Schatzhaus China-Apotheke: Einstieg in die HeilKräuterKunde der TCM
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About this ebook
Die Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) hat aber ein Rezept zur Lösung des Problems. Das Rezept heißt: Gesund alt werden.
Darum geht es nämlich der TCM: Gesundes Altwerden leicht machen.
Herzstück der TCM ist ihre über Jahrtausende erprobte und perfektionierte Heilkräuterkunde.
Das reich bebilderte Buch mit kulturgeschichtlicher Note entfaltet anhand von zahlreichen Parade-Beispielen pflanzlicher Heilmittel (die bei uns erhältlich sind) das "Kleine Einmaleins" der ausgereiften TCM-Pflanzenheilkunde.
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Schatzhaus China-Apotheke - Ernst Stürmer
I.
FUNDAMENT
Im Reich von Yin und Yang
Der freie Fluss des „Tschi"
Im Westen denken wir bei Traditioneller Chinesischer Medizin gewöhnlich zuerst an Akupunktur. In der Volksrepublik werden aber in der TCM nur 10% aller Erkrankungen mit Akupunktur (Nadelbehandlung), 5% mit Tuina (Massage) und Qigong (Bewegungs- und Atmungstherapie) behandelt, aber 85% (!!!) mit Arzneimitteln.
Als der Autor in seinem Wiener Reisebüro einmal ein Flugticket nach Kunming bestellte, fragte der Chef, ein Chinese: „Ah, Sie gehen Kräuter sammeln?" Denn die Provinz Yunnan wird der Kräutergarten Chinas
und deren Hauptstadt Kunming die Apotheke Chinas
genannt. Für die Chinesen ist Yunnan bzw. Kunming das Mekka der Heilkunde. Sie pilgern sogar aus dem fernen Peking oder Hongkong und aus Übersee hierher, um Heilmittel und Heilwissen zu erwerben.
Für Freunde der chinesischen Apotheke und Arzneimitteltherapie lohnt sich also ein Ausflug nach Kunming.
Das traditionsreiche Kunming, im 13. Jahrhundert schon von Marco Polo besucht, ist längst ein Magnet des Fremdenverkehrs, gepriesen als „Stadt des ewigen Frühlings, auf 2000 m Höhe eingebettet in eine wilde Natur. Die unterhalb des tibetischen Plateaus liegende Provinz Yunnan, deren Herz Kunming ist, kultiviert mehr als die Hälfte der Kräuter der Volksrepublik und verdient den Ehrennamen „Königreich der Blumen
.
Kunming/Yunnan ist ein idealer Platz, um sich in die Geheimnisse der chinesischen Naturmedizin einweihen zu lassen, die in unseren Breiten mittlerweile boomt. Schon in uralten Zeiten war Yunnan das Goldland der Heilpflanzen, das dank seiner günstigen Boden- und Wetterbedingungen einzigartige Pflanzenarten hervorbringt.
Heute ist Yunnan Tummelplatz chinesischer, europäischer und amerikanischer Forscher, die Heilpflanzenwissen für die moderne Medizin erschließen. Dr. Caroline Weckerle, Ethnobotanikerin der Universität Zürich, bestätigt: „Yunnan gilt aufgrund seiner großen Biodiversität als Hotspot der Naturstoffforschung."
Wer sich für die Entstehung, Entwicklung und Anwendung des chinesischen Heilmittelwesens interessiert, wird in Kunming bzw. Yunnan reichlich fündig.
Wir greifen drei Schwerpunkte heraus: (1) den Heilmittelmarkt, (2) die älteste und schönste Apotheke und (3) einen Garten der Medizinalkräuter.
Mehr als getrocknete Chrysanthemen
1. Heilmittelmarkt
Sich an der Hotelrezeption den „Medicinal Herbs Market in Juhua Cun, Dongjiao Rd. in chinesischen Schrifteichen aufschreiben zu lassen und den Zettel einem Taxichauffeur auszuhändigen, ist die einfachste Weise, ans Ziel zu kommen. Wer es abenteuerlicher will, benutzt vom Stadtzentrum aus die Autobuslinie 5 oder 11 bis Dong Zhan (jeweils Endstation) und steigt dort in den Bus 12 um ― bis „Juhua Cun
.
Der Name Juhua Cun bedeutet auf Deutsch: „Dorf der getrockneten Chrysanthemenblüten", ein würdiger Name für das Reich der gesunderhaltenden und heilenden Wurzeln, Stängel, Rinden, Samen, Früchte, Blätter und Blüten, die auf dem berühmten Medizinalmarkt feilgeboten werden.
Selbstbedienung auf dem Heilmittelmarkt in Kunming: Der Knirps „testet" Tian Ma (Gastrodia Elata).
Leidet er an Nervenschwäche oder Rheuma oder schon an seniler Demenz?
Der Arzneimittelgroßmarkt, von dem die lokalen Apotheken sackweise ihre Waren beziehen, beliefert zudem einheimische chinesische wie internationale Märkte.
Der weltweite Export der renommierten Yunnan-Arzneien bringt der Volksrepublik wertvolle Devisen. Doch nicht nur Apotheker und Händler sind auf Kunmings Heilmittelumschlagplatz willkommen, sondern ebenso Privatkunden.
Wie viele von den rund 7000 gegenwärtig in der TCM gebräuchlichen Heilmitteln pflanzlicher, tierischer oder mineralischer Herkunft auf dem Markt von Juhua Village präsentiert werden, hat noch niemand gezählt, aber auf die Besucher wartet ein riesiges Arsenal an Mitteln zur Regulierung der Verdauung und des Blutdrucks, zur Stärkung der Lunge oder der Leber, zur Steigerung der Potenz, zur Stillung von Blutungen usw.
Dubioses und Seriöses
Ein chinesischer Heilmittelmarkt ist auch ein Kuriositätenkabinett mit skurrilen und dubiosen Rezepten aus der traditionellen Volksmedizin wie geriebene Schildkrötenpanzer zur Stärkung der Muskeln, gestößelte Tausendfüßler zur Linderung von Rheuma oder pulverisiertes Hirschgeweih gegen Lungenkrankheiten. Denn auf den Medizinmärkten des Fernen Ostens und der Chinatowns rund um die Welt herrscht wie eh und je rege Nachfrage nach getrockneten Seepferdchen, Bärengallen, Antilopenhörnern, Nashornsalben oder Tigerknochen.
Grässliche, aber alltägliche Marktszene: der Händler hängt eine lebende Schlange an einen Haken, schneidet dem Tier den Bauch auf und „melkt" das Blut in ein Trinkglas. Dazu einen Tropfen Schlangengalle, und fertig ist der Cocktail für Manager und Bürochefs zur Steigerung ihrer Manneskraft.
Die Verarbeitung von Millionen und Abermillionen Wildtieren zu Pulvern, Salben und Tinkturen ist schockierend, weil sie die einfachsten Regeln der Tierliebe und des Naturschutzes sträflich missachtet und das internationale Artenschutzabkommen ignoriert. Neben den obskuren Präparaten werden auf dem Juhua-Heilmittelmarkt aber massenhaft seriöse, wertvolle und wohlerprobte Grundstoffe der traditionellen Medizin für jede Geldbörse und jeden Zweck offeriert, speziell Samen, Wurzeln, Rinden, Blätter, Blüten, Früchte ― und Pilze.
Klarstellung: Die bei uns im Westen angewandten Rezepte aus der chinesischen Apotheke schließen grundsätzlich obskure oder den Artenschutz verletzende Präparate aus.
Im Zeichen des Flaschenkürbis
2. Traditionelle Apotheken
Die Vorläufer der chinesischen Apotheker waren Arzneienhändler, die neben dem Portal ihres Ladens einen Flaschenkürbis als Erkennungssymbol aufhängten. Solche Heilkundige, die im Zeichen der Kalebasse Krankheiten diagnostizierten und Medikamente verkauften, gab es schon in der Han-Dynastie in den ersten Jahrhunderten nach Christus.
In Kunming gibt es ein Apothekenviertel und zahlreiche Apotheken und Kräuterhandlungen in allen Stadtteilen. Die modernen Apotheken und die Warenhäuser haben zumindest eine Abteilung für traditionelle Medizin.
In der typischen altertümlichen TCM-Apotheke, deren Eingang mit Holzschnitzereien verziert ist, liegt der Duft der Kräuter in der Luft. Nicht die Pharma-Industrie empfängt uns im Laden ― und nicht die Medizinalchemie, sondern die Natur. Reihen um Reihen hölzerner Schubladen sowie Keramikgefäße, Glasflaschen und Tiegel bergen die Naturschätze.
Der traditionelle Apotheker braucht nur wenige technische Hilfsmittel und Handwerkzeuge, wenn er die Rohdrogen pharmazeutisch aufbereitet: eine Trocknungsvorrichtung, den Abakus (antikes Rechenbrett), primitive Waagen, Schneidemesser und Mörser.
Stammkunde in der Apotheke
Die Kunden können dem Apotheker auf die Finger schauen, wenn er die vom Arzt verschriebene Arznei auf einem altgedienten Tisch zubereitet: die Pillen, Salben, Tränke, Pulver und dergleichen. Er schneidet die Zutaten in Scheiben oder er pulverisiert sie. Pillen dreht er händisch, nachdem er die einzelnen Bestandteile zu feinem Pulver vermahlen und Bindemittel wie Honig oder Bienenwachs beigefügt hat. Für Arzneisäfte presst er frisch Kräuter unter Beimengung von etwas Wasser aus. Um medizinischen Wein zu erzeugen, werden die Substanzen zerkleinert und in einem Steingutgefäß in starken Alkohol eingelegt.
Im Allgemeinen werden in einer traditionellen Apotheke persönliche Medikamente verabreicht. Denn der untersuchende TCM-Arzt stellt ein individuelles Rezept aus, welches das Alter, das Geschlecht, die Körpergröße, die Verfassung, das Lebensmilieu und andere Einflussfaktoren des Patienten berücksichtigt. Westliche Medikamente werden nach feststehenden Formeln erzeugt, als ob es das Einheitsmodell Mensch gäbe. In der TCM wird jeder Patient als Unikat betrachtet.
Die TCM liebt das maßgeschneiderte Heilmittel, abgestimmt auf die individuellen Bedürfnisse jedes einzelnen Patienten. In der Regel wird ein chinesisches Rezept aus 4 bis 24 Stoffen komponiert.
Die Komponenten einer Rezeptur sind die > Kaiser- oder Herrscher-Arznei, die > Minister-Arzneien, die > Polizisten-Arzneien und die > Botschafter-Arzneien.
Der „Kaiser" ist die Hauptarznei: sie bekämpft die Hauptursache der Krankheit.
Die „Minister" assistieren dem Kaiser und unterstützen bzw. verstärken das imperiale Kraut.
Die „Polizisten" (Assistenten, Adjutanten) sind Hilfsarzneien, die u.a. unerwünschte Nebenwirkungen korrigieren, also z.B. die überschießende Wirkung einer Rezeptur verhindern oder vermindern.
Die „Botschafter" fungieren als Vermittler. Sie lenken die Wirkrichtung auf die gewünschten Energieleitbahnen und Organe.
Freilich werden auch in der traditionellen chinesischen Apotheke vorgefertigte Medikamente verkauft ― und das schon 7 Jahrhunderte früher als in Europa.
Li Tieguai, einer der 8 Unsterblichen der daoistischen Mythologie, ist der Schutzpatron der Apotheken. Dargestellt wird er in der Regel mit einer eisernen Krücke
Ein Verkaufsschlager heutzutage ist z.B. das „Yunnan bai yao", ein Mehrzweckmedikament. Der Hauptbestandteil des aus über 100 Arten von Kräutern zusammengesetzten Volksheilmittels ist Sanqi (Notoginseng), ein Kraut, das wir S. 281 vorstellen.
Die getrocknete Sanqi-Wurzel ist die Grundsubstanz des Bestsellers „Yunnan bai yao", ein Produkt, das zur Standardausrüstung der chinesischen Spitzensportler gehört und den Bewegungsapparat mit seinen Gelenken, Muskeln, Sehnen und Bändern fit hält. Es wird vor allem gegen Blutungen, Quetschungen, Verstauchungen, Prellungen, Zerrungen, Schwellungen, Risse und Abnützungen eingesetzt.
Fu Lin Tang
Im Unterschied zu einer westlichen Apotheke beschäftigt eine alte chinesische Apotheke Ärzte als Angestellte. Jeder Kunde kann also in der Apotheke einen Arzt konsultieren, dessen Verschreibung gleich an Ort und Stelle besorgt werden kann.
Für ausländische Besucher ist eine ärztliche Untersuchung und Beratung durch Sprachbarrieren erschwert, denn nur wenige Ärzte der traditionellen Medizin beherrschen Englisch und wohl kaum einer Deutsch.
Ein Muss für TCM-Interessenten ist der Besuch der ältesten und schönsten Apotheke Kunmings: „Fu Lin Tang". Das geschichtsträchtige Holzgebäude in der Altstadt Kunmings ist im eleganten Baustil der Ming- und Qing-Dynastie errichtet.
In 3 Etagen, die durch enge knarrende Holztreppen verbunden sind, entfaltet sich anschaulich das traditionelle Apothekenwesen Chinas. Die untere Etage ist der Verkaufsraum mit reichhaltigem Angebot. Die mittlere Etage ist der Arbeitsraum, wo in Holzschubladen an die 300 verschiedene Grundstoffe lagern, die ― sortiert und gewogen ― nach uralten Rezepten fachmännisch zu Arzneien vermischt werden. Keine am Fließband erzeugten chemischen Hämmer mit schneller Wirkung streben die traditionellen Apotheker an, sondern in langwierigen Prozessen hergestellte Medikamente, die in wochen- und monatelanger Therapie ihre nachhaltige Wirkung erzielen, abführend, vitalitätsfördernd, schmerzstillend, entzündungshemmend, keimtötend, libidosteigernd oder schweißtreibend, eben den jeweiligen Bedürfnissen und Beschwerden eines Patienten entsprechend.
Die Tradition der Kräuterheilkunde hat in China drei Methoden entwickelt, die Heilpflanzen aufzubereiten: mittels Feuer, mittels Wasser und ― die kombinierte Methode ― mittels Feuer und Wasser.
Die Feuer-Methode besteht im Trocknen, Dörren, Bräunen, Rösten, Braten, Absengen und Verbrennen (in der Moxibustion); die Wassermethode im Anfeuchten, Einweichen und Ausziehen durch Alkohol; die Feuer+Wasser-Methode im Dämpfen, Destillieren und Abkochen.
Die Abkochung ist in der Regel die Methode der Methoden, einerseits um Giftstoffe unschädlich zu machen und anderseits um Heilstoffe zu extrahieren.
Die obere Etage der „historischen Apotheke dient als Büro, das aber nicht mehr mit dem archaischen Rechenbrett, sondern mit modernen Computern arbeitet. Kunmings und Yunnans älteste Apotheke „Fu Lin Tang
kommt nicht ohne digitale Buchhaltung aus, denn mittlerweile ist das 1857 als Familienbetrieb gegründete Unternehmen das Herzstück einer großen Apothekenkette mit über 100 Niederlassungen in Peking, Shanghai und in ganz China. Bilder an der Wand des Stammhauses zeigen die wechselhafte Geschichte der Musterapotheke mit ihren Höhen und Tiefen.
Aus den rund 7000 verfügbaren Arzneimitteln (pflanzliche, mineralische und tierische Stoffe) sind nur 600 bis 800 im praktischen ärztlichen Einsatz.
Die bevorzugten Darreichungsformen der chinesischen Apothekerwaren sind: 1. das Dekokt (die Rezeptbestandteile werden in kaltem Wasser eingeweicht und abgekocht) und 2. Granulate (Extrakte aus Rohdrogen in pulverförmigem Zustand: sie müssen nicht mehr gekocht werden, sondern können mit Wasser vermischt eingenommen werden).
Li Shizhen mit Grabwerkzeug vor dem Medicinal Herb Garden
Paradies am Stadtrand
3. Garten der Medizinalkräuter (Medicinal Herb Garden)
Auf dem weitläufigen EXPO-Gelände (wo 1999 die 14. Welt-Gartenausstellung stattgefunden hat) wurde inzwischen ein beispielhafter Medizinalpflanzen-Garten angelegt, in welchem zirka 500 Gattungen hochwertiger Heilkräuter kultiviert werden. Der Weltgartenpark am Stadtrand ist nur 4 km vom Zentrum Kunmings entfernt. Ausstellungen auf dem Areal informieren über die Entstehung und Entwicklung der chinesischen Kräuterheilkunde und die Anwendung der Arzneien.
Gleich am Eingang des Medicinal Herb Garden wird der Besucher von der Statue des berühmtesten Kräutersammlers Chinas, Li Shizhen (1518-1593), empfangen. Der Arzt und Pharmazeut Li Shizhen wurde vom Volk zum Medizinkönig befördert, dem bis heute Tempelkult erwiesen wird. Er hat in lebenslanger Arbeit sein 1590 veröffentlichtes „Bencao gangmu" (Enzyklopädie der Arzneien) geschaffen: das epochemachende und monumentale Standardwerk der altchinesischen Medikamente.
Li Shizhen beschreibt in seinem Lehrbuch nicht weniger als 1892 medizinische Pflanzen.
(Heute lässt sich die TCM natürlich von der modernen Naturwissenschaft bereichern und orientiert sich an der jeweils aktuellen Auflage der chinesischen Pharmakopöe, dem offiziellen Kompendium für Arzneimittel, das die Standard-Heilpflanzen nach dem neusten Stand der Forschung beschreibt.)
Galerien mit Schaubildern im Kunminger Garten der Medizinalkräuter bieten Einblicke in die TCM. Live erleben können die Gäste, wie die Heilpflanzen sorgfältig angebaut, gezupft, gesammelt, sortiert, gewaschen, getrocknet und gelagert werden.
Ein Blickfang im Garten der Medizinalkräuter ist der Pu-Erh-Tee (darüber S. 123 ff), Wenn ein Chinese „Kunming" hört, denkt er an Pu-Erh-Tee, wenn er Pu-Erh-Tee hört, denkt er an Kunming.
Experten und Senioren
Studenten der Traditionellen Chinesischen Medizin der Universitäten Guangzhou und Hongkong sowie anderer Lehranstalten besuchen regelmäßig den Kunminger Medicinal Herb Garden zu Forschungszwecken.
Zu den Stammgästen gehören ferner Experten und Kapazitäten aus China und aus der ganzen Welt, die sich dem Studium der einzigartigen Wildpflanzen und der seltenen Kräuter widmen und auf der Suche nach Wirkstoffen gegen Krebs, Demenz und anderen Zeitübeln sind.
Man muss aber kein Wissenschaftler sein, um vom Garten der Medizinalkräuter zu profitieren. „Der Garten ist ein Hort des Wohlbefindens für die Kunminger, erklärt Yang Ruoli, die Verantwortliche des Heilkräutergartens. „Viele Senioren kommen jeden Tag zuerst in unseren Heilkräutergarten, bevor sie im Park Sport treiben. Sie erfrischen sich am Geruch im Heilkräutergarten. Nach dem Sport kehren sie in den Heilkräutergarten zurück, um den erfrischenden Duft noch einmal einzuatmen. Danach haben sie Appetit und können gut schlafen.
Nadelstecherei und Kneifen
➜Wir erinnern uns: Heute werden in der Volksrepublik China 85% aller Erkrankungen mit Arznei- und Lebensmitteln behandelt, 10% mit Akupunktur und 5% mit Tuina (Massage) und Qigong (Bewegungstherapie).
~ Akupunktur: Den Namen Akupunktur (lateinisches Wort für „Nadelstecherei") haben katholische Missionare geprägt, als sie im 17. Jahrhundert in China der uralten Kunst der heilkundlichen Nadelung begegnet sind. Bei der Akupunktur werden spezielle Körperpunkte ― es gibt 361 klassische Punkte und rund 1000 Extrapunkte auf der Haut ― mit feinen Nadeln gereizt, um den Energiefluss im menschlichen Organismus zu regulieren. Laut Weltgesundheitsorganisation WHO wirkt Akupunktur namentlich bei neurologischen Krankheiten (z.B. Hexenschuss und Migräne), orthopädischen Erkrankungen (Rückenschmerzen, Arthritis, Arthrose, Rheuma etc.), Hautkrankheiten (Ekzem), Allergien (Heuschnupfen), inneren Erkrankungen (wie Asthma, Bronchitis, Bluthochdruck, Gicht), Magen- und Darmerkrankungen (Verstopfung, Durchfall, Gastritis) und Schmerzen aller Art.
~ Tuina: Die Tuina genannte manuelle Technik der Traditionellen Chinesischen Medizin bedient sich der Massage- und Manipulationstechniken des Schiebens, Pressens, Knetens, Klopfens, Kneifens, Trommelns, Rollens, Reibens, Dehnens und Zwirbelns, um blockierte Leitbahnen der Lebensenergie durchlässig zu machen und den Energiekreislauf zu kräftigen. Die bewährte Heildisziplin Tuina hilft nicht nur bei Erkrankungen des Bewegungsapparates (Muskeln, Sehnen, Gelenke, Nervenbahnen), sondern ebenso bei grippalen Infekten, Husten, Schlafproblemen und Störungen der Ausscheidungsorgane.
~ Qigong heißt „Energie-Arbeit und ist eine chinesische Kunst der Gesunderhaltung und Lebensverlängerung. Qigong besteht aus einer Reihe von sanften meditativen Bewegungsabläufen, verbunden mit Atemübungen, die den Energiefluss im Körper harmonisieren und dadurch das Allgemeinbefinden stärken und der Krankheit entgegenwirken. Der Qigong-Praktikant erspürt durch Konzentration die Lebensenergie in seinem Körper, aktiviert sie, bewegt sie und lenkt sie in die von der Krankheit befallene Körperregion. Die geistig-körperlichen Übungen versprechen als Langzeitwirkung „die Geschmeidigkeit eines Kindes, die Gesundheit eines Holzfällers und die Gelassenheit eines Weisen
.
Ob Akupunktur, Tuina, Qigong ― oder eben Kräuteranwendung: verschieden sind nur die Wege, das Ziel ist ein und dasselbe: der freie Fluss des Qi. Das Qi muss fließen: das ist der Schlüssel zur Gesundheit in der TCM.
Wurzel des Lebens: Qi
Qi (sprich Tschi): das ist die kosmische Energie im Universum und die Lebenskraft im Menschen. Qi ist die allwirksame Urkraft, die die ganze Schöpfung durchpulst, weltengebärend und alles Leben tragend.
Die Chinesen unterscheiden 2 Qualitäten der Einheitskraft Qi: Yin mit negativer Ladung und Yang mit positiver Ladung. Die beiden polaren ― gegensätzlichen ― Kräfte ergänzen einander. Das ununterbrochene Zusammenspiel des vollendeten, ruhenden und festen Yin und des aktiven, bewegenden und sich entfaltenden Yang bestimmt alle Vorgänge im Mikro- und im Makrokosmos: alle Lebensabläufe und alle Naturerscheinungen des Himmels und der Erde.
Jede ärztliche Behandlung hat das Ziel: den freien Fluss des Qi im Menschen zu gewährleisten und die Yin- und Yang-Aktivitäten im Organismus in Einklang zu bringen. Die tausenderlei Beschwerden und Leiden der Schulmedizin haben in der TCM im Grunde also nur einen einzigen Namen: Qi-Störung.
Krank werden wir also nicht, weil ein Organ versagt. Das Organ ist hingegen das Opfer der Krankheit: nämlich des Versagens des Energiekreislaufs.
Im Menschen zirkuliert die Lebensenergie rhythmisch in einem Geflecht von Leitbahnen (= Meridianen), die wie ein Kanalsystem alle Bereiche des Körpers miteinander vernetzen. Neben den 12 Yin bzw. Yang zugeordneten Hauptmeridianen und 2 auf der Mittellinie der Körperhinterseite und der Körpervorderseite gelegenen Meridianen gibt es noch eine Vielzahl kleinerer Energieleitbahnen. Die Energieleitungen verteilen das Qi, das alle Organe versorgt und jede Zelle durchdringt.
Die Energiekanäle, durch die das Qi fließt, sind meist nach Organen benannt, die wir aus der westlichen Medizin bzw. Anatomie kennen: Herz, Lunge, Leber, Nieren, Milz, Dünndarm, Dickdarm, Gallenblase, Harnblase oder Magen.
Die Chinesen verstehen darunter aber nicht nur die physischen Organe, sondern die vitalen Funktionen, die sie den betreffenden Organen zuschreiben. Die chinesischen Funktionskreise von Herz, Lunge, Leber und Co. sind wesentlich umfassender als die von der Schulmedizin angenommenen Zuständigkeitsbereiche. Sie sind organübergreifende Netzwerke. Die TCM interessiert sich eben mehr für Funktionen und Prozesse als für Strukturen.
Nur drei beliebige Beispiele:
> Das „Herz" ist in der TCM mehr als eine Blutpumpe. Es ist u.a. noch zuständig für Gedächtnis, Kreativität,