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Was wäre, wenn Tote wieder auferstünden: Begegnungen
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Was wäre, wenn Tote wieder auferstünden: Begegnungen

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Ehrlich, wer hat sich nicht schon einmal gewünscht, den Tod zu verhindern? Oder Verstorbene wieder zum Leben zu erwecken, sie zu lieben, mit ihnen gemeinsam von vorne anzufangen. Nachholen, was sie versäumt. Gelänge es ihnen, wären sie Jesus, der Einzige, dem es gelang, wieder aufzuerstehen und auch allen Sterblichen ewiges Leben im Jenseits versprach, wenn sie an ihn glauben, seinen Gebote folgen. Auch in anderen Religionen gibt es ein Weiterleben nach dem Tod. Weil Menschen sich wünschen, ewig zu leben?

Mit Sachkenntnis und Fantasie schafft es der Autor, dass wir Toten von 1540 v. Chr. bis heute begegnen.
LanguageDeutsch
Publishertredition
Release dateDec 2, 2020
ISBN9783347208278
Was wäre, wenn Tote wieder auferstünden: Begegnungen
Author

Otto W. Bringer

Otto W. Bringer, 89, vielseitig begabter Autor. Malt, bildhauert, fotografiert, spielt Klavier und schreibt, schreibt. War im Brotberuf Inhaber einer Agentur für Kommunikation. Dozierte an der Akademie für Marketing-Kommunikation in Köln. Freie Stunden genutzt, das Leben in Verse zu gießen. Mit 80 pensioniert und begonnen, Prosa zu schreiben. Sein Schreibstil ist narrativ, "ich erzähle", sagt er. Seine Themen sind die Liebe, alles Schöne dieser Welt. Aber auch der Tod seiner Frau. Bruderkrieg in Palästina. Werteverfall in der Gesellschaft. Die Vergänglichkeit aller Dinge, die wir lieben. Die zwei Seelen in seiner Brust.

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    Book preview

    Was wäre, wenn Tote wieder auferstünden - Otto W. Bringer

    Zuvor meinen Dank,

    dass Sie dieses Buch in die Hand genommen, vielleicht sogar schon gekauft haben. Ein Buch, das offensichtlich allen naturwissenschaftlichen Erkenntnissen zu widersprechen scheint. Auch religiöser Vorstellung, die glaubt, nur die Seele überlebt. Ist es aber nicht so, dass wir Verstorbene als Menschen in Erinnerung haben? Nicht ihre Seele als theologischen Begriff. Sondern Menschen, die wir kannten, ihr Aussehen, ihren Charakter. Oder beim Bücherlesen uns vorstellen. In Filmen und Theater hautnah erleben. Deren Autoren auch nichts anderes beabsichtigten, als Verstorbene lebendig werden zu lassen. Wiederauferstehen, wie ich es nenne. Nichts anderes im Sinn, als ich dieses Buch schrieb. Damit Sie ihnen begegnen, als lebten sie noch. Empathie entwickeln, ihr Tun und Lassen nachvollziehen können. Vor allem aber verstehen, warum sie so handelten, wie sie es getan.

    Vor langer Zeit Verstorbene erzählen uns, wie es damals war. In einer Zeit lebten, die anders war als heute. So anders, dass es schwer fällt, sie uns vorzustellen. Nur wer die Nazizeit selber noch erlebte, weiß es, wünscht sich aber solche Zeiten nie mehr zurück.

    Wir denken an Verstorbene, von denen nur noch Knochen davon zeugen, dass sie waren, was wir heute sind: Menschen aus Fleisch und Blut. In die Welt gesetzt ohne gefragt zu werden. Mit Verstand und Gefühl begabt, gewusst und geglaubt wie wir. Die Welt um sie herum zu begreifen und zu gestalten. Das Leben wie es war, gottergeben zu ertragen. Es zu verändern suchten, war es für sie unerträglich. Gerechtigkeit forderten. Künstler motiviert, die Welt auf ihre Art zu interpretieren. Herrschende sie zu verbessern oder ihre Sicht Untergebenen mit Gewalt aufzuzwingen. Wie würden sie wohl reagieren, begegneten sie uns in unserer Stadt? Vor der Wohnung unter oder neben uns. Auf der Straße, beim Bäcker oder auf dem Postamt?

    In diesem Buch können Sie vergangene Zeiten mit der heutigen vergleichen. Wenn Menschen aus allen Gesellschaftsschichten von damals erzählen. Sich wundern, dass heute alles anders ist als zu ihrer Zeit. Neugierig die einen, Widerspruch von anderen. Wir dagegen lernen Verhältnisse kennen, von denen wir keine Ahnung hatten. Menschen Probleme ausgehalten, die uns Bewunderung abverlangen. Wir hätten längst protestiert. Denn jeder lebt in einer anderen Zeit. Wir halten es für selbstverständlich, frei unsere Meinung zu äußern. Bei Wahlen mitzuentscheiden, wer regieren soll. Einen Beruf ergreifen, der unseren Neigungen entspricht. Heiraten, den oder die wir lieben. Jeden Morgen zu duschen, unseren Körper zu pflegen. Zu frühstücken. Arbeiten gehen und Geld verdienen, mit dem wir uns einiges leisten können, Urlaub oder ein Auto. Die Kinder in einem anderen Land studieren lassen. Am Abend ins Theater oder Kino gehen. Fernsehen, Wein oder Bier trinken, Salzstangen knabbern und Sex miteinander haben. Oder müde ins Bett fallen. Festen Lohn und Krankenversicherung. Viele Festtage im Jahr, einmal mindestens drei Wochen Urlaub am Stück.

    Lassen Sie sich erzählen, wie es vor achtzig oder dreitausend Jahren war und wie es heute ist. Bedenken aber, dass in früheren Jahrhunderten die gesellschaftlichen Verhältnisse sich nur langsam änderten. Menschen gewöhnt an die Kontinuität des Bestehenden und sich angepasst. Im Gegensatz zu heute. Rasanter technischer Fortschritt verändert die Gesellschaft. Zwingt jeden einzelnen Menschen, sich anzupassen. Will er nicht verlieren.

    Noch ein Phänomen unserer Zeit: Alle, die ich fragte, wollten kein Leben führen wie damals. Und doch hin und wieder von rätselhafter Sehnsucht getrieben. Einmal Prinzessin sein, Don Quijote, der Ritter von der traurigen Gestalt. Spider-Man, der gegen das Böse kämpft. Attraktiv und berühmt wie Sofia Loren oder Cary Grant. Schmökern in historischen Romanen. Gehen in Filme, die Vergangenheit in schönsten Farben schildern. Breitwandschinken, in denen Schauspielerinnen und Schauspieler Rollen spielen, die sie gelernt vor ihrem Auftritt. Solange geübt und studiert, bis sie die waren, die den Vorstellungen eines Regisseurs entsprachen. Hauptsache, die Wirkung des Spektakels spült viel Geld in die Kasse. Lebte «Kleopatra» heute, würde sie einen Lachanfall bekommen, sähe sie den Hollywood-Film mit Elizabeth Tayler.

    Anlass für Begegnungen mit Verstorbenen war die Erkenntnis, dass der Tod eine Chance ist. Wissen, es gibt ihn, wie Krankheit, Krieg und Tsunami. Leben wir doch am Abgrund. Corona das aktuelle Beispiel. Nichts kann darüber hinweg täuschen. Versuchen wir ja zu sagen zu Krankheit, Verlust und Tod. Leben ist riskant. Dies zu wissen, nicht verdrängen, weckt neue Kräfte in uns. Lieben das Leben bewusst mit all seinen Facetten. In unserer Fantasie wird lebendig, was nicht mehr existiert: Unberührte Landschaften, ummauerte Städte, das Heilige Römische Reich. Verstorbene stehen wieder auf. Menschen, die wir kannten, andere, die wir gerne kennenlernen möchten. Unsere Liebe wächst, das Verständnis für Eigenheiten und Schwächen. In solchen Momenten dürfen wir glücklich sein, denn Erinnern versöhnt.

    P.S. Sehen Sie mir Fehler in fremdsprachigen Dialogen nach. Versuchte, im Urlaub gelerntes Italienisch und Französisch anzuwenden. Mille Grazie. Merci beaucoup.

    Begegnung mit Butehamun, Schreiber im alten Ägypten

    Lebte etwa von 1460 – 1490 v. Chr. am Hofe Tuthmosis II. in Theben, dem damaligen Regierungssitz des Pharaos. Er war wie viele andere das, was wir heute den Biografen eines Staatsmannes, einer öffentlich bekannten Person nennen würden. Kaiser Karl der Große beschäftigte einen Klosterbruder mit Namen Einhard. Der notierte wie die ägyptischen Schreiber vor ihm alles, was seinen Herrn auszeichnete. Als Kaiser, Schutzherr des Landes und Verteidiger des rechten Glaubens. Heute sind es Schriftsteller oder nahe stehende Personen, die das Leben einer bedeutenden Person erzählen. Um es Zeitgenossen und die Nachwelt wissen zu lassen. In «Die Gräfin» beschreibt Klaus Harpprecht Marion Dönhoff als wortmächtige Anwältin der Versöhnung zwischen Ost und West. Nachdem Stalins Truppen sie und Millionen andere nach Ende des 2. Weltkrieges aus Ostpreußen vertrieben hatten.

    Bis auf wenige sind Biografen der letzten 3000 Jahre nur Historikern bekannt. Freunde der ägyptischen Kunst kennen einige der berühmtesten Schreiber von Pharaonen und hohen Beamten. Statuen, die man in Gräbern fand, zeigen, wie sie aussahen und arbeiteten. Saßen meist an wechselnden Plätzen auf einem Kissen. Die Beine untergeschlagen. Schreibtische mit Drehstühlen wie heute gab es nicht. Sitzen war beim Schreiben praktisch und bequem. Wie buddhistische Mönche im Lotossitz völlig entspannt meditieren. Nicht wenige reisen nach Laos, von Mönchen zu lernen, stundenlang meditierend in dieser Stellung auszuharren.

    Nicht anders bei ägyptischen Schreibern. Auf ihren Oberschenkeln eine Schreibplatte aus Stein oder gebrannter Tonerde. Ausgestattet mit allem, was sie zum Schreiben brauchten. In zwei größeren Löchern die Farben Schwarz und Rot. Ein kleines für das schräg angespitzte Binsenrohr. Tauchten es in Farbe, um zu schreiben. Wie vor dem Buchdruck mit Tinte und Gänsekiel. Vor wenigen Jahrzehnten noch mit Stahlfeder im hölzernen Federhalter. Hieroglyphen sind keine Buchstaben, sondern Zeichen, Symbole. Um sie schreiben und lesen zu können, muss man wissen, dass jedes eine Geschichte erzählt. Bildersprache könnte man es nennen.

    Einmal in Tinte getaucht reichte für ca. zehn Zeichen. Der Text in Schwarz, Wichtiges mit Rot hervorgehoben. Schwarze Farbe nichts anderes als Ruß, von verkohltem Holz oder Kochtöpfen abgeschabt. Rot aus mineralischem Ockerstein.

    Zerrieben zu Pulver und wie Schwarz mit Baumharz und Wasser angerührt.

    Man schrieb meist auf Papyros. Von dem unser Wort Papier abgeleitet ist. Selten auf Steinplatten, die mit Stuck überzogen und glatt geschliffen waren. Das Material für Papyros gewann man aus dem Mark von Binsenhalmen. die reichlich an den Ufern des Nil wuchsen. Auch heute noch wächst. Neugierig geworden?

    Man schnitt das schwammige Mark in Längen von ca. 40 cm aus den dreieckigen Halmen und legte sie dicht nebeneinander aus. Auf eine ebene Fläche aus Holz oder Stein. Klebte sie an den Enden fest. Eine zweite Schicht dann überkreuz darüber ausgelegt. Genässt und gepresst, in der Sonne getrocknet. Zum Schluss sooft abgeschabt, bis die gewünschte Blattstärke erreicht war. In etwa vergleichbar mit Wollstoff, der auf einem Webstuhl aus senkrechten und waagerechten Fäden, Kette und Schuss, verwebt und abschließend glatt gekämmt wird.

    Einzelne dieser ca. 40 mal 32 cm großen Papyrosblätter klebte man aneinander, sodass ein langes Band entstand. Rollte es zusammen, damit der Schreiber die Rolle links neben sich legen konnte. Abwickeln, beschriften, um nach kurzer Trockenzeit die beschrifteten Teile rechts wieder aufzurollen. Man schrieb übrigens von rechts nach links. Wie heute noch bei arabischen Völkern. In senkrechten oder waagerechten Kolumnen. Auch die Tora von Juden in aller Welt ist eine Schriftrolle. Von rechts nach links beschriftet und zu lesen.

    Und nun zu «Butehamun», unserem altägyptischen Schreiber. Eine Sonder-Ausstellung im Hildesheimer «Roemer-Pelizaeus-Museum» will ich mir ansehen. Die eigene Ägyptenreise im Kopf. Gespannt, ob ich wiedersehe, was ich in Kairo und unterwegs entdeckte. Sehe einen Mann im Djellaba. Heute noch von Ägyptern gern getragenes, langes Gewand. Weil jeder Luftzug, jede Bewegung es wehen lässt, den Körper im heißen Klima kühlt. Aus reiner Baumwolle, weit geschnitten Ärmel, das ganze Kleid. Hier im gemäßigten Klima Niedersachsens eigentlich unangebracht. Aber ein Ägyptisches Museum dieser Art verlangt geradezu nach einem Djellaba. Wenn ich es gewusst, hätte ich meinen aus Ägypten mitgenommen und hier rasch übergeworfen.

    Den kurz geschorenen Kopf des Mannes bedeckt ein Fez aus rotem Filz. Nicht, wie ich erinnere, mit einem langen, kunstvoll um den Kopf geschlungenen Schal. Nehme an, er ist ein Ägypter, der von der zurzeit laufenden Sonder-Ausstellung über das Alte Reich erfahren hat. Interessiert vor allem, die berühmte Statue des Schreibers «Heti» zu sehen. Einer von vielen Höhepunkten in dieser Ausstellung. 1850 entdeckt bei Ausgrabungen nahe der Stufen-Pyramide in Saqqara. Sie soll die älteste in ganz Ägypten sein.

    Der Mann betrachtet die Statue des Schreibers «Heti» länger als andere. Der lebte, wie ich las, um 2500 vor Chr. Aus Kalkstein gemeißelt und bemalt. Nur 52 cm hoch, 37 cm breit und 26 cm tief. Klein wie alle figürlichen Grabbeigaben. Eindrucksvoll in der klassischen Haltung. Mit untergeschlagenen Beinen auf einem rechteckigen Sockel. Was mögen dem Mann im Djellaba für Gedanken durch den Kopf gehen? Am besten werde ich ihn auf Englisch fragen. In dieser Sprache verständigt sich die ganze Welt. Er wird sie gelernt oder aufgefrischt haben, bevor er auf Reisen ging.

    „Is this Artwork not wonderfull? Da dreht er sich langsam zu mir herum. Unter hochgezogenen Brauen sein fragender Blick. Provoziere ihn: „Do you come from the country of Tuthmosis? Er schmunzelt, überrascht mich in akzentfreiem Deutsch:

    „Mein Name ist Butehamun. Sprechen Sie, wie Sie es gewohnt sind. Sie müssen einer der Deutschen sein, die sich den Verhältnissen anpassen. Englisch sprechen, um als Mann von Welt zu gelten. Fehlt nur noch, dass Sie einen Djellaba angezogen, um dieses Museum wie ich als Ägypter zu besuchen. Könnten ihn aber nur in einem der vielen Basars gekauft haben. Imitierte Originale, die nur entfernt an unsere erinnern. Der Schnitt ist falsch, sehen Sie hier, meinen kann ich zweimal um den Körper schlingen. Ihrer säße wie angegossen. Kein Raum, den Wind um Ihre Lenden spielen zu lassen. Schätze, Sie lieben die Altägyptische Kunst, sonst wären Sie nicht hier. Deshalb bin ich bereit, mich auf ein Gespräch mit Ihnen einzulassen.

    Dieses Roemer-Pelizaeus-Museum zeigt einige der seltenen Schätze, auch aus dem Alten Reich. Den Schreiber «Heti» habe ich nicht persönlich gekannt, aber gelesen in alten Papyri." Spricht pausenlos weiter, um nicht von mir unterbrochen zu werden:

    „Ich hoffe, Sie haben nichts dagegen, wenn ich Sie in dieser Ausstellung begleite. Ihnen erzähle, was Sie nicht wissen können, ich aber weiß. Auch wenn im Laufe der Jahrtausende die Götter wechselten, Schreiber brauchte jeder Pharao und jeder seiner hohen Beamten. Alles aufzuschreiben, was während ihrer Regierungs- oder Arbeitszeit geschah. Der Nachwelt zu verkünden, was sie anders oder besser gemacht haben."

    Damit hatte ich nicht gerechnet. Soll ich mich ärgern oder wundern, dass er mir in perfektem Deutsch antwortete. Von mir aus können Sie, verehrte Leserin, verehrter Leser auch glauben, es sei von mir so geschrieben, um meine Weisheiten unter die Leute zu bringen. Glauben Sie, was Sie wollen. Eines aber stimmt: Wiederauferstandenen Toten bleibt nichts anderes übrig, als in meiner, also auch Ihrer Sprache zu antworten oder zu fragen. Sonst könnten Sie sich kein Bild von damals machen.

    Butehamuns Stimme klingt angenehm. Nicht zu hart, nicht zu weich, laut genug, dass ich ihn auch hier im dichten Gedränge der Besucher gut verstehe.

    „Salām, verzeihen Sie den heute üblichen muslimischen Friedensgruß der Ägypter. Auch ich habe mich den veränderten Sitten in meinem Land angepasst. Vor allem, um bei fremden Menschen friedliche Absichten zu äußern. Auch wenn ich ihre Begeisterung für den technischen Fortschritt nicht teile. Von Kind an bin ich für alles Natürliche sensibilisiert. Technik ist mir fremd, wenn sie vortäuscht, was nicht ist.

    Hier z. B. sind die Lichter gezielt auf Objekte gerichtet. Sie hervorzuheben, vermute ich. Mir aber erscheint es unnatürlich, aus dem Zusammenhang gerissen, isoliert. Bei uns gehörte alles zusammen. Wir wussten, alles kommt, geht und kommt wieder. Wir nahmen es hin. Tag und Nacht, Jahr um Jahr. Hungerzeiten und reiche Ernten. Heiße und mildere Sommer. Das Frühjahr, wenn der Nil Land und Dörfer überschwemmte. Leben und sterben. Ein Schicksal, das uns an den Ort band, an dem wir geboren. Das Gebirge in einem von Städten weit entfernten Tal, ein heiliger Ort. Gesegnet, seit in seinen Felsengräbern viele unserer Könige auf die Rückkehr ihrer Seelen warten. Auch mein Dienstherr Pharao Thutmosis II."

    „Entschuldigung, dass ich Sie unterbreche. Mir fällt gerade ein, die Mumie Ihres Chefs sah ich im Ägyptischen Museum in Kairo. Wird seine Seele auch in den Körper zurückkehren, wenn er in einem Museum und nicht in seinem Grab liegt?"

    „Alles ist ein Zeichen der Verbundenheit von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Verbunden über alle Grenzen hinweg. Wie Tag und Nacht im Wechsel kommen, an jedem Ort der Welt. Das Bild Verstorbener lebt in uns, wie wir sie kannten. Mit allem Hell und Dunkel. Auch Tuthmosis, dessen Mumie Sie im Kairoer Museum sahen. Selbst arme Leute mumifizierten ihre Toten, wenn auch nicht so aufwendig wie Könige. Balsamierten sie, stellten frisches Essen ins Grab. Damit sie lange ansehnlich blieben und ihre Seele sie bei ihrer Rückkehr wiedererkennt. Egal, wo sie sich befanden. Heute zeigt man Mumien in Museen einer größeren Öffentlichkeit. Sicher aber wird ihre Seele, das eigentliche Sein, auch dort in ihren Körper finden.

    Wir glauben, dass die Seele des Menschen nicht stirbt. So wie wir glauben, Tag und Nacht werden nicht aufhören, sich abzuwechseln. Wie alle hatte ich mich an beides gewöhnt. Spürte eine innere Kraft bei hellem Tageslicht. Konnte meinen Beruf ausüben, sehen und kontrollieren, was ich schrieb. Den Kontrast von Schwarz auf Weiß erkennen. Bis in die feinsten Verästelungen unserer Schrift. Der französische Schrift-Experte Jean François Champollion, der sie entzifferte, nannte sie «Hieroglyphen»: Heilige Zeichen. In der Nacht konnte ich mich ausruhen, schlafen und mich völlig entspannen. Kräfte sammeln für den nächsten Tag."

    „Hatten Sie nie Lust, nachts weiter zu schreiben? Keine Öllampen, damit es hell genug ist? Meine produktive Phase beginnt erst am Abend, wenn die Hektik des Tages vorbei und Ruhe eingekehrt ist."

    „Die Götter schufen Tag und Nacht, damit Menschen ihr Leben danach ausrichten. Nur im Einklang mit der Natur können wir glücklich sein. Helles Tageslicht ermöglichte zu schreiben. In dunklen Nächten schlief ich meist traumlos. Um die Mittagszeit schützte ich meine Augen vor grellem Sonnenlicht. Schrieb im Schatten einer Binsenmatte. Damit mich die weiße Schriftrolle nicht blendete und meine Augen sich entzündeten.

    Aus demselben Grund schminkten wir Augenwimpern und Brauen mit einer speziellen Paste, die uns im heißen Klima vor einer weit verbreiteten Augenkrankheit schützte. Mit Holzstäbchen oder Pinsel aufgetragen. Sie, verehrter Herr, haben sicher aus gutem Grund darauf verzichtet, ihre Augenwimpern und Brauen bis zu den Schläfen zu betonen wie ich. Sie hätten wie ein Zirkusclown ausgesehen. Ich schminkte mich aus alter Gewohnheit, auch wenn es morgens eine halbe Stunde dauert. Außerdem betrachte ich mich als lebendigen Teil dieser Ausstellung."

    Was soll ich darauf sagen? Mich rechtfertigen, ein Europäer zu sein? Zugeben, dass ich meinen eigenen Rhythmus habe? Ägyptische Kunst liebe? Ja, ich habe als Tourist mit meiner Frau vor etlichen Jahren den Khan el-Chalili-Bazar in der Altstadt von Kairo besucht. Mir einen Djellaba anmessen lassen und zwei silberne Teelöffel gekauft. An ihrem Griff ein Skarabäus. Käfer, die sich im Schlamm des im Frühjahr über die Ufer getretenen Nils millionenfach vermehren. Verehrt deshalb als Symbol der Fruchtbarkeit. In überdimensionalen steinernen Skulpturen verewigt. Butehamun wartete höflich, als er mich nachdenklich sah. Fährt fort wie ein Dozent:

    „Sie sehen vor sich die Skulptur des Ägyptischen Schreibers Heti. Man fand sie in der Nekropole Deir el-Bahari, nördlich der Stadt Theben. Dort wurden, außer Pharaonen und nahen Verwandten, auch hohe Beamte beerdigt. In getrennten Grabkammern. Schauen Sie genau hin, die Bemalung des Körpers fast noch erhalten. Von der Sonne gebräunt wie alle Menschen auf dem afrikanischen Kontinent. Sie sehen einen muskulösen Mann vor sich. Die Brustwarzen mit kleinen Holzstäben betont. Seine Augen schauen nicht auf die Papyrus-Rolle, sondern geradeaus. Als beobachte er alles, was in der Grabkammer geschieht, das Essen pünktlich kommt. Mit der linken Hand hält er die Schriftrolle, in der Rechten das Schreibgerät. Die angespitzte Binse abgebrochen und verloren gegangen. Als man schon früh begann, in der Nekropole nach Überbleibseln zu suchen."

    „Als wir Saqqara besuchten, konnten wir die berühmte Stufenpyramide nur von weitem sehen. Das Gelände rundum abgesperrt. Man sagte uns, Archäologen graben dort nach Knochenresten. Wissen Sie, was das bedeutet? Und wer war der Pharao, der sie bauen ließ."

    „König «Djoser» war der Bauherr damals. Erste aus Steinen gebaute Grabstätte eines Königs überhaupt. Bis dato meist in Felsengräbern bestattet. Djoser auch der erste, den man Pharao nannte. Aus Per aa = Königspalast abgeleitete Bezeichnung. Er vereinigte Ober- und Unterägypten zu einem Reich. Und führte den Sonnenkult ein. Das Bauwerk, 66 Meter hoch, ein Symbol für die Verschmelzung von Erde und Himmel, König und Ewigkeit. Erbaut zwischen 2600 und 2350 vor christlicher Zeitrechnung.

    Nahe der Pyramide fanden Archäologen Reste von Stierknochen. Nur hier im Raum um die Stadt Memphis wurde Apis, der Stier als Gott verehrt. Gehörnte Kraftbullen weideten oberhalb der Begräbnisstätte, nachts versorgt in Ställen. Wie in Europa Kühe und Ziegen. Fütterte und pflegte sie, bis sie starben. Einbalsamiert und begraben und mit Nahrung versorgt wie ein Mensch. Damit sie ansehnlich bleiben und ihre Seele in den Leib zurückkehrt, nachdem sie ihn wiedererkannt."

    „Vor unserer Ägyptenreise las ich eine Broschüre über Sen-nefer, hoch geachteter Bürgermeister von Theben unter Amenophis II. Mit Bildern von Wand-Fresken und Grabbeigaben in seiner unterirdischen Grabkammer. Auch über das Weiterleben der Seele nach dem Tod einiges gelesen. Fotos von Gefäßen am Boden, Zeichnungen auf Wänden des Grabes von Sen-nefer gesehen. Gelernt, was ich nicht wusste. Man legte Verstorbenen regelmäßig frische Nahrung ins Grab. Wein oder Bier, je nach Vorlieben. Blumen, Augen und Herz zu erfreuen. Königen Requisiten ihrer Macht, ihren Thronsessel, Streitwagen und Diener. Bei Christen ist es die Lieblingsblume von Verstorbenen, die man ins noch offene Grab wirft.

    Den Sarg mit Rose, meiner Frau, ließ ich in einen Hochzeitsschleier hüllen und 150 weiße Rosen hineinstecken. Sie sind derweil verwelkt, der Leib zu Staub zerfallen. Aber in meinen Gedanken lebt sie weiter, solange ich lebe. Könnte ich glauben wie Sie, dass die Seele wieder in unseren Leib zurückkehrt. Wir würden uns lieben bis in alle Ewigkeit."

    Butehamun sieht mich an. Lange, ohne ein Wort zu sagen. Muss mich zwingen, seinem Blick standzuhalten. Endlich das erlösende Wort:

    „Sie wissen also, dass Ägypter seit Jahrtausenden glauben, «KA», ihre Seele, ist unsterblich. Lange schon, bevor Ihre Kirche die Unsterblichkeit der Seele verkündigte. Aber nicht wie bei uns, in den Körper

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