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Königliche Hoheit und Ich: Machtspiele
Königliche Hoheit und Ich: Machtspiele
Königliche Hoheit und Ich: Machtspiele
Ebook564 pages8 hours

Königliche Hoheit und Ich: Machtspiele

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About this ebook

Auch das zweite Buch der Romantetralogie nach dem Leben der Wilhelmine von Bayreuth, älteste Schwester Friedrich des Großen, lässt keine Wünsche an einen Roman diese Genres offen. Mit Dramatik, Humor, Spannung sowie hinreißenden Dialogen entführt das hervorragend recherchierte Buch den Leser in die höfische Welt des 18. Jahrhunderts, die schonungslos offen und bestechend realistisch dargestellt ist.

Die Hochzeit mit dem Erbprinzen von Bayreuth ist eine Farce. Doch für Wilhelmine ist es der einzige Ausweg aus der Berliner Hölle. Trotz aller Widerstände gelingt es, die Hochzeit schließlich zuwege zu bringen. Aber anstelle des erhofften süßen Lebens in der neuen Heimat muss die junge Prinzessin um ihre sichergeglaubte Stellung kämpfen. Der alte Markgraf, Wilhelmines Schwiegervater, wittert Verrat und fürchtet um seine Macht. Die Regierung bangt um ihren Einfluss auf den Markgrafen und glaubt in der Preußin eine willfährige Marionette des Soldatenkönigs. Auch mit dem Verhältnis der Eheleute steht es nicht zum Besten. Mit Hilfe ihres kleinen Hofes und ihrer engsten Vertrauten, Luise, schafft sich Wilhelmine in Bayreuth die Basis für ihr Wirken. Dabei ist man in der Wahl der Mittel nicht zimperlich. Das Ausbleiben eines Erben und das unerwartete Auftreten einer Konkurrentin um die Stellung als künftige Fürstin bringen die Position der Hohenzollern ins Wanken. Doch erst die Entfremdung vom Bruder (Friedrich der Große) lässt die junge Frau mit ihrem Schicksal hadern.
LanguageDeutsch
Publishertredition
Release dateApr 20, 2020
ISBN9783347014459
Königliche Hoheit und Ich: Machtspiele
Author

Claus von Kroenitz

Der 1966 geborene Claus von Kroenitz wuchs im Rheinland auf. Nach dem Abschluss seines Studiums in Bayreuth bereiste er beruflich alle Kontinente. Kroenitz war schon früh von der Historie und deren Geschichten fasziniert. C.S. Foresters Klassiker Hornblower prägte sein Verständnis eines historischen Romans grundlegend. Auch andere anspruchsvolle Romane des Genres, die fundiert Geschichte durch Geschichten erzählen, fanden seine Aufmerksamkeit. Doch es blieb nicht bei der Fiktion, regelmäßig erweiterte er sein Wissen über die historischen Hintergründe. In seiner fränkischen Wahlheimat stieß Kroenitz auf die Memoiren der Wilhelmine von Bayreuth, Lieblingsschwester Friedrich des Großen. Elektrisiert von dieser Persönlichkeit erkannte Kroenitz schnell das Potential, welches ihr Leben für einen Roman bot. Durch das Studium ihrer Korrespondenz mit dem Königlichen Bruder sowie anderer zeitgenössischer Berichte näherte sich der Autor seiner Protagonistin und ihrer Zeit behutsam an. Mehrere Jahre setzte sich Kroenitz mit Wilhelmine und ihrem Umfeld auseinander, bevor er das romanreife Leben der Prinzessin und Markgräfin in einen eigenen Plot überführte. Am Ende steht ein historischer Roman, der in der Tradition großer Romane dieses Genres gesehen werden muss und trotzdem unverkennbar einen eigenen, herausragenden Stil entwickelt. Kroenitz spielt mit dem für das 18. Jahrhundert so typischen Esprit als Stilmittel, genauso wie mit der zuweilen deftigen Sprache jener Zeit. Die Widersprüche dieser Epoche, Galanterie und Brutalität, lockere Moral und tiefe Frömmigkeit, Treue und Verrat, sind immer wieder die Grundlage fulminanter Wendungen im Leben seiner Protagonisten. Der Autor erzählt Wilhelmines Leben in einer frischen, modernen Weise, die doch immer Authentizität vermittelt.

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    Königliche Hoheit und Ich - Claus von Kroenitz

    *

    Als sich auch die Herzogin, leicht verwirrt von dem bemerkenswerten Verhalten ihrer Gastgeberinnen, verabschiedet hatte, bestürmte mich Wilhelmines Hofmeisterin, Dorothea von Sonsfeld, sogleich mit der für sie allerwichtigsten Frage:

    „Wie sieht er aus?"

    Dieses Ansinnen riss unsere Herrin endlich aus ihrer Lethargie. Sie hob beschwichtigend die Hand und gab sich betont gelassen.

    „Die Damen, das wird sich alles in den nächsten Tagen finden. Wir für Unseren Teil sind nun müde. Luise, geleiten Sie Uns heute in Unsere Gemächer?"

    Die Hofmeisterin knickste und verabschiedete sich.

    Schweigend folgte ich Wilhelmine in ihr Schlafgemach, wo uns schon die Dienerschaft erwartete. Nachdem ich meiner Herrin eine gute Nacht gewünscht hatte, zog ich mich in mein Zimmer zurück, wo ich mich ebenfalls bettete. Mir schwirrte noch der Kopf von der plötzlichen Wendung der Dinge. Wie konnte Wilhelmine die Ankunft ihres künftigen Ehegemahls so kalt lassen, war er doch immerhin ein Wildfremder, mit dem sie quasi von nun an das Leben verbringen würde. Ich sinnierte noch eine ganze Weile, bis die Verbindungstür zwischen meinem Zimmerchen und den Gemächern der Königlichen Hoheit leise geöffnet wurde. Das Patschen nackter Füße auf dem Parkett, dann eine kühle Hand, die mich aufforderte ein wenig auf die Seite zu rutschen. Ich lüftete meine Decke und hätte fast laut aufgeschrien, als ein Paar eiskalter Extremitäten meine Wade berührten.

    „Und?", fragte mich ihre Altstimme, die jegliche Gleichgültigkeit verloren hatte. An deren Stelle schlich sich nun eine ängstliche, zitternde Unsicherheit.

    „Was meint Ihr, Königliche Hoheit?", tat ich desinteressiert.

    „Was macht der Erbprinz für einen Eindruck?"

    „Königliche Hoheit, ich habe ihn nur kurz auf der Treppe gesehen, ich kann nichts sagen!"

    „Was verschweigt Ihr mir? Ist er verwachsen, hässlich, abstoßend?!"

    „Nein!"

    „So sagt doch endlich, was er für einen Eindruck auf Euch gemacht hat, Luise, es ist wichtig für Uns!"

    Ich seufzte, was sollte ich sagen, ich hatte ihn lediglich wenige Sekunden gesehen, in fast vollkommener Dunkelheit und auf eine größere Entfernung.

    „Er ist auf alle Fälle jung, das konnte man an seinem schlanken Körperbau und seinen gewandten Bewegungen erkennen!"

    „Er ist schlank!, entfuhr es Wilhelmine. „Was weiter?, drang sie in mich ein.

    „Nichts weiter, ich konnte nichts erkennen!"

    Sie wollte etwas erwidern. Ich kam ihr jedoch zuvor, indem ich sie in meine Arme nahm und beruhigend über das lose Haar strich, wie bei einem Kind, dem man Mut zusprechen musste. Wie stets trug meine Liebe keine Nachthaube. „Wer er auch immer ist, ich bin mir sicher, es ist die beste Wahl und Ihr habt Euch richtig entschieden! Alles andere wird sich finden!"

    Ich hoffte, sie würde mich nicht nach der Quelle meiner Erkenntnis befragen, denn diese war einfach aus der Luft gegriffen, nur damit ich irgendetwas sagte. Ich setzte mich auf und wiegte ihren leichten Körper, kaum spürbar, hin und her. Wilhelmine blieb still und fiel endlich in einen unruhigen Schlaf. Für mich war es eine schlaflose Nacht. Kaum veränderte ich meine Position, zu wichtig war mir ihre Ruhe. Nach und nach spürte ich meine Beine und dann mein Sitzfleisch nicht mehr.

    Vielleicht war ich doch ein wenig eingenickt, denn ich schreckte plötzlich von einem leichten Klopfen an der Tür auf.

    „Freifrau von Krönitz, es ist Zeit. Wir müssen Ihre Königliche Hoheit wecken, in zwei Stunden ist die Abfahrt zur Truppenrevue angesetzt!"

    Es war der treue Bock, Wilhelmines Kammerdiener, der mich wecken sollte. Vorsichtig wandte ich mich unter Wilhelmines Körper hervor und erweckte nacheinander meine mir nicht mehr gehorchenden Körperteile, die sich schließlich widerwillig und kribbelnd fügten. Als ich leise zum Fenster schlich und die Vorhänge ein wenig zur Seite zog, konnte man noch alle Sterne am dunklen Himmel erkennen. In dem gegenüberliegenden Flügel des Schlosses schimmerten bereits vereinzelt Lichter in den Fenstern. Mit dem schon weit heruntergebrannten Nachtlicht entzündeten meine Hände zwei Kerzen, die ein wenig mehr Helligkeit in das Gemach flackerten. Dann weckte ich Wilhelmine, indem ich ihr zärtlich über die Wangen und den Kopf streichelte. Gerade als sie sich das erste Mal schüchtern räkelte, klopfte es erneut an der Tür, die sich diesmal einen Spalt weit öffnete. Die Dienerinnen gaben mir ein Zeichen. Sie waren bereit, den noch zusammengekauerten dürren Menschen in meinem Bett in eine königliche Prinzessin zu verwandeln, die die Erwartungen, die an eine solche gestellt wurden, erfüllen konnte. Ich hatte schon darauf hingewiesen, Wilhelmine war alles andere als ein Frühaufsteher und so beneidete ich die Frisier- und Ankleidedamen nicht um ihre Aufgabe. Wenn man Wilhelmine betrachtete, wie sie da in ihrem Frisierstuhl „hing", die sonst großen, doch nun noch kleinen und ganz verquollenen Augen, die völlig zerwühlten Haare und die Gesichtshaut von den Abdrücken der Nacht übersät, konnte man sich kaum vorstellen, wie sie binnen der nächsten Stunde in eine edle Dame verwandelt werden würde, vor der fast alle Menschen auf dieser Welt ihre Ehrerbietung bezeugen mussten. Doch es gelang und als wir, mit hallendem Schritt, die Stufen in den Toreingang hinunter hasteten, wo wir in bereitstehende Wagen stiegen, war nichts mehr von dem einfachen, barfüßigen Mädchen in meinem Bett erkennbar. Mit Stolz erhobenem Kopf, würdevollem, wenn auch zügigem Schreiten und huldvollem Nicken setzte sie sich neben ihre Mutter in den offenen Landauer und schon zogen die Pferde ruckend an. Die Hofdamen Sophie Dorotheas, der Königin, und Wilhelmines zwängten sich in weitere Kutschen und folgten den beiden hinaus in die Dämmerung, das Frühkonzert der Vögel durch das Rattern der eisenbeschlagenen Räder und Klappern der Hufe jäh unterbrechend.

    Welch ein Anblick erwartete uns im Frühlicht auf dem Marsfeld. Rund ein Viertel der Brandenburgischen und Preußischen Truppen waren hier in einem großen Karree angetreten. Unzählige Fahnen wehten zwischen den einzelnen Truppenteilen. In der noch niedrig stehenden Sonne blitzten die messingfarbenen Spitzen der Flaggenstöcke auf. Vor jeder Einheit standen die Offiziere mit ihren martialisch anmutenden Spontons, langen Stoßwaffen, die sie als Offiziere auswiesen. Dahinter war der Freikorporal angetreten, der die Fahne der jeweiligen Einheit ergriffen hielt. Zwischen diesen und den in drei Reihen stehenden Gemeinen waren noch Trommler und Pfeifer arrangiert. Die jeweiligen Regimentskommandeure auf ihren Pferden trugen, dem Anlass gemäß, ihre Prunkharnische unter dem Justaucorps. Bei nicht wenigen Regimentern, noch etwas vor dem Kommandeur postiert, durfte der ergriffene Beobachter die Chefs der Regimenter in ihren Generalsuniformen bewundern, die als Eigentümer diese Einheiten finanzierten und gegebenen Falles die Gewinne einstrichen. Irgendwo musste sich auch der Schwedter Markgraf, einer der üblen Aspiranten auf die Hand Wilhelmines, mit seinem Regiment Brandenburg Schwedt zu Pferde befinden, welches ihm schon im Alter von elf Jahren verliehen wurde. Aber bei den ungeheuren Ausmaßen des Platzes konnte man unmöglich einzelne Personen erkennen.

    Während die Kutsche mit Wilhelmine und der Königin an der Zufahrt zum Platz hielt, strebten die Gefährte mit den Hofdamen einer der Längsseiten des Karrees entgegen, wo Tribünen aufgestellt worden waren, die bereits von allerlei Menschen des Hofes bevölkert wurden. Um die Tribünen der allgemein kriegerischen Stimmung anzupassen, waren bronzene Kanonen vor diesen platziert worden, die, auf das penibelste poliert, das Auge erfreuten, jede einzelne von ihnen ein handwerkliches Kunstwerk. Die Hofdamen ergossen sich wie ein bunter Reigen aus den Landauern und strebten ihren Plätzen auf der Tribüne entgegen, sich dabei munter Kommentare zurufend, was allgemein den militärischen Ernst dieses Augenblicks empfindlich störte. Ich hatte mich gerade auf meinen Platz auf der hölzernen Tribünenbank gesetzt, da ertönten hallend, wie auf ein geheimes Signal hin, die Kommandos der Offiziere, die ihre Truppen „strammstehen" ließen. Die Kutschen mit Wilhelmine und ihrer Mutter sowie der übrigen Familienmitglieder setzten sich in Bewegung und begannen die Front der Truppen abzufahren. Zwischen den Regimentern waren Musikkorps positioniert worden, weit genug voneinander entfernt, damit sie sich nicht gegenseitig störten, denn bei einem so großen Platz war es natürlich nicht möglich, exakt im Takt der anderen Kapellen zu spielen. Ich verfolgte, wie die Kutschen an den angetretenen Soldaten vorbeirollten, wobei sich nur die Köpfe der Offiziere so lange mitdrehten, bis die erste Kutsche ihre Höhe erreicht hatte. Endlich machte das Gefährt mit Wilhelmine und ihrer Mutter vor der Tribüne halt und beide Damen entstiegen ihr, wobei sich der weich gefederte Wagen doch merklich mehr nach der Seite neigte, auf der die Königin entstieg, was Wilhelmine einen sehr großen Schritt nach unten abnötigte. Unter dem Applaus der Tribünenbesucher setzten sich die beiden auf die dafür vorgesehenen gepolsterten Stühle, die kurz zuvor noch einmal mit einer Bürste vom Staub des Exerzierplatzes befreit worden waren. Ich musste leicht schmunzeln als ich mir vorstellte, dass eben jener Diener mit der Bürste nun eigentlich auch regelmäßig die Fürstin und ihre Brut vom Staub hätte befreien müssen, der hier allgegenwärtig schien. Die Herzogin von Württemberg hatte sich bereits auf dem Platz neben der Königin befunden und beide waren nun auf das angenehmste am Parlieren. Immer weitere Kutschen mit hochgestellten Persönlichkeiten erreichten die Tribüne und vor der Königlichen Familie mit Ihrer Majestät als Mittelpunkt bildete sich langsam eine Schlange von Personen, die ihnen ihre Aufwartung machen wollten. Es war eine diffizile Aufgabe für den Oberhofmarschall, die wartenden Exzellenzen, Durchlauchten, Hoheiten und Erlauchten entsprechend der jeweiligen Bedeutung Ihrer Majestät und den anwesenden Königlichen Hoheiten zu servieren. Ich blickte ein wenig gelangweilt die Reihe des wartenden Hochadels und der höchsten Würdenträger entlang, bis meine Augen auf einem jungen Mann haften blieben, der nun vom Oberhofmarschall mit einer Verbeugung begrüßt wurde, die von dem nicht unerheblichen Rang dieses Mannes kündete. Mir war, als wäre es derselbe, den ich in der letzten Nacht auf der Treppe des Schlosses gesehen hatte, nur trug er diesmal eine weiße Uniform anstelle von aufwendiger Hofkleidung. Der Oberhofmarschall bugsierte den jungen Mann an einigen Erlauchten vorbei und reihte ihn direkt hinter zwei wartenden, nicht regierenden Herzögen ein. Mit klopfendem Herzen betrachtete ich mir den Erbprinzen von Bayreuth näher. Doch es blieb mir keine Zeit. Wilhelmines Hofmeisterin, Dorothea von Sonsfeld, die mich begleitet hatte, nahm unerwartet meine Hand und zischte:

    „Kommen Sie!"

    Erst als ich hinter ihr die wenigen Stufen der Tribüne hinunterlief fiel mir der leere Stuhl ins Auge, auf dem kurz zuvor meine Herrin Platz genommen hatte. Irritiert folgte ich der Hofmeisterin hinter die Tribüne, wo eine geschlossene Kutsche stand, aus deren geöffneter Tür das runde Hinterteil eines Mannes herausragte, der sich in den Wagen beugte. Als die Sonsfeld dem Mann heftig auf den Hintern klopfte, damit sie seiner Aufmerksamkeit sicher sein durfte, fuhr dieser erschrocken um, wobei sein perückenbewehrter Kopf mit einem dumpfen Krachen gegen das Dach des Wagens schlug. In Anbetracht der Königlichen Hoheit im Inneren des Wagens, verschluckte er den Fluch, der dem Ärmsten auf den Lippen brannte und sagte stattdessen an die Sonsfeld gewandt:

    „Hier haben Sie Riechsalz. Ihre Königliche Hoheit hat einen Schwächeanfall erlitten!" Der Regimentsfeldscher ging ohne ein weiteres Wort in Richtung des Zeltes, in dem für den Notfall einige Feldbetten und medizinische Gerätschaften bereitgehalten wurden. Als sich meine Augen an das gedämpfte Licht im Inneren der Kutsche gewöhnt hatten, traf mich ein verschämter Blick der Freundin.

    „Fräulein von Sonsfeld!, wandte sich Wilhelmine mit einem leichten Lächeln, aber betont leidender Stimme, an ihre Hofmeisterin. „Wenn Sie die Parade sehen möchten, wollen Wir Sie nicht daran hindern! Dorothea von Sonsfeld, ein bekennender Freund solcher Spektakel, war, als die Fanfaren die Ankunft des Königs verkündeten, zusehends unruhig geworden, denn das Schauspiel musste jeden Augenblick beginnen. Sie nickte dankbar und schon war sie verschwunden.

    Als sich die Kutsche in Bewegung gesetzt hatte, fragte ich:

    „Was fehlt Euch, Königliche Hoheit?"

    Ihre Antwort verblüffte mich umso mehr, da diese als eine schonungslose Kritik an ihrem eigenen Verhalten anzusehen war.

    „Nichts! Wir haben gekniffen, Luise! Als die Herzogin erwähnte, sie habe in der Reihe der Herren auch den Erbprinzen Friedrich gesehen, täuschten Wir kurzerhand einen Schwächeanfall vor, damit Wir ihm nicht begegnen mussten!"

    Ich sagte nichts, nahm einfach nur verständnisvoll ihre Hand und hielt sie solange, bis wir das Schloss erreichten. Ich ahnte, wie sie von der Angst vor ihrer Mutter übermannt worden war, die ihr dringlich „angeraten" hatte, ja kein Wort mit dem jungen Prinzen zu wechseln, ansonsten würde es ihr schlecht ergehen. Damit Wilhelmine sich bei der Vorstellung des Prinzen keine Blöße geben musste, hatte sie die Flucht in das theatralische Fach genommen.

    Als Elisabeth von Wildenfels, die jüngste Hofdame Wilhelmines, und die Sonsfeld am frühen Abend von der Truppenrevue zurückkehrten, berichteten Sie, der Erbprinz sei von der Königin bei dessen Vorstellung in aller Öffentlichkeit mit kalter Verachtung gestraft worden, so dass ihm die Schamesröte ins Gesicht gestiegen war.

    Doch Wilhelmine konnte sich nicht ewig vor ihrem Schicksal und dem jungen Prinzen, der ihr Gemahl werden sollte, verstecken. Der König hatte für den folgenden Tag ein erstes Zusammentreffen der beiden arrangiert. Es sollte im Rahmen eines kleinen, zwanglosen Empfangs bei der Kurfürstin stattfinden. Hierzu waren, neben dem Prinzen, auch die Herzogin und der Herzog von Württemberg sowie weitere Damen und Herren geladen. Bock, Wilhelmines Kammerdiener, wusste von einem Freund, der beim König diente, der Monarch habe seine Gemahlin unter Androhung von Schlägen genötigt, dem Bayreuther Friedrich mit allem Respekt zu begegnen. Wie bei „zwanglosen" Anlässen üblich, wurde hier auf die öffentliche Vorstellung der Gäste verzichtet und jeder kam und ging, wie er Lust hatte. Wilhelmine wies ihren Hof an, er möge diesmal in unmittelbarer Nähe verbleiben und so standen wir direkt hinter ihr, als Erbprinz Friedrich von Brandenburg-Bayreuth plötzlich aus der Menge auftauchte, Wilhelmine seine Aufwartung machend. Unwillkürlich hielt ich den Atem an, als er eine sehr tiefe und formvollendete Verbeugung vor meiner Herrin vollführte. Es war ausgerechnet Seckendorf, der durchtriebene Gesandte des Kaisers, der nun die beiden künftigen Eheleute einander vorstellen sollte. In dem Nebel, der vor meinen Augen wallte, nahm ich das Gesicht des Königs wahr, der kritischen Blickes die Szene beobachtete. Im Gegensatz zum König beäugte die Königin, welche auf der gegenüberliegenden Seite des Saales von dienernden Personen umringt war, die Ereignisse mit vor Wut bebenden Lippen. War für mich dieser Augenblick schon unwirklich, wie mochte Wilhelmine diesen erst erleben? Als der Prinz endlich wieder aus seiner Verbeugung auftauchte, sah ich mich in meinem ersten Eindruck bestätigt. Er war in der Tat ein junger Mann. Der Bayreuther sah nicht nur jünger aus als Wilhelmine, er war es auch, immerhin um zwei Jahre. Trotzdem war Friedrich eine stattliche Person, er überragte Wilhelmine um einen ganzen Kopf, seine Bewegungen waren geschmeidig und zugleich kraftvoll, einer gespannten Feder gleich. Er war nicht wirklich schön, aber seine Gesichtszüge zeigten sich ebenmäßig und sympathisch. Die Nase schien ein wenig knollig, seine Lippen vielleicht im Ansatz aufgestülpt. Die Augen, die unsicher aber tapfer den Blick meiner Herrin suchten, lebten ein dunkles Blau. Nachdem Seckendorf die Vorstellung beendet hatte, trat ein peinliches Schweigen ein. Eigentlich wäre es an Wilhelmine gewesen, als die Ranghöhere, den Prinzen anzusprechen. Sie blieb jedoch, unter den funkensprühenden Blicken ihrer Mutter, stumm und schaute starr durch Friedrich hindurch, dem nun allmählich der Schweiß von der Stirn tropfte. In seiner Verzweiflung sprach der arme Mann seine Zukünftige, entgegen jeglicher Etikette, einfach an:

    „Es ist mir eine große Ehre, da ich Euch, Königliche Hoheit, endlich kennenlerne! Seine Stimme klang weich und angenehm. Dem fremden Akzent, mit dem er sprach, entnahm ich, dass er nicht von Kindesbeinen an französisch sprach und dies wohl auch am Bayreuther Hof nicht üblich war. Aber da war noch etwas Anderes, was mich aufhorchen ließ! Stieß er beim Reden nicht mit der Zunge gegen die Zähne? „Ich habe schon viel von Euren herausragenden Fähigkeiten gehört, Königliche Hoheit, von Eurer Liebe zur Kunst und zur Philosophie. Es stimmt was man mir sagte, in Eurer Person vereinen sich Geist und Schönheit!

    „Nicht schlecht!", dachte ich für mich. Seckendorf hatte den Prinzen gut präpariert, damit dieser bei Wilhelmine nicht denselben Fehler beging, wie Seckendorf einst bei seiner Akkreditierung als Gesandter des Kaisers in Berlin, als er lediglich Wilhelmines Schönheit pries. Und der Prinz hatte Erfolg. Wilhelmine blickte ihn überrascht an, so etwas hatte sie nicht erwartet. Sie nickte Friedrich kurz zu, wandte sich dann aber eiligst an ihre Hofdamen, damit ihre Mutter sie später nicht der Freundlichkeit gegenüber dem Prinzen bezichtigte. Wilhelmine erging sich nun in belanglosen Gesprächen mit irgendwelchen Menschen, wie es bei solchen Gelegenheiten üblich war. Aber sie war nicht bei der Sache und so antwortete sie auf höfliche Fragen nach ihrem Wohlbefinden durchaus mit:

    „Aber natürlich!, oder „Hocherfreut!, was ihre Gesprächspartner ratlos aufblicken ließ.

    Es war der gut gewachsene Hohenzollern-Prinz, der ihre Aufmerksamkeit beanspruchte. Unauffällig haschte sie mit den Augen, was es von ihm zu sehen gab. Ich folgte ihren Blicken und was ich sah forderte durchweg meine Sympathie. Der junge Mann stand mit dem Gesandten des Herzogs von Sachsen-Coburg-Saalfeld und einigen Damen des Hofes beisammen und man amüsierte sich prächtig, wenn ich nach dem immer wieder aufbrausenden Lachen urteilte. Der fränkische Prinz trug nicht unerheblich dazu bei. Mit aufwendiger Gestik gab er Geschichten zum Besten, die er wohl wortgewandt und witzig präsentierte. Er wirkte lebhaft und durchaus temperamentvoll, ohne dabei Arroganz oder Überheblichkeit auszustrahlen. Sein Lachen war freundlich und angenehm. Als ich für eine kurze Zeit den Empfang verließ, um mit Hilfe eines Bourdaloues meinen menschlichsten Bedürfnissen nachzukommen, traf ich unerwartet jenen Friedrich, der aus einem anderen Nebenzimmer trat, in dem er wohl gerade dem gleichen Drang Tribut gezollt hatte. Da er mich sah, blieb er stehen und lächelte mir entgegen.

    „Freifrau von Krönitz, nicht wahr? Verzeiht mir, so viele unbekannte Gesichter, aber die wichtigsten versuche ich mir einzuprägen, wie Sie sehen!"

    Ich wusste nicht ganz, wie ich auf diese Schmeichelei reagieren sollte, sie kam mir aber nicht ungelegen. Ich erwiderte sein Lächeln schüchtern und wollte ohne ein weiteres Wort an ihm vorüber schlüpfen.

    „Warum reden Sie nicht mit mir? Ist es Ihnen verboten? Ich hielt inne, zögerte, drehte mich aber dann nach ihm um. „Habe ich die Prinzessin verärgert oder warum würdigte sie mich keines Wortes? Können Sie mir das erklären? Schätzt sie mich so gering?

    Ich trat an ihn heran, er tat mir mit einem Mal unendlich leid. Wusste er, in welche Hölle er hier geraten war?

    „Durchlaucht, …, ergriff ich das Wort, „… es hat nichts mit Ihnen persönlich zu tun. Meine Herrin bringt Ihnen weder Abneigung noch Zuneigung entgegen. Sie kann sich hier kein Urteil erlauben, da sie Euch nicht kennt. Aber glaubt mir, die Prinzessin muss hier mehreren Interessen dienen und, möchte sie ungeschoren davon kommen, ist es für sie ratsam, sich in einer gewissen Weise zu verhalten, damit sie niemanden pikiert. Dass dies jetzt auf Ihre Kosten geht, Prinz, kann man nicht ändern!

    „Sie sprechen in Rätseln, Hochgeboren, bitte erklären Sie sich genauer!"

    „Keine Zeit, Durchlaucht, auch ich unterliege diesen Gesetzen bei Hofe. Nur so viel: Nicht alles ist so wie es scheint. Gedulden Sie sich und geben Sie nicht auf, wie es auch immer erscheinen mag!"

    Mit diesem Orakelspruch wandte ich mich um und rannte fast in den Empfangssaal zurück, in den mir der Erbprinz nachdenklich folgte. Ich hatte mich übrigens nicht getäuscht, der Erbprinz lispelte tatsächlich, was für die Königin ein gefundenes Fressen war. Kaum hatte der König den Empfang verlassen, trat sie dem Prinzen entgegen, um diesen, trotz der unmissverständlichen Warnungen ihres Gatten, in aller Öffentlichkeit zu erniedrigen.

    „Ah, Sie! Wir hoffen Unser glänzender Hof macht Euch nicht fürchtend? Ihr seid so große Empfänge sicherlich nicht gewohnt, dürftet Ihr doch in Bayreuth kaum die passenden Räumlichkeiten für so etwas haben. Wie ich hörte, ist das Dach Ihres Schlosses ein wenig undicht? Sie hatte die Lacher schnell auf ihrer Seite und dem Prinzen blieb nichts anders übrig, als höflich den augenscheinlichen Spaß mitzumachen. Sein Lachen wirkte gezwungen. Nun wurden ihre Angriffe perfider. „Leben Sie denn eigentlich noch von der kleinen Apanage, die Ihre Familie erhält oder haben Sie inzwischen ein eigenes Einkommen?

    Wieder ein lautes Lachen der Umstehenden. Die Königin bezog sich hier auf den Umstand, da die Familie des Erbprinzen eigentlich nie in der Erbfolge des Markgrafentums gestanden hatte, wenn nicht glückliche Umstände es so mit sich gebracht hätten. Der heutige Markgraf, der Vater Friedrichs, lebte lange mit seiner Familie in kleinsten Verhältnissen, wusste kaum, wie er seinen Kindern eine passende Erziehung angedeihen lassen sollte. Wilhelmine war mittlerweile näher an ihre Mutter getreten, damit sie den Wortwechsel besser verstand. Ihre Hand umkrampfte fest die meine. War es bereits Zuneigung und somit Mitleid für den armen Jungen, der gerade von ihrer Mutter öffentlich demontiert wurde oder war es die Angst vor der augenscheinlichen Abneigung der Königin gegenüber diesem Heiratskandidaten, die die Fürstin auch auf ihre Tochter übertragen würde. Sophie Dorothea kannte keine Gnade mit dem Neuen bei Hofe.

    „So erklärt sich wohl auch die Tatsache, dass Sie beim Sprechen mit der Zunge über jedes Wort stolpern, eh? Bei einer richtigen Erziehung hätte man Ihnen das wohl ausgeprügelt!"

    Die Anhänger der Königin konnten sich vor Lachen kaum noch auf den Beinen halten. Der Prinz wusste sich, bei aller Gewandtheit, nicht mehr zu helfen. Er machte lediglich eine fahrige Verbeugung, dann flüchtete er mit hochrotem Kopf aus dem Saal.

    „So ein Esel, was der sich einbildet, ein Bauer als Prinz. Den dürften Wir zum letzten Mal gesehen haben!", resümierte die Fürstin selbstzufrieden ihren Erfolg.

    Auch in dieser Nacht kam Wilhelmine in mein Bett. Wie üblich nahm ich sie in meine Arme. Sie war wirklich verbittert über das unwürdige Verhalten ihrer Mutter gegenüber dem Bayreuther. Bisher hatte meine Freundin aber noch nicht klar durchblicken lassen, welchen Eindruck der Prinz auf sie gemacht hatte und so schilderte ich ihr den meinen in der Hoffnung, sie aus der Reserve zu locken.

    „Königliche Hoheit, mir scheint, Sie haben mit Friedrich einen Glücksgriff getan, er war sehr aufmerksam und zuvorkommend!"

    Weiter wagte ich mich nicht aus meiner Deckung, aber es reichte, Wilhelmine bezog Stellung.

    „Ihr habt wohl Recht, er ist nicht unsympathisch, gut gebaut ist er allemal. Im Vergleich mit den übrigen Heiratskandidaten, die Uns vorgesetzt wurden, ragt er deutlich heraus, damit wollen Wir zunächst zufrieden sein. Wenn sich dieser Eindruck verfestigt, sind Wir guter Dinge!"

    „Mögt Ihr ihn, Königliche Hoheit?"

    „Luise, wie sollen Wir das beurteilen? Wir haben noch kein Wort mit ihm gewechselt, aber Wir denken, dass er gute Chancen hat Unser Wohlwollen zu erlangen!"

    „Glaubt Ihr, Ihr werdet das seine erringen?"

    Wilhelmine blickte mich überrascht von der Seite an, indem sie mir raschelnd ihren Kopf zuwandte.

    „Was für eine Frage, Luise! Natürlich. Er muss sich glücklich schätzen, da er Uns ehelichen darf. Dessen ist er sich bewusst! Für einen kleinen Prinzen sind Wir eine Partie, die ihm, unter normalen Umständen, nie zugestanden hätte. Wir sind die älteste Tochter des Königs in Preußen, Nichte des Königs von England. Das reicht völlig für seine Zuneigung!"

    „Ihr meint Zuneigung, die man auch gegenüber einem Stück Gold empfindet, das einem gehört?"

    Wilhelmine überhörte geflissentlich meine Kritik an ihrer Haltung und sagte stattdessen:

    „Wir sind nicht davon abhängig, ob er Uns wirklich anhänglich ist. Die Art der Gunst, von der Ihr redet, ist selten. Es ist egal, ob der Prinz so empfindet, denn bei Euch haben Wir dieses Glück bereits gefunden, Luise, das ist Uns genug. Alles andere bringt die Zeit. Es kann nicht sein, dass man sich nach seinem künftigen Gemahl verzehrt, wenn man ihn das erste Mal sieht. Sollte Euch das mit Eurer Frage vorgeschwebt haben, nein, dem ist nicht so. Er ist sympathisch, gut anzuschauen und scheint ausreichend intelligent. Das ist das Mindeste, was Wir Uns erwartet haben. Wir sind ihm nicht abgeneigt, das mag für den Augenblick genügen!"

    Der König hatte es nun sehr eilig mit der Hochzeit und nur wenige Tage nach dem ersten Zusammentreffen der beiden künftigen Eheleute, das von Seiten Wilhelmines ohne Worte geblieben war, sollte die Verlobung gebührend gefeiert werden. Die Nachricht traf Wilhelmine wie ein Schlag und legte ihre mühsam zur Schau gestellte Selbstsicherheit in Trümmer.

    „So schnell?", hauchte sie bestürzt, als sie die Nachricht erfuhr.

    Die Vorbereitungen für die Feierlichkeiten waren bereits in vollem Gange. Wilhelmines Hofstaat war ganz in die hektische Organisation um Kleider, Stoffe, Schmuck mit eingebunden, als plötzlich Herr von Voigt, der Hofmeister des Erbprinzen, unverhofft seine Aufwartung machte. Er dürfte damals Mitte der Dreißig gewesen sein, ein eher kleiner, drahtiger Mann, mit spitzem Gesicht und sehr ruckartigen Bewegungen. Er hatte bisher erfolgreich dem Versuch widerstanden, sich in Uniform zu kleiden und so war sein Anblick für uns schon fast exotisch, wie er da in schillernd roter Garderobe, garniert mit vielen Rüschen, vor uns stand und, unsicher mit dem Kopf hin und her schwankend, um eine Unterredung bat. Die Beratungen mit dem Bayreuther hätten natürlich der Sonsfeld, als Chefin des Hofes, oblegen. Sie fühlte sich jedoch mit der Beschaffung eines adäquaten Verlobungskleides und dem entsprechenden Putz überfordert und so bat sie mich, das Anliegen des Mannes anzuhören. Die Aufgabe der Dorothea von Sonsfeld war keine leichte. Es blieben nur wenige Tage für die Auswahl der Stoffe, dem Schneidern der Garderobe und der Beschaffung der Accessoires, damit die Prinzessin für alle Beiwohnenden ein unvergesslicher Anblick wurde. Nervlich spannte es die Ärmste sehr an, denn sie malte sich in jeder freien Sekunde aus, wie sie dastehen würde, wenn das Aussehen der Prinzessin an jenem Tag den Hof und vor allem Ihre Majestäten nicht überzeugen sollte. So trat der Hofmeister zu einem denkbar unpassenden Moment in unser Leben, wie er an den im ganzen Raum ausgebreiteten Stoffen, Perücken, Schnittmusterbögen und den Heeren an Schneidern, Gehilfen, Juwelieren und Schustern, die mit ihren Angeboten die Gemächer bevölkerten, selber ersehen konnte. Das Umfeld gab sich quirlig wie ein Markt. Voigt war dankbar, als ich ihn, an seinen Ellenbogen schiebend, in ein ruhiges Zimmer bugsierte. Mit einem knappen Befehl verjagte ich eine putzende Dienerin, die gerade mit einem Staubwedel die Bilderrahmen verschönte. Sie hinterließ regelrechte Staubwolken, die wie ein Cumulonimbus durch das sonnendurchflutete Gemach schwebten. Der schmale Mann ließ sich mir gegenüber auf einem rosa gepolsterten Stuhl mit Armlehne nieder und räusperte sich umständlich, denn er wusste offenbar nicht so recht, wie er beginnen sollte.

    „Ich danke Ihnen, Freifrau von Krönitz, da Sie mir Ihre kostbare Zeit schenken. Ich komme, wie Sie sich denken können, im Auftrag meines Herren! Als ich stumm blieb, suchte er weiter händeringend nach einem guten Beginn. „Ich weiß, Sie sind die engste Vertraute Ihrer Königlichen Hoheit und ich denke, dass Ihr des Erbprinzen und meine Ungewissheit am ehesten erhellen könnt!

    Natürlich schmeichelten mir seine Worte und so antwortete ich, für meine Verhältnisse ungewöhnlich warmherzig:

    „Nur zu, lieber Herr von Voigt, sagen Sie mir ehrlich, was Ihnen auf der Seele brennt!"

    „Vielen Dank, Freifrau von Krönitz, ich werde aus meinem Herzen keine Mördergrube machen, denn ich bin ein Freund klarer Worte und ich sehe, bei Ihnen ist es nicht anders. Unter normalen Umständen wäre Erbprinz Friedrich bereits abgereist und hätte die Hochzeit Hochzeit sein lassen. Das Verhalten Ihrer Königlichen Majestät, ja ihres gesamten Hofes ist ehrabschneidend, dieses Schloss ist eine einzige dunkle Gruft und nach Paris kaum ohne Schwermut zu ertragen. Auch das Gebaren des Königs lässt Wünsche offen, wenngleich er die Enttäuschung über diese Partie, die, wie ich weiß, nicht seine erste und auch nicht seine zweite Wahl war, nicht sehr deutlich zeigt. Hinzu kommt, und dies werden Sie noch nicht wissen, eine gewisse Skepsis des regierenden Markgrafen bezüglich dieses Arrangements, die er seinen Sohn durchaus spüren lässt. Einzig, die Ehre und vor allem die erwartbare Mitgift lässt es nicht zu, dass er, entgegen seiner Überzeugung, diese Hochzeit ausschlägt. Demütigt man den Prinzen aber weiter auf diese Weise, wird er einen Rückzieher machen müssen, damit sein Ansehen keinen Schaden nimmt. Soweit die offiziellen Gedanken, begeben wir uns nun auf die Ebene, die im Grunde unerheblich, für die beiden Eheleute aber trotzdem nicht unwichtig sein dürfte. Der Erbprinz ist entsetzt über die Kühle der Prinzessin. Kein Wort hat sie ihm geschenkt. Ihr habt Friedrich gegenüber verlauten lassen, es sei nicht alles so wie es scheint, Euch dann aber nicht weiter erklärt. Es ist für meinen Herren und sein weiteres Handeln jedoch wichtig, wie Prinzessin Wilhelmine zu ihm steht. Lehnt sie ihn wirklich ab, wie es scheint, so wird er sich nicht mit ihr verloben, sondern vorher nach Bayreuth zurückkehren. Es hängt an der Einstellung der Prinzessin, ob er sich hier weiter erniedrigen lässt oder Konsequenzen zieht!"

    Damit endete Voigts Monolog und er lehnte sich auf dem Stuhl zurück, meine Antwort erwartend.

    „Herr von Voigt, bevor ich Ihnen die Ansichten meiner Herrin darlege, oder vielmehr, interpretiere, möchte ich von Ihnen wissen, welche Gefühle der junge Mann gegenüber der Prinzessin hegt?"

    „Ich hatte gesagt, ich will Ihnen gegenüber ganz offen sein, Hochwohlgeboren!"

    „Hochgeboren, wenn es keine Umstände bereitet!", korrigierte ich umgehend.

    Doch der Hofmeister ließ sich nicht irritieren.

    „Des Prinzen Gefühle waren am Anfang nicht besonders positiv als er erfuhr, wen er heiraten soll. Die Prinzessin ist nicht gerade für ihre Umgänglichkeit berühmt und über ihr Aussehen gibt es, je nachdem welcher Partei man Glauben schenken mag, sehr unterschiedliche Ansichten. Friedrich ist sich natürlich im Klaren darüber, dass er ihr weder dynastisch noch vom Rang her auch nur annähernd das Wasser reichen kann und dieser Fakt ist für eine Ehe keine gute Voraussetzung, dessen ist er sich bewusst!"

    „Warum ist er dann noch hier, ist die Not im Markgrafentum so groß, dass man ohne die Mitgift nicht auskommt?", fragte ich herausfordernd.

    „Ja und nein!, gab der Hofmeister lachend zur Antwort, ihm gefiel offenbar meine Art. „Als der Prinz das erste Mal die Prinzessin sah, war er von ihrer Erscheinung überwältigt. Um es gerade heraus zu sagen, sie gefällt ihm, auch ihr Wesen! Er sah meinen fragenden Blick und fügte schnell und grinsend hinzu: „Nein, er bezieht sich nicht auf ihr Verhalten ihm gegenüber, er ist kein Masochist, er hat sie beobachtet, wie sie mit Anderen umgeht und dies lässt ihn hoffen!"

    „Sie wollen nun von mir wissen, ob für den Prinzen eine Chance besteht, ihr Wohlwollen zu erlangen?"

    „Etwas in der Art. Es würde dem Erbprinzen helfen, die Prozedur hier durchzustehen, wenn er wenigstens wüsste, dass Ihre Herrin hinter ihm steht, nicht gegen den Erbprinzen eingenommen ist. Von Zuneigung und Liebe möchte ich gar nicht sprechen, nur davon, ob eine Möglichkeit besteht, dass so etwas wächst!"

    In Voigts Blick erkannte ich nicht nur dessen Loyalität für seinen Herren, sondern ich ahnte wie eng und herzlich die beiden verbunden waren. Ein Zeichen, dass Friedrich kein ganz falscher Charakter sein konnte und mir wurde leichter ums Herz.

    „Herr von Voigt, ich versichere Ihnen, die Prinzessin hat nichts gegen Ihren Herren einzuwenden. Sie kennt ihn nicht, möchte sich aber, nach allem was sie bereits gehört und auch gesehen hat, ein positives Urteil bilden. Trotz allen Drucks, der bezüglich einer Hochzeit auf der Prinzessin lastet, war es ihre freie Entscheidung, der Ehe mit Prinz Friedrich zuzustimmen. Sie sehen also, der Erbprinz kann fest auf Ihre Königliche Hoheit zählen und meine Herrin wird es ihm hoch anrechnen, wenn er sich an diesem Hof, trotz der widrigen Umstände, wacker schlägt!"

    „Warum zeigt sie sich dann derart zurückhaltend, ja geradezu abweisend? So gesehen basieren Ihre schönen Worte auf keiner Grundlage!"

    „Lieber Voigt, das Wahren des Gleichgewichts der Kräfte an diesem Hof ist eine Notwendigkeit! Bitte gebt Euch mit dieser Antwort zufrieden. Es ist auch Ihrem Herren nicht damit gedient, wenn die Prinzessin gewisse Kreise des Schlosses gegen den Prinzen und auch gegen sich selber aufbringt!"

    Friedrichs Hofmeister schaute mir tief in die Augen, dann nickte er.

    „Ich habe Ihre Botschaft verstanden und kann nun mit gutem Gewissen meinem Herren berichten, dass er auf die Zuneigung Ihrer Königlichen Hoheit hoffen darf. Ich danke für Eure Worte und würde mich glücklich schätzen, Sie am Bayreuther Hof willkommen zu heißen. Ihr werdet Eure Herrin begleiten?"

    Ich nickte leicht und dann verabschiedete er sich von mir. Voigt war schon halb zur Tür hinaus, da wandte er sich noch einmal um.

    „Ist ein Treffen unserer Herrschaften vor der Verlobung möglich?"

    „Ich werde sehen, was sich machen lässt!"

    Dann schloss sich die Tür hinter dem kleinen Mann. Nur eine Sekunde später öffnete sich die gegenüberliegende und Wilhelmine trat ein. Sie trug Unterkleider, denn sie wurde von Kopf bis Fuß vermessen, damit das Verlobungskleid den richtigen Pass bekam. Ohne Schuhe, nur in langen Wollstrümpfen, kam sie auf mich zu und umarmte mich.

    „Wir haben gelauscht, Luise, als Wir erfahren haben, wer Sie aufgesucht hat. Wir müssen Euch für Euer diplomatisches Geschick Unser höchstes Lob aussprechen. Besser hätten Wir es selber nicht formulieren können. Das gibt Uns den Spielraum, den Wir zum Agieren benötigen. Nicht auszudenken, wenn der Prinz sich durch Uns brüskiert gefühlt hätte. Nicht nur, dass er davongelaufen wäre, es hätte auch den Fürsten gegen Uns aufgebracht. Nun können Wir gewiss sein, Friedrich wird Unser Verhalten nicht missverstehen. Merci bien, Luise!"

    Sie drückte mich fest und flüchtig küsste ich meine Freundin auf die Wange.

    Doch eine Begegnung des Paares vor der Verlobung fand nicht statt, die geschäftigen Umstände ließen es nicht geschehen. Zwei Tage nach meinem Treffen mit Voigt versammelte sich die Hofgesellschaft auf Geheiß des Königs in den großen Staatsgemächern. Der Saal war mit Stuhlreihen für die höheren Ränge bestückt, die niederen Ränge mussten, wie üblich, stehen. Es war früher Abend, doch vor den Fenstern des Saales lachte noch gleißendes Sonnenlicht. Ich stand mit Elisabeth gleich in der ersten Reihe und hatte eine gute Übersicht über die Szenerie der vor mir sitzenden Gestalten. Ein Meer von Perücken! Auch wenn man von hinten nicht erkennen konnte, wer sich unter der künstlichen Haarpracht verborgen hielt, so mochte man doch sagen, ob eine Person jüngeren oder eher älteren Datums war, so unterschiedlich waren die Modestile der Haarteile. Nur die Männer, soweit sie preußische, brandenburgische, klevische oder märkische Untertanen waren, trugen unterschiedslos die militärisch einheitlichen, kurzen Perücken, mit entsprechender schwarzer Schleife am dünnen geflochtenen Zopf. Alle Anwesenden ahnten, der König und Kurfürst wollte etwas Bedeutendes verkündigen. Doch der Saal war weder festlich herausgeputzt noch waren Anstalten für ein Festessen oder einen Ball erkennbar. Die Gerüchte schwirrten nur so durch die Reihen und reichten von Vermählungsabsichten über neu erworbene Fürstentümer des Königs bis hin zu Nobilitierung, Beförderung oder Ordensverleihung. Dann erklangen die Fanfaren. Die Königin, samt ihren Kindern, natürlich ohne den Kronprinzen, der immer noch auf der Feste Küstrin weilte, betraten würdig schreitend den Saal, die Matrone vorweg, in Zweierreihe die Kinder folgend. Wer noch nicht stand, erhob sich nun von seinem Platz und verbeugte sich oder knickste eben! Nachdem sich Majestät und die Königlichen Hoheiten auf ihre Plätze gesetzt hatten, begann erneut eine lebhafte Diskussion, wenngleich ein wenig gedämpfter. Vor allem den weiblichen Gästen war der besondere Putz Wilhelmines nicht verborgen geblieben, was Anlass zur Konkretisierung der Gerüchte gab.

    „Haben sie endlich doch jemanden für die Ärmste gefunden?"

    „Wer mag der arme Mann sein, der sich mit ihr rumplagen muss?"

    „England, England hat endlich zugesagt, es muss England sein, eine andere Partie würde der König auf keinen Fall vor so einer großen Öffentlichkeit bekannt geben, das wäre nur ärmlich!"

    Solche und ähnliche Gesprächsfetzen vernahm ich aus allen Richtungen. Es war ein Wunder, dass die geplante Vermählung mit Bayreuth nicht durchgesickert war, wo doch sonst nichts bei Hofe geheim blieb. Von keiner Seite erhaschte ich auch nur eine Erwähnung des Erbprinzen oder seines Hauses. Ich blickte meine Freundin Elisabeth von Wildenfels ratlos an; wir errieten, wie die Bekanntmachung der Verlobung bei den anwesenden Hofschranzen aufgenommen werden würde. Eine halbe Reihe versetzt, hinter der Königin, saß das einzige souveräne Fürstenpaar, das neben Ihrer Majestät anwesend war, der Herzog und die Herzogin von Württemberg, die sich so gar nicht mehr von Berlin trennen mochten. Eine ganze Reihe hinter dem regierenden Fürstenpaar aus dem Südwesten des Reiches saßen die nicht souveränen Fürsten. Auch der Schwedter Markgraf, eine Option auf die Ehe mit Wilhelmine, war geladen, hatte sich aber entschuldigen lassen. Unter den nicht regierenden Fürsten hatte man auch die Prinzen und Prinzessinnen platziert, die einem souveränen Fürstentum entstammten und natürlich die Personen, die hohe Positionen inne hatten, wie Minister, Marschälle, Generäle und diejenigen mit hohen Hofämtern, wie zum Beispiel die Oberhofmeister. Hinter dieser hoch noblen Gesellschaft waren die Grafen und Gräfinnen platziert, die keine hohen Ämter bekleideten, sowie die Prinzen und Prinzessinnen aus nicht souveränen Fürstenhäusern. Die Freifrauen und Freiherren, oder moderner ausgedrückt, die Barone und Baroninnen sowie der übrige niedere Adel mussten sich zumeist mit den Stehplätzen begnügen, soweit sie kein wichtiges Amt bekleideten, wie Fräulein von Sonsfeld, die als Hofmeisterin im Block der Grafen und Gräfinnen Platz nehmen durfte. Ich war noch ganz in meinen Betrachtungen versunken, da verkündete der schmetternde Klang der Fanfaren das Erscheinen Friedrich Wilhelms, des Königs in Preußen und Kurfürsten von Brandenburg, Herzog von Kleve, Fürst von Neuenburg, etc. Die Überraschung im Saal war nicht gering, als man des jungen Mannes gewahr wurde, der Seiner Majestät nachfolgte. Den meisten war dieses Gesicht bereits als Erbprinz von Bayreuth ein Begriff, wenngleich man auch offenbar in der Masse nicht auf die Idee gekommen war, dieser stünde in irgendeinem Zusammenhang mit der Vermählung meiner Herrin. Der Kurfürst, natürlich in Uniform, ebenso wie der Erbprinz, blieb vor den Anwesenden stehen, die sich alle erhoben hatten. Die Spannung im Saal war regelrecht spürbar. Kaum wagte man einen Atemzug. Der Herrscher wartete noch einen Augenblick, dann drehte er sich leicht nach hinten um und reichte Friedrich, der etwa drei Schritte seitlich versetzt hinter Friedrich Wilhelm gestanden hatte, seine plumpe Hand, die dieser ohne jegliches Zögern ergriff. Auf eine erklärende Ansprache des Königs warteten die geladenen Gäste der Zeremonie vergebens. Dann blickte der Vater seine älteste Tochter an. Wilhelmine trat, wie vorher abgestimmt, dem Vater entgegen und fasste dessen andere ausgestreckte Hand. So stand der Fürst in der Mitte, umrahmt von seinem künftigen Schwiegersohn und seiner Tochter und blickte misstrauisch in die Menge vor ihm. Um mich herum hörte ich nur ungläubiges Gewisper. Dann tauschten die beiden künftigen Eheleute die Verlobungsringe, selbst auf die große Distanz, die mich von dem Trio trennte, sah ich, wie die Hände der beiden vor Aufregung zitterten. Gott sei Dank hatten sie sich so weit unter Kontrolle und keiner der Ringe entglitt den Fingern, schadenfroh klingend das Paar zu verhöhnen. Kaum hatte man sich die Zeichen des Eheversprechens über die Finger gestreift, wollte Wilhelmine ihrem Vater, als Geste ihrer Unterwerfung, die Hand küssen, da nahm dieser seine Tochter einfach in den Arm und drückte sie, entgegen jeglicher Etikette, so fest, dass es mir um meine Liebe ganz bang wurde. Dann ließ er sie los und mein Blick fiel auf das feiste Gesicht des Soldatenkönigs. Waren es tatsächlich Tränen, die ich in seinen kleinen Schweinsaugen blitzen sah? Auch Wilhelmine kämpfte tapfer gegen ihre Rührung an, oder war es Trauer? Friedrich hingegen schien das Ereignis eher trocken hinzunehmen, es mochte dem Jüngling leicht gefallen sein, denn ihm gegenüber saß seine künftige Schwiegermutter und deren Antlitz dürfte ihm nichts Gutes verheißen haben. Nachdem der König auch seinem Schwiegersohn in spe gratuliert hatte, nahm er die Hände der beiden „Kinder und legte diese aufeinander. Er hatte sicherlich auf einen losbrechenden, tosenden Beifallssturm gehofft. Doch weit gefehlt. Langsam und mühsam erholten sich die Gäste stattdessen von dem Dargebotenen und nur zögerlich erhob sich höflicher Applaus, von Hochrufen auf das junge Paar durfte man träumen. Als sich auch noch gehässiges und geringschätziges, ja schadenfrohes Lachen unter die Kundgebungen der Geladenen mischten senkte Friedrich, aber auch seine künftige Gemahlin, die immer noch die Hände vereint hatten, beschämt ihre Blicke. Der Oberhofmarschall rettete die peinliche Situation, da er die Portale in einen weiteren großen Saal öffnen ließ, in dem zur Feier des „großartigen Ereignisses ein kurzer Ball stattfinden sollte, denn der König dachte nicht daran, schon für die Verlobung Unsummen auszugeben. Der hungrige Gast suchte also vergebens nach etwas Essbarem, lediglich Getränke wurden sparsamst gereicht. Bevor die Geladenen aber dem Tanz frönen durften, gebot es die Sitte, dem Paar Glückwünsche zu überbringen. Vor Wilhelmine und Friedrich bildete sich nun eine lange Schlange von Gratulanten, die es für die Verlobten abzuarbeiten galt. Ich stellte mich nicht an, sondern mischte mich unter die Menge, damit ich die allgemeine Meinung erhaschte.

    „Nun wird sie Königin von Bayreuth! Welch eine große Ehre für die Dame!"

    „Der König wollte sie endlich loswerden, da hätte er sie aber besser gleich in ein Kloster gesteckt!"

    „Hochmut kommt vor dem Fall!"

    „Sie wird an ihrer Bedeutungslosigkeit verkümmern!"

    „Diese Partie war wohl die billigste, die der König finden konnte!"

    Und dies waren noch die harmloseren Bemerkungen. Nur wenige der Hofschranzen zeigten Mitgefühl oder gar aufrichtige Freude darüber, dass Wilhelmine endlich dieser Berliner Hölle entrinnen sollte. Insgesamt war die Stimmung in dem Ballsaal nicht die, die man anlässlich eines solchen Ereignisses erwarten durfte, eher das genaue Gegenteil. Man steckte verschwörerisch die Köpfe zusammen und zerriss sich weiter schadenfroh das Maul. Viele hatten es schon immer gewusst, es würde einmal bitter für die älteste Tochter des Königs enden. Sie hätte sich zu viel auf ihren Geist eingebildet und auf so etwas legten Fürsten von Rang nun einmal keinen Wert. Dies sei ein trauriges Ende ihrer Revolution! Nun könne sie in Bayreuth ja getrost Bauernkönigin spielen und mit denen über den Sinn des Lebens disputieren. Diese Bemerkungen wurden von den Umstehenden regelmäßig mit einem unschönen Gelächter quittiert und als das Paar den Ball eröffnete war die Ratlosigkeit in eine überwiegende Feindseligkeit umgeschlagen, die sich darin äußerte, dass von der Möglichkeit zum Tanzen kaum jemand Gebrauch machte. Der Saal

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