Wenn die Sehkraft nachlässt: Ein problemorientierter Ratgeber für sehbehinderte Menschen, erarbeitet aufgrund der Erfahrungen im Alltag eines Betroffenen
By Ernst Horat
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Eine wichtige Rolle auf dem Weg ins neue Leben spielen die Selbsthilfeorganisationen für blinde und sehbehinderte Menschen. Die Listen mit den www-Adressen der wichtigsten Organisationen in Deutschland, Österreich und der Schweiz. erlauben die Kontaktnahme mit kompetenten Fachleuten, die helfen, von Fall zu Fall massgeschneiderte Problem-Lösungen zu erarbeiten.
Neben sachlichen Aspekten beleuchtet der Ratgeber die emotionalen Belastungen, mit denen Menschen bei einem Verlust an Sehkraft konfrontiert sind. Die positiven Perspektiven, die mit vielen Beispielen aufgezeigt werden, geben Mut, auf die neuen Herausforderungen aktiv zu reagieren und zukunftsbewusst zu handeln.
Neben Informationen zu Fragen, wie der Alltag im Haushalt sehbehinderten-gerecht organisiert oder die Mobilität gewahrt wird, befasst sich der Ratgeber auch einlässlich mit den fantastischen Möglichkeiten, die sich dank der Elektronik eröffnen. So namentlich in der Form von Apps, die als richtige Tausendsassa eine Vielzahl von Diensten leisten, auf die sonst bei einer stärkeren Sehbehinderung verzichtet werden müsste. Eindrücklich ist das Nachwort der blinden Hauskatze Charlie mit der wahren Geschichte über ein Schicksal, das vor allem Tierfreunde, aber auch alle Leser begeistern dürfte, die das Leben als ständige und zugleich spannende Herausforderung verstehen und meistern.
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Book preview
Wenn die Sehkraft nachlässt - Ernst Horat
Einleitung
Wenn die Sehkraft nachlässt, wird vieles aktuell, an das man vorher nie gedacht hat. So namentlich die Beschaffung von Informationen über Probleme, die sich infolge des Verlusts an Sehkraft plötzlich stellen oder zu befürchten sind. Es geht vor allem darum, wie sich die damit verbundenen Herausforderungen bewältigen lassen und - ganz zentral - wie man weiterhin möglichst selbstständig bleibt.
In insgesamt 15 Kapiteln greift der Ratgeber eine Vielzahl von Problemen auf, die Betroffene im Alltag beschäftigen dürften. Die Texte sind aufgrund der Erfahrungen und Beobachtungen des Autors als Betroffener entstanden; sie sind entsprechend persönlich gefärbt und erheben keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit.
Der Ratgeber enthält keine medizinischen Informationen über Augenleiden oder über Brillen. Wer sich darüber informieren möchte, wendet sich am besten an eine augenärztliche Praxis oder an ein Optikergeschäft. Hier wie dort findet man fachkundigen Rat, der im Rahmen dieser Publikation selbst beim besten Willen nicht möglich ist. Die Texte bieten auch kaum Informationen, die erblindeten Personen weiterhelfen; sie sind weit stärker und ganz anders gefordert als Menschen, die noch etwas sehen.
Von besonderem Interesse dürften die am Schluss des Kapitels Beratung - ebenso Individuell wie ganzheitlich
erwähnten Organisationen in Deutschland, Österreich und der Schweiz mit ihren www-Adressen sein. Die aufgeführten Institutionen sind im Rahmen ihrer Zielsetzungen darauf spezialisiert, sich der persönlichen Anliegen und Probleme von betroffenen Personen anzunehmen. Das gilt nicht zuletzt für versicherungsrechtliche Fragen. Um zu klären, auf welche Hilfe und finanzielle Unterstützung Betroffene Anspruch haben, sind persönliche Gespräche unerlässlich. Ein anderer Bereich, der im Ratgeber aus dem gleichen Grund nur grundsätzlich angesprochen wird, betrifft die Probleme, die sich bei der Gestaltung des häuslichen Alltags stellen. Auf die individuellen Bedürfnisse zugeschnittene Lösungen lassen sich ebenfalls am besten im Gespräch mit den Fachleuten der Beratungsstellen oder in den von ihnen betreuten Selbsthilfegruppen finden.
Zum Schluss noch ein Wort zum schweizerischen Hintergrund
des Ratgebers, namentlich der Kapitel über den öffentlichen Verkehr und die Möglichkeiten zur Aus- und Weiterbildung im Themen-Bereich IT. Die Fragen, die sich daraus für Leserinnen und Leser in Deutschland und Österreich ergeben, erlauben meines Erachtens problemlos, die spezifischen Verhältnisse in diesen Ländern aufzuzeigen und zu klären. Sollte das nicht der Fall sein, können die erwähnten Organisationen weiterhelfen.
Sie als Betroffene oder als Angehörige bei der Suche nach optimalen Lösungen zu unterstützen, war mein Anliegen, das mich zum Schreiben dieses Ratgebers motiviert hat. Ich freue mich, wenn ich dazu beitragen kann, die vielfältigen Herausforderungen, die sich sehbehinderten Menschen im Alltag stellen, leichter zu bewältigen.
Ernst Horat
Statt einem Vorwort: Von einem Tag auf den anderen vieles ganz anders
Bei der Vorbereitung dieses Kapitels hatte ich anfänglich geplant, einleitend eine Frage zu stellen. Die Frage nämlich, liebe Leserin, lieber Leser, wie Sie reagieren würden, wenn Sie von einem Tag auf den andern viel schlechter sehen würden. Nachdem ich mir das Ganze überlegt hatte, schien mir ein solcher Einstieg eher problematisch. Selbst wenn ich Sie mit vorsichtig gewählten Worten gefragt hätte, „ob Sie sich das vorstellen könnten", hätte ich Sie wahrscheinlich überfordert. Zudem wollte ich niemanden provozieren oder unnötig alarmieren.
Ein weiterer Grund für meine Zurückhaltung lag bei mir selbst. Je länger ich mir das Thema überlegt und nach dem roten Faden gesucht hatte, desto grösser wurden meine Zweifel in Bezug auf meine Erinnerungen. Hatte sich das Debakel tatsächlich zugetragen, quasi über Nacht, oder täuschte ich mich in diesem zentralen Punkt und vielleicht auch in weiteren wichtigen Einzelheiten. Aber war das überhaupt so wichtig? Ging es letztlich nicht darum, die Krankheit als Prozess zu verstehen, mit dem sich mein Leben drastisch verändert hatte. Der Verlust an Sehkraft war zwar schlagartig erfolgt, viele Veränderungen, die dadurch ausgelöst wurden, jedoch schleichend. Und insgesamt prägend waren die neuen Herausforderungen und Erfahrungen, die sich allmählich ergaben. Zum Glück, denn alles auf einen Klapf wäre wahrscheinlich zu viel gewesen.
Ich mag mich zwar schwach an den Morgen erinnern, als ich erwachte und sehr viel schlechter sah als am Vorabend. Auch an meine fast krampfhaften Versuche, nach der augenärztlichen Standortbestimmung zu verstehen, wie es dazu gekommen war und welche Schäden die beiden Thrombosen im linken Auge bewirkt hatten. Oder wie mich die schicksalhafte Frage nach einem wirksamen Schutz für das rechte Auge beschäftigte. Dieses war wenige Monate vorher wegen des Grünen Stars bereits operiert worden. Mit bloss einem Drittel der normalen Sehkraft hatte ich mir rechts bereits ein massives Handicap eingehandelt. Im Vergleich zum linken Auge, dessen Sehzellen bei den Thrombosen weitgehend zerstört worden waren, war dieser Wert plötzlich unendlich hoch - ein „Geschenk des Himmels", wie der Augenarzt einmal meinte. Ich hatte - so der Befund - Glück im Unglück und konnte nur hoffen, dass die präventiv getroffenen Massnahmen zu seinem Schutz greifen würden.
Das ist bis heute gelungen und stimmt mich zuversichtlich. Vieles, was ich in dieser einen Nacht verloren habe, wurde so relativiert. Und gibt mir das Gefühl, trotz allem ein Glückspilz zu sein, weil ich doch noch sehe, im Vergleich zu Menschen, die das Augenlicht ganz verlieren, viel sogar, ja sehr viel sogar. Damit habe ich allen Grund, dankbar zu sein und mich zu freuen.
Die tiefe Genugtuung, die sich mit dieser Erkenntnis verbindet, ändert allerdings nichts daran, dass die erlittenen Verluste an Lebensqualität einschneidend sind. Und meinen Alltag, ja mein ganzes Leben in mancher Hinsicht auf den Kopf gestellt haben. Das illustrieren die vielen Beispiele und Probleme, die in den folgenden Kapiteln angesprochen werden. Ich bin damit jedoch nicht alleine. Das wird jede Sehbehinderte und jeder Sehbehinderte mit eigenen Erlebnissen und Erfahrungen bestätigen. Unser Alltag ist ein ganz anderer als der Alltag der Leute, die sehen!
Vieles, was ihnen zumeist als selbstverständlich erscheint, wird mit dem Handicap einer Sehbehinderung, von der totalen Erblindung ganz zu schweigen, hinfällig. Oder ist nur noch sehr beschränkt möglich. Dafür ein Beispiel, das die Diskrepanz allein in Bezug auf die Wahrnehmung drastisch dokumentiert. Auf einer Wanderung waren mir die begeisterten Kommentare meiner Kolleginnen und Kollegen über die tolle Fernsicht an diesem Tag aufgefallen. Diese fanden im Bericht des Tourenleiters in folgenden Worten Ausdruck:
„Ganz selten hat man eine so tolle Fernsicht wie heute. Vom Säntis bis in die Berner Alpen, alles."
Für mich war die Realität eine ganz andere. Ich hatte an diesem Tage bloss ein gräulich-schwarzes Band gesehen, das von Osten gegen Westen hinter einem dichten Tüllvorhang versteckt war… Beim Wandern hatte ich zwar durchaus mithalten können. Aber beim Sehen?
Was ebenfalls nicht zu unterschätzen ist: Vieles, das man sich