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Glaubst Du noch oder erfährst Du schon?: Das spirituelle Christentum
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Ebook184 pages2 hours

Glaubst Du noch oder erfährst Du schon?: Das spirituelle Christentum

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Ist Jesus wirklich gekreuzigt worden und wieder auferstanden? Hat es ihn überhaupt gegeben? Oder lässt sich seine Geschichte auch symbolisch verstehen? Wird sie damit unwahr? Der eigentliche religiöse Akt des kirchlichen Christentums ist der Glaube, das Fürwahrhalten von Erfahrungen und Aussagen, die andere gemacht haben. Der eigentliche religiöse Akt des spirituellen Christentums ist dagegen Gnosis, die durch eigene Erfahrung zu gewinnende Erkenntnis. Das kirchliche Christentum bietet eine Lehre, ein in sich geschlossenes System, das angenommen werden soll. Das spirituelle Christentum bietet Bilder, die eine Fülle von Bedeutungen haben und in der Tiefe der Seele mit uns arbeiten wollen. Das kirchliche Christentum führt zur Einheit im Bekenntnis, das spirituelle Christentum zur Einheit im Bewusstsein.
LanguageDeutsch
Publishertredition
Release dateMay 31, 2018
ISBN9783746939872
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    Glaubst Du noch oder erfährst Du schon? - Heribert Fischedick

    1. Sucht das Gold des Christentums

    Die religiöse Landschaft der Bundesrepublik hat sich in den letzten 30 Jahren so deutlich verändert, dass wir im Grunde schon von einer nachchristlichen Ära sprechen müssen. Denn zum ersten Mal wird auch der christliche Glaube als eine Angelegenheit ganz persönlicher Entscheidung erlebbar. Niemand muss mehr kirchlich-religiös sein – weder unter dem Druck der Familie noch unter dem Druck des umgebenden sozialen Milieus. So wachsen die Zahl der Kirchenaustritte und auch die Zahl der Nichtgetauften. Zwar können beide Konfessionen immer noch beachtliche Mitgliederzahlen vorweisen, aber für die Lebenserfahrung und die Lebensgestaltung der Menschen bleibt diese Mitgliedschaft weithin ohne Bedeutung. Das zeigt sich auch an der wachsenden Zahl der Unwissenden, die zwar infolge der Praxis der Säuglingstaufe einer Kirche angehören, aber trotz schulisch verordneten Religionsunterrichtes keine wirkliche religiöse Sozialisation erfahren haben. So fehlt ihnen grundlegendes Wissen und vor allem praktische Erfahrung.

    Schon lange ist eine dramatische Entfremdung zwischen den Kirchen und den Menschen im Gange. Die Kirchen sind –im Gegensatz zu ihrem politischen Einfluss- im Leben der Einzelnen zur Randerscheinung geworden, reduziert auf wenige Brennpunkte des Lebens wie Geburt, Hochzeit und Tod. Von den in der Bundesrepublik existierenden zehn gesellschaftlichen Milieus (Zuordnung von Menschen mit ähnlichen Einstellungen und Lebensorientierungen)¹ erreichen sie nur noch drei im Schrumpfen begriffene: die Traditionsverwurzelten, die Konservativen und einen kleinen Teil der bürgerlichen Mitte. Die meisten Milieus haben, wenn überhaupt, allenfalls punktuell eine kundenähnliche Beziehung zu den Kirchen, deren familienstützenden, caritativen oder liturgischen Service sie dann und wann abrufen, ohne sich mit den damit zusammenhängenden Sinndeutungen zu belasten. Die sogenannten „Kerngemeinden (Gottesdienstbesucher und in Gremien und Arbeitskreisen Engagierte) weisen eine katastrophale Altersstruktur auf, die sich trotz euphorisierender Weltjugendtage und ähnlicher Events nicht verbessert. An den letzten Pfarrgemeinderatswahlen im Erzbistum Köln beteiligten sich gerade noch 5,7% der wahlberechtigten Katholiken. Und selbst die kirchlich Orientierten garantieren allenfalls noch Teilidentifikationen mit der kirchlichen Lehre und Moral, wie die gerade durch Papst Franziskus gestartete Umfrage zur Realität der Ehe- und Familienpastoral in den europäischen Ländern deutlich zeigt. Heutige Glaubensvorstellungen sind eher zusammengesetzte, eine mehr oder weniger bewusst gewählte Marke Eigenbau. Die aufrechterhaltene Mitgliedschaft sagt demnach mehr über die Zähigkeit von Traditionen, mangelnde Selbstverantwortung und das unterschwellige „man weiß es ja nicht aus als über Gläubigkeit im Sinne der Kirchen.

    Auf der anderen Seite findet sich heute außerhalb der Kirchen eine wachsende Zahl spirituell Suchender. Esoterische Literatur, Schriften über Buddhismus, Taoismus, Sufismus und Zen finden schon seit Jahren großes Interesse, Gregorianik taucht in den Hitparaden auf, Klöster und andere Orte der Stille sind gefragt, Yoga- und Meditationskurse überfüllt, Symbole anderer Religionen schmücken die Wohnungen. Zieht man die Zahl der „Spirit-light-Konsumenten ab, die in der Spiritualität lediglich Bestätigung ihrer narzisstischen Selbstbeschäftigung und außergewöhnliche Effekte suchen, bleibt immer noch eine große Zahl derer, die ernsthaft nach Wegen suchen, die ihnen sinnstiftende Erfahrungen mit sich selbst und der sogenannten geistigen oder göttlichen Welt ermöglichen. Wer heute nach einer spirituellen Orientierung sucht, der will weder vorgegebene Dogmen, die er für wahr halten muss, noch ein enges System von Verhaltensanweisungen, die er befolgen muss. Wer heute ernsthaft nach einer spirituellen Orientierung sucht, der will auch nicht mehr von einer Sündenschuld erlöst werde, die er nicht empfindet; der will keine Moral, die ihm Selbstannahme und Lebenslust verleidet, aber auch keine chronisch unterfordernden „seid lieb zueinander-Plattitüden. Wer heute nach einer spirituellen Orientierung sucht, der möchte Frieden in sich finden, Achtung vor dem Leben in all seinen Erscheinungsformen entwickeln, Sinn erfahren, Klarheit gewinnen, die Liebe lernen und einen individuellen Weg gehen können, der ihn dem Wesentlichen – auch dem eigenen Wesen – nahe bringt. Wer heute nach spiritueller Orientierung sucht, der möchte auch im Glauben erwachsen bleiben können – denkend und selbstverantwortlich, ohne auf ewig infantil („Gottes Kind) oder dem Feudalismus („Diener/„Dienerin des Herrn") verhaftet bleiben zu müssen.

    Wer heute unter diesen Voraussetzungen nach spiritueller Orientierung sucht, kann durchaus das Christentum als Weg wählen. Denn es hat mehr zu bieten als das, was üblicherweise im Religionsunterricht oder von den Kanzeln zu vernehmen ist. Das Christentum war nie eine so einheitliche Bewegung, wie es das Papstchristentum gerne gehabt hätte. Es war vielmehr von Anfang an von einem Bruch bestimmt, der sich auch durch andere Religionen zieht: dem Bruch zwischen exoterischem und esoterischem Verständnis. Neben dem konfessionellen und kirchlich-institutionalisiertem Christentum gab es immer auch ein Christentum der Innerlichkeit, in dem sich der Glaube auf unmittelbare Erfahrung und die innere Stimme berief. Von Johannes, Paulus, der Gnosis und vielen Kirchenvätern angefangen über den mittelalterlichen Gralskult, die Templer, Katharer, Mystiker wie Meister Eckhart, Johannes Tauler und Joachim von Fiori bis zu den Rosenkreuzern, Jakob Böhme, Rudolf Steiner und C.G.Jung war diese Bewegung zwar nie massentauglich, aber immer lebendig. Das exoterische Christentum hat im Verbund mit der weltlichen Macht die Oberhand bekommen unter Preisgabe vieler esoterischer Erfahrungen, Erkenntnisse und spiritueller Wege. Die „konstantinische Wende im 4. Jhdt., durch die das Christentum 380 n.Chr. zur Staatsreligion des römischen Reiches wurde, markiert diesen Sieg. „Jesus kündigte das Kommen der Gottesherrschaft an – und gekommen ist die Kirche bringt es ein populärer Stoßseufzer auf den Punkt. Aber vieles, das der ursprünglichen Jesusbewegung eigen war, ist auch im heutigen Christentum noch gegenwärtig – versteckt wie Goldkörner im Flusssand. Dieses Gold spiritueller Essenz gilt es herauszusieben aus der Masse historisch gewordener Strukturen, römisch-juridischen Denkens, politisch-strategischer Absichten und moralischer Engführung. Wer heute dieses Gold (wieder-) finden will, braucht den Mut, sich von traditionellen Vorstellungen frei zu machen, sich leer zu machen für neue Erfahrungen. Der Mystiker Meister Eckhart spricht vom „ledigen gemüet" als Voraussetzung. Wer dieses Gold heben will, braucht aber vor allem den Mut, sich auf einen selbstverändernden Prozess einzulassen.

    2. Der Jesus des Christentums - eine Kunstfigur?

    Das Christentum führt sich zurück auf Jesus von Nazareth. Seine Geschichte, so wie sie die vier Evangelien der kirchlichen Bibel überliefern, ist rasch erzählt: Jesus –die latinisierte Version des jüdischen Namens JeSchUa- wird kurz vor Ende der Regierungszeit Herodes I. (37-4 v.Chr.) als Sohn Gottes und einer jüdischen Jungfrau in Bethlehem in einem Stall geboren; Engelchöre bejubeln seine Geburt, Hirten beten ihn an und aus dem Orient angereiste Sternkundige erkennen in ihm den neugeborenen König der Juden; Herodes versucht in einem groß angelegten Kindermord sich des vermeintlichen Rivalen zu entledigen, das Kind aber kann im Exil in Ägypten überleben; nach Israel in den Ort Nazareth zurückgekehrt, fällt schon früh seine Begabung auf; dann ist es lange Zeit still um ihn; erst um das Jahr 30 n.Chr. taucht er in der Nähe Jerusalems am Jordan auf, um sich durch den jüdischen Bußprediger Johannes einem Tauchbad-Ritual zu unterziehen; nach einem kurzen Wüstenaufenthalt sammelt er eine Schar von Lernenden um sich und zieht mit ihnen als spiritueller Prediger durchs Land, wobei er sich des Öfteren mit den jüdischen Religionsvertretern anlegt; außerdem wirkt er eine Reihe Heilungs- und Naturwunder (Stillung eines Sturmes, Verwandlung von Wasser in Wein, Totenerweckungen); Höhepunkt seiner Wanderung ist seine Verklärung auf einem Berg, bei der er von seinem himmlischen Vater als Sohn und Lehrer bestätigt wird; schließlich wird ihm im Jahre 33 n.Chr. in einer gemeinsamen Aktion von jüdischem Hohem Rat und römischer Besatzungsmacht der Prozess gemacht; Jesus wird zum Tod verurteilt und angepfahlt; in der Gruft eines jüdischen Ratsmitgliedes beigesetzt, steht er nach drei Tagen vom Tode auf; noch eine kurze Zeit unterweist er seine engsten Lernenden und fährt dann in den Himmel auf; seine Lernenden setzen daraufhin seine Predigt fort und feiern zur Erinnerung an ihn ein Heiliges Mahl, in dessen Verlauf sie sein Fleisch und Blut in sich aufnehmen. Soweit so gut, abgesehen davon, dass die vier Evangelien sich in durchaus relevanten Details widersprechen und auch mit historisch gesicherten Daten oft nicht in Übereinstimmung zu bringen sind.

    Doch mit dieser Biographie reiht sich Jesus nahtlos in die Reihe mediterraner Vegetations- und Sonnengötter ein, deren Kulte im Mittelmeerraum weit verbreitet waren. Dazu zählen zum Beispiel der babylonische Gott Marduk, der syrische Held Adonis, der sumerische Tammuz, der indo-iranische Mithras, der phrygische Attis, der ägyptische Osiris und der thrakische Dionysos. Sie alle sind Halbgötter mit einem himmlischen Vater und einer irdischen Mutter, die in der Welt ein Schicksal erleiden, getötet werden und binnen kurzem wieder auferstehen. Lange vor Jesus schon wurde der babylonische Gott Marduk gefangengenommen, verhört, zum Tode verurteilt und gemeinsam mit einem Verbrecher hingerichtet, während man einen anderen Verbrecher frei ließ. Wie Jesus stieg er hinab in die Hölle, um die dort Gefangenen mit seiner Auferstehung zu vereinen. Von Osiris und Dionysos heißt es in unterschiedlicher Akzentuierung: er wird am 25. Dezember in einer Höhle bzw. einem einfachen Stall geboren; er wird von 12 Lernenden begleitet, denen er die Möglichkeit der Wiedergeburt durch eine Taufe anbietet; auf wundersame Weise verwandelt er bei einer Hochzeit Wasser in Wein; er ritt auf einem Esel in die Stadt, wo die Menschen ihm zu Ehren mit Palmwedeln winkten; er stirbt im Frühjahr als Opfer für die Sünden der Menschen, steht drei Tage später vom Tod auf und fährt in den Himmel auf; seine Anhänger erwarten seine Wiederkunft als Richter am Ende der Zeit und feiern seinen Tod und seine Auferstehung in einem ritualisierten Mahl mit Brot und Wein, die seinen Körper und sein Blut symbolisieren. Auch die Figur des zu Unrecht angeklagten Gerechten kommt in diesen Zusammenhängen des Öfteren vor. Die Übereinstimmungen zwischen der Jesus-Geschichte und den Biographien anderer getöteter und auferstandener Gottessöhne sind so frappierend, dass sie natürlich auch den Menschen damals schon auffielen. Das ist auch mit ein Grund, warum die Heiden eher bereit waren, den Glauben an Jesus anzunehmen: es war ihrem Denken nicht fremd, dass ein Gott auf der Erde starb und wiederauferstand, im Gegensatz zu den Juden, die dies mit ihrem Glauben an Jahwe keineswegs vereinbaren konnten. Gegen das Argument, dass das Christentum also nicht Neues bringe, kamen die „Gottesgelehrten der frühen Kirche in ihrer Rechtfertigung des „einzig wirklich Auferstandenen auf die grandiose Idee, die auffallenden Übereinstimmungen damit zu erklären, dass der Teufel diese heidnischen Trugbilder im Vorausblick auf das Lebensschicksal Jesu geschaffen habe, um die Menschen der Jahrtausendwende zu verwirren! Die Jesus-Geschichte also in Wahrheit ein Plagiat? Ein Ausschlachten und Abkupfern vorhandener Erzählungen, um diesen noch eine weitere, im Mittelmeeranrainer Israel angesiedelte Variante hinzuzufügen – ein „Best of" mit neuen Namen und Orten sozusagen? Das wäre natürlich eine Erklärungsmöglichkeit- aber sie entspräche eher einer ziemlich modernen Hypothese, genährt aus den Erfahrungen schwindender Urheberrechte in Zeiten des Internets.

    Eine andere Deutungsmöglichkeit tut sich auf, wenn wir uns klar machen, dass sowohl Individualität als unverwechselbare Bedeutung Einzelner wie auch Historizität im Sinne einer exakten Recherche erst neuzeitliche Konzepte sind, die zur Entstehungszeit des Christentums noch keine Rolle spielten. Bedeutsam war damals die Figur, die Idee und die Erfahrungen, die sie verkörperte – so wie die Bühnenfiguren antiker Dramen, die zur Identifikation einluden, um in ihren Geschichten die Dramen der eigenen Seele wie in einem Spiegel verstehen zu können. Anschauliche Stimmigkeit war das entscheidende Kriterium und nicht die Frage, ob und wenn wann, wo und wie sich das Dargestellte exakt abgespielt hat. Ein guter Roman, ein gutes Drama muss fesseln, man muss mit dem Helden mitfühlen können – und das gelingt am besten, wenn archetypische Themen und Bilder verwandt werden. Sie stellen so etwas wie die emotionale Sprache der Seele dar und spiegeln grundlegende Themen, die über individuelle Belange hinausgehen und von zeitloser Bedeutung sind. „ Bei der Entwicklung eines Verständnisses für Mythos und Mythologie muss man begreifen, dass der Mensch in sich Bilder trägt, Vorstellungen, die ihm ganz tief eingegraben sind und die er gar nicht in sein Bewusstsein zu bekommen braucht, die er aber dann, wenn sie ihm begegnen, als irgendwie zu ihm gehörig erlebt und darauf anspricht. Es entsteht die Empfindung einer Entsprechung zwischen dem auftretenden Bild und dem Inneren des menschlichen Wesens."² Der große amerikanische Mythologe Joseph Campbell ist der Meinung, dass da, wo sich ein Mensch über die biographischen, örtlich und zeitlich bedingten Themen hinausgearbeitet und zu einer kollektiv bedeutsamen Erfahrung gefunden hat, wie von selbst die typischen Bilder der Heldenreise angezogen, aufgesogen assimiliert werden, weil anscheinend nur sie geeignet sind, diese Erfahrung zu fassen und emotional berührend weiterzugeben. „Ob Sie nun als Mensch in New York City oder als Mensch in den Höhlen leben, Sie durchlaufen die gleichen Stadien: Kindheit, Geschlechtsreife, Wandlung von der Abhängigkeit der Kindheit zur Verantwortlichkeit des Mann- oder Frauseins, Ehe, dann Verfall des Körpers, allmähliche Einbuße seiner Kräfte und Tod. Sie haben den gleichen Körper, die gleichen körperlichen Erfahrungen, und daher sprechen Sie auf die gleichen Bilder an. Ein gleichbleibendes Bild ist zum Beispiel das vom

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