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Der Muttersohn im Mythos
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Der Muttersohn im Mythos

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Der Muttersohn im Mythos ist der androgyne Zerstörer, gleichzeitig der Mittler zwischen Gott und Mensch. Er ist der Besondere mit dem Potential zum besonders Guten wie zum besonders Bösen. Er ist meist die Schlüsselfigur des Mythos. In unserer Zeit, einer Zeit der Globalisierung, könnte sich der Archetyp des Muttersohnes als lebensbedrohlich für die Menschheit erweisen. Die Menschheit hat diesen Archetyp entwickelt, weil sie ihm ähnlich ist. Es gibt eine Parallelität zwischen der Entwicklung eines Muttersohnes zum Sucher nach und Finder von Gott auf der einen und der kollektiven Menschheit auf der anderen Seite. Die selbstzerstörerischen Tendenzen beim Muttersohn finden ihr Pendant im Drang der Menschheit nach Selbstzerstörung. Rettung kann aus der Stärkung der weiblichen Rolle in der menschlichen Gesellschaft kommen. Es muss zu einer Transgenderisierung der Menschheit kommen.
LanguageDeutsch
Publishertredition
Release dateFeb 8, 2016
ISBN9783732370900
Der Muttersohn im Mythos
Author

Christoph-Maria Liegener

Christoph-Maria Liegener. Geboren 1954 in Berlin. Lebt heute in Bubenreuth bei Erlangen. Physiker. Viele Jahre Wissenschaftler an verschiedenen Universitäten, promoviert, habilitiert. Zahlreiche Artikel in Fachzeitschriften. Familie, zwei Söhne. Inzwischen lyrische, philosophische und humoristische Texte.

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    Der Muttersohn im Mythos - Christoph-Maria Liegener

    Einleitung

    Der Muttersohn ist ein bekannter Begriff in der Psychologie. Er macht deutlich, wie aus der Erziehung eines Kindes bestimmte Eigenschaften des Erwachsenen entstehen. Bekannt wurde er vor allem durch Pilgrims Buch (Pilgrim, Muttersöhne, 1986), in dem die großen Weltzerstörer Hitler und Stalin als Beispiele für Muttersöhne dargestellt wurden. Bereits daran kann man erkennen, welche Tragweite der Begriff hat. Auch fand das Thema Niederschlag in Romanen (Dose, 1904, Walser, 2011). Im vorliegenden Buch soll gezeigt werden, dass der Begriff in der Tat tief im kollektiven Unbewussten der Menschheit verwurzelt ist. Ohne als solcher benannt worden zu sein, fand er Eingang in die frühesten Mythen der Menschheit.

    Zu diesen Mythen gehört auch die Bibel. Natürlich gibt es Menschen, die die Bibel nicht als einen Mythos betrachten, sondern als Tatsachenbericht. Andererseits hat selbst Papst Benedikt XVI. die biblische Erzählung vom Sündenfall als Vision und „großes Bild" bezeichnet (Benedikt, 2008):

    „Das Böse bleibt geheimnisvoll. Es wird in großen Bildern dargestellt, wie es das 3. Kapitel des Buches Genesis mit jener Vision von den zwei Bäumen, von der Schlange, vom Menschen, der zum Sünder wird, tut. Ein großartiges Bild, das uns rätseln lässt, aber das, was in sich unlogisch ist, nicht zu erklären vermag."

    Die Bibel als Mythos zu verstehen, heißt ja nicht, dass sie nicht Glaubensgrundlage sein kann. Wie jeder Mythos enthält sie verschlüsselte Botschaften. Es geht nur darum, sie richtig auszulegen. Auch muss differenziert werden. Teile der Bibel dürften durchaus Tatsachenberichte sein. Für andere Teile aber gilt: Man muss nicht päpstlicher sein als der Papst.

    Pilgrims Arbeit konzentrierte sich damals hauptsächlich auf die negativen Aspekte des Phänomens „Muttersohn". Bei ihm sind Muttersöhne Söhne, die sich nicht von ihren Müttern lösen konnten. Damit wurden sie zu Projektionsflächen für ihre Mütter, die ihre eigenen unerfüllten Wunschvorstellungen auf sie projizierten. Diese Mütter waren oft in ihre Genderrollen gezwungen worden, so dass sie sich nicht frei entwickeln konnten und ihre eigenen Persönlichkeiten konturlos blieben. Die so entstandenen Entwicklungsdefizite versuchten sie mit der Erziehung ihres jeweiligen Sohnes zu kompensieren, sich in ihm zu verwirklichen. In jenen Gesellschaftsformen, in denen die Mutter als Frau sich nicht verwirklichen konnte, sandte sie ihren Sohn aus, damit er die Ideale, die sie ihm eingepflanzt hatte, an ihrer Stelle verwirklichte. Die so in einen Narzissmus getriebenen Söhne entwickelten durch ihre Gendervorbilder weibliche Züge, die sie mit einer künstlichen Männlichkeit zu überdecken suchten. Das führte durch Überkompensation manchmal zu sexueller Überaktivität, verhinderte manchmal ein normales Eheleben. Außerdem kam es zu inneren Konflikten, zu Selbst- und Fremdhass. Muttersöhne neigten einerseits zur Selbstzerstörung, andererseits äußerte sich der Drang, die eingepflanzten Ideale in die Welt zu tragen, in einer Eroberungswut der Muttersöhne. Sie strebten Dominanz an, waren dabei selbstgerecht und wurden nicht selten zu Tyrannen. Pilgrim entdeckte dieses Schema bei den großen Weltzerstörern der Geschichte.

    Im vorliegenden Büchlein soll allerdings nicht so sehr das Negative im Vordergrund stehen, vielmehr die Ambivalenz betont werden, das Potential zum Besonderen bei jenen Menschen, zum besonders Guten genauso wie zum besonders Bösen. Auch wird nicht so sehr von einer negativen Mutterprägung als vielmehr von einer fehlenden Vaterprägung ausgegangen.

    In der Bibel wimmelt es von Muttersöhnen: Jesus, David, Salomo, Moses, Isaak, Jakob, Johannes der Täufer waren Muttersöhne und es gibt Grund zu der Annahme, dass noch weit mehr Gestalten der Bibel die Kriterien dafür erfüllten. Sie alle haben eine weitere Gemeinsamkeit: Sie waren Gott nahe. Es war argumentiert worden (Liegener, Wie wurde Jesus Gottes Sohn? – Muttersöhne in der Bibel, 2016), dass Gott beim Muttersohn die unbesetzte Stelle des Vaters einnahm. Der Muttersohn sah ihn als einen Ersatzvater, übernatürlich zwar und fern, aber doch in gewissem Maße ihm zugänglich, mehr jedenfalls, so scheint es, als anderen Menschen. Offenbar half die Prägung als Muttersohn, Kontakt zu Gott aufzubauen. Diese Rolle als Mittler zwischen Mensch und Gott ist ganz charakteristisch für Muttersöhne in Mythen. Sie taucht auch in anderen Mythen der Menschheit auf. Zunächst soll aber mit der Bibel begonnen werden.

    Muttersöhne in der Bibel

    Der Esau-Effekt

    Die Rollen von Muttersohn und Vatersohn in der Bibel werden in der Episode von Esau und Jakob besonders deutlich. Während Esau vom Vater bevorzugt wurde, galt die größere Zuneigung der Mutter Jakob. Die selektive Zuneigung des Vaters zu Esau und der Mutter zu Jakob beruhte auf Gegenseitigkeit: Esau war gern draußen, wo der Vater Aufsicht führte, Esau bevorzugte die

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