Kuckuckskinder: Begegnungen zwischen Mensch und Hund
By Andrea Korb
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About this ebook
Andrea Korb erzählt aus ihrem beruflichen Alltag, wobei sie ihre Erlebnisse mit den Menschen in den Vordergrund stellt und die Beziehungen zwischen Mensch und Hund nie aus den Augen lässt.
Einfühlsam und ehrlich wird sie dabei von ihrer eigenen Schäferhündin Cora begleitet, die sie auf eine überraschende Art anhalten lässt.
Erleben Sie den Wandel von Kontrolle über ein Lebewesen zur aufrechten Wertschätzung und Achtung.
" Ich fahre mit Jule shoppen…", sage ich zu meinem Mann und rauschte davon. Kein Wort davon, dass ich nach Leipzig fahre, um einen Hund zu holen. Shoppen war ja richtig, also lüge ich nicht und entwickle demnach nicht das Gefühl von Unrecht.
In dem Moment sage ich lediglich nicht alles.
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Book preview
Kuckuckskinder - Andrea Korb
Der tote Hund im Baum
„Hamse Welpen?"
„Nein, natürlich nicht, ich habe eine Hundepension und keinen Welpenhandel. Bin doch kein Tierheim, da müssen sie im Telefonbuch nachschauen wo es welche gibt!"
Was ist das nur für ein Anruf? Ich kann den Mann am Telefon kaum verstehen, zum einen weil er einen furchtbaren Dialekt spricht, die Hintergrundgeräusche mich mächtig nerven und zum anderen, ich gerade beim einkaufen bin und mich in diesem Zustand selbst kaum ertragen kann. Da hat es die Natur nicht gut gemeint mit mir, wo andere Frauen zehn Dinge gleichzeitig machen können, scheitere ich jämmerlich. Bei mir funktioniert immer nur eine Sache. Entweder einkaufen oder telefonieren. Entweder kochen oder backen. Und so weiter.
„Nein…, nun gibt er sich Mühe und versucht es auf Hochdeutsch: „ nehmen sie auch Welpen in Ihrer Pension auf?
„Wie bitte!?"
In meinen Ohren hört es sich gefühlt ein paar Nuancen zu laut gesprochen an, doch ich verstehe wirklich kaum etwas. Könnte auch an mein veraltetes Gerät liegen. Meine Söhne haben die neuesten Modelle mit Tatsch, Spionageabwehr und allem Schnick Schnack, ich telefoniere noch mit Großtasten der Marke: Kannst angerufen werden, kannst selber Anrufe tätigen – oder auch nicht. Nach einigen neuen, geduldigen Ansätzen seitens des armen Mannes, verstehe ich zwischen dem Rauschen halbwegs was er möchte.
„Ja, natürlich, aber nicht heute, ich bin gerade nicht da. Wenn sie mögen, kommen sie morgen wieder."
Ich bin wirklich selten unfreundlich, doch während diesem Telefonat muss es sich für den Kunden furchtbar angehört haben, ich merke selbst wie gereizt ich bin.
Der kommt niemals wieder, obwohl er es versprach – so viel verstand ich dann doch oder bildete es mir zumindest ein.
Er möchte dennoch sein Versprechen halten, am nächsten Tag kündigt er seinen Besuch an. Ich versinke im Boden! Wo ist das nächste Loch!? Ich schäme mich ohne Grenzen, schnell meinem Mann meine vermeintliche Unhöflichkeit beichtend, bereite ich mich vor auf… ja, auf was?
Aus dem Auto pellt sich ein Mann der nicht enden will, so viel Mensch an einem Stück stand ich noch nie gegenüber und ich fühle mich unendlich klein und schlecht.
Freundlich wiederholt er seine Frage vom Telefon, ob ich denn auch Welpen in die Pension als Tagesgast aufnehme.
„Aber natürlich, kommen sie doch rein und ich zeige ihnen alles, sie können mir alle Fragen stellen die sie möchten".
Mittlerweile öffnet sich die Beifahrertür und auf dem Arm einen winzigen schwarzen Welpen tragend, steigt eine fast ebenso winzig schwarzhaarige Frau aus. Diese erste Begegnung stellte eine kleine Weiche in Richtung Sympathie und ich öffne gern das Tor.
Über das Gelände laufend, erkläre ich den Tagesablauf und viele Details zum Leben der Hunde hier. Dieser Mann jedoch hüllte sich in Schweigen. Soweit es möglich ist schiele ich hin und wieder weit hoch in sein Gesicht, um wenigstens eine kleine positive Regung zu erhaschen.
Nichts.
Der Welpe Lisa erkundete derweil fröhlich und aufmerksam das Gelände. Unsere Hündin Anbuk ist gerade ein paar Tage zuvor bei uns eingezogen und im selben Alter wie die kleine Lisa. Grund genug für die Hunde sich umgehend zusammen zu tun und sich ausgiebig auf Herz und Nieren zu testen, prüfen, sich gegenseitig für akzeptabel zu befinden.
Lisa entpuppt sich als furchtlose und taffe Hündin die recht schnell mit ihrem Hinterbein in Anzugs Maul steht. Kein Kunststück, denn Anbuk liegt dabei auf dem Rücken und beide Hunde rangeln lautlos, mal der Eine, dann der Andere, auf dem Rücken liegend.
Doch zwischen uns Menschen entstehen immer längere Gesprächspausen, ich warte auf Fragen und die Beiden darauf, dass ich irgendetwas sage.
Mein Mann ist Jäger und hat gerne seine Arbeitsutensilien zur Ausbildung seiner Hunde nahe bei sich. Beim Rundgang also nähern wir uns immer mehr seinem Bereich, sie begrüßen sich höflich bis der Mann dann doch wieder stauend den Mund aufbekommt:
„Was hängt denn da im Baum?"
Ich folge seinem Blick und bevor ich mich schämen kann und denke:
„Das war‘s, die Kunden flüchten gleich grußlos vom Grundstück., antworte ich stattdessen: „Das ist ein Hund der nicht abgeholt wurde.
Das Risiko, meine potentiellen Neukunden verlassen empört und kopflos das Gelände, nehme ich auf mich. Im Baum hängt eine Fuchsatrappe.
Man muss bedenken, hierher kommen viele Stadtmenschen, Menschen die mit solchen Themen entweder Schwierigkeiten haben oder schlichtweg mit so etwas noch nie in Berührung kamen.
Jürgen fängt an zu lachen, das verkrampfte Gesicht von Jacqui löst sich auf in ein hübsches Lächeln, das Eis ist endgültig gebrochen.
Lisa wird in den folgenden zwei Wochen täglich als Tagesgast zu mir gebracht. Sie hat keinen Erziehungsurlaub, sondern die wunderbare Chance, dort anzuknüpfen, wo sie ihre Wurfgeschwister und Eltern verlassen hat.
Gerade sitzen wir beim Abendbrot, ich wundere mich etwas darüber, das Lisa noch immer hier ist, denn ist schon sehr spät, da höre ich die Tür gehen und die unverkennbare Stimme von Jacqui ertönt durch das ganze Haus. Recht fröhlich stolpern beide rein und setzen sich zu uns an den Tisch.
Unser zu Hause ist weder pompös noch in irgendeiner Form großartig eingerichtet. Einladend und prägend steht mitten im Raum ein großer Tisch, an den viele Menschen passen und beim Anblick eines solchen Tisches muss man sich einfach dazu setzen.
Beide guggeln und giggern bis ich frage:
„Hab ich was verpasst?"
„Nöööö" …kicher
„Naja, wir haben eine kleine Feier.", sagt Jürgen.
„Geburtstag?", frage ich.
„Neue….", Jacqui ist sichtlich verlegen.
„Wir haben gerade geheiratet.", während das Jürgen ausspricht fällt mir beinahe der Blumenkohl wieder aus dem Mund.
Wir verbringen den Abend bis spät gemeinsam und feiern eine Hochzeit von Menschen, die wir gerade mal zwei Wochen kennen.
Inzwischen ist Lisa erwachsen und ein Stammgast bei mir. Täglich kommt sie nicht mehr, aber so regelmäßig, dass sie den verdienten Ausgleich in ihrer Hundewelt hat.
Zwei Jahre danach sagt Jacqui bei einer heißen Tasse Kaffee zu mir:
„Ohne dich würde ich Lisa als Hund nie so verstehen. Verstehen wie sie ist, wer sie ist und was es ausmacht, ein Hund zu sein. Ohne Dich verstünde ich niemals, was Lisa im Umgang mit anderen Hunden zum Ausdruck bringen möchte und ich kann entsprechend richtig reagieren. Ich bin in der Lage, Lisa zu unterstützen und zu begleiten. „
***
Cora hole ich im Alter von acht Wochen aus Leipzig zu mir.
„Ich fahre mit Jule shoppen…", sage ich zu meinem Mann und rauschte davon. Kein Wort davon, dass ich nach Leipzig fahre, um einen Hund zu holen. Shoppen war ja richtig, also lüge ich nicht und entwickle demnach nicht das Gefühl von Unrecht.
In dem Moment sage ich lediglich nicht alles.
Das bringt mir eine Beinahescheidung ein, mindestens aber ein - und dreiviertel Wochen eisernes Schweigen. Vor dem Schweigen muss ich mir aber noch die wüstesten Beschimpfungen anhören, wie dumm ich doch sei, ist noch die humanste dabei.
Warum mein Mann wütend ist, verstehe ich auch schon damals. Wir haben zu diesem Zeitpunkt bereits drei Hunde. Aber eben keinen Schäferhund mehr!
Diesmal werde ich alles richtig machen, nehme ich mir vor und sorge dafür, dass es dem jungen Hund gut geht.
Vor Jahren begleitete mich meine treue Schäferhündin Bessi durch mein Leben. Nun gut, so treu war sie dann auch nicht, denn sie fand alle Menschen toll. So toll, dass sie aber auch mit jedem mit gegangen ist. Keine Spur von :
„Ich darf nicht mit fremden Menschen gehen."
„Ich darf nicht in fremde Autos steigen."
„Ich darf nicht Rennradfahrer hinter her laufen."
„Ich darf mich nicht an die Tanke rum treiben."
„Und schon gar nicht darf ich mich in fremde Wohnungen rum drücken."
„Ganz bestimmt darf ich mich nicht vom Mannschaftswagen der Polizei nach Hause bringen lassen."
Sie durfte nicht, tat es aber. Denn alle Gesetze, die augenblicklich Gültigkeit hatten, waren bei ihr am folgenden Tag außer Kraft gesetzt.
Mit Bessi hatte ich einfach nur riesen Glück das sie von Natur aus durch und durch gütig war. Eine Erziehung hatte sie nie bekommen, also so eine, wie man