Das Geheimnis des Feenreiches
Von Susanne Balazs
()
Über dieses E-Book
Ähnlich wie Das Geheimnis des Feenreiches
Ähnliche E-Books
Das Kind eines Dämons Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDorfland Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenNest im Kopf Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenSeraphina Bewertung: 0 von 5 Sternen0 Bewertungen5 Mal Liebe: Die Suche nach der Liebe auf den ersten Blick Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDie Vorbotin: Teil II: Entstehung einer neuen Welt Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenBärbels Abenteuer Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenAm Rand: Geschichten aus St. Gallen und anderswo Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenWer in der Liebe bleibt Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenNachgeschmack Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenFluch und Vorurteil: Vampirroman Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenUnsere liebenswerte Familie: Trilogie Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDie Suche Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenFantastische Liebe: Fünf Kurzgeschichten Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDer Strafplanet Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenJohannas Reise Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenUndómièl: Von Schatten und Licht Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenKamina: Gute Feen begleiten Kamina Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenWir und Es Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenOhne MitLeid Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDer neue Sonnenwinkel 93 – Familienroman: Enttäuschte Gefühle Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenRae of Hope: Die Kerrigan-Chroniken, #1 Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenGeliebte Seele Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenEines Tages hol’ ich sie mir!: Ist Liebe vergänglich? Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenPolizistin auf Monsterjagd: Auf der Jagd nach Menschen und Monstern Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenGeheimnis Schiva Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDer Engelflüsterer: Unglaubliche Geschichten der Hoffnung und der Liebe von den Engeln Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenSneyana: Die Chroniken der Zaunreiter Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDamals im anderen Leben Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenVerräter müssen sterben Bewertung: 0 von 5 Sternen0 Bewertungen
Rezensionen für Das Geheimnis des Feenreiches
0 Bewertungen0 Rezensionen
Buchvorschau
Das Geheimnis des Feenreiches - Susanne Balazs
Teil 1
Ein wohlbehütetes Geheimnis
Prolog
Nachdem sie alles erfahren hatte, was in diesem Leben für sie von Bedeutung sein würde, welche Schwierigkeiten sie erwarteten und welche tiefe Traurigkeit sie begleiten werden, war Ida verzweifelt. Ihr blieb keine andere Wahl, ihre Eltern bestanden darauf, dass sie in dieses Leben hinein wiedergeboren wurde und dafür sorgte, so gut sie es fertigbrachte, für Liebe und Frieden in der Familie zu achten.
„Gehe zu den Aspirites, ihre Welt liegt eine Ebene näher der unseren, diese gütigen Wesen werden dir helfen, sagte jemand von den anderen lieben Personen, die Ida traf und welche ihr auf ihrem Lebensweg begegnen werden, „Gehe ruhig zu ihnen, ich begleite dich.
Worauf Ida in die Aspiriteswelt ging und dort liebevoll aufgenommen wurde, man hörte ihr dort zu und verstand sie.
Mitten im Sommer, der schönsten Zeit des Jahres, wurde Ida geboren, als Tochter von neuen Eltern und mit dem Namen Barbara Henriette Irmalin getauft. Ihre bisherigen Eltern wurden zu ihren Urgroßeltern, alle Erinnerungen an das frühere Leben traten in den Hintergrund und irgendwann vergaß Barbara sogar, dass sie bereits einmal gelebt hatte und vorher noch viele Male. Es zählte nur das jetzige Leben, alle anderen waren vorüber und ihre Seele bereit, neue Lektionen zu lernen, die sie reifen ließen.
Schon in der frühen Kindheit musste Barbara erkennen, dass ihr Leben nicht einfach werden würde. Ihre Eltern nahmen alles viel zu ernst, konnten sich an nichts erfreuen und stellten zu hohe Erwartungen an sich und ihr Umfeld. Ihre Unzufriedenheit bekam ihre Tochter zu spüren, welche ihnen nichts recht machen konnte. Henriette, Barbaras Großmutter, litt noch immer unter einem traurigen Erlebnis aus ihrer Kindheit und ging zu streng mit ihr um, denn sie wollte sie vor ähnlichen Begebenheiten schützen und verbot ihr den Umgang mit den Aspirites.
An einem schicksalhaften Tag, Barbara war knapp fünf Jahre alt, entging sie nur mit Hilfe der Aspirites einer unglücklichen Situation, als sie in ihrer Neugier die Wohnung verließ, um die Gegend zu erkunden. Ohne die Aspirites hätte sie den Rückweg nicht mehr gefunden und auf den Straßen lauerten Gefahren, die sie noch nicht einschätzen konnte.
Seither blieb Barbara mit den Aspirites, diesen freundlichen Elfenwesen, tief befreundet. Sie trafen sich heimlich, manchmal häufiger, manchmal seltener, dann wieder lange Zeit gar nicht.
Mit zehn Jahren sah sich Barbara in einer ausweglosen Situation, als sie die Kühle ihrer Eltern und die schlechte Laune ihrer Großmutter nicht mehr ertrug. Nur die Aspirites konnten ihr helfen, das wusste sie aus einem tiefen inneren Gefühl her und einem untrüglichen Gespür für die besondere Bedeutung dieser Elfenwesen, die außer ihr und ihrer Großmutter niemand sonst wahrnehmen konnte. Nichts ahnend folgte Barbara deren Zauber, der nichts anderes war als ihre Eigenheit, den Menschen zu zeigen, dass sie zu mehr fähig waren als alles nur logisch zu ergründen, dass sie mit dem Herzen sehen konnten und nicht immer nur so viel wie möglich in ihrem Leben tun mussten. Sie mussten ihrem Herzen folgen, es wies ihnen den Weg mit einer Sicherheit, wie es der klügste Mensch nicht vermochte. Und Barbara tauchte ein in eine Welt, die sie nur lernen musste zu verstehen, dann war sie bereit, einen neuen Weg zu gehen und ihr Versprechen einzulösen, das sie einst den Aspirites gab, damit sie ihr auf ihrem schwierigen Weg halfen.
1. KAPITEL
Barbara seufzte und sah sich in der Umgebung um. Schon eine ganze Weile saß sie auf dem Klappsessel auf dem Balkon und genoss die noch milde Morgensonne. In der Hand hielt sie ein Glas Limonade, von der sie gelegentlich einen Schluck nahm. Weil Barbara ein Gymnasium besuchte, hatte sie nur am Nachmittag Zeit, ihren Kontakt zu den Aspirites zu pflegen.
Es würde Barbara niemand glauben, wenn sie ihren Mitmenschen davon erzählen würde, dass es tatsächlich eine Welt gab, die in einer anderen Ebene liegt. Diese andere Welt ist so nahe, dass man durch ein magisches Tor in sie hinüber gehen könne. Jedoch erhalten nur bestimmte Menschen Zutritt zu dieser Welt. Bisher konnte Barbara noch nicht in Erfahrung bringen, was diese Menschen, zu denen die Aspirites kommen und die den Zutritt in deren Welt erhalten, von den anderen unterscheidet.
Ich kenne keine anderen Menschen, die ebenfalls mit den Aspirites kommunizieren. Die Aspirites selber behaupten, dass es durchaus welche gibt, doch sie verraten mir nichts darüber, dachte Barbara, dabei hätte ich so gerne mit anderen Menschen über die Aspirites gesprochen. Mir bleibt nur die Tatsache, dass ich eine dieser Auserwählten bin. Gerne würde ich wissen, ob ich eine bestimmte Aufgabe zu erfüllen habe. Es ist schön, dass die Aspirites auch mich besuchen kommen und wir gemeinsam spielen können. Denn sie unterscheiden sich kaum von den Menschen, weshalb sie nicht auffallen. Vor meinen Eltern halte ich sie geheim und auch sie verstecken sich oder machen sich unsichtbar, sobald diese kommen. Die Aspirites sind sehr vorsichtig im Umgang mit den Menschen und ich musste ihnen versprechen, ihre Existenz geheim zu halten. Sie sind eine der höchst entwickelten Feenarten und ihr Reich liegt der unsrigen Welt am nächsten. Dieses heißt schlicht und einfach Aspiriteswelt und ist so ähnlich mit unserer Welt, aber doch so anders. Ich bin fasziniert von den Aspirites und ihrer Welt. Oft gibt es Momente, in denen ich mir sehnsüchtig wünsche, in diese Aspiriteswelt zu gehen und für immer dort zu leben.
Die Großmutter von Barbara, sie hieß Henriette, lebte in der elterlichen Wohnung mit, teilte mit dieser sogar ein Zimmer. Dies war all die Jahre hindurch gut gegangen, doch zunehmend kam es zu Problemen. Henriette wurde immer bestimmender der Familie gegenüber und suchte häufiger Streit. Weder Barbara noch ihre Eltern konnten sich erklären, was der Grund für Henriettes schlechte Laune war. Im Laufe der Zeit jedoch breitete sich in der Familie eine Gereiztheit aus. Einer gab dem anderen die Schuld, wenn etwas nicht planmäßig verlief oder Schwierigkeiten auftraten.
Langsam wurde Barbara ungeduldig, wie sie auf dem Klappsessel saß und vergeblich auf das Erscheinen eines Aspirites wartete. Sie beschloss, selber zu ihnen zu gehen und stand auf. Wenn sie sich richtig konzentrierte, konnte es ihr gelingen, dass das magische Tor vor ihr aufging und sie hindurchschreiten konnte in die Aspiriteswelt. Dies hatte Barbara wiederholt gemeinsam mit ihren Aspirites-Freunden geübt. Das magische Tor erschien nicht und Barbara zweifelte, ob sie es richtig machte. Es gelang ihr nämlich nicht immer, das magische Tor zu öffnen. Besagtes Tor war zudem unsichtbar. Öffnete man es, sah man kurz ein Spiegeln vor den ausgestreckten Händen und dann erschien ein Durchgang, dessen oberes Ende rund war wie in der romanischen Architektur. Ein paar Mal probierte Barbara es noch, dann gab sie auf und setzte sich wieder hin.
Es hat einen bestimmten Grund, warum ich jetzt nicht in die Aspiriteswelt gehen darf, dachte Barbara, die Aspirites haben mir erklärt, dass ich in solch einem Moment sehr achtsam sein soll, weil in der Menschenwelt plötzlich etwas auf mich zukommen kann. Eine wichtige Aufgabe wartet auf mich, die ich vorher erledigen sollte und die nicht aufgeschoben werden darf. Wenn ich nur wüsste, was für eine Aufgabe das ist.
Dieser Tag war ein Samstag, das Wetter seit den Morgenstunden angenehm warm, ein paar Wolken zogen über den ansonsten strahlend blauen Himmel. Nach dem Frühstück hatte sich Barbara auf den Balkon gesetzt, um ein wenig Ruhe zu haben. Sie wartete auch auf das Erscheinen ihrer Aspirites-Freunde, welche sich gerne auf dem Balkon mit ihr trafen, weil dieser Ort so frei liegt und etwas abseits. An diesem Tag wartete Barbara vergeblich, dass jemand aus der Aspiriteswelt kam. Dies bereitete ihr Kopfzerbrechen, denn somit war ihr klar, es gab etwas für sie zu tun, das nicht länger warten durfte.
Barbara dachte nach, wie die vergangenen Tage abgelaufen waren. Hatte sie in der Zeit irgendetwas übersehen? So kurz vor dem Ferienbeginn gab es keine Schulaufgaben mehr. Und die Eltern verlangten von Barbara lediglich, dass sie nach dem Essen öfter den Abwasch erledigte, ihr Zimmer in Ordnung hielt und bei alltäglichen Kleinigkeiten mithalf. Diese Dinge hatte Barbara an dem Tag schon erledigt, sowie gab es derzeit nichts zu tun. Also musste die Aufgabe eine ganz andere sein. Ob bei dieser Tätigkeit ein Zusammenhang mit der Aspiriteswelt bestand? Noch immer rätselte Barbara und wünschte sich, jemand von den Aspirites wäre hier und würde ihr einen Hinweis geben. Das hätte die Sache schon viel einfacher gemacht.
In dieser Situation blieb Barbara nichts anderes übrig, als wie von der Aspiriteswelt lediglich zu träumen. Sie stellte sich vor, wie sie mit ihren Aspirites-Freunden beisammen war. Mit diesen spielte sie Spiele, spazierte mit ihnen durch die Straßen oder hörte ihren Erzählungen zu. Die Aspirites erzählten den Menschen sehr gerne Geschichten, denn sie hatten ihren eigenen Blickwinkel auf die Welt und konnten bei vieler Art von Problemen, welche die Menschen beschäftigten, auf ihre Weise einen Ausweg finden. Doch die Menschen hörten ihnen nicht immer zu. Sie wussten mitunter nicht einmal, woher ihre plötzlichen und sagenhaften Einfälle kamen, die ihnen den Weg wiesen. Sie konnten nicht unterscheiden, ob die Stimme, die zu ihnen sprach, von Gott war, ihrem eigenen Verstand oder einem Aspirites. Ein Großteil der Menschen ist so sehr mit der Realität verbunden, dass sie für Dinge, die sie nicht sehen oder berühren können, nichts übrig haben. Den meisten Menschen bleibt nicht einmal die nötige Zeit, sich mit anderen Dingen zu beschäftigen als der sie umgebenden Realität. Somit haben die Aspirites es nicht leicht, sich unter den Menschen Gehör zu verschaffen. Ist es ihnen jedoch einmal gelungen, ist diese Person für sie sehr wertvoll. Diese ist nämlich in der Lage, die persönlichen Botschaften der Aspirites zu verstehen und Handlungen zu setzen. Es ist ein besonderes Erlebnis für einen Menschen, mit einem Aspirites zu kommunizieren, denn dies kann sehr tiefgreifend sein. Die Aspirites können einen Menschen sehr in ihren Bann ziehen.
Unerwartet kam Henriette in die Küche und als sie sah, dass ihre Enkelin auf dem Balkon war, trat sie herüber und sagte:
„Warum sitzt du schon wieder auf diesem Balkon? Wie oft habe ich dir schon gesagt, du hast da draußen nichts zu suchen! Mach, dass du herein kommst und gehe in dein Zimmer! Beschäftige dich mit anderen Dingen, mache einmal Ordnung in deinem Kleiderschrank, dort drinnen sieht es aus, das kann sich kein Mensch vorstellen! Du bist die ganze Zeit über zu faul, alles ordentlich hineinzugeben, stattdessen träumst du lieber vor dich hin oder spielst mit irgendetwas. So kann das auf die Dauer nicht weitergehen, du musst lernen, in deinem Umfeld alles dorthin zu geben, wo es hingehört."
Barbara machte keine Anstalten, aufzustehen und das zu tun, was Henriette von ihr forderte. Jedes Mal schrak sie zusammen, wenn ihre Großmutter sie plötzlich anfuhr. Wenn Henriette dann zu schimpfen begann, schien dies meist eine Ewigkeit zu dauern. Die Reaktion von Barbara war auch immer eine andere. Einmal war sie wütend und trotzig und tat widerwillig, was ihre Großmutter ihr sagte. Ein anderes Mal durchfuhr sie die Angst und machte sie sprachlos. Es gelang Barbara nur selten, gelassen zu bleiben. Seit einiger Zeit erzürnte sich ihre Großmutter beinahe wegen jeder Kleinigkeit, wenn Barbara oder ihre Eltern etwas ihrer Meinung nach nicht richtig machten. Niemand verstand, aus welchem Grund sie sich so aufregte.
Diesmal gelang es Barbara, gelassen zu bleiben und sagte:
„Ich bleibe jetzt hier sitzen und genieße die Sonne. Aufräumen kann ich den Kasten immer noch, dafür ist später noch Zeit genug. Ein wenig möchte ich die Sonne genießen und den Tag locker angehen."
„Warum musst du immer auf diesem Balkon sitzen? So viele andere Dinge könntest du tun! In deinem Zimmer hast du Bücher und deine Puppen und andere Spiele! Diese sind wenigstens eine sinnvolle Beschäftigung. Aber nur hier sitzen und nichts tun, auf diese Weise wirst du es zu nichts bringen."
Barbara rutschte auf dem Sessel tiefer und lehnte sich zurück, sah in den blauen Himmel. Mittlerweile war auch die letzte Wolke fort.
Wortlos wandte Henriette sich um und begann in der Küche zu hantieren. Mit geschlossenen Augen lauschte Barbara den Handgriffen von ihrer Großmutter. Diese öffnete den Küchenschrank, nahm einen Topf heraus, gab die Kartoffeln hinein und füllte Wasser ein. Dann stellte sie den Topf auf den Herd. Es klackte, wie Henriette den Elektroherd aufdrehte.
In wenigen Tagen beginnen die großen Ferien und ich habe viel Zeit, meine Aspirites-Freunde zu treffen, dachte Barbara, dann bin ich aber auch mit meiner Großmutter nahezu ständig beisammen. Sie hat immer wieder etwas an mir auszusetzen, ganz gleich, was ich mache. Wenn ich im Hof spiele oder fernsehe, ein Buch lese oder meine Freundin einlade, sie schimpft immer über irgendetwas. Derzeit ärgert es sie am meisten, wenn ich auf dem Balkon sitze. Tatsächlich verbringe ich hier viel Zeit, um mit den Aspirites beisammen sein zu können ohne dass uns jemand sieht. Schon als Kind war der Balkon immer mein Lieblingsplatz gewesen, ich habe hier Stunden verbracht um zu lesen, meine Hausaufgaben zu machen oder zu lernen.
Der aufmerksamen Henriette war es nicht entgangen, dass sich Barbara mit anderen Leuten traf und dies immer im Hof. Sie fragte sich, woher Barbara diese kannte und warum sie ihr diese noch nicht vorgestellt hatte. Bisher hielt sie es nicht für notwendig, Barbara darauf anzusprechen, denn sie schienen anständige Leute zu sein, obwohl etwas Seltsames an ihnen haftete. Vom Aussehen her glichen sie jungen erwachsenen Menschen, die aber eine sanfte, fast gutmütige Art hatten und ihre Kleidung konnte man keiner bestimmten Stilrichtung zuordnen, denn sie kleideten sich sehr individuell. Fast könnte man meinen, jedem seine Kleidung passe zu seiner Persönlichkeit. Manchmal waren auch ältere Leute in der fröhlichen Runde, mit denen Barbara spielte, welche auf Henriette einen Eindruck machten wie die reiferen Damen aus ihrer eigenen Kindheit. Doch trotz ihres Alters wirkten sie jung geblieben. Mit Staunen sah Henriette ihnen öfter vom Balkon aus zu. Natürlich sahen die Aspirites sie, es schien diese jedoch nicht zu kümmern. Es beschäftigte Henriette jedoch, dass sie Barbara gegenüber kein Wort darüber verloren, dass ihre Großmutter ihnen zusah. Somit war Barbara ahnungslos und glaubte, niemand in ihrer Familie wisse von ihren geheimen Freunden.
Ich würde gerne mehr über diese Leute erfahren, dachte Henriette, daher werde ich sie in der nächsten Zeit genau beobachten, wenn Barbara mit ihnen Beisammen ist. Auch werde ich mir ihre Gesichter einprägen, damit ich, wenn Barbara einmal jemand von ihnen nach Hause mitbringt, weiß, dass es einer von diesen ist.
Um die Gespräche der Erwachsenen kümmerte sich Barbara wenig, denn sie verstand selten etwas davon. Daher verstand sie auch nicht, warum ihre Großmutter seit einiger Zeit so schlecht gelaunt war. Mitunter schienen ihre Eltern besorgt um Henriette und rieten ihr, sich ärztlich untersuchen zu lassen.
Für Barbara war die letzte Schulwoche vor den großen Ferien angebrochen. Am Montag erwachte sie am frühen Morgen. Ihre Großmutter war längst aufgestanden, hatte das Gebäck für das Frühstück in der nahe gelegenen Bäckerei gekauft und beschäftigte sich in der Küche. Zwischendurch kam sie ins Zimmer um die Kleidung herzurichten, die Barbara an diesem Tag anziehen sollte. Regungslos blieb Barbara liegen und stellte sich schlafend, blinzelte aber und beobachtete Henriette. Nebenbei merkte Barbara, dass ihre Mutter aufgestanden war, denn sie hörte sie reden, als sie ins Vorzimmer kam. Der Schalter klackte, als Ettine im Badezimmer das Licht aufdrehte. Barbara wusste, dass ihr Vater noch im Bett lag. Er war arbeitslos und hatte keinerlei Termine, weshalb er morgens länger liegen blieb. Die Geräusche waren Barbara alle vertraut und sie hörte sie gerne. Sie gaben ihr ein Gefühl des Geborgenseins.
Nachdem Ettine aus dem Badezimmer gekommen war, hörte Barbara sie mit Henriette reden. Ettine regte sich darüber auf, dass Michael arbeitslos war und morgens lange im Bett blieb.
Warum ärgert sie sich darüber?, fragte sich Barbara, wenn ich Ferien habe, bleibe ich auch länger im Bett.
Trotz seiner Arbeitslosigkeit empfand Michael es als angenehm, eine gewisse Zeit zu Hause verbringen zu können.
Länger konnte auch Barbara nicht im Bett bleiben. Schon bald kam Henriette herein und sagte:
„Stehe endlich auf, noch hast du keine Ferien. Deine Kleidung habe ich dir schon hierher gelegt."
Sofort stand Barbara auf und als sie nach der Morgentoilette zurück ins Zimmer kam, betrachtete sie die Kleidung, die ihre Großmutter für sie ausgewählt hatte. Ein grau geblümter Rock und ein violettes T-Shirt lagen auf dem Sessel.
Niemand anderer als meine Großmutter versteht es so gut, die richtige Kleidung auszuwählen. Das Wetter wird heute wieder sommerlich werden, dachte Barbara, wenn doch bloß schon Ferien wären!
Barbara zog sich an und nachdem sie ein paar Mal mit der Bürste durch ihre kinnlangen Haare gefahren war, ging sie in die Küche ihr Frühstück holen. Mitunter trank Barbara gerne Kaffee, allerdings nur mit wenig Kaffee und viel Milch sowie vier Löffel Zucker. Vorsichtig wickelte Barbara die Erdbeerschnitte aus der Verpackung und gab sie auf einen Teller. Beschwingt und fröhlich spazierte sie mit dem Teller und dem Häferl Kaffee in das Wohnzimmer zum Esstisch. Dort saß bereits Ettine, sie war mit dem Essen schon fast fertig. Mit einem mürrischen Gesicht sprach sie etwas von der Arbeit zu Henriette. Weil Barbara nichts von den Sorgen ihrer Eltern verstand, versuchte sie erst gar nicht hinzuhören.
Während Ettine von ihrer Arbeit sprach, war Barbara in Gedanken bei ihrer Schule.
Als Barbara ihr Schulgebäude erblickte, schlug ihr der triste graue Anstrich der Fassade auf das Gemüt, auf dem Gang war es der dunkle Steinboden. Schon seit langer Zeit merkte Barbara, wie sehr das Ambiente eines Raumes ihre Stimmung beeinflusste. Etwas Bedrückendes legte sich auf ihre Schultern und ließ sie nachdenklich werden. Die Lehrerin hatte gesagt, über die Sommerferien werden die Gänge ausgemalt, in den Klassenzimmern neue Vorhänge aufgehängt und sonst so manches erneuert.
Neben der Klassentür erblickte Barbara ihre Freundin Sophia, die an die Wand gelehnt dastand.
„Hallo Sophia!" grüßte Barbara sie.
Sophia murrte einen Gruß.
Daraufhin fühlte Barbara, wie der letzte Rest ihrer Fröhlichkeit schwand.
Habe ich Sophia irgendetwas getan? Weshalb murrt sie mich so an? Ich gebe zu, unsere Freundschaft ist nicht die Beste, dennoch hängen wir beide aneinander. Oft habe ich schon darüber nachgedacht, was ich tun kann, damit wir besser miteinander auskommen, doch ich weiß mir keinen Rat, dachte Barbara, mit Sicherheit liegt es an mir, dass sie so ist. Gerne würde ich etwas an mir ändern, damit ich besser mit den Menschen in meiner Umgebung auskomme, doch ich weiß nicht, was es ist. Mehr als zu jedem freundlich zu sein, kann ich nicht tun.
In der Garderobe zog Barbara ihre Hausschuhe an und kehrte zu Sophia zurück.
„Was ist mit dir los? Geht es dir gut?" fragte Barbara.
„Meine Eltern waren heute ziemlich unangenehm, sagte Sophia, „Sie haben mit mir geschimpft, weil ich ihrer Meinung nach viel zu eigensinnig bin. Ich würde mich viel zu wenig um ein gutes Miteinander mit anderen bemühen. Darüber habe ich mich so geärgert. Wie können sie nur so etwas zu mir sagen?
Selbst Barbara war ratlos.
„Ich weiß es nicht, weshalb deine Eltern dir das sagen. Du könntest sie fragen, was genau sie damit meinen", sagte Barbara.
Sie war heilfroh, dass nicht sie Schuld an der schlechten Laune ihrer Freundin hatte.
„Für mich bist du jedenfalls in Ordnung", versuchte Barbara Sophia aufzuheitern. Diese war nicht sogleich überzeugt. Erst als Barbara ihr versicherte, dass nichts an ihrem Verhalten falsch war, wich ihre Anspannung. Bis zum Unterrichtsbeginn plauderten sie über belanglose Dinge.
Henriette besprach mit Ettine und Michael einige Dinge, unter anderem wollte sie wissen, wie lange in diesem Jahr die Schule dauerte. Ein Blick in den Kalender sagte Barbara, dass sie bis Freitag, den 3. Juli, in der Schule bleiben mußte. Einen Moment war Barbara unsicher, denn sie konnte sich nicht erinnern, dass die Schule bereits einmal so lange gedauert hatte. Es störte sie jedoch nicht, denn sie ging gerne zur Schule. So nannte Barbara das Datum, was für Henriette gleich wieder ein Grund war, sich aufzuregen.
„So lange halten die die Kinder in der Schule fest. Zu meiner Zeit war dies ganz anders, schimpfte Henriette, „Und am 3. Juli ist dann die Zeugnisverteilung. Während deiner Schulzeit, Ettine, haben die Ferien auch noch nicht so spät angefangen.
„Heute ist eben eine ganz andere Zeit", sagte Ettine.
Wie sehr freute sich Barbara, als sie am Freitagvormittag mit ihrem Jahreszeugnis von der ersten Klasse Gymnasium nach Hause kam. Sie hatte beinahe lauter Zweier.
Michael war der Erste, der Barbaras Zeugnis zu Gesicht bekam. Er sah es sich genau durch und sagte erfreut:
„So ein schönes Zeugnis hast du bekommen!"
Darüber freute sich auch Barbara, denn es war länger her, seit sie ihren Vater das letzte Mal so fröhlich gesehen hatte. Sie umarmte ihn. Danach stellte sie sich mitten im Wohnzimmer auf und rief:
„Jetzt fangen die großen Ferien an!"
Auch Henriette besah sich das Zeugnis, zog eine fast überraschte Miene und sagte:
„Dein Zeugnis ist bemerkenswert, Barbara. Ich hätte mir nicht gedacht, dass du so gut bist, nachdem ich den Eindruck habe, du würdest nichts anderes tun als wie faulenzen."
Gegen Abend kam Ettine von der Arbeit nach Hause und setzte sich müde zum Esstisch. Zunächst ließen die anderen sie in Ruhe. Etwas später sprach Henriette sie wegen Barbaras Zeugnis an. Dabei reichte sie Ettine dieses und lobte Barbara.
„Das Kind könnte viel besser sein, wenn es sich mehr anstrengen würde, giftete Ettine und gab Henriette das Zeugnis zurück, ohne sich die Noten eingehender anzusehen, „Mich wundert es überhaupt, dass sie ihr solche Noten gegeben haben. Auf mich wirkt Barbara, als ob sie sich in letzter Zeit mit allen möglichen Dingen beschäftigen würde, nur nicht mit den Schulaufgaben. Manchmal scheint es mir, als ob sie in einer anderen Welt leben würde. Wir sollten sie mehr im Auge behalten, denn wer weiß, wie ihr weiteres Leben aussehen wird. So wie sie sich derzeit entwickelt, habe ich Zweifel, dass sie zukünftig in ihrer Umwelt zurechtkommen wird. Sie hat doch jetzt schon immer wieder Streit mit uns.
„Du siehst das aber völlig verkehrt, sagte Michael, „Für ihre elf Jahre ist sie fast weiter entwickelt wie manch Gleichaltrige. Bei der letzten Schulveranstaltung habe ich sie gesehen, sie wirkte ganz anders.
Spontan kamen Henriette die geheimen Freunde von Barbara in den Sinn, von denen außer ihnen beiden niemand etwas wusste. Barbaras Andersartigkeit musste zweifellos mit diesen zusammenhängen.
„In welch einer Weise wirkte sie anders?", wollte Henriette wissen.
„Ihr Umgang mit den Mitschülern fiel mir auf. Barbara wirkte so fröhlich und sicher. Wie erstaunt manche Kinder sie ansahen. Fast konnte ich nicht glauben, dass dies unser Kind ist", beschrieb Michael seine Tochter.
Aus irgendeinem Grund folgte Henriette Barbara auf Schritt und Tritt. Selbst wenn Barbara sich etwas zu essen aus der Küche holte, kam sie kurz darauf hintennach. Zunächst dachte Barbara sich nichts dabei, doch als ihre Großmutter ihr wiederholt folgte, als sie in ihr Zimmer ging, um ihr Tagebuch zu schreiben, reagierte sie gereizt.
„Warum gehst du mir immer nach? Kannst du mich nicht einen Moment lang in Frieden lassen? Sage mir, warum du das tust."
„In letzter Zeit bist du häufig sehr fröhlich, sagte Henriette, „Ich hätte gerne den Grund dafür gewusst. Wenn du mir diesen nennst, dann lasse ich dich in Ruhe. Immerhin passe ich auf dich auf und soweit ich dich kenne weiß ich, dass du normalerweise nicht so bist.
Darauf wusste Barbara nichts zu erwidern. Tatsächlich war sie lebensfroher und stärker geworden, dies hing mit ihren Aspirites-Freunden zusammen, welche ihr eine Sicherheit gaben. Natürlich konnte Barbara ihrer Großmutter davon nicht erzählen. Abwartend stand Henriette vor ihr, begann zu schmunzeln und betrachtete sie wie ein Kind, welches sie gerade bei einer schlimmen Tat ertappt hatte.
Was soll ich jetzt sagen? Mir fällt absolut nichts ein, dachte Barbara.
Plötzlich waren im Vorzimmer Schritte zu hören und die Küchentür wurde geöffnet. Das Klappern von Besteck war zu hören. Henriette horchte auf.
„Was ist das für ein Geräusch aus der Küche? fragte sie, „Das kann doch nicht sein, deine Eltern sind fortgegangen. Komm, lass uns nachsehen.
Die beiden machten sich auf den Weg zur Küche. Dort war jedoch niemand und die Bestecke lagen wie zuvor in der Abwasch.
„Wir haben doch vorhin gehört, wie jemand hier gewesen ist! sagte Henriette, „Und zwar eindeutig! Du hast es doch auch gehört, Barbara?
Barbara bejahte. Sogleich machte sich Henriette daran, das Geschirr abzuwaschen.
„Irgendwie ist mir das nicht ganz geheuer, sprach sie weiter, „Sieh einmal nach, ob jemand von deinen Eltern in der Wohnung ist.
Folgsam ging Barbara herum und sah in jedes Zimmer. Doch außer ihr und ihrer Großmutter war niemand da.
„Und, hast du wen gesehen?" fragte Henriette Barbara, als diese wieder in die Küche zurückkehrte.
„Nein", sagte Barbara.
„Das ist schon seltsam gewesen, ich hatte wirklich den Eindruck, jemand war hier, sagte Henriette, „Du hast doch auch die Schritte gehört.
„Darum habe ich auch nicht gleich deine Frage beantwortet, fiel Barbara nun eine passende Ausrede ein, „Ich freue mich einfach nur, weil in diesem Schuljahr alles so gut geklappt hat und auch meine Noten soweit in Ordnung waren. Mein Leben hat sich so verändert seit dem letzten Jahr.
„Dies stimmt in einer Weise, doch es ist mit Sicherheit nicht der Grund, weshalb du so anders bist. Ich kenne dich gut genug, es gibt etwas, das du mir nicht sagen möchtest. Früher oder später kommt es ans Tageslicht. Hast du außer Sophia noch andere Freunde?"
„Mit ein paar anderen aus meiner Klasse verstehe ich mich recht gut."
„Ich meine, hast du außerhalb der Schule noch irgendwelche Freunde?"
„Ja. Sonst noch bist du meine beste Freundin, sowie meine Eltern."
Darüber freute sich Henriette sehr, wenn auch dies nicht die Antwort war, die sie gerne gehört hätte. Die geheimen Freunde, mit denen Barbara häufig beisammen war, kreisten ihr im Kopf herum. Aus irgendeinem Grund hielt sie es nicht für ratsam, Barbara direkt darauf anzusprechen. Sie nahm sich vor, ihrer Enkelin ebenso im Geheimen nachzuspionieren. Eines Tages würde sie herausfinden, wer diese Leute waren, mit denen sich Barbara regelmäßig traf. Dabei musste sie vorsichtig sein, damit weder Barbara noch die Leute etwas merkten. Mit Sicherheit übten diese geheimnisvollen Freunde keinen schlechten Einfluss auf Barbara aus, wenn sich diese in solch positiver Weise entwickelt hatte.
2. KAPITEL
Wo bleiben nur die Aspirites? Sie lassen sich nicht blicken, dachte Barbara betrübt, es hat einen bestimmten Grund, wenn sie nicht kommen. Im Moment sind meine Eltern nicht zu Hause, meine ersehnten Ferien sind da und ich sitze hier alleine herum.
Weil das Wetter so schön sonnig und warm war, saß Barbara wieder auf der Terrasse. Sie wusste sich nichts anzufangen und wünschte sich sehnlich, ihre Aspirites-Freunde wären bei ihr. So blieb ihr nichts anderes übrig, als weiterhin auf der Terrasse sitzen zu bleiben und sich ihren Gedanken hinzugeben.
Plötzlich stand jemand in der Terrassentür. Zu ihrer Freude sah Barbara Bernfriede hier stehen. Lautlos war diese durch das magische Tor gekommen.
„Grüß dich, Bernfriede, sagte Barbara mit einem fröhlichen Lächeln, „Ich dachte schon, von meinen Freunden lässt sich niemand mehr blicken. Immerhin bist du gekommen. Möchtest du etwas zu trinken? Vorhin habe ich eine neue Flasche Limonade aufgemacht.
Bernfriede lehnte dankend ab. Immer wieder vergaß Barbara, dass die Aspirites nur wenige Lebensmittel konsumierten, welche die Menschen erzeugten, weil diese mit zu vielen künstlichen Stoffen versetzt waren.
„Ich möchte dir etwas Wichtiges sagen. Seit einiger Zeit beobachtet deine Großmutter, was du tust. Sie hat uns sogar gesehen, als wir mit dir zusammen im Hof gespielt haben. Damit wir nicht von ihr gesehen werden, haben wir uns von deiner Welt ferngehalten."
Wie sehr mochte Barbara die sanfte Stimme von Bernfriede. Sie sprach in einem ruhigen Ton, als hätte sie nie in ihrem Leben Hektik gekannt. Dies lag daran, dass die Aspirites genau wussten, was sie zu welcher Zeit zu tun hatten.
„Vermutlich wird es dir aufgefallen sein, dass sich deine Großmutter nun häufig in deiner Nähe aufhält, sprach Bernfriede weiter, „Und sie stellt dir Fragen, mit welchen sie dir Informationen über uns entlocken will, doch du warst ziemlich geschickt und bist ihr ausgewichen. Ich war dabei und habe zugehört, weil ich mich unsichtbar machte, blieb ich im Verborgenen. Um dir zu helfen und deine Großmutter abzulenken, ging ich in die Küche und machte mich am Geschirr in der Abwasch zu schaffen. Somit blieb dir Zeit, um über eine passende Antwort nachzudenken.
„Du bist das gewesen?" rief Barbara verblüfft.
„Welch eine Angst ich deiner Großmutter eingejagt habe. Ich wollte sie nicht dermaßen erschrecken."
„Ich habe kaum gemerkt, dass sie sich fürchtet, denn sie ist von Natur aus nicht aus der Ruhe zu bringen. Bestimmt hätte sie nicht vergessen, worüber wir gesprochen haben und so habe ich ihr die Frage beantwortet."
„Wärest du damit einverstanden, wenn wir ein Sommerfest feiern, hier auf der Terrasse? Deine Großmutter wird sich bald zum Schlafen legen."
Woher weiß Bernfriede das? Doch das ist nicht schwer zu erraten, denn meine Großmutter schläft seit geraumer Zeit viel, dachte Barbara, ich hätte nichts gegen ein Sommerfest. Eine richtige Party bei mir zu Hause! Und ich bin in der Stimmung, so richtig zu feiern!
„Ja, machen wir eine Party, sagte Barbara, „Soll ich etwas herrichten?
„Wir bringen alles mit."
Still wartete Barbara ab, was nun geschehen würde. Mehrmals kam ihr der Gedanke, ob sie inzwischen auch etwas tun könnte. Sie hatte in ihrem Leben noch nie selber eine Party gegeben, daher wusste sie nicht, was sie herrichten sollte. Aber Bernfriede hatte doch gesagt, sie und die Aspirites würden alles mitbringen.
Bernfriede und Gundel kamen aus dem magischen Tor auf die Terrasse und sahen sich dort um.
„Lasst uns hier ein bisschen Lebendigkeit hereinbringen, sagte Gundel, „Wir werden hier ein paar Girlanden anbringen. Der Tisch reicht für die Getränke. Ich werde Marina fragen, ob sie uns einen Tisch für das Essen mitbringt. Ansonsten haben wir dann alles beisammen.
„Wir werden jetzt in die Aspiriteswelt zurückkehren und die anderen fragen, wer aller bei der Feier dabei sein möchte, sagte Bernfriede, „Auf dieser Terrasse ist nicht viel Platz. Erst vor ein paar Tagen haben wir in der Gemeinde über ein mögliches Fest bei dir gesprochen, um dir zu zeigen, was du uns bedeutest. Es gab einige, die sich darüber sehr freuten und daran teilnehmen möchten.
„Darüber freue auch ich mich sehr, sagte Barbara, „Wann werdet ihr alle hier sein?
„In etwa einer halben Stunde."
Eine Freude durchströmte Barbara, als die Aspirites begannen, die Terrasse für das Fest herzurichten. Auf Geheiß von Gundel schlang Katagranda bunte Papiergirlanden über das Terrassengeländer. Inzwischen hängte Gundel an dem Spalier, an welchem eine Zierpflanze rankte, Lampions mit verschiedenen Mustern auf. Colyn richtete auf dem Tisch ein kleines Buffet an, Getränke und Speisen aus der Aspiriteswelt. Barbara selbst hatte einen Radio aus ihrem Zimmer geholt und eingeschaltet.
„Gleich haben wir alles fertig", sagte Gundel.
Still saß Barbara auf ihrem Sessel und sah den Aspirites zu, wie sie die Terrasse gestalteten. Dann zählte sie die Leute, die gekommen waren. Bernfriede, Colyn, Gundel, Katagranda, Rosalie und natürlich Haralde und Hanni.
Somit sind wir acht Personen, dachte Barbara, ein Fest mit den Aspirites!
Gerade bekam Barbara von Colyn ein Glas Kräutersaft und ein Brötchen mit einem gelben Aufstrich gereicht. Das Getränk hatte Colyn selbst hergestellt. Beides schmeckte Barbara sehr gut und in Gedanken sah sie den Garten von Colyn vor sich, in welchem die meisten der Zutaten wuchsen, die sie für ihre hausgemachten Speisen und Getränke verwendete. Die Sachen schmeckten ganz anders, als Barbara sie gewohnt ist. Barbara schreckte zusammen, als Haralde begann, ihren Namen mit gelber Farbe auf die hellgraue Fassade zu schreiben. Haralde und ihre Schwester hatten Farben mitgebracht, es waren Wasserfarben, wie Barbara diese einschätzte.
„Du lieber Himmel, Haralde, das darfst du doch nicht machen!" rief Barbara.
Doch Haralde schrieb ungerührt weiter. Mit Entsetzen sah Barbara, wie die Fassade die Farbe aufsog. Etwa 15 cm lang stand in dicken Buchstaben „Haralde" auf der Wand.
„Damit du immerzu an mich denkst", sagte Haralde.
Daraufhin griff auch Barbara zur Farbpalette und stellte fest, dass es tatsächlich Wasserfarben waren, wie sie sie in der Schule verwendete.
Das lässt sich wieder herunterwaschen. Ich werde gleich selber loslegen und hier an der Trennwand weitermalen, dachte Barbara.
Während sie malte, stellte Barbara fest, dass es ihre eigenen Wasserfarben waren, die Haralde aus ihrem Zimmer mitgenommen hatte. Dabei waren auch ihre Pinsel und ein Becher, der in der Küche herumgestanden war. Die Trennwand zum benachbarten Balkon bot sich als idealer Malhintergrund. Vor einiger Zeit hatte Michael die Terrasse hergerichtet, die Geländer gestrichen und die Trennwände mit einer matten weißen Farbe lackiert. Auf diesem Anstrich haftete die Wasserfarbe sehr gut.
Die Älteren von den Aspirites, Katagranda, Gundel und Colyn, sahen den Mädchen zunächst sprachlos zu. Dann aber sagte Gundel:
„Was soll das denn werden, Barbara? Welche Landschaft malst du? Soll das eine Gegend aus deiner Welt darstellen? Jedenfalls kann ich mich nicht erinnern, diesen Ort bei meinen Besuchen in der Menschenwelt schon gesehen zu haben. Und ich halte mich meist in der nahen Umgebung auf, genau wie du."
„Dieses Bild habe ich mir gerade ausgedacht", antwortete Barbara.
Die Party war in vollem Gange. Es wurde gemalt, gegessen, getrunken und über das Leben allgemein gesprochen. Jeder wusste etwas zu erzählen. Hier trafen sich zwei verschiedene Welten, die zwar einander sehr ähnlich, aber doch gravierend unterschiedlich waren. Barbara genoss es, mit ihren Freunden beisammen zu sein. Sie mochte sie alle gerne. Zu Haralde und Hanni hatte sie eine besonders innige Verbindung, sodass sie mehrmals täglich an sie denken musste. Für das Fest hatten sich die beiden weiße Kleider mit cremefarbenen Schürzen angezogen, in welchen sie sehr hübsch aussahen.
„Dieses Fest ist für Barbara", sagte Hanni.
„Weil sie so lieb ist und immer freundlich, fügte Haralde hinzu, „Nun malen wir an diesem Bild weiter, damit es fertig wird.
Wieder griffen die drei Mädchen zu den Wasserfarben und diesmal machten auch Haralde und Hanni mit, sie bemalten den unteren Teil der Trennwand.
Nachdem das Bild fertig war, begannen Haralde und Hanni zu tanzen und zu singen. Dafür hatten sie ein besonderes Talent. Bereits zuvor hatte Barbara den Radio ausgeschaltet, um nur ihnen beiden zuzuhören, denn ihr Gesang bereitete Freude.
Am späten Nachmittag wurde es Zeit, die Feier zu beenden.
„Wir haben einen schönen Nachmittag hier auf der Terrasse verbracht, sagte Gundel, „Die Feier ist gelungen. Nun werden wir hier alles wegräumen und in unsere Welt zurückkehren. Wenn wir alle zusammenhelfen, sind wir bald fertig. Ich hoffe, die Feier hat dir gefallen, Barbara.
„Es war eine sehr schöne Feier. So einen Spaß hatte ich schon lange nicht mehr. Wir haben uns alle richtig gut unterhalten."
„Darüber freuen wir uns alle", sagte Gundel.
„So eine Feier könnten wir wiederholen, sagte Hanni, „Vielleicht machen andere von den Aspirites mit.
„Auf dieser Terrasse ist nicht viel Platz. Mehr Leute können wir nicht einladen, sagte Colyn feststellend, „Außer wir halten das Fest an einem anderen Ort ab. In der Aspiriteswelt gibt es genug Plätze, wo wir feiern können, Barbara kommt dann zu uns.
Der letzte Satz berührte Barbara, denn sie verspürte seit Monaten den Wunsch, für immer in die Aspiriteswelt zu gehen und dort zu leben. Mehrmals hatte sie mit ihren Freunden darüber gesprochen und sie gefragt, ob dies möglich wäre. Diese bejahten, aber es gab ein Gesetz, dass sich ein Mensch nur gewisse Zeit in der Aspiriteswelt aufhalten durfte und derjenige damit rechnen müsse, dass er in seiner Welt vermisst würde. Wenn er dann zurückkehrte, müsste er seine Abwesenheit erklären und dies wäre nicht möglich, ohne anderen Menschen von der Aspiriteswelt zu erzählen. Doch die Aspirites möchten, dass ihre Welt geheim bleibt. Nur gegenüber bestimmten Menschen geben sie etwas von ihrer Welt preis. Und dies möchten sie selber entscheiden. Nur mit ausdrücklichem Einverständnis ist es mit den Aspirites Kontakt habenden Menschen erlaubt, mit anderen Personen von ihnen zu sprechen. Barbara nahm sich vor, ihre Freunde erneut zu fragen, wann sie zu ihnen in die Aspiriteswelt kommen könne.
„Diese Feier hat mir solch eine Freude bereitet, sagte Barbara, „Wann werde ich zu euch in die Aspiriteswelt kommen können? Mit einigen von euch habe ich bereits mehrmals darüber gesprochen und jedes Mal haben sie mir gesagt, es muss noch etwas vorbereitet werden und das geht seit Monaten so.
„Es ist nicht so einfach, den Aufenthalt eines Menschen in der Aspiriteswelt zu planen, sagte Colyn, „Hierfür müssen viele Dinge beachtet werden, denn das Leben ist hier ein ganz anderes.
„Du musst irgendwo wohnen und brauchst einige Leute um dich, die auf dich aufpassen. Auch in der Menschenwelt müssen hierfür Vorkehrungen geschaffen werden. Deine Eltern werden sehr besorgt sein, wenn du von einem Tag auf den anderen verschwunden bist. Daher müssen wir uns auch etwas bezüglich deiner Eltern einfallen lassen", sagte Gundel und es lag ein Ernst in ihrer Stimme.
„Am meisten bereitet uns Henriette Sorgen, denn sie weiß bereits, dass es uns gibt. Du wirst davon nichts bemerkt haben, Barbara, sie beobachtet sehr genau, was du den ganzen Tag über so tust. Daher sind wir im Moment sehr vorsichtig, wenn wir zu dir Kontakt aufnehmen, sagte Colyn, in deren Stimme ein warnender Ton lag, „Dies ist der Grund, warum wir uns manchmal seltener bei dir blicken lassen. Du sollst nicht durch eine Unachtsamkeit in große Schwierigkeiten geraten. Für uns bist du von viel zu großer Bedeutung, als dass wir dich einer Gefahr aussetzen würden.
„Wir werden dich in die Aspiriteswelt holen, sobald der richtige Zeitpunkt gekommen ist. Du musst nur etwas Geduld haben. Bis dahin kannst du dir Gedanken machen, was du vorher noch machen möchtest, sagte Gundel, „Immerhin wirst du ein paar Monate von hier weg sein und dein Leben wird woanders stattfinden. Es werden viele neue Dinge auf dich zukommen und du wirst dich in einer anderen Umgebung wiederfinden. Manches wird für dich ungewohnt sein. Wir sind davon überzeugt, dass du dich zurechtfinden wirst und dich schnell an die anderen Umstände anpasst.
Nun hatten es die Aspirites eilig, die Terrasse aufzuräumen und packten das Geschirr in eine Tasche. Mit Wehmut sah Barbara ihren Freunden zu, wie sie alle zusammenhalfen. Da fiel ihr die angemalte Trennwand auf und bekam einen Schrecken. Sogleich sprang sie auf und eilte in die Küche, wo sie einen kleinen Eimer mit Wasser füllte und ein Putztuch aus dem Schrank nahm. Inzwischen waren die Aspirites bereit, in ihre Welt hinüber zu gehen.
„Es war schön, mit dir gemeinsam zu feiern, Barbara", sagte Colyn zum Abschied. Die anderen bedankten sich ebenso, bevor sie durch das magische Tor in die Aspiriteswelt gingen. Barbara begann, die Wasserfarben von der Trennwand zu waschen. In bunten Strömen floss die Farbe zu Boden und bildete dort eine dunkelgrüne Pfütze. Dies bemerkte Barbara zunächst nicht, bis sie spürte, wie eine Flüssigkeit auf ihre Füße tropfte.
Du lieber Himmel, das rinnt alles hinunter!, dachte Barbara erschrocken, da ist so viel Farbe auf dieser Wand.
Eilig tunkte Barbara die Farbe auf, bevor sie vom Balkon in den Hof floss. Um die Farbe gänzlich von der Trennwand zu bekommen, musste Barbara ein Putzmittel aus der Küche holen. Es bereitete ihr zunächst Sorgen, dass die Farbe schwer hinunterging. Doch schlussendlich schaffte sie es und die Trennwand war weiß wie zuvor, dann reinigte sie noch den Boden. Als Barbara alles erledigt und sich in den Klappsessel gesetzt hatte, bemerkte sie Haraldes Namen an der Hausfassade. Sofort holte sie wieder einen Eimer Wasser und begann zu schrubben. Eine Verzweiflung packte sie, als der Schriftzug nicht blasser wurde. Sie bearbeitete die Fassade weiter, nahm sogar eine Bürste, doch nichts half.
Das gibt Ärger mit den Eltern, dachte Barbara, wenn sie das sehen, werden sie mich fürchterlich schimpfen. Und wie soll ich ihnen erklären, wer Haralde ist? Ich habe keine Chance, die Schrift von dieser Wand zu kriegen. Meine Eltern werden mich ordentlich bestrafen, in welch missliche Lage hat mich Haralde gebracht! Sie hat einfach nicht darüber nachgedacht, was sie da anrichtet. Ich höre Schritte, es kommt jemand! Meine Eltern sind zurück!
Barbara schaffte es gerade noch, Eimer und Bürste in die Küche zu bringen. Zurück im Vorzimmer begegnete sie schon ihren Eltern, die als erstes die schweren Einkaufstaschen dort abstellten.
„Hallo, Barbara, sagte Michael, „Hattest du bisher einen schönen Tag?
„Ja", sagte Barbara und hoffte, dass man ihr nicht anmerkte, dass etwas geschehen war.
„Hilfst du uns beim Ausräumen von den Sachen?" fragte Ettine und zeigte auf die Taschen.
„Das mache ich gerne. Ich bin schon gespannt, was ihr alles eingekauft habt."
In ihrem Garten schnitt Colyn einige von den von ihr sorgfältig gepflegten Blumen ab, um aus diesen einen Strauß für Barbara anzufertigen. Inzwischen kannte sie Barbara gut, daher wusste sie, welche ihr gefielen. Anschließend band Colyn die Blumen mit einer Schleife zusammen.
Wie sehr wird sich Barbara über diesen Strauß freuen, dachte Colyn.
Danach durchschritt Colyn das magische Tor, welches ihr einen direkten Weg in Barbaras Zimmer öffnete.
Gerade war Barbara an ihrem Schreibtisch gesessen und hatte in ihrem Tagebuch von dem Fest gemeinsam mit den Aspirites auf der Terrasse geschrieben. Zunächst merkte sie nicht, dass Colyn den Raum betreten hatte, so lautlos war diese gewesen.
„Sei gegrüßt, Barbara", sagte Colyn, nachdem sie sich vergewissert hatte, dass Barbara alleine war.
Überrascht sah Barbara auf.
„Colyn, mit dir hätte ich nicht gerechnet, sagte Barbara und stand auf, „Was hast du da Schönes für mich mitgebracht? Dieser Blumenstrauß ist wunderschön!
„Das sind Blumen aus der Aspiriteswelt und aus meinem Garten, sagte Colyn, „Sie sind ein Geschenk für dich, weil du mir und uns allen viel bedeutest. Du bist für uns ein besonderer Mensch.
Colyn überreichte Barbara den Blumenstrauß. Diese betrachtete ihn freudig von allen Seiten.
„Vielen Dank, Colyn!"
„Am besten, du stellst sie gleich in eine Vase. Bevor du mich noch einmal dasselbe fragst, in der Aspiriteswelt gibt es die gleichen Blumen wie in deiner Welt."
„Ich gehe jetzt eine Vase holen."
In der Küche fand Barbara eine hübsche Vase, welche lange nicht mehr verwendet worden war. Nachdem Barbara sie abgewaschen hatte, glänzte das feingeschliffene Glas wieder. Mit Wasser gefüllt, stellte Barbara sie auf ihren Schreibtisch und gab die Blumen hinein.
„Wie schön dieser Strauß ist, sagte Barbara noch einmal, „Mit diesem hast du mir eine solche Freude gemacht, Colyn. Jetzt macht mir das Schreiben an diesem Tisch noch mehr Spaß.
„In jeder Wohnung sollten sich Blumen befinden, ganz gleich, ob sie echt sind oder aus Stoff. Sie bewirken, dass das Leben der Bewohner glücklich verläuft. Du brauchst mich nicht so ungläubig anzusehen, Barbara, probiere es selber aus und du wirst sehen."
„So etwas habe ich tatsächlich noch nie gehört. Und was ist, wenn jemand keine Blumen möchte?"
„Solch ein Mensch wird niemals glücklich sein. Beide, Menschen und auch Aspirites sind ein Teil der Natur. Wenn diese es verweigern, das zu akzeptieren, werden sie irgendwann sehr unglücklich sein. Ich möchte dir keine Beispiele nennen, aber sei aufmerksam, wenn du Menschen zu Hause besuchst. Siehe dir ihre Wohnung an und siehe, ob sie Freude an ihrem Leben haben."
Barbara musste an ihre Freundin Sophia denken, als sie diese das letzte Mal besucht hatte. Sie konnte sich nicht erinnern, in deren Zuhause Blumen gesehen zu haben. Tatsächlich waren Sophia und ihre Eltern Menschen, die das Leben viel zu ernst nahmen. Für sie zählten nur diejenigen Dinge, die für den Erhalt ihrer Grundbedürfnisse vonnöten waren. Für andere Sachen, wie etwa Tagträumerei oder Illusionen, die nicht der Realität entsprachen, hatten sie nichts übrig.
„Mir ist tatsächlich schon aufgefallen, wie das Aussehen eines Raumes auf meine Stimmung wirkt", sagte Barbara.
„Siehst du, das ist genau das, was ich gemeint habe. Von nun an wirst du viel aufmerksamer sein, wenn du dir deine Umgebung ansiehst."
Spontan entschloss sich Barbara, in den Hof ihres Wohnhauses zu gehen. Sie zog ein Shirt und eine Hose an und sagte Henriette, dass sie hinunter gehe.
Wie schön es in diesem Hof ist, dachte Barbara, und das Wetter ist so herrlich warm.
Langsam ging Barbara quer durch die Wiese und betrachtete die Gänseblümchen und Gräser, die hier wuchsen. An einem sonnigen Platz setzte sie sich ins Gras. Ein paar Wolken zogen über den Himmel, Vögel zwitscherten in den Bäumen, die Sonne schien angenehm und ein Eichkätzchen huschte vorüber. Barbara legte sich hin.
Wenn nur Sophia hier wäre. Sie ist gemeinsam mit ihren Eltern auf Urlaub nach Sardinien geflogen, dachte Barbara, zwei Wochen lang muss ich mir ohne sie die Zeit vertreiben.
Eine ganze Weile blieb Barbara im Gras liegen, hielt die Augen geschlossen und dachte an die Aspirites.
Würde ich jemandem von ihnen erzählen, dann würde mir keiner glauben. Es ist so unfassbar, dass es eine Welt gibt, die parallel zu der unsrigen existiert. Ich habe solch ein Bedürfnis, mit jemandem darüber zu reden, am Abend werde ich meinen Eltern berichten, was ich seither erfahren durfte.
Während sie auf dem Boden lag, hatte Barbara die Idee, auf die Mauer zu klettern, welche den Hof umgab. Sogleich stand sie auf und überlegte, an was für einer Stelle das am besten möglich war. Ihr Blick fiel auf eine Kiste, die in einer Ecke stand. Diese eignete sich hervorragend als Aufstiegshilfe. Nachdem Barbara die Kiste zur Mauer gestellt hatte, stieg sie auf diese hinauf und dann auf das Gesims.
Über eine Stunde saß Barbara an dieser Stelle, ließ sich sonnen und träumte vor sich hin.
Gelassen ging Barbara nachher ins Haus zurück. Michael öffnete ihr die Tür, gleichzeitig hörte sie Henriette aus dem Wohnzimmer schimpfen.
„Wo bist du so lange gewesen? Ich habe dich nicht im Hof gesehen! Beinahe zwei Stunden warst du fort! So etwas kannst du doch nicht machen! Mehrmals habe ich mich über das Geländer gebeugt und habe in den Hof geschaut, doch du warst verschwunden! Wo warst du?"
„Ich bin auf der Mauer gesessen, ganz in der Ecke und habe mich gesonnt. Dort konntest du mich auch nicht sehen."
„Ganz am Anfang habe ich gesehen, wie du in der Wiese gelegen bist, kurze Zeit später warst du nicht mehr dort. Ich habe mir Sorgen gemacht, wohin du gegangen bist."
„Woanders als in den Hof gehe ich nicht hin. Hätte ich vorgehabt, irgendwohin zu gehen, dann hätte ich es dir gesagt."
„Henriette, hast du nicht vor ein paar Wochen gesagt, ich solle mir den Lichtschalter in der Küche ansehen? versuchte nun Michael, das Gespräch auf ein anderes Thema zu lenken, „Ich würde dies jetzt gerne erledigen.
„Das interessiert mich jetzt nicht! regte sich Henriette weiter auf, „Es geht nicht, dass Barbara fortgeht und weiß Gott wie lange wegbleibt! Barbara, du hast ab sofort Hausarrest! In den nächsten Tagen gehst du nirgendwo hin! Ich habe in der Wohnung viel zu tun, dabei brauche ich deine Hilfe. Hier ist so viel zu putzen und aufzuräumen.
Bedrückt ging Barbara in ihr Zimmer.
Eigentlich habe ich Ferien, doch anstatt diese zu genießen, bin ich zum Putzen eingeteilt. Und die Aspirites werde ich auch einige Tage nicht sehen, dachte Barbara, was wird meine Großmutter von mir verlangen? Ich hoffe, dass die Arbeiten leicht zu schaffen sind.
Dennoch war Michael in die Küche gegangen, um den defekten Lichtschalter zu reparieren. Inzwischen hatte Henriette begonnen, in Barbaras und ihrem Zimmer den Schreibtisch abzuräumen. Dabei fiel ihr abermals der Blumenstrauß auf. Sie fragte Barbara, woher dieser stammte. Barbara war auf diese Frage schon vorbereitet.
„Als ich gestern den Mist weggetragen habe, ist der Strauß im Eingangsbereich gelegen. Jemand hat ihn offensichtlich dort liegen gelassen. Er hat mir so gefallen."
„Ich hätte ihn wahrscheinlich auch mitgenommen."
Henriette wischte den Staub vom Schreibtisch und stellte ihre Sachen, sowie die von Barbara wieder hin.
„Den Blumenstrauß stellen wir auf den Esstisch, sagte Henriette, „So können sich alle an diesem erfreuen.
Dies gefiel Barbara nicht, doch um Henriette nicht möglicherweise wieder zu ärgern, stellte sie den Blumenstrauß ins Wohnzimmer. Als sie wieder zurück in ihrem Zimmer war, überzog sie auf Henriettes Geheiß ihr Bett frisch. Anschließend musste sie ihr Nachtkästchen abräumen, damit Henriette es ebenfalls abwischen konnte. Inmitten all der Sachen entdeckte Barbara eine kleine Engelsfigur aus fein geschnitztem Holz, die sie vorher noch nicht gesehen hatte.
Das ist ein Geschenk von den Aspirites, dachte Barbara sogleich, wer von ihnen hat es mir hierher gegeben? Der Engel bekommt einen besonderen Platz, ich werde ihn in das Regal über dem Schreibtisch stellen.
Barbara gab ihre Spielsachen an die für diese vorgesehenen Plätze, verstaute die Sachen, die auf dem Nachtkästchen herumgelegen hatten und stellte den Engel in das Regal.
„Schön hast du das alles hingegeben, bemerkte Henriette, „Jetzt sieht dieser Raum wieder ordentlich aus.
Auch Barbara musste zugeben, dass sie sich nun in dem Zimmer wohler fühlte.
„Das hast du gut gemacht, Barbara, sagte Henriette, „Nun gehe spielen.
Barbara ging ins Wohnzimmer und schaltete den Fernseher ein. Eine Weile zappte sie durch die Programme, bis sie bei einem Zeichentrickfilm hängen blieb.
Abends, als Ettine und Henriette gerade fern sahen und sich unterhielten, saß Barbara beim Couchtisch, ein Heft vor sich aufgeschlagen, in welches sie mit Füllfeder hineinschrieb. Vor einigen Monaten hatte Barbara begonnen, über ihre Kontakte mit den Aspirites Aufzeichnungen zu führen, was sie mit diesen erlebte, von woher diese stammten und in welcher Welt diese lebten.
Weil Ettine so bedrückt wirkte, beschloss Barbara, sie aufzuheitern. Kurzerhand schob sie ihr das Heft hinüber, schlug die erste Seite auf und sagte:
„Hier ist eine Geschichte über Feen. Diese wird dir vielleicht gefallen, lies sie dir durch."
Ein wenig überrascht griff Ettine nach dem Heft und begann zu lesen. Je mehr sie las, umso mürrischer wurde ihre Miene.
„Das ist doch ein völliger Unsinn, sagte sie schließlich, „So etwas gibt es gar nicht. Ein Zugang zu einer anderen Welt, in der menschenähnliche Wesen namens Aspirites leben. Und die zwischen unserer und ihrer Welt hin und her gehen können. Was hast du nur für Einfälle, Barbara?
„Ich bin mit diesen Aspirites befreundet, sagte Barbara, „Daher finde ich, auch ihr solltet sie kennenlernen. Ihr werdet sie mit Sicherheit mögen.
„Du bist völlig daneben, Barbara. Es gibt keine anderen Welten und auch keine Aspirites, so etwas brauchst du gar nicht schreiben. Dieses Heft kannst du nehmen und in den Mistkübel werfen! Ich hätte mir nicht gedacht, dass dir so etwas einfällt!"
Während sie redete, war Ettine immer lauter geworden. Henriette sah ihre Tochter verwirrt an, denn sie wusste nicht, wovon diese sprach. Langsam kehrte die Erinnerung zurück, als sie Barbara zusammen mit fremden Leuten im Hof gesehen hatte.
„Sie schreibt die ganze Zeit etwas, ich habe geglaubt, es ist etwas Ordentliches, sagte Henriette, „Tatsächlich habe ich Barbara bereits mehrmals mit fremden Leuten im Hof gesehen.
„Du lässt Barbara mit fremden Leuten zusammen sein? fragte Ettine ihre Mutter vorwurfsvoll, „Wie kannst du so etwas tun?
„Ich habe darauf gewartet, bis Barbara mir diese Leute eines Tages vorstellt."
„Wenn sie Barbara nun entführt hätten? Oder ihr sonst irgendetwas angetan?"
„Danach haben sie mir nicht ausgesehen, sie waren so freundliche Menschen, doch sie hatten etwas Fremdartiges an sich."
„Barbara, mit wem bist du zusammen im Hof gewesen?" fragte Ettine nun ihre Tochter.
„Ich glaube, sie wird es dir nicht erzählen, sagte Henriette, „Sie ist auch meinen Fragen ausgewichen, diese Freunde sind offensichtlich ihr großes Geheimnis.
„Ich möchte von dir eine Antwort!" schrie Ettine ihre Tochter an.
„Es waren die Aspirites. In diesem Heft habe ich sie ausführlich genug beschrieben, liest es euch durch."
„Ich sage es dir doch, sie gibt uns nichts preis, was sollen wir machen?"
Insgeheim war Henriette erleichtert, dass sie mit ihrer Tochter über das reden konnte, was sie seit einiger Zeit beobachtete.
„Was hast du beobachtet? fragte Ettine nun Henriette, „Wann hat Barbara diese Leute getroffen und was haben sie zusammen gemacht?
„Ungefähr alle paar Tage trifft Barbara sie im Hof. Es sind immer andere Leute dabei."
„Wie sahen diese aus? In welchem Alter waren sie?"
„Sie sahen ganz normal aus, aber ich kann sie nicht einschätzen."
„Ich nehme an, es waren Kinder so wie Barbara."
„Es waren auch Erwachsene darunter."
„Wahrscheinlich die Eltern der anderen Kinder, in diesem Haus wohnen aber nicht so viele Familien."
„Dann verstehe ich nicht, von wo die Leute herkommen."
„Barbara, sage mir, wer diese Leute sind und wo sie wohnen."
„Das steht hier in diesem Heft, du wolltest es ja nicht lesen", sagte Barbara.
„Ich möchte mit dir ernsthaft reden. Wer sind diese Personen, mit denen dich deine Großmutter im Hof gesehen hat?"
„Das waren die Aspirites, wie ich sie beschrieben habe. Ich würde euch gerne beweisen, dass es sie wirklich gibt, nur habe ich keine Ahnung, wie."
„Entweder bist du geistesgestört, oder du denkst dir aus Langeweile solche Sachen aus, ärgerte sich Ettine und gab Barbara das Heft zurück, „Jedenfalls bin ich nicht gewillt, das hier zu lesen.
Wortlos nahm Barbara das Heft wieder an sich. Sie war enttäuscht, weil niemand ihr glaubte und sie keinen Weg fand, die Wesen aus der Aspiriteswelt für die anderen glaubhaft zu machen.
„Was tun wir jetzt, Ettine?" wollte Henriette wissen.
„Auf jeden Fall braucht Barbara irgendeine Beschäftigung. Sie denkt sich solche Dinge aus, weil ihr langweilig ist."
Eine Weile herrschte Schweigen. Barbara hielt das Heft, in welchem sie in schöner Handschrift vom Leben der Aspirites erzählte, an sich gedrückt.
„Mutter, den ganzen Tag ist Barbara in deiner Obhut, versuche, dich mit ihr mehr zu beschäftigen, sagte Ettine, „Meinetwegen gehe mit ihr spazieren, nimm sie zum Einkaufen mit, aber bitte sorge dafür, dass sie sich immer mit etwas Vernünftigem beschäftigt. Es geht nicht, dass sie Leute trifft, die uns fremd sind und sich solche Phantasiegeschichten ausdenkt. Leider bekomme ich heuer keinen Urlaub, sonst würde ich mich persönlich Barbara annehmen.
3. KAPITEL
„Mit diesem Kind ist es nicht einfach! Ihr verlangt wirklich zu viel von mir! Barbara ist elf Jahre alt und weiß genau, was sie will. Sie wird es auch nicht akzeptieren, wenn ich sie den ganzen Tag an mich binde! Ich bin außerdem auch nicht mehr die Jüngste, das müsst ihr verstehen! Im Haushalt ist so viel zu tun. Und zu allem wollt ihr, dass ich dafür Sorge, dass Barbara nicht langweilig wird!" regte sich Henriette auf. Ausführlich beschrieb sie ihren Alltag.
„Es muss doch eine Möglichkeit geben, wie wir herausfinden können, mit welchen Personen sich Barbara abgibt! Michael war höchst gereizt. „Ich werde mich in den nächsten Tagen selber darum kümmern!
„Was wirst du tun?" fragte Ettine.
„Wenn ich sehe, dass Barbara mit diesen Leuten beisammen ist, gehe ich hinunter in den Hof und rede mit ihnen!"
„Hältst du das für richtig?"
„Ich habe ein Recht darauf zu erfahren, mit wem sich meine Tochter abgibt! Ich werde ganz vernünftig mit ihnen reden."
Barbara hatte den Eindruck, dass sich ihre Mutter kaum für die Vorgänge zu Hause interessierte, seit sie vor wenigen Monaten in der neuen Firma angefangen hatte. Dies störte sie.
Meine Mutter ist traurig, weil sie keinen Sommerurlaub bekommt, dachte Barbara, außerdem ist sie in der neuen Firma nicht glücklich. Immer erzählt sie meiner Großmutter von irgendwelchen Problemen. Jetzt sehe ich mir die Sachen an, die mir meine Freunde von der Aspiriteswelt gegeben haben. Sie haben mir einige Geschenke gemacht, bei deren Anblick ich immer eine Freude empfinde.
In einer Lade in ihrer Kommode bewahrte Barbara Gegenstände auf, die für sie von Bedeutung waren.
Wenn ich eines Tages in die Aspiriteswelt gehe, werde ich diese Sachen mitnehmen. Darauf freue ich mich schon so, dachte Barbara und öffnete die besagte Lade.
Bernfriede hatte Barbara einmal gesagt, dass sie innerlich ruhig sein musste und konzentriert, wenn sie mit den Aspirites Kontakt herstellen wollte. Sogleich konzentrierte sie sich und es dauerte nur ein paar Sekunden, bis sie eine Ruhe in sich verspürte.
Unter den Gegenständen, die Barbara in dieser Lade sammelte, waren viele Erinnerungsstücke, die von schönen Begebenheiten stammen. Ein älteres Passfoto von Henriette, auf welchem diese sehr gut aussah. Weiters ein kleiner, bunter Gummiball, den Barbara von einer Schulkollegin geschenkt bekommen hatte. Alte Füllfedern und Bleistifte in schönen Farben, eine kleine Box voll Murmeln, ein Geburtstagsbillet von einer Verwandten und einen Glücksbringer-Rauchfangkehrer. Es waren aber auch Sachen darunter, die Barbara von ihren Freunden aus der Aspiriteswelt geschenkt bekommen hatte, wie Fotos und getrocknete Blumen. Etliche Briefe, die ihr die Aspirites schrieben, waren auch darunter. Das Heft mit den Aufzeichnungen über die Aspirites gab Barbara auch immer in diese Lade.
Jedes Mal erfüllte Barbara der Anblick all dieser Dinge mit Freude. So auch dieses Mal. Sie setzte sich an ihren Schreibtisch und hielt in ihrem Tagebuch fest, wie gerne sie es hätte, dass jemand sie versteht und ihr hilft, in ihrem Alltag zurechtzukommen.
Während des Abends braute sich drückend und schwül ein Gewitter zusammen. Aus dem Südwesten zogen dicke Wolken herbei und der Wind wurde immer stärker. Bereits kurz nach Sonnenuntergang verdunkelte sich der Himmel, als wäre es plötzlich Nacht geworden.
Barbara war auf der Terrasse gesessen und hatte in einem Buch gelesen, nun blickte sie auf. Die herannahende Gewitterfront war ein aufregender Anblick, Barbara legte das Buch zur Seite und stand auf. Sie beobachtete, wie die dunklen Wolken näher kamen und es in der Ferne leise grollte. Ein Flugzeug war im Landeanflug auf Schwechat und flog so niedrig, dass Barbara beinahe das Symbol der Airline erkennen konnte. Wieder grollte es. Aufmerksam blickte Barbara um sich, doch sie konnte keine Blitze sehen.
„Barbara, mach, dass du herein kommst! sagte Ettine von der Balkontür aus, „Das Gewitter kommt.
Barbara nahm ihr Buch und ging ins Wohnzimmer. Vom Fenster aus konnte sie genauso gut das Wetter beobachten. Es dauerte nicht mehr lange, bis ein heftiger Regen niederging. Alle paar Sekunden blitzte und donnerte es. Zur Sicherheit hatten Ettine und Henriette den Fernseher ausgeschalten und auch das Licht abgedreht.
Als das Gewitter leichter wurde, kam Henriette auf die Idee, die Wohnung so richtig durchlüften zu lassen. Sie öffnete die Fenster im Wohnzimmer, in Barbaras und ihrem Zimmer sowie die Balkontür. Ettine war gerade im Schlafzimmer und wusste nicht, welche Idee ihre Mutter hatte. Wenn auch das Gewitter leichter geworden war, die Sturmböen waren stark wie zuvor. Der heftige Durchzug wirbelte Zeitschriften vom Couchtisch, welche quer