die Augen. Das war viel zu lange, um als Zufall abgetan zu werden. »Dann wird der Aufklärer nicht zurückkehren. Und Delta Blue können wir ebenfalls abschreiben.« Der Anführer der Rebellion warf einen Blick in die Runde. »Die wievielte verlorene Basis ist das jetzt?«

    »Die vierte«, bestätigte Fabian Gareths schlimmste Befürchtungen. »In den letzten sechs Monaten.«

    »Sie zerren uns aus allen Löchern, in denen wir uns verstecken«, fügte Ludwig hinzu. »Bald wird dieser Spiralarm der Milchstraße nicht mehr groß genug sein, um angemessene Verstecke zu finden.«

    »Das imperiale Militär ist schlichtweg zu schlagkräftig«, bestätigte Michael. »Sie manövrieren uns aus.«

    »Gibt es auch positive Meldungen?«, mischte sich Ris’ril ein.

    »Mehrere«, antwortete Michael. »Wir haben innerhalb der letzten drei Wochen fünf feindliche Konvois aufgerieben und uns eines Gutteils ihrer Vorräte bemächtigt. Außerdem ist es uns gelungen, zwei Angriffsbasen nahe der Sekarifront zu zerstören.« Michael gab ein paar Befehle in den Holotank ein und dieser erwachte zum Leben. Er projizierte einen Sektor des imperialen Raumes weit hinter der Front in die Luft. Auf eine weitere Anweisung Michaels wurde eines der Systeme farblich hervorgehoben. »Einer unserer Einsatzverbände ist sogar bei Silvana Minor eingedrungen und hat die Hyperraumkatapulte des Systems zerstört.«

    »Verluste?«

    »Dreiundzwanzig Schiffe und elftausend Blutläufer.«

    Gareth verzog die Miene. Michael nickte. »Ich weiß, es ist bitter, aber der Erfolg kann sich dennoch sehen lassen.«

    »Silvana Minor.« Gareth sprach den Namen langsam und bedächtig aus. Er musste sich erst einmal ins Gedächtnis rufen, was es mit dieser Welt für eine Bewandtnis hatte. »Das ist ein Ausbildungsplanet der imperialen Armee und Flotte, nicht wahr?«

    Michael nickte. »Spezialisiert auf die Ausbildung von Dys und Samirad. Außerdem kommen von dort nicht wenige ihrer Navigatoren. Die Zerstörung der Katapulte wird es ihnen erschweren, von dort Verstärkung an die Front zu schicken. Sie sind nun für einige Zeit auf herkömmliche Hyperraumantriebe angewiesen, um andere Systeme zu erreichen.«

    »Gibt es Prognosen für die Instandsetzung?«

    »Mindestens neun Monate. Das verschafft den Sekari und Syall unter Umständen ein wenig Luft.«

    »Hilft uns aber im Endeffekt nicht weiter«, gab Ris’ril zu bedenken.

    »Nun … nein«, stimmte Michael zögernd zu. »Unsere Lage ist weiterhin prekär.«

    »Und sie wird schlimmer und schlimmer«, fügte Ludwig hinzu.

    Gareth hätte beinahe den Kopf sinken lassen. Nur mit großer Mühe riss er sich zusammen. Er durfte seine Kameraden und Mitverschwörer im Krieg, den sie gemeinsam gegen das Imperium begonnen hatten, nicht wissen lassen, wie niederschmetternd sich die Neuigkeiten auf sein Gemüt auswirkten.

    Gareth richtete sich auf. Sein Blick blieb starr auf das Hologramm gerichtet. Seine Gedanken rasten. »Was ist mit den Aufständen, die überall im Imperium nach der Schlacht um die Erde losgebrochen sind? Gibt es darüber etwas Erwähnenswertes zu berichten?«

    Wieder wurden bedeutungsvolle Blicke gewechselt. Das verhieß nichts Gutes. »Nun redet schon«, fuhr Ris’ril die anderen Rebellenoffiziere an. »Was wisst ihr?«

    Michael räusperte sich. »Die Ashrak sind dabei, ihr Hinterland zu befrieden. Die meisten Aufstände wurden blutig niedergeschlagen. Die Lakaien der Rod’Or erlitten dabei schwere Verluste, nichtsdestotrotz leider nicht so hoch, als dass wir unseren Nutzen daraus ziehen könnten.«

    »Sie haben einfach die Ernteraten erhöht«, fügte Ludwig hinzu. »Das Imperium wird seine Verluste über kurz oder lang wieder ausgleichen und unter Umständen am Ende sogar deutlich stärker dastehen als zuvor.«

    »Sind denn wirklich alle Widerstandsnester ausgelöscht?«, wollte Gareth wissen, der ein leichtes Zittern seiner Stimme nicht unterdrücken konnte.

    »Der überwiegende Teil«, antwortete Michael. »Es gibt noch vier oder fünf Sklavenplaneten, die standhalten. Aber ohne Nachschub, schwere Ausrüstung und Verstärkung werden auch sie über kurz oder lang von den Ashrak überwältigt. Dann richtet sich ihr Augenmerk wieder komplett auf uns und ihre stärksten Kriegsgegner.«

    Gareth nickte. »Die Sekari und die Syall.« Er kratzte sich über das Kinn. »Wie sieht es bei denen aus?«

    Michael machte eine verkniffene Miene. »Geringfügige Gebietsgewinne während der Sklavenaufstände. Sie haben das Chaos für sich genutzt, sind aber militärisch nicht mehr derart stark vertreten, dass sie eine Großoffensive auf die Beine stellen konnten.«

    Gareth schloss die Augen. »War denn alles umsonst, was wir erreicht haben?«

    »Natürlich nicht«, versetzte Michael entschlossen. »Wir sind immer noch hier. Wir haben Schiffe. Wir haben Truppen. Wir halten durch. Ganz einfach.«

    Ris’ril neigte leicht den Kopf zur Seite. »Ich bezweifle, dass die Ashrak das genauso sehen. Man sagt, Cha’acko hat immer noch den Auftrag, uns zu erledigen.«

    Ludwig prustete. »Nach all den Misserfolgen hätte ich angenommen, man würde ihn demnächst an die Wand stellen.«

    Ris’ril schüttelte den Kopf dermaßen stark, dass ihre Dreadlocks wild um ihre Schultern flogen. »Unsere Spione meinen, er konnte der Obrigkeit die Schlacht um die Erde als Sieg verkaufen.«

    »Ziemlich teuer erkaufter Sieg.«

    »Und dennoch ein Sieg.«

    Gareth hob die Hand und unterband damit die Diskussion seiner beiden Mitstreiter. »Sie werden uns ausmanövrieren. Früher oder später. Sie haben wesentlich höhere Verluste als wir. Momentan sechs zu eins, würde ich schätzen. Aber das Imperium und insbesondere die Ashrak verfügen über Reserven, durch die sie sich diese Verlustrate leisten können. Wir nicht. Sie zerren uns aus einem Versteck nach dem anderen, bis keines mehr übrig ist.«

    Gareth konnte nicht verhindern, dass seine fatalistische Haltung sich in seinem Tonfall niederschlug. Aus dem Augenwinkel bemerkte er, wie seine Gegenüber sich besorgte Blick zuwarfen.

    »Die Frage ist: Was tun wir dagegen?«, warf Michael in die Runde. »Der Effekt muss sich irgendwie umkehren lassen.«

    Gareth presste die Lippen derart fest aufeinander, dass sie für einen Moment erschienen wie ein einzelner blutleerer Strich. »Ich muss darüber nachdenken. Wir kommen später wieder zusammen.«

    Gareth wandte sich ab und wollte den Raum verlassen. Ris’rils Stimme hielt ihn zurück. »Brauchst du ein wenig Gesellschaft?«

    Er schüttelte den Kopf, ohne sich umzudrehen. »Im Augenblick muss ich alleine sein. Mir geht zu viel im Kopf herum.«

    Ohne auf eine Antwort zu warten, legte er einen Schritt zu und ließ seine Freunde hinter sich zurück.

    * * *

    Gareth wanderte über eine Stunde lang ziellos durch die kargen, schmucklosen Korridore der ehemaligen Sekaribasis. Die Männer und Frauen verschiedener Spezies, die ihm begegneten, ihn als ihren Anführer grüßten, nahm er kaum wahr. Dass er die Hangars erreichte, bemerkte der Blutläufer erst, als die Geräuschkulisse einer Vielzahl von Technikern, die beschädigte Schiffe reparierten, ihn aus seinen düsteren Gedanken riss.

    Gareth setzte sich auf einige Munitionskisten und beobachtete das rege Treiben eine Weile lang schweigend. Er hatte gar nicht gewusst, wie erholsam es sein konnte, einfach nur dazusitzen und dem An- beziehungsweise Abflug von Schiffen zuzusehen oder wie sie entladen, repariert und aufmunitioniert wurden.

    Wie lange er so dasaß, wusste Gareth am Ende nicht zu sagen. Nach einer Weile gesellte sich Untray zu ihm. Der kleine Kexaxa mit dem gedrungenen Körper und dem halb watschelnden Gang setzte sich ohne Aufforderung neben ihn auf die Kiste.

    Den Menschen verband inzwischen eine tiefe Freundschaft mit dem Knirps. Wenn man die Kexaxa betrachtete, geriet man alsbald in Versuchung, sie zu unterschätzen. Mittlerweile hatte Gareth erkannt, dass dieses Volk jedoch sowohl einzeln wie auch kumulativ über einen enormen Scharfsinn und dank ihres Kollektivgehirns über einen riesigen Schatz an Erfahrung verfügte. Jemand, der die Kexaxa in dringenden Belangen nicht um Rat fragte, war nach Gareths Dafürhalten ein Schwachkopf.

    Die beiden saßen eine Weile schweigend nebeneinander. Gareth nutzte die Gelegenheit, seine Gedanken zu ordnen. Untray sah nach einer gefühlten Ewigkeit zu ihm auf. »Harter Tag?«, fragte er.

    Gareth schmunzelte schmal. »Hartes Leben.«

    Untray stieß ein quietschendes Lachen aus. »Verstehe. Willst du darüber reden?«

    Der Anführer der Blutläuferrebellion seufzte. »Wir verlieren«, erklärte er im Anschluss ohne Umschweife. »Mehr gibt es gar nicht zu sagen. Die Ashrak finden und zerstören einen Stützpunkt um den anderen. Wie es scheint, ist inzwischen auch Delta Blue verloren.«

    Untray schwieg für einen Moment nickend und betrachtete die im Dock vor Anker liegenden Schiffe. »Das deckt sich mit meinen Beobachtungen.«

    Gareth warf ihm einen verwunderten Blick zu. »Wirklich?«

    Der Kexaxa nickte. »Wir können die beschädigten Schiffe nur noch sehr rudimentär wieder einsatzfähig machen. Es fehlt uns an allem, angefangen mit Ersatzteilen bis hin zu Treibstoff für die Jäger. Die Versorgungslage der Rebellion ist momentan richtig mies. Wir Kexaxa reden oft davon, wie es weitergeht. Eine gewisse niedergeschlagene Grundhaltung macht sich breit.«

    »Was sagen deine Leute?«, wollte Gareth wissen und vermied es absichtlich, seinen Gesprächspartner anzusehen.

    »Viele denken, dass der Krieg nicht mehr zu gewinnen ist. Und ihre Zahl wächst. Versteh mich richtig. Sie arbeiten weiterhin für euch und sie tun es gern. Aber viele aus meinem Volk denken, dass sie bald sterben werden.«

    »Hast du Kontakt zum Kollektivgehirn auf deinem Heimatplaneten? Können uns die Kexaxa dort vielleicht irgendwie helfen?«

    »Ich befürchte nein. Seit der Desertion Tausender meines Volkes haben die Ashrak ein besonderes Augenmerk auf uns. Wir halten die Kriegsmaschinerie des Imperiums am Laufen. Die Rod’Or und ihre Helfershelfer brauchen uns. Man wird nicht erlauben, dass noch mehr von uns fliehen, um den Rebellen zu helfen. Es befinden sich derzeit zwei Schlachtschiffe nebst einer Begleitflotte in der Umlaufbahn von Cias, um unsere Loyalität sicherzustellen. Sollte es weitere Desertionen geben, wird eine Vergeltungsaktion die Folge sein. Mein Volk wird das nicht riskieren.«

    Gareth senkte betroffen den Kopf. »Davon hatte ich keine Ahnung.«

    »Ich war der Meinung, du hättest schon genug um die Ohren. Ich wollte dich nicht auch noch damit belasten.«

    Gareth lächelte wehmütig. »Es wird nicht einfacher, nicht wahr?«

    »Nein, wird es nicht«, bestätigte Untray.

    »Die Ashrak spielen ein gefährliches Spiel und die Regeln, die sie aufstellen, gefallen mir ganz und gar nicht.«

    »Dann gib einen Dreck auf die Regeln«, versetzte Untray ungerührt.

    Gareth runzelte die Stirn und warf dem kleinen Kerl einen verwunderten Blick zu. »Wie meinst du das?«

    »Möglicherweise ist das Problem, dass du dir von Cha’acko die Regeln aufdrängen lässt, anstatt deine eigenen für dieses Spiel, wie du es nennst, aufzustellen. Mach dir nicht seine Regeln zu eigen. In diesem Fall verlierst du. Zwing ihm deine auf.«

    Gareths Augenbrauen wanderten beide in die Höhe, als ihm ein Geistesblitz durch den Kopf schoss. »Untray, du bist genial!« Ohne eine weitere Erklärung rutschte Gareth von der Munitionskiste und sprintete derart schnell davon, dass ihm einige Kexaxa und Blutläufer eilig aus dem Weg hüpfen mussten.

    Untray sah ihm ungerührt hinterher. »Sag mir mal was Neues.«

    2

    Cha’acko beobachtete vom Aussichtsdeck seines Flaggschiffes aus mit nicht geringer Genugtuung die Zerstörung einer weiteren Rebellenbasis. Die Luftabwehr aus unzähligen Geschützen war schon vor gut einer Stunde verstummt. Ashrakkampftruppen stürmten die verbliebenen feindlichen Stellungen.

    Die Blutläufer wehrten sich tapfer und kompetent. Das musste man ihnen schon zugestehen. Das war aber auch kein Wunder. Schließlich hatten die Ashrak sie ausgebildet.

    Sein Unmut war dermaßen groß, dass seine Haut sich violett verfärbte. Das Imperium hatte sich seine Dämonen selbst erschaffen. Die Dämonen, die es nun nicht mehr loswurde. Das Wasser im Röhrensystem seiner Rüstung gurgelte aufgeregt, als er Luft hineinblies.

    Bri’anu, Cha’ackos Adjutant, betrat hinter ihm den Raum. Gehorsam wartete er darauf, dass sein Befehlshaber geruhte, ihn zur Kenntnis zu nehmen.

    Cha’ackos Kopf wandte sich minimal zur Seite. »Sprich!«, forderte er den anderen Ashrakoffizier auf.

    »Der Stützpunkt ist gefallen«,

    Enjoying the preview?
    Page 1 of 1