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Was war, bevor wir wurden: Die Lebensenergie und ihre Schöpfungsprinzipien im christlichen Kontext
Was war, bevor wir wurden: Die Lebensenergie und ihre Schöpfungsprinzipien im christlichen Kontext
Was war, bevor wir wurden: Die Lebensenergie und ihre Schöpfungsprinzipien im christlichen Kontext
Ebook279 pages3 hours

Was war, bevor wir wurden: Die Lebensenergie und ihre Schöpfungsprinzipien im christlichen Kontext

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In den östlichen Weisheitslehren taucht immer wieder der Begriff der Lebensenergie auf. Er nimmt in der Traditionellen Chinesischen Medizin und der Akupunktur oder im indischen Yoga eine zentrale Stellung ein. Die Lebensenergie, so die Vorstellung, fließt in Meridianen oder Leitbahnen durch unseren Körper.
Unbemerkt geblieben ist bislang, dass das Wissen über diese Lebensenergie auch in der Bibel vorhanden ist. Dieser Spur geht das Buch nach und zeigt detailliert, inwiefern auch christliche und urchristliche Texte von der Lebensenergie handeln. Auch in christlichen Ritualen sowie bildlichen Darstellungen spielt sie eine Rolle.
Als Interpretationsgrundlage dient das Konzept der auf den Körper bezogenen Physio-Philosophie, die von der Körper-Geist-Einheit ausgeht und die Kenntnis der Energiebahnen enthält. Sie beschreibt die Gesetzmäßigkeiten der Lebensenergie bei der Entstehung von Leben. Von diesen Gesetzmäßigkeiten lassen sich Schöpfungsprinzipien ableiten. Sie waren bereits da, bevor es Leben gab und führen uns zu einer universellen allgemeingültigen Ethik.
Durch die neue Betrachtungsweise lassen sich auch unverständliche oder "märchenhafte" Inhalte christlicher Texte sinnhaft erschließen, wie etwa die Schöpfungsgeschichte der Genesis, die keineswegs eine Hierarchie zwischen Mann und Frau postuliert. Deutlich wird auch, dass viele biblische Aussagen heutigen wissenschaftlichen Erkenntnissen entsprechen.
LanguageDeutsch
Publishertredition
Release dateOct 5, 2018
ISBN9783746977768
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    Was war, bevor wir wurden - Andrea Knobloch

    1. Prolog

    Der Begriff Lebensenergie ist heutzutage vielen Menschen aus den östlichen Weisheitslehren bekannt. In der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) etwa wird diese Energie Chi oder Qi (gesprochen: Dschi) genannt. Sie fließt in den Leitbahnen (Meridianen) durch den ganzen Körper und bildet die Grundlage für die Akupunktur. In den Bewegungslehren Tai Chi („chinesisches Schattenboxen") und Qi Gong wird ebenfalls mit dieser Energie gearbeitet. Auch in der japanischen und tibetischen Medizin sowie im indischen Yoga kennt man die Lebensenergie, die durch die Meridiane fließt.

    Die Lebensenergie fließt nicht nur im Menschen, sondern in allem Lebendigen. Die Bibel bringt man erst einmal nicht mit dieser Lebensenergie in Verbindung, obwohl auch dort zum Beispiel in der Genesis der Prozess der Schöpfung und der Verlebendigung des Menschen beschrieben ist. Der Gedanke, dass auch in der Bibel von dieser Lebensenergie berichtet wird, mag für viele Menschen ungewöhnlich oder gar irritierend sein. Hören wir jedoch genau auf die biblischen Worte, dann wird es offenbar. Jesus sagte: „Ich bin das Licht der Welt; alle, die mir folgen, werden nicht mehr in der Finsternis umherirren, sondern das Licht des Lebens haben." (Joh 8,12) Licht ist Energie, und das Licht des Lebens ist die Lebensenergie, die Leben erschafft. Der Astrophysiker Haisch setzt den biblischen Begriff „Licht mit der von Physikern benutzten Bezeichnung „elektromagnetische Felder gleich, zu denen auch das sichtbare Licht gehört. (HAISCH, 2014, S. 119) In der Alltagssprache sprechen wir vom Lebensfunken oder Lebenslicht.

    Seit vielen Jahren beschäftige ich mich mit einer auf den Körper bezogenen Philosophie, der ebenfalls die Kenntnis der Meridiane/Energiebahnen und der in ihnen fließenden Lebensenergie zu Grunde liegt. Diese Physio-Philosophie beschreibt die im Körper ablaufenden Schöpfungsprozesse durch die Energie und deren Gesetzmäßigkeiten sowie die Erkenntnis, dass Körper und Geist eine untrennbare Einheit darstellen. Die Physio-Philosophie beinhaltet jedoch nicht nur die Beschreibung dieser Prozesse, sondern ebenso einen Weg zu ihrer Harmonisierung, wenn der Mensch aus der Balance geraten ist. Dies geschieht mit Hilfe der Kraft in unseren Fingern und Händen, die wir von Natur aus mitbekommen haben. Alle Menschen nutzen diese Kraft spontan und unbewusst, um sich wieder ins Gleichgewicht zu bringen – körperlich, seelisch und mental. Diese Kraft lässt sich aber auch ganz bewusst einsetzen und nutzen, weshalb man von einer „anwendbaren Philosophie" sprechen kann. Jesus wusste um die Heilkraft der Hände, denn verschiedene Bibelgeschichten erzählen davon.

    Die Gemeinsamkeit, dass sowohl in der Physio-Philosophie als auch in der Bibel die Schöpfungsprozesse beschrieben werden, brachte mich dazu, auf die Suche nach Parallelen zwischen den Inhalten der Physio-Philosophie des Körpers und dem christlichen Gedankengut zu gehen. Ich habe die Kenntnisse über die Lebensenergie verglichen mit Inhalten aus der Religion, die mich geprägt hat. Um es vorweg zu sagen, ich habe in den christlichen Texten viele mehr oder weniger verdeckte Beschreibungen der Lebensenergie und ihrer Grundmuster gefunden, die mich teilweise überrascht und erstaunt haben. Viele unverständliche Textstellen lassen sich über das Konzept der Physio-Philosophie sinnhaft erschließen und interpretieren.

    Nicht nur in den Texten, auch in christlichen Darstellungen ist die Lebensenergie erkennbar, zum Beispiel in den fünf Strahlen, die aus den Händen der Maria als Himmelskönigin fließen oder auf einem Altarbild, auf dem die Lebensenergie als 2 x 7 Ströme abgebildet ist. Mit dem Wissen aus der Physio-Philosophie lässt sich ihre jeweilige Anzahl sinnhaft erklären. Auch die Rituale des Abendmahls, der Taufe oder der Bekreuzigung erscheinen in einem neuen Licht, denn in ihnen werden die Schöpfungsprozesse der Lebensenergie nachempfunden.

    Noch etwas anderes wurde deutlich: Aus den Gesetzmäßigkeiten der Verlebendigungsprozesse durch die Lebensenergie lassen sich vier Grundregeln oder Prinzipien ableiten: Universelle Einheit, Gleichwertigkeit zweier urpolarer Kräfte, Kooperation und Gerechtigkeit. Diese Grundregeln, nach denen Schöpfungsprozesse ablaufen, sind im Wertekanon unserer heutigen Kultur enthalten, beispielsweise im Gleichheitsgedanken aller Menschen, der Gleichberechtigung von Mann und Frau oder im Gedanken der sozialen Gerechtigkeit. Neu mag für viele jedoch sein, dass sie sich aus den kosmischen Schöpfungsprinzipien ableiten lassen. Diese existierten bereits, bevor die Menschen entstanden sind, d.h. sie waren, bevor wir wurden. Das ist von fundamentaler Bedeutung, denn sie sind unabhängig vom menschlichen Geist, von Kultur, Religion und Zeitalter.

    Welche Erkenntnisse ergeben sich daraus? Zum einen wirken die Schöpfungsprinzipien auf uns wie die Schwerkraft der Erde oder der Tag- und Nachtrhythmus. Wir können uns ihnen weder entziehen noch sie ändern, wir können lediglich die „Sünde" begehen und sie missachten. Ohne Schaden zu nehmen können wir nicht gegen sie leben, denn sie liegen unserem Sein zu Grunde. Zum anderen sind sie als Gesetzmäßigkeiten nicht nur in physikalischen und biologischen, sondern auch in zwischenmenschlichen und gesellschaftlichen Prozessen erkennbar. Aus diesem Grund bilden die Schöpfungsprinzipien die Grundlage einer universellen allgemeingültigen Ethik.

    Ethik versucht, allgemeingültige Regeln für menschliches und gesellschaftliches Handeln aufzustellen. In der Diskussion um Ethik und ihre Grundlagen existieren verschiedene Prämissen ethischer Theoriebildung, u.a. „der Universalisierungsanspruch, der die prinzipielle Gleichartigkeit aller Menschen voraussetzt und dadurch bereits die Möglichkeit eines ethischen Relativismus bestreitet (…)." (PÄTZOLD, utb-Online-Wörterbuch Philosophie) Auf welcher Grundlage ethische Prinzipien formuliert werden, ist verschieden. Manche gründen sich etwa auf die menschliche Vernunft, andere auf den Willen Gottes.

    Die Lebensenergie kommt von oben und fließt immer von oben nach unten. „Ihr seid von unten, ich bin von oben. Ihr seid aus dieser Welt, ich bin nicht aus dieser Welt." (Joh 8,23) Durch die Lebensenergie ist aus dem göttlichen/kosmischen Bewusstsein die Schöpfung und letztendlich auch der Mensch entstanden. Gott ist Mensch geworden.

    2. Methodische Überlegungen

    Für meine Textinterpretationen habe ich hauptsächlich die beiden Evangelien nach Thomas und Philippus verwendet. Sie zählen zu den Apokryphen, den urchristlichen Texten, die keinen Eingang in den Bibelkanon gefunden haben. Sie sind Teil der Nag-Hammadi-Schriften, die 1945 in Ägypten gefunden wurden und stammen aus der Gnosis, einem christlichen Gedankengut, das verschiedenste Lehren beinhaltet. Dieses wurde von der frühen, sich konstituierenden christlichen Kirche bekämpft.

    Was die beiden apokryphen Evangelien so interessant macht, ist ihre Herkunft. „Einen Ursprungsort der Gnosis zu ermitteln, ist unmöglich. Zu viele unterschiedliche Elemente fließen in ihr zusammen: weisheitliche Lehren Ägyptens, Persiens, Babylons, der griechischen Mysterienschulen und bestimmter philosophischer Strömungen. Untrennbar ist sie aber mit der hellenistischen Welt verbunden." (PAGELS, 2013, S. 35) Das gnostische Gedankengut hat seinen Ursprung also in verschiedenen spirituellen Lehren, die weit in die Vergangenheit reichen, in eine Zeit lange vor Jesus. Die Gnosis beansprucht für sich wahre Erkenntnis – nicht Glauben. Da ihr Ursprung eine sehr breite Herkunft hat, könnte das darauf hindeuten, dass darin universelles Wissen enthalten ist. Diese These wird von der Einschätzung der Religionswissenschaftlerin Elaine Pagels untermauert, „(…) dass die Ähnlichkeit der Antworten, die die Gnosis und die östlichen Weisheitslehren auf die Fragen nach dem Sinn des menschlichen Daseins gaben und geben, eher in der Universalität des menschlichen Geistes begründet sind als in einer historischen Abhängigkeit." (Ebenda, S. 10)

    Die Physio-Philosophie wird betrachtet als die den Menschen von Natur aus innewohnende Weisheit, die sich auf die Prozesse der Lebensenergie und den menschlichen Körper bezieht und deshalb universell ist. Vielleicht gab es in der Frühzeit der Menschheitsgeschichte einen direkteren Zugang zu dieser intuitiven Weisheit als heute. Ich halte es für möglich, dass im Laufe der Menschheitsgeschichte philosophische und religiöse Überbauten geschaffen wurden, durch die die ursprüngliche Bedeutung dieses intuitiven Wissens teilweise überlagert wurde oder verloren ging.

    Bei meinen Ausführungen habe ich mich von der inneren Logik und den Gesetzmäßigkeiten der Lebensenergie leiten lassen. Meine Interpretation der von mir ausgewählten biblischen und gnostischen Texte entstand vor dem Hintergrund der Physio-Philosophie und deren Systematik. So richten sich auch Struktur und Aufbau des Buches danach. Die Übersetzungen der Quellentexte, die ich benutzt habe, stammen von Fachleuten, wobei auch diese sich nicht immer einig sind. Das liegt daran, dass bei den Übersetzungen vieles interpretiert und gedeutet werden muss. Eine Schwierigkeit bei der Auslegung liegt auch darin begründet, dass die Bibel kein einheitliches Buch ist, sondern aus vielen Einzeltexten besteht, die in unterschiedlichen Zeiten entstanden sind und von verschiedenen religiösen Interessengruppen „kanonisiert, also ausgewählt wurden. Andere Texte wurden nicht aufgenommen. Weiterhin wurden durch den über die Jahrhunderte währenden „Inkulturationsprozess verschiedene Sitten und Feste adaptiert und christlich umgedeutet. (Vgl. CEMING, 2004, S. 44) Davon abgesehen unterscheidet sich die Zusammensetzung der Bibel in den verschiedenen Religionen. Die Bibel der Juden ist nicht identisch mit der Bibel der Katholiken und diese wiederum nicht mit der der evangelischen Christen.

    Der Bibelwissenschaftler Jürgen Werlitz schreibt: „Jedoch ist es natürlich auch so, dass die Bibelwissenschaft als rationale Interpretationsweise dazu neigt, bestimmte Erfahrungs- und Wirklichkeitsbereiche von vornherein für das Verständnis der Bibel auszuschließen. Ein solcher Ausschluss von Möglichkeiten ist natürlich auch methodisch bedingt, führt aber mitunter zu weit, nämlich zu einer Art Scheuklappen-Mentalität, in der bestimmte Phänomene von Texten gar nicht mehr erkannt werden können. Angesichts dessen hat man bei der Frage nach einer sachgerechten Interpretation der Heiligen Schrift mit zu bedenken, dass die Bibel nicht nur ein einmal und einmalig verschriftetes »Buch« ist, sondern seine rund 2000 Jahre betragende Interpretationsgeschichte hat, die einen enormen Bedeutungsüberschuss der biblischen Texte hervorgebracht hat." (WERLITZ, 2000, S. 225)

    Aus diesen Gründen ist keine stringente und unveränderte biblische Überlieferung vorhanden. Es erscheint mir möglich, dass ursprüngliche Bedeutungen von symbolhaften Erzählungen und Sprachbildern verloren gegangen sind, umgedeutet oder verfälscht wurden. Die Bibel ist auch nicht aus dem Nichts entstanden, sondern ihr gingen andere Weisheitslehren voraus, die in ihr ihren Niederschlag gefunden haben. Ein Beispiel ist etwa der 104. Psalm im AT, der Ähnlichkeiten und Parallelen zum „Großen Aton-Hymnus des ägyptischen Pharaos Echnaton aufweist. Oder der Schöpfungsmythos der Genesis etwa enthält Komponenten, die ebenso bei dem babylonischen Schöpfergott Enki bei der Erschaffung der Lebewesen auftauchen. Auch bei Enki entsteht der Mensch aus Lehm und nach „Gottes Ebenbild. „Mit seinem (des Gottes) Fleisch und Blut soll (die Muttergöttin) Nintu Lehm mischen, Gott und Mensch sollen zusammen vermischt werden im Lehm!" (Mythos des Atramhasis, Übersetzung W.G. Lambert 1969, entnommen aus: GRONEBERG, Brigitte, 2004, S. 131)

    Üblicherweise werden bei der Interpretation der biblischen Texte der Körper und die ihm innewohnenden Schöpfungsprozesse durch die Lebensenergie nicht oder nicht differenziert genug berücksichtigt, denn hierzu werden spezielle Kenntnisse benötigt. In der Bibel ist häufig von Heil und innerem Frieden die Rede. Der Ort, an dem Gesundheit, Heilsein und Lebendigkeit bei den Menschen stattfindet, ist der Körper. Da die Bibel vom Göttlichen als dem Ursprung des Lebens handelt, müsste sie auch das Wissen um die Lebensenergie und ihre Prozesse enthalten, die sich im Körper manifestieren. In den östlichen Weisheitslehren ist das so und hat z.B. über die Akupunktur und den indischen Yoga inzwischen ins westliche Denken Eingang gefunden. Allerdings sind TCM und Yoga ganzheitliche Systeme, die Philosophie, Medizin, Psychologie, Ernährung, Bewegung und Lebensführung beinhalten. Sie trennen den Menschen nicht auf in verschiedene „Sparten". Nach meiner Überzeugung ist in den biblischen und urchristlichen Texten die Kenntnis der Lebensenergie ebenfalls vorhanden. Durch die unterschiedlichen Sprachbilder und Formulierungen ist dies jedoch nicht immer so ohne weiteres erkennbar.

    Ein weiterer meiner Leitgedanken war, dass die Erkenntnisse der Schöpfungsprozesse, wenn sie einer universellen „Wahrheit entsprechen, auch in den Erkenntnissen der Naturwissenschaften auftauchen müssen. Die Einheit von Geist, Psyche und Körper und ihre wechselseitige Beeinflussung, die in den östlichen Weisheitslehren bekannt ist, wurde mittlerweile durch die moderne Hirnforschung bestätigt, genauso wie die Tatsache, dass Denken ohne Körper nicht möglich ist. Man sollte nicht vergessen, dass auch Wissenschaftler „Gläubige sind. Sie betrachten sich oft gerne als rein rational, arbeiten jedoch ständig mit Hypothesen und Annahmen, an die sie „glauben und die irgendwann entweder verifiziert oder falsifiziert werden. Nicht nur in den Religionen, auch in der Naturwissenschaft gab und gibt es Dogmen, was eigentlich den Grundsätzen der Naturwissenschaft widerspricht. Ein Dogma in der Naturwissenschaft ist, dass Religionen und spirituelle Weisheitslehren jeder realen Grundlage entbehren. Der Astrophysiker Bernard Haisch meint dazu: „Aus irgendeinem Grund sind die elf- oder sechsundzwanzigdimensionalen String-Welten der wissenschaftlichen Theorie plausibel, doch die übernatürlichen Welten der Mystik werden als reiner Aberglaube beurteilt. (…) Aus irgendeinem Grund akzeptiert die Wissenschaft die hypothetischen Multiversen und Hyperdimensionen der modernen Physik, die rein theoretisch bleiben, wohingegen die Erfahrungsberichte von Mystikern aller Epochen über transzendente (d.h. übernatürliche Realitäten) verworfen oder ignoriert werden. (HAISCH, 2014, S. 50f)

    Gleichwohl gibt es zunehmend Literatur von Wissenschaftler*innen, die sich mit der Suche nach Gemeinsamkeiten von Naturwissenschaft und Religion beschäftigen. Wo es mir möglich war, habe ich Aussagen und Erkenntnisse von Naturwissenschaftlern angeführt, um auf Verbindungen zwischen naturwissenschaftlichen und religiösen/spirituellen Aussagen hinzuweisen, die ich sehe. Ein Überblick über die zitierten Autorinnen und Autoren befindet sich am Ende des Buches.

    Anmerkungen zu den christlichen Quellentexten

    Die Bibel in gerechter Sprache (BigS) ist eine Übersetzung, die aus einer Gemeinschaftsarbeit von 42 Übersetzerinnen und 10 Übersetzern erwachsen ist. „Die meisten haben an ihren Büchern lange wissenschaftlich gearbeitet und darüber publiziert. Sie stehen namentlich dafür ein, dass die Übersetzung dem Stand der wissenschaftlichen Diskussion gerecht wird." (BigS, „Thema Gerechtigkeit", Prof. Dr. Frank Crüsemann, Sept. 2013) Es gab sowohl Lob als auch viel Kritik an dieser Übersetzung von bibelwissenschaftlicher Seite. Ich habe mich trotz der Kritik für diese Übersetzung entschieden. An einigen Textstellen habe ich die Übersetzung von Luther daneben gesetzt. Die Bibelzitate entstammen der BigS Online-Ausgabe des Gütersloher Verlagshauses, Verlagsgruppe Random House GmbH 2006.

    Bibelstellen nach der Luther-Übersetzung entstammen der Übersetzung Luther 1912, www.bibel-online.net.

    Die Zitate aus den Evangelien nach Philippus und Thomas entstammen dem „Nag Hammadi Deutsch", eingeleitet und übersetzt von Mitgliedern des Berliner Arbeitskreises für Koptisch-Gnostische Schriften, Hrsg. Hans-Martin Schenke (+), 3. überarbeitete Auflage, Hrsg. Ursula Ulrike Kaiser und Hans-Gebhard Bethge, Studienausgabe 2013, De Gruyter GmbH Berlin/Boston.

    Die Übersetzungen des Vaterunsers und der Seligpreisungen aus dem Aramäischen sind aus „Das Vaterunser" von Neil Douglas-Klotz, Knaur-Verlag München 1992, entnommen.

    Abkürzungen

    Apg – Apostelgeschichte

    Ex – Exodus (2. Buch Moses)

    EvPhil – Philippus-Evangelium

    EvThom – Thomas-Evangelium

    Gen – Genesis (1. Buch Moses)

    Hos – Hosea

    Kön – Buch der Könige

    Koh – Buch Kohelet

    Kor - Korinther

    Lev – Leviticus (3. Buch Moses)

    Lk - Lukasevangelium

    Mk – Markusevangelium

    Mt - Matthäusevangelium

    Jes - Jesaja

    Joh – Johannesevangelium

    Offb – Offenbarung des Johannes

    Phil – Brief an die Philipper

    Ps – Psalmen

    Sam – Buch Samuel

    Spr – Buch der Sprichwörter

    Tim – Timotheus

    Weish – Buch der Weisheit

    3. Einführung

    Die Suche nach den Schöpfungsprinzipien der Lebensenergie im christlichen Kontext hat mich veranlasst, mich mit dem Evangelium nach Thomas und dem Evangelium nach Philippus zu beschäftigen. Das Thomas-Evangelium ist deshalb interessant, weil es vermutlich von seiner Authentizität her den drei Synoptiker genannten Evangelisten Matthäus, Markus und Lukas durchaus ebenbürtig ist. (Vgl. CEMING et al., 2009, S. 61 f) Dieses Evangelium „(…) führt uns teilweise vielleicht so nahe an den historischen Jesus heran wie die Logien- oder Spruchquelle Q (…)." (Ebenda, S. 124) Die Logienquelle Q wurde vermutlich ca. 40/50 n. Chr. schriftlich fixiert. (Vgl. ebenda, S. 17)

    Das Philippus-Evangelium könnte im 2. Jahrhundert n. Chr. abgefasst worden sein und hat einen ausgeprägten eigenen Charakter. (Vgl. SCHENKE, 2013, S. 140 f) Dieser Text enthält valentinianisches Gedankengut. Die Valentinianer waren eine frühchristliche Gruppe, die sich „pneumatische Christen" nannten und deren geistige Führer Valentin und Ptolemäus hochkarätige Theologen waren. (Vgl. PAGELS, 2013, S. 91 f) „Trotz seines gnostisch-valentinianischen Gesamtcharakters gibt es im EvPhil aber vieles, was nicht spezifisch gnostisch und nicht spezifisch valentinianisch ist. Und das betrifft auch die weitaus größere Menge des in ihm enthaltenen Gutes. Es sind dies zum einen wirklich nicht-valentinianische Stoffe, zum anderen Anschauungen und Praktiken, in denen sich die Valentinianer nicht von der werdenden Großkirche unterschieden." (SCHENKE, 2013, S. 142)

    Bei der Auseinandersetzung mit den beiden apokryphen Evangelien fiel mir auf, dass vieles darin interpretationsbedürftig ist und sich nicht ohne weiteres sinnhaft erschließt. Mit meinen Kenntnissen aus der Physio-Philosophie erkannte ich jedoch Sinn darin und fand vielerlei Parallelen und Übereinstimmungen. Dies ist eigentlich nicht verwunderlich. Geht man davon aus, dass Gott der Ursprung der Schöpfung ist und die Bibel das „Buch Gottes", dann liegt es auf der Hand, dass sich vieles darin genau um jenen Ort dreht, der der Sitz des Geistes, des Bewusstseins und der Lebendigkeit ist, nämlich den Körper und dessen Entstehung. In der Physio-Philosophie ist die Kenntnis der Verlebendigungsprozesse durch die Lebensenergie enthalten und genau diesen Prozessen habe ich in den beiden apokryphen Evangelien und der Bibel nachgespürt.

    Er aber sagte zu ihnen: „Hervorragend hat Jesaja euren eigenwilligen Schriftinterpretationen prophezeit: Dieses Volk verehrt mich mit den Lippen, doch ihr Herz ist weit weg von mir. Vergeblich verehren sie mich, indem sie Gebote von Menschen als Lehren vortragen. Ihr lasst Gottes Gebot unbeachtet und haltet an der Überlieferung der Menschen fest." (Mk 7, 6-8)

    Die historische Person Jesus wollte vermutlich keine neue Religion bringen, sondern die Erneuerung uralter Weisheit. Laut der Aussage in Mk ging es ihm nicht um menschliche oder kirchliche Glaubenssätze, sondern um „Gottes Gebot, was ich interpretiere als „die der Schöpfung innewohnenden Prinzipien. Diese scheinen durch fehlerhafte Interpretationen verschüttet zu sein. Aus diesem Grund hält Jesus nichts von den Pharisäern und Gelehrten, denn sie verkünden Menschenworte.

    Jesus spricht: „Wehe ihnen, den Pharisäern, denn sie gleichen einem Hund, der auf dem Futtertrog der Rinder schläft, denn weder frisst er noch (lässt) er die Rinder fressen." (EvThom 102)

    Jesus spricht: „Die Pharisäer und die Schriftgelehrten haben die Schlüssel der Erkenntnis empfangen, (doch) sie haben sie versteckt. Weder sind sie hineingegangen noch haben sie die gelassen, die hineingehen wollten. (…)" (EvThom 39)

    Jesus stellt sich hier eindeutig gegen das Geheimwissen der Schriftgelehrten und deren Deutungshoheit. Er spricht in diesen Metaphern den Pharisäern ab, die Wahrheit, die ihnen gegeben wurde, zu erkennen, denn sie „fressen nicht/gehen nicht hinein". Sie lassen aber auch andere nicht an den Erkenntnissen teilhaben, denn sie lassen „die Rinder nicht fressen/andere

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