Discover millions of ebooks, audiobooks, and so much more with a free trial

Only $11.99/month after trial. Cancel anytime.

Die letzten Zuckungen des Kapitalismus: Der Kapitalismus ist bis zum Platzen reif und auf dem Weg zu seinem Kollaps. Hier liest Du, wie dieser Weg konkret in den letzten zwei bis drei Jahrzehnten aussah, welche Ursachen diesen Weg bestimmten und welche Schlussfolgerungen uns noch verble...
Die letzten Zuckungen des Kapitalismus: Der Kapitalismus ist bis zum Platzen reif und auf dem Weg zu seinem Kollaps. Hier liest Du, wie dieser Weg konkret in den letzten zwei bis drei Jahrzehnten aussah, welche Ursachen diesen Weg bestimmten und welche Schlussfolgerungen uns noch verble...
Die letzten Zuckungen des Kapitalismus: Der Kapitalismus ist bis zum Platzen reif und auf dem Weg zu seinem Kollaps. Hier liest Du, wie dieser Weg konkret in den letzten zwei bis drei Jahrzehnten aussah, welche Ursachen diesen Weg bestimmten und welche Schlussfolgerungen uns noch verble...
Ebook448 pages4 hours

Die letzten Zuckungen des Kapitalismus: Der Kapitalismus ist bis zum Platzen reif und auf dem Weg zu seinem Kollaps. Hier liest Du, wie dieser Weg konkret in den letzten zwei bis drei Jahrzehnten aussah, welche Ursachen diesen Weg bestimmten und welche Schlussfolgerungen uns noch verble...

Rating: 0 out of 5 stars

()

Read preview

About this ebook

Der Kapitalismus ist bis zum Platzen reif und auf dem Weg zu seinem Kollaps. Hier liest Du, wie dieser Weg konkret in den letzten zwei bis drei Jahrzehnten aussah, welche Ursachen diesen Weg bestimmten und welche Schlussfolgerungen uns noch verbleiben. Der Kapitalismus hat mit der Dritten industriellen Revolution (Mikroelektronik) und Globalisierung seine Endkrise erreicht und damit keine positive Entwicklung mehr vor sich. Alles was wir sehen und erleben sind seine Zerfallserscheinungen. Aber er kann objektiv nur sterben, indem er sich immer schneller auf seinen Gewaltkern zurückschrumpft, was in die Barbarei führt und die Selbstvernichtung der Menschheit als Konsequenz hat. Nur mit radikal verändertem Bewusstsein wäre das (gerade noch) zu stoppen.
LanguageDeutsch
Publishertredition
Release dateFeb 4, 2020
ISBN9783347008656
Die letzten Zuckungen des Kapitalismus: Der Kapitalismus ist bis zum Platzen reif und auf dem Weg zu seinem Kollaps. Hier liest Du, wie dieser Weg konkret in den letzten zwei bis drei Jahrzehnten aussah, welche Ursachen diesen Weg bestimmten und welche Schlussfolgerungen uns noch verble...

Read more from George Kaufmann

Related to Die letzten Zuckungen des Kapitalismus

Related ebooks

Politics For You

View More

Related articles

Reviews for Die letzten Zuckungen des Kapitalismus

Rating: 0 out of 5 stars
0 ratings

0 ratings0 reviews

What did you think?

Tap to rate

Review must be at least 10 words

    Book preview

    Die letzten Zuckungen des Kapitalismus - George Kaufmann

    Die Wiedervereinigungsfalle und die Krise des warenproduzierenden Weltsystems

    Lass uns also mit der sogenannten Wende beginnen:

    Der Osten hat ja offensichtlich Ende der 80er/Anfang der 90er Jahre für jeden sichtbar verloren, aber der Westen hat, entgegen der landläufigen bzw. sogar globalen Ansicht, nicht gewonnen, was allerdings seine Protagonisten keinesfalls gelten lassen. Schlimmer: nicht einmal über die Natur des sich zersetzenden Systemkonflikts herrschte Klarheit; was da tatsächlich geschah, entzog und entzieht sich nahezu vollkommen bis heute dem Bewusstsein. Freiheit versus Sozialismus? Arbeitermacht gegen Ausbeutung? Die Begriffe zerfallen nach wie vor zu Staub und enthüllen sich so heute als mumifizierte Ideologien, die aus der Grabkammer der versteinerten Nachkriegs-Konstellation an die frische Luft einer gänzlich veränderten weltgesellschaftlichen Wirklichkeit gezerrt wurden. Aber nicht nur beiderseits der Elbe dachten, denken noch immer und handeln die Protagonisten gleichsam pantomimisch weiter in den gewohnten, gespenstisch unwirklich gewordenen Posen der politischen Klasse; demoralisiert und demütig geworden die einen, mit verräterisch verzerrtem und fast ungläubigem Siegerlächeln die anderen. Worin aber bestand eigentlich die fundamentale Veränderung, die sich derart dramatisch hinter dem Rücken der Galionsfiguren eines offenbar blinden und objektivierten historischen Prozesses vollstreckt hat?

    Konvergenztheorien hatten seit langem schon einen immanenten Zwang zur Annäherung der sich gegenseitig scheinbar ausschließenden Gesellschaftsformationen prognostiziert. Teils wurde diese verborgene innere Identität in den gemeinsamen naturwissenschaftlichen und technologischen Grundlagen der modernen Industriegesellschaften gesehen (meistens im Kontext kulturpessimistischer Anschauungen), teils in der ökonomischen Notwendigkeit einer wechselseitigen Durchdringung von Marktmechanismen und staatlicher Regulation. Aber – sowohl Markt als auch Staat, ebenso wie die in Bewegung gesetzten naturwissenschaftlich-technischen Agenzien, folgen jedoch stets einer tiefer liegenden gesellschaftlichen Basis-Logik. Und deren Identifizierung als „Arbeitsgesellschaft verweist keineswegs auf eine ontologische menschliche Grundbefindlichkeit. Denn „Arbeit befindet sich hier immer schon in der spezifisch historischen Form einer abstrakten betriebswirtschaftlichen Vernutzung von menschlicher Arbeitskraft und Naturstoffen, wie sie allein dem warenproduzierenden System der „Moderne¹ inhärent ist. Die „Sowjetökonomie hatte daran gar nichts geändert, sondern dieser arbeitsgesellschaftlichen Logik des (unüberwundenen) warenproduzierenden Systems die etatistische Planung des Werts nur äußerlich aufgesetzt und dem Ganzen gewissermaßen die Konkurrenz herausoperiert, die aber gerade das die Produktivkraft stark entwickelnde Element einer Warenproduktion ist.

    Marktwirtschaft (der Oberflächenbegriff des warenproduzierenden Systems) ist abstrakte Arbeit als Selbstzweck, dargestellt in Geld. Ein genaueres Hinhören hätte schon immer erkennen lassen, dass das östliche Selbstverständnis eines „geplanten Marktes" das innere Wesen der Marktwirtschaft keineswegs transzendierte. Die Elemente der bürokratischen Staatsplanung entstammen ja nicht einer nach-, sondern einer vorbürgerlichen Logik, deren relative historische Sinnstiftung als gewaltsame „nachholende Industrialisierung längst jede Legitimation eingebüßt hatte. Der Export dieser in sich widersprüchlichen Formation „nachholender bürgerlicher Vergesellschaftung in die westliche Peripherie des russischen Imperiums und speziell deren Installation im bereits hochindustrialisierten Deutschland-Ost war von vornherein kontraproduktiv und reaktionär. Denn hier hätte sich der Kapitalismus auf seinen eigenen (hohem Welt-Standard entsprechenden) Grundlagen aus sich heraus entwickeln können. Das betraf auch generell solche Länder, wie zum Beispiel Polen und die Tschechoslowakei. Von der historischen Lebenslüge ihres östlichen Pendants aber lebte und lebt die westliche politische Klasse legitimatorisch bis zum heutigen Tag; aber ihr vermeintlicher Sieg kann sie nur in jeder Hinsicht teuer zu stehen kommen.

    Schau Dir an, warum das so ist, denn es lohnt sich für uns, hier genauer hinzuleuchten: Tatsächlich verweist nämlich der Zusammenbruch des Ostblocks auf eine tieferliegende Krisenpotenz der gemeinsamen arbeitsgesellschaftlichen Grundlagen des warenproduzierenden Weltsystems, deren schubweises manifest werden deshalb auch den Westen selbst nicht aussparen kann. Dieser „realsozialistische" Zusammenbruch signalisierte, ebenso wie schon vorher derjenige weiter Teile der sogenannten Dritten Welt, keineswegs das Einmünden eines historischen Irrtums in die geschichtslose Wahrheit des Marktes, sondern viel eher die lebensgefährlich gewordene Erosion der gemeinsamen weltgesellschaftlichen Basisform selbst. Jedes Gesamtsystem, und ein solches war und ist der totale Weltmarkt über alle scheinbaren Systemgrenzen hinweg, zerbricht zuerst an den Schwachstellen seiner peripheren Subsysteme. Nicht also die endbürgerliche Lebens- und Reproduktionsform des totalen Marktes siegte, sondern die „nachholende Integration des Südens und Ostens, d.h. der Mehrheit der Weltbevölkerung, in diese bereits ausgeschöpfte und nicht mehr weiterzuentwickelnde bürgerliche Welt ist gescheitert. Und hierin liegt die Tragik der östlichen Reformer: sie wollten auch als politisch-moralische Subjekte und nicht nur als ökonomische Entwicklungsmaschinen durch die Tür der „Moderne treten und merkten gar nicht, dass das Haus, zu dem diese Tür gehört, bereits in hellen Flammen stand.

    Die Arbeitsgesellschaft des warenproduzierenden Systems überholt sich nämlich selbst, weil die abstrakte betriebswirtschaftliche Vernutzungs-Potenz von Arbeitskraft auf dem konkurrenzwirtschaftlich erreichten industriellen Produktivitätsniveau strukturell bereits rückläufig wurde. Die Konkurrenz belohnt die Steigerung der Produktivität mit überproportionaler Aneignungsfähigkeit von „Wert (Geld) auf dem Weltmarkt; aber die daraus resultierende permanente Produktivitätssteigerung unterhöhlt gleichzeitig die weltweite Anwendungsfähigkeit von Lohnarbeit. Obwohl das (eigentlich) leicht zu verstehen ist, weigert sich das globale Alltagsbewusstsein fast bösartig hartnäckig, solche Gedanken auch nur im geringsten Maß überhaupt zuzulassen. Aber ob nun erkannt oder nicht: dieser säkulare Prozess hat heute bereits sein Reifestadium erreicht. Nicht mehr an der guten alten kapitalistischen „Ausbeutung krankt die krisenhaft ins Leben getretene postfordistische Welt, sondern (die Warenproduktion vorausgesetzt) am zunehmenden Mangel derselben, vorangetrieben durch jeden neuen mikroelektronischen Produktivitätsschub. Die Zeche zahlen die „Weltmarktverlierer: Länder, Regionen, Branchen, Unternehmen, Individuen. Die bereits von Daniel Bell (1919-2011), einem US-amerikanischen Soziologen, prognostizierte „Dienstleistungsgesellschaft erscheint zwar in der realen Tertiarisierung (Umwandlungsprozess zu einer Dienstleistungsgesellschaft), aber in der volkswirtschaftlichen Gesamtreproduktion lassen sich die meisten „Dienste am Menschen gar nicht kapitalisieren und schlagen in „unproduktive Finanzierungslücken um. Was geschieht wirklich? Um den Schein marktökonomischer Normalität aufrechtzuerhalten, muss die Kaufkraft von Staaten, Unternehmen und Privaten bereits seit den 80er Jahren zunehmend weltweit durch einen sich historisch beispiellos auftürmenden Kredit- und Spekulationsüberbau „fiktiven Kapitals" (Marx) simuliert werden.

    Die (immer weiter in die Zukunft vorgreifenden) Kreditketten reißen notwendig stets zuerst in den produktivitätsschwachen Regionen des Weltmarkts. Die Schuldenkrise der 3. Welt und deren Verslumung, Deindustrialisierung und Barbarisierung fanden deshalb ihre logische Fortsetzung im Zusammenbruchs-Prozess der nächstschwachen Region, also des nunmehr bereits ehemaligen Ostblocks. Das calvinistische Arbeitsethos der „Arbeiter-und-Bauern-Mythologie blamierte sich gerade dadurch, dass der „geplante Markt stagnativ auf niedrigem Produktivitätsniveau in der „ehrenvollen massenhaften Arbeitskraft-Verausgabung verharrte, ohne die Tertiarisierung und mikroelektronische Umwälzung auf Weltniveau auch nur annähernd mitmachen zu können. Der vorbürgerliche Industrialisierungs-„Sozialismus hat die Lohnarbeit nicht überwunden, sondern deren „Vollbeschäftigung durch die Notenpresse bis zum unvermeidlichen Ende von Staatsbankrott und Hyperinflation simuliert. Dieser Bankrott musste früher oder später als Quittung für den Versuch vollstreckt werden, auf dem Boden des unüberwundenen warenproduzierenden Systems dessen „Zwangsgesetze der Konkurrenz (Marx) bürokratisch substituieren zu wollen. Die künstlich subventionierte Arbeitskraft-Verausgabung unterhalb des Weltniveaus der Produktivität ist aber auf dem Weltmarkt ungültig, und diese Ungültigkeit schlug dann auch voll nach innen durch. Aber dieser Zusammenbruch hätte den Westen ebenso wenig freuen sollen, wie die Krise der 3. Welt, kündigte er doch das Ende der kreditären Simulation von produktiver Kaufkraft auch im autochthonen (dort ursächlich ansässigen, eingeborenen) westlichen Kapitalismus an, das schon in den Börsencrashs von 1987 („Schwarzer Montag") und 1989 (DAX-Einbruch um 13 % am 16. Oktober), in der Krise des nordamerikanischen Junk-Bond-Marktes, im prekär werden der weltweiten gigantischen Immobilienspekulation (mit zunehmender Wohnungsnot als Folgeerscheinung) und in der geradezu phantastischen US-Sparkassenpleite aufgeblitzt war. Das Gebirge „fiktiven Kapitals" nicht nur des Südens und Ostens, sondern auch des glorreichen Westens selbst begann zu wanken. Nachdem die schon länger schwelende Krise des Südens den gesamten Osten erfasst hatte, schlug sie anfangs der 90er Jahre gerade in Deutschland, an der hautnahen Berührungsstelle mit den verflossenen Subsystemen des einen warenproduzierenden Weltsystems, in den Westen über. Die offizielle Zahl der Arbeitslosen im Dezember 1997 war bereits auf über 4,1 Million gestiegen und man rechnete bereits mit 4,5 Millionen. Inoffiziell warteten allerdings mindestens 6 Millionen auf einen Job. Die Arbeitslosigkeit stieg in der Ära Kohl allein im Westen um über 60 Prozent. 2005 wurde offiziell die 5-Millionen-Marke erreicht.

    So war zu sehen, dass gerade die Wiedervereinigung, in der Treuherzigkeit des politisch beschränkten Bewusstseins als Triumph der Freiheit gefeiert oder (umgekehrt) resignierend als vermeintliche Übermächtigkeit „des Kapitals" akzeptiert, wesentlich dazu beitrug, die kritische Masse für einen Super-GAU des warenproduzierenden Systems zu erreichen und eine Weltmarktkrise auszulösen. Keine unerträglichere Last hätte der wunderbaren BRD aufgebürdet werden können als die Kapitulation der DDR und die Zumutung, das längst versteinerte und verkrustete Gebot des Grundgesetzes aus dem Jahr 1949 unter den Weltmarktbedingungen der 90er Jahre verwirklichen zu müssen. Es ist nämlich eine Sache, mit dem Finger auf das östliche Völkergefängnis zu zeigen und die mangelnde Konkurrenzfähigkeit des „geplanten Marktes" zu beweisen; eine ganz andere Sache aber ist es, den 17 Millionen „Brüdern und Schwestern" wirklich die Hand zu reichen und sie an Bord der konkurrenzwirtschaftlich erfolgreichen Titanic zu hieven.

    Merkwürdig naiv setzte sich ein flacher Berufsoptimismus in Szene, wenn den östlichen Hilfsschülern des Kapitalismus suggeriert wurde, dass ihnen ein bloßer „Modellwechsel des ökonomischen Allokationssystems (Zuordnung und Verteilung) per se Rettung, Wachstum und zukünftigen Wohlstand garantieren könne. Als hätte es nicht längst reihenweise konkurrenzwirtschaftliche Weltmarktverlierer gerade auf der (erzwungenen) Basis des relativ „freien Marktzugangs, und zwar keineswegs nur in Afrika und Lateinamerika, sondern auch an der Peripherie der OECD-Länder selbst gegeben. Ja sogar kapitalistische Zentren wie die USA und Großbritannien befinden sich seit langem zumindest partiell im Verlierersog der Weltmarktbewegung, mit sozialen Folgen übrigens, die denjenigen des untergegangenen Ostblocks und der 3. Welt keineswegs unähnlich sind. Die Lohneinkommen für die unteren 90 Prozent der Beschäftigten in den USA sind 2019 immer noch auf dem Niveau der 70er Jahre. Die Zersetzung der sozialen Architekturen ist längst auch in die Zentren der Weltmarkt-Produktivität vorgedrungen, die fordistische Globalprosperität nur noch historische Erinnerung. Lediglich noch in den Relationen und Reichweiten des Niedergangs und der Krisenprozesse unterscheiden sich die Regionen des warenproduzierenden Weltsystems. In der Montan-, Werft- und Textilindustrie gehört auch der ansonsten satte Weltmarktgewinner BRD schon zu den Verliererländern. Da die Arbeitslosigkeit und Kapitalvernichtung aber im internationalen Produktivitäts-Wettlauf nicht etwa unmittelbar bei den technologischen und infrastrukturellen Spitzenreitern auftreten, die wegen ihrer Kapitalstärke noch zusätzliche Märkte erobern, sondern vielmehr in die Verliererregionen exportiert wird, muss sie auch dort subventioniert werden oder sekundäre Verelendungsprozesse auslösen.

    Die Einführung des konkurrenzwirtschaftlichen „Prinzips im ehemaligen Ostblock kann als solche logisch also gar keine Besserung bringen, sondern nur mechanisch anzeigen, wo diese Länder vom Standpunkt der Produktivitätslogik des Weltmarkts aus real stehen: nämlich tief unten in den Randzonen der Armut. Die Wegnahme jener bürokratischen Käseglocke des „geplanten Marktes und die Auflösung seiner Subventionsstrukturen, die den nie überwundenen Gesetzen der Vernutzung von Lohnarbeit nicht länger standhalten konnten, enthüllte nur die hoffnungslose Verrottung eines künstlich fixierten früh-fordistischen und mittlerweile antiken Reproduktions-Apparats. Die Weltmarktverlierer, die bisher immer noch nicht so genau wissen, dass sie solche überhaupt sind, müssen nun jedoch ohne Erbarmen büßen. Das sagten auch gleich beim Sichtbarwerden des Zusammenbruchs wenigstens die frischgebackenen katholischen Monetaristen Polens in wünschenswerter Klarheit.

    Da aber die „Schocktherapie einer Freisetzung der Konkurrenzlogik in Wirklichkeit logisch nur den Ausbruch der Krankheit beschleunigte und deren Symptome verschlimmerte, konnte sie auch nicht zur Heilung führen. Dass es nach einer „vorübergehenden Durststrecke zu ungeahnten Aufschwüngen und neuen „Wirtschaftswundern" kommen könnte, war von Anfang an eine Fata Morgana für die Gutgläubigen. Denn erstens wären für die Erneuerung des Maschinenparks und der Infrastruktur im Sinne der „Konkurrenzfähigkeit" gewaltige Summen nötig gewesen, die kein einziges Ostblockland besaß; im Gegenteil bahnte sich hier schon aus den Altlasten bisheriger Außenverschuldung eine zweite Schuldenkrise an.

    Und zweitens würde es sich dabei um zunächst für sich genommen unproduktive Investitionen bzw. um Vorauskosten handeln, die erst nach einer längeren Inkubationszeit, wenn überhaupt, zur erwünschten Konkurrenzfähigkeit führen könnten. In der Zwischenzeit, und zwar über Jahre hinweg, wie wir heute gut sehen, mussten große Teile der „zunächst einmal arbeitslos gewordenen Bevölkerung auf einem neue (berechtigte) Unzufriedenheit erzeugenden Armutslevel erst recht weitersubventioniert werden, was die gewaltigen Kosten der infrastrukturellen und maschinellen Erneuerungs-Aufrüstung des Reproduktionsapparats noch einmal gut und gerne verdoppeln musste. Es sei denn, eine Millionenmasse von Menschen Osteuropas könnte fünf oder zehn Jahre von der Luft und von der Liebe ihrer westlichen Beifallspender leben oder direkt aus Polen flüchten, um irgendwo in Ländern des kapitalistischen Zentrums Geld zu verdienen, um leben zu können. Da aber der „geplante Markt an eben diesen Subventionskosten erstickt ist, bleibt einigermaßen unersichtlich, woher denn die Gelder für dieses Durchhalten auf Dauer kommen sollten. Aus einer Eigenerwirtschaftung in den zusammengebrochenen Binnenökonomien Osteuropas jedenfalls nicht.

    Drittens schließlich wäre selbst bei einem Durchpeitschen dieser logisch wie praktisch unmöglichen Wahnsinnsanstrengung, die fast schon eine Vernichtung „unnützer Bevölkerungsteile einkalkulieren müsste, wie sie sich gegenwärtig ja schon in den Elendsgürteln der 3. Welt als grausame Realität vollstreckt, ein späterer Erfolg keineswegs garantiert. Ein Durchhungern zu einem auch nur bescheidenen marktwirtschaftlichen Wohlstand ist heute nirgendwo auf der Welt mehr binnenökonomisch im Rahmen einer nationalen Volkswirtschaft möglich; auch daran sind ja nicht zuletzt die „geplanten Märkte mit ihren vorsintflutlichen Autarkie-Tendenzen gescheitert. Die internationale Integration war ja in der EG/EU (Europäische Gemeinschaft/Europäische Union) bereits viel weiter fortgeschritten als im RGW (Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe), der kaum mehr als einen losen Verbund von stagnierenden Nationalökonomien darstellte und allein dadurch schon seinen reaktionären Charakter zeigte.

    Der Prozess „negativer Vergesellschaftung des warenproduzierenden Systems hat längst den Weltmarkt aus einer Meta-Sphäre nationalökonomischer Reproduktion in den unmittelbaren Funktionsraum vieler oder sogar der meisten betriebswirtschaftlichen Einheiten verwandelt; da das aber nur die andere Seite der Produktivitätsschübe des Vernutzungs-Prozesses von Arbeitskraft ist, musste der „geplante Markt objektiv auch in dieser Hinsicht sein Waterloo erleben. Die Internationalisierung und Transnationalisierung der Märkte und der Arbeitsteilungs-Strukturen lässt hochwertige Industrie-Produktionen nur noch zu, wenn sie auch Exportmärkte erfassen können. Ansonsten ist Deindustrialisierung die Konsequenz und damit die Belieferung des jeweiligen Binnenmarktes mit hochwertigen Produkten von außen, die sich dann allerdings nur noch eine kleine Oberschicht leisten kann. Gerade das zeigt sich nun als die wahrscheinlichste Perspektive für Osteuropa, weil sich die inzwischen ebenfalls bereits an ihr Ende gelangten asiatischen Newcomer (sogenannte Tigerstaaten) ihren Vorsprung nicht mehr abnehmen lassen werden und der Weltmarkt eben nicht mehr beliebig aufnahmefähig ist. Letzteres dokumentieren die in nahezu allen Industriezweigen vorhandenen und auf ihre Abschaffung drängenden kolossalen Überkapazitäten sehr deutlich.

    Jeder Vergleich des osteuropäischen „Neuanfangs mit der westlichen (und speziell westdeutschen) fordistischen „Gründerzeit nach dem 2. Weltkrieg lügt sich über die in den letzten Jahrzehnten völlig veränderten Bedingungen des warenproduzierenden Weltsystems hinweg; stand damals im Weltmaßstab der Boom fordistischer Arbeitskraft-Vernutzung in den neuen Massenindustrien (Automobile, Küchentechnik, Heimelektrik) noch bevor, so ist er heute längst bereits ausgelaufen und von der Produktivitätslogik der Konkurrenzökonomie überholt. Derselbe Grund, der zum Zusammenbruch des „geplanten Marktes geführt hat, verunmöglichte auch gleichzeitig einen produktiven konkurrenzwirtschaftlichen „Gründerboom des Ostens auf dem Weltmarkt. Warum ist das aber so? Einerseits gilt individuelle wie gesellschaftliche Reproduktion nur als Resultat der Vernutzung von abstrakter Arbeitskraft, andererseits gilt wiederum diese Vernutzung nicht, wenn sie nicht konkurrenz-ökonomisch „erfolgreich auf dem Produktivitätsniveau des Weltmarkts „realisiert werden kann; und je höher dieses Niveau heute vor allem durch die Vollziehung der Dritten industriellen Revolution (Mikroelektronik) geschraubt wird, desto unerreichbarer wird es für immer mehr Regionen und Firmen. Mit anderen Worten: eine immer größere Masse von Menschen ist in der Logik des warenproduzierenden Systems schlicht „ungültig" und kann sich im Prinzip aufhängen, oder zu Hause verhungern, oder sich auf die Flucht in die kapitalistischen Zentren machen, um dort eine Arbeitsmöglichkeit zu finden oder die suggerierten Sozialleistungen in Anspruch zu nehmen.

    Wenn also inzwischen, wie aufgezeigt, binnenökonomische „Wirtschaftswunder grundsätzlich unmöglich sind, die Weltmärkte aber besetzt bleiben oder „Opfer im Maßstab tiefer Verelendungsprozesse von Bevölkerungsmehrheiten über eine sehr viel längere (und eigentlich unabsehbare) Zeit abverlangen müssen, als es sich die jeweiligen „Experten" des Fetisch-Systems² der Warenproduktion zu sagen getrauen: dann ist mit dem Ostblock keineswegs lediglich ein durch und durch verlogener und verfaulter politischer Herrschaftsapparat kriegswirtschaftlicher Provenienz zusammengebrochen, sondern ein weiteres ökonomisches Segment des einen warenproduzierenden Weltsystems – und diesmal nicht „weit weg auf der südlichen Halbkugel, sondern direkt vor der Haustür. Damit konnte vorausgesehen werden, dass, sobald die Massen des Ostens, die ja in den Subventionsstrukturen eines äußerlich-militärisch vom Weltmarkteinbruch abgeschirmten Industriesystems keineswegs an das Elend des Südens gewöhnt waren, bemerken werden, dass der Zusammenbruch der verhassten Regimes „dummer alter Männer ihnen nichts weiter einbringt als den „Ungültigkeits"-Stempel des Weltmarkts auf Dauer, ihre eigentliche Rebellion erst beginnen wird: wie immer diese dann auch aussehen mag, ob als (unwahrscheinliches) zielgerichtetes Abschütteln der Warenproduktion oder als ziellose Aufstände, Pogrome, Massenfluchtbewegungen, politischnationalistische Rechtsbewegungen und Massenkriminalität.

    Der Stolz osteuropäischer Protagonisten auf ihre vermeintlichen „demokratischen Revolutionen musste vor diesem Hintergrund als geradezu dumm und naiv erscheinen, denn mit Ausnahme Rumäniens (dort war wohl die putschende Armee der entscheidende Faktor) ist die alte politische Klasse der marxistisch-leninistischen Dracula-Regimes nirgendwo wirklich von revoltierenden Massen hinweggefegt worden. Dies wäre allerdings auch die erste Händchenhalter- und Kerzchen-Revolution der Weltgeschichte gewesen. Die eher ohnmächtige Friedfertigkeit der nur auf den ersten Blick „guten Menschen in allen Ehren, die sich übrigens schon auf den zweiten Blick als gierig-ellbogenstoßende und geifernd-gesichtslose Masse ohne eigene Subjektivität entpuppten: aber noch keine herrschende Partei oder Klasse ist jemals auf nur passive und noch dazu hündisch nur nach anderen Herren schielende Missfallenskundgebungen ihres „Menschenmaterials hin mit allen Anzeichen einer derartigen Selbstaufgabe abgetreten, wie sie die politisch abgelebte poststalinistische Nomenklatura Osteuropas in wenigen Wochen vorgeführt hat. Noch nicht einmal ein einziger Generalstreik war dafür notwendig. Die wirklichen Revolutionäre waren freilich ebenso wenig Subjekte wie die politisch stummen und stumpfen, bar jeder Eigenständigkeit, den marionettenhaft agierenden Demonstranten-Massen nachlaufend („wir sind das Volk) und vollkommen unwissend bezüglich des Zusammenhangs von Weltmarktlogik und Staatsbankrott. Die Nomenklatura ist aus demselben Grund durch den Hinterausgang verschwunden, aus dem die südamerikanischen Militärs keine besonders große Lust mehr zum Putschen haben; es gibt nichts mehr zu gestalten.

    Und deswegen sind auch keine eigenständigen neuen Ideenträger aus diesen Pseudo-„Revolutionen" hervorgegangen, sondern nur eine geklonte politische Klasse nach dem Muster der westlichen, die sich dann anschickte, den in vierzig Jahren angesammelten Phrasenschatz der letzteren in wenigen Monaten auswendig zu lernen und telegen nachzuplappern. Die Nachfolger der gerontokratischen (Herrschaft der Alten) Gespenster-Regimes wirkten und wirken daher bis heute selber gespenstisch; ihre zutiefst mediokre (mittelmäßige) Subalternität (Unterwürfigkeit, Untertänigkeit) stempelte sie zu farblosen Sachzwang-Verwaltern und damit zu würdigen Repräsentanten einer desorientierten Masse, die ihre wirkliche Lage noch gar nicht begriffen hatte. Diese vor devotem Übereifer über die eigenen Beine stolpernden politischen Butler des Westens agierten unter Bedingungen, deren Krisenpotenz noch lange nicht erschöpft war. Das stieß so manchen hoffnungsvollen Nachwuchskarrieren der „runden Tische" noch übel auf, weil die erpichten mehr oder weniger Jungdynamischen nicht als Väter und Mütter eines neuen Wirtschaftswunders zu feiern waren, sondern nur allzu bald die Austerity-Fratze demokratischer Notstandsregimes zeigen mussten. In die Freude der neuen Freiheit mischten sich alsbald und unaufhaltsam die Tränen der marktwirtschaftlichen Bettelarmut und neuer Massen von Erniedrigten und Beleidigten, wie sie längst schon in geometrischer Progression die Slums der Weltmarkt-Gesellschaften füllten. Die demokratischen Polizeiknüppel schlugen genauso hart wie die stalinistischen, und sie stammten vielleicht sogar aus denselben Fabriken.

    Die westlichen Zentren konnten bis zu diesem Einbruch des Ostblocks den Prozess der Weltmarktkrise und ihrer arbeitsgesellschaftlichen Grundlagen schon nicht mehr „draußen vor der Tür" halten, aber immerhin noch unterhalb der Schwelle offener politisch-ökonomischer Katastrophen-Prozesse. Die erhebliche Minderheit im Schatten sah man nach wie vor nicht, trotz allen sozialen Geklingels. Aber mit dem Zusammenbruch der DDR war eine völlig neue Situation geschaffen, die vielleicht aus späterer Sicht einmal als der entscheidende Dammbruch bezeichnet werden muss. Mit der Wiedervereinigung generell, in welcher institutionellen Form auch immer, wurde die Destabilisierung in den Westen getragen. Denn die BRD erbte kein zusätzliches Pfund, mit dem sie auf den Weltmärkten zu wuchern vermochte, sondern eine bereits niederkonkurrierte Konkursmasse, deren Last ihr die Luft abdrehen konnte.

    Das Hochrechnen von abstrakten Kennziffern vermeintlicher „Kräfteverhältnisse (80 Millionen Einwohner, ein Sozialprodukt wie England und Frankreich zusammen) verkannte völlig die Produktivitätslogik des Weltmarkts an der Schwelle des 3. Jahrtausends. Wenn der Zugewinn von einigen hunderttausend Tonnen Schweinegülle, von „Schätzen wie einem stinkenden Braunkohlenrevier jenseits aller profitablen Vernutzungs-Fähigkeit und von museumsreifem Industrieschrott die Völker Europas in Angst und Schrecken vor der „Macht einer dann angeblich unwiderstehlichen BRD versetzte, mussten sie nicht ganz bei Trost sein. Und auch das zusätzliche „Gewicht von 17 Millionen konsumhungrigen und erwartungsvollen, aber nicht mehr profitabel vernutzbaren Menschen fällt in eine ganz andere Waagschale, als diejenige politischer oder selbst militärischer Potenz.

    Mikroelektronik und Tertiarisierung hatten mit dem obsolet werden sowohl der industriellen wie der militärischen „infanteristischen Basis von bloßem Menschenmaterial längst ganz andere Kriterien von „Macht und „Erfolgspotenz hervorgebracht als das sterbende Zeitalter der fordistischen Massenindustrien. Dass die „nationale Karte, die in ihrer „realsozialistischen Version gerade vollkommen ausgereizt war, nun ausgerechnet in der BRD-kapitalistischen Version einer auf viel höherer Stufenleiter in die internationalen Marktstrukturen integrierten Ökonomie nun plötzlich wieder stechen sollte, diese fixe Idee kann nur eine Ausgeburt vergangenheits-geblendeter Hirne genannt werden, die jede neue Konstellation immer nur als Wiederholung der Geschichte begreifen können und daher stets blamabel danebendenken. Zu seinem Schaden kann nur und wird „Deutschland das als Krise erfahren. Und so sieht das Ausgangs-Paket dafür aus:

    Kostenrechnungen in einer totalen Käufer- und Verkäufergesellschaft haben es gewöhnlich an sich, dass sie zu niedrig angesetzt werden. Dies dürfte auch gelten, wenn etwa die „Wirtschaftswoche noch in der sogenannten Wendezeit den Sanierungsbedarf der DDR mit über den Daumen gepeilten 1,3 Billionen DM bezifferte. Dies wären wohlgemerkt aber nur die „Vorauskosten in Sachanlagen, mit denen zunächst noch kein einziger Marktanteil erhalten bzw. gewonnen und kein einziger Mensch unmittelbar ernährt, also nicht ein einziges Radieschen geerntet ist. Sekundäre (und begrenzte) Beschäftigungseffekte in der Bau- und Investitionsgüter-Industrie schafften das Problem dieser Vorauskosten nicht aus der Welt. Auch und erst recht für die DDR mussten sämtliche „Sanierungsgelder" in Wirklichkeit (mindestens) doppelt angesetzt werden, nämlich einmal als Kosten für Sachanlagen und zum anderen als Sozialkosten aus den Sanierungsfolgen.

    Aber selbst diese bereits erschreckend genug ausfallende Rechnung war noch abstrakt und eher beschönigend. Denn das Problem bestand ja vor allem auch darin, dass diese „Sanierung eine fiktive Größe war und sich real ein Prozess des beschleunigten Unterpflügens der gesamten DDR-Struktur durch die Wiedervereinigung abspielte, auf den diese fiktive „Sanierung dann treffen musste, also unter völlig veränderten, keineswegs „modellhaften Ausgangsbedingungen. Dieser Prozess aber war völlig blind und hatte bereits begonnen, die naiven Vorstellungen der deutschnationalen „Macher ad absurdum zu führen. Während noch die groteske Beschwörung der Ludwig-Erhard-Legende durch die Presse geisterte, hatte sich der vermeintliche marktwirtschaftliche „Aufbruch bereits in einen Abschied der nun fast schon „ehemaligen DDR-Regionen von der Struktur eines Industrielandes verwandelt.

    Das heißt, noch bevor die DDR-Industrie überhaupt „saniert werden konnte, war sie großenteils gar nicht mehr existent. Das Gerede vom „Ausverkauf, mit dem nicht zuletzt eine desorientierte und völlig realitätsblinde Linke das andere Gerede vom neuen „Wirtschaftswunder zu konterkarieren versuchte, verkannte völlig die Tatsache, dass es in den meisten Industriezweigen der DDR gar nichts mehr aufzukaufen gab, sondern höchstens Abriss- und Verschrottungskosten anfallen würden. „Es gibt kein Problem der DDR-Industrie, so der zynische Kommentar eines westdeutschen Firmenberaters nach einer Besichtigungs-Tournee durch die zuvor dem Blick der Öffentlichkeit verschlossenen Produktions-Favelas der DDR, „das wir nicht mit dem Bulldozer lösen könnten".

    Nur von berufsmäßigen Volks-Beruhigern und Schönmalern der hässlichen Realität wurden solche Einschätzungen als „übertrieben abgewehrt. In Wirklichkeit waren sie jedoch eher untertrieben. Denn real waren es mehr als die anfänglich genannten 400 DDR-Betriebe, die allein schon aus Umweltgesichtspunkten wegen Gemeingefährlichkeit sofort stillgelegt werden mussten. Eine weitere Anzahl folgte nach einer Übergangszeit aus demselben Grund, nachdem die EG-Umweltrichtlinien in Kraft traten und die DDR-Regionen dieses Problem nicht mehr so ohne weiteres nach dem Muster von 3. Welt-Ländern ignorieren konnten, da sie bald ja Bestandteil der wunderbaren BRD sein würden (was sie nicht hinderte, zum Giftmüllplatz der Nation zu avancieren, denn das war juristisch erlaubt). Aber diese Deindustrialisierung im Gefolge des überdurchschnittlich fortgeschrittenen ökologischen Bankrotts war erst ein kleiner Anfang; sie setzte sich rasant in der Gestalt ökonomischer Bankrottserien fort. Denn das eigentliche Massensterben der DDR-Industrie begann in dem Maße, wie über den Firmen und Betrieben der DDR die Woge der Weltmarkt-Konkurrenz zusammenschlug. Schon in Polen hatte die nur binnenökonomische „Einführung der Konkurrenzwirtschaft alle Anzeichen eines verschärften Zusammenbruch-Prozesses hervorgebracht; die Massenarbeitslosigkeit war dort bei einem noch zu erwartenden Wegbrechen ganzer Segmente der gesellschaftlichen Reproduktion bereits im Rollen. Aber Polen hatte sich immerhin keineswegs als Volkswirtschaft bedingungslos dem Weltmarkt geöffnet; der Konkurrenz-Mechanismus blieb insofern in vieler Hinsicht noch relativ beschränkt. Damals übrigens gut ablesbar nicht zuletzt daran, dass sich Cleverles von Neu-Unternehmern bitter über zu hohe Zollschranken für hochwertige westliche Güter beklagten, mit denen die polnische Industrie anfangs noch geschützt wurde. Für die DDR sah es dagegen bei der Wiedervereinigung, und teilweise auch schon in deren Vorfeld, nicht etwa besser aus, weil sie am Herzen des großen reichen Bruders geborgen wäre, sondern genau umgekehrt: selbst der relative Schutz, den sich Polen wie andere 3. Welt-Länder als wenigstens formell selbstständige Volkswirtschaft noch leisten konnte, musste wegfallen.

    Gnadenlos waren nicht erst vom Tag X an sämtliche DDR-Betriebe der übermächtigen Konkurrenz aus den EG-Ländern preisgegeben, vor der sie weder Mauer noch Zollschranken mehr schützen konnten. Vor allem aber: der große reiche Bruder war selber der Mörder der DDR-Industrie. Denn gerade die westdeutsche Industrie richtete im faktisch bereits inländischen ehemaligen DDR-Gebiet Verheerungen an, indem sie mit ihren Waren den Markt überschwemmte. Es gab gar keinen ökonomischen Grund, warum sie außer für einige High-tech-„Pralinen" und für einige verlängerte Billiglohn-Werkbänke auf dem Boden des vormaligen DDR-Gebiets produktive Investitionen im von tumben national-besoffenen Politikastern geforderten Riesenmaßstab tätigen sollte, wenn sie doch diese Regionen leicht vom Westen aus beliefern und bei Engpässen die Preise hochschrauben konnte. Faktisch waren von den BRD-Konzernen auf lange Sicht im wiedervereinigten deutschen Osten weniger produktive Investitionen geplant als in Brasilien. Noch nicht einmal die (marginale) Billiglohn-Option konnte greifen. Der damalige Präsident des Wirtschaftsverbandes Gesamttextil, Wolf Dieter Kruse, erklärte ohne Wimpernzucken, dass die BRD-Textilindustrie

    Enjoying the preview?
    Page 1 of 1