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Altes Einbeck: Porträt einer Kleinstadt im demografischen Wandel
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eBook242 Seiten2 Stunden

Altes Einbeck: Porträt einer Kleinstadt im demografischen Wandel

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Über dieses E-Book

In Südniedersachsen altert und schrumpft die Bevölkerung stärker als in vielen anderen Regionen Deutschlands. Das vorliegende Buch beschreibt am Beispiel Einbecks, wie der demografische Wandel eine Kleinstadt verändert, wie Politiker, Unternehmer und Bürger mit den Folgen umgehen und sie gestalten. Es geht aber nicht nur um Einbeck: Millionen Menschen leben in Gemeinden von vergleichbarer Struktur. Sie können in Einbeck gute Ideen entdecken - aber auch aus Einbecker Fehlern lernen. Grundlage des Buchs sind Interviews mit mehr als 30 Einbecker Akteuren. Der Ausblick beschäftigt sich mit den Zukunftschancen: Kann es einer schrumpfenden Kleinstadt gelingen, sich an den eigenen Haaren aus dem Sumpf zu ziehen? Und wenn ja: Wie?
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum4. Mai 2021
ISBN9783347231320
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    Buchvorschau

    Altes Einbeck - Ralf Blasig

    1. Einleitung

    Der demografische Wandel verändert Deutschland ebenso schleichend wie fundamental. Seit Jahrzehnten altert die Bevölkerung infolge des Geburtendefizits – in Zukunft wird sie voraussichtlich auch schrumpfen. Daten des Statistischen Bundesamts¹ zeigen das erwartete Ausmaß des Wandels:

    • Bis 2035 sinkt die Zahl der Erwerbsfähigen um 4-6 Millionen.

    • Die Zahl der Senioren (ab 67 Jahre) nimmt bis 2039 um 5 - 6 Millionen zu.

    • Die Gesamtbevölkerung von heute 83 Millionen wächst zunächst noch leicht, geht aber spätestens ab 2040 zurück. Im Jahr 2060 wird sie voraussichtlich zwischen 74 und 83 Millionen Einwohnern liegen.

    Bei ihrer Vorausberechnung gehen die Statistiker keineswegs von pessimistischen Horrorszenarien aus. Sie unterstellen eine relativ stabile Geburtenrate zwischen 1,4 und 1,7 Kindern je Frau – heute sind es 1,5. Sie rechnen bis 2060 mit einem weiteren Anstieg der Lebenserwartung bei Frauen um drei bis sechs Jahre und bei Männern um vier bis acht Jahre. Außerdem gehen sie von einer durchschnittlichen Nettozuwanderung von 147.000 bis 311.000 Menschen pro Jahr aus. Zum Vergleich: Der langfristige Durchschnitt der Jahre 1955 bis 2018 liegt bei 221.000 Menschen. Kein Schwarzmalen also, sondern die Fortschreibung bestehender Trends in gewissen Schwankungsbreiten.

    Die Folgen des Wandels sind vielerorts schon deutlich zu spüren. Denn: Die demografische Entwicklung verläuft sehr ungleich. Während Großstädte wie Berlin wachsen, müssen andere Regionen bereits mit deutlichen Bevölkerungsverlusten umgehen.

    Das vorliegende Buch beschreibt am Beispiel der südniedersächsischen Kleinstadt Einbeck, wie der demografische Wandel eine alternde und schrumpfende Kommune verändert, wie Politiker, Unternehmer und Bürger mit den Auswirkungen umgehen und sie gestalten. Es geht aber nicht nur um Einbeck. Deutschlandweit leben viele Menschen in Gemeinden von vergleichbarer Struktur.

    In ihrem „Wegweiser Kommune hat die Bertelsmann-Stiftung mehr als 3.000 Orte in Demografietypen eingeteilt. Gemeinsam mit knapp 250 anderen Gemeinden zählt Einbeck zum „stark schrumpfenden und alternden Typ. Bundesweit sind rund 2,6 Millionen Menschen in diesen Orten zu Hause. Es handelt sich überwiegend um kleinere und mittlere Kommunen, die zu einem großen Teil in Ostdeutschland sowie in strukturschwachen Gegenden Westdeutschlands liegen.

    Typisch für diese Gemeinden sind laut Bertelsmann-Stiftung ausgeprägte demografische Probleme. Oft findet sich auch ein unterdurchschnittliches Einkommensniveau, ein überdurchschnittlicher Bezug von Hartz IV und eine geringe kommunale Finanzkraft. Einbeck passt ins Bild: Die Stadt durchläuft einen schmerzhaften Konsolidierungsprozess, zu dem das Land Niedersachsen mit einer Entschuldungshilfe beiträgt. Bestandteil eines sogenannten Zukunftsvertrags, der spätestens im Oktober 2021 ausläuft, ist beispielsweise eine Deckelung der freiwilligen Leistungen, die die Stadt aus ihrem Haushalt bezahlen darf. Der Anteil der Empfänger von Arbeitslosengeld II liegt über dem Landesdurchschnitt².

    Kommunen des stark schrumpfenden und alternden Typs sitzen gewissermaßen in einem Boot mit Einbeck. Sie können dort gute Ideen entdecken - aber auch Handlungsweisen, die sie besser nicht kopieren sollten. Grundlage des Buchs sind Interviews mit mehr als 30 Akteuren, die seit 2018 im Blog demografischerwandel.blogspot.com erschienen sind.

    2. Altern und Schrumpfen

    Der Rückblick auf ein knappes Jahrzehnt genügt, um zu erkennen: In Einbeck ist der Bevölkerungsschwund keine Zukunftsmusik – Einbeck steckt mittendrin. Lebten Ende 2011 noch mehr als 32.000 Menschen im heutigen Stadtgebiet, so waren es Ende 2019 nur noch knapp 30.700 Personen³. Ein Rückgang um 1.300 Einwohner – das mag überschaubar klingen. Aber zweierlei ist zu bedenken. Erstens: Das Jahresende 2019 ist nicht der Schlusspunkt, sondern nur eine Momentaufnahme. Zweitens: Über längere Zeiträume summieren sich moderat wirkende Rückgänge zu hohen Verlusten.

    Ein wichtiger Wendepunkt für die demografische Entwicklung ist das Jahr 1972 – seitdem sterben deutschlandweit jedes Jahr mehr Menschen als geboren werden. Damals lebten im heutigen Einbecker Stadtgebiet noch gut 40.000 Personen. Der Bevölkerungsrückgang von fast einem Viertel binnen 50 Jahren zeigt, wie massiv der demografische Wandel auf lange Sicht wirken kann.

    Wo aber ist das Problem, wenn an einem Ort weniger Menschen leben? Ein Beispiel sind die Kosten der Infrastruktur, etwa der kommunalen Straßen, die von weniger Bürgern zu tragen sind. „Wir haben schon heute einen hohen Aufwand für Instandhaltung und Erneuerung. Bei sinkenden Einwohnerzahlen steigen die Ausgaben pro Kopf nochmals erheblich", sagte Einbecks Bürgermeisterin Sabine Michalek (CDU) bereits 2018. Besonders gravierend ist dieser Effekt in dünn besiedelten Kommunen. Zum Vergleich: Mit 231 Quadratkilometern ist das Einbecker Stadtgebiet größer als das der Landeshauptstadt Hannover (204 Quadratkilometer), wo mehr als eine halbe Million Menschen leben.

    Es geht jedoch nicht nur um die Gesamtzahl der Einwohner – ebenso wichtig ist die Altersstruktur. Denn: Wo weniger Kinder geboren werden, droht Schulen die Schließung. Wo weniger Erwerbsfähige leben, kämpfen Firmen mit Fachkräftemangel. Wo es mehr Senioren gibt, steigt der Bedarf an Pflegeleistungen.

    Ein Vergleich der Jahre 2011 und 2019 zeigt, dass Einbeck nicht nur schrumpft, sondern auch altert. In diesem Zeitraum sank die Zahl der Minderjährigen um 9 Prozent und die Zahl der Erwerbsfähigen um 6 Prozent. Dagegen stieg die Zahl der Senioren um 3 Prozent. Verantwortlich dafür war der kräftige Zuwachs bei Hochbetagten ab 80 Jahren.

    Einbecks Einwohner

    Quelle: Landesamt für Statistik Niedersachsen

    Grundlegende Ursache dieses Wandels ist das Geburtendefizit. Durchschnittlich sterben in Einbeck pro Jahr rund 200 Menschen mehr als geboren werden. Anders als in vielen Großstädten wird der Bevölkerungsverlust jedoch nicht durch Zuwanderung ausgeglichen.

    Die Statistik zeigt: Zwischen 2000 und 2019 hat Einbeck pro Jahr durchschnittlich 66 Einwohner durch Wanderungsbewegungen verloren - 1.374 Wegzügen standen im Durchschnitt 1.308 Zuzüge gegenüber. Nur in 6 von 20 Jahren fiel der Gesamteffekt von Zuzügen und Wegzügen positiv aus. Selbst die größte Netto-Zuwanderung von 195 Personen im Jahr 2015 (in der Zeit der großen Flüchtlingsbewegungen) genügte nicht, um die Einwohnerzahl steigen zu lassen. Immerhin: Seitdem konnte Einbeck in vier von fünf Jahren einen Wanderungsgewinn verbuchen.

    Soweit die Vergangenheit - wie sieht die künftige demografische Entwicklung aus? Für Einbeck liegen derzeit Berechnungen des Statistischen Landesamts und der N-Bank vor⁴. Sie unterscheiden sich im Prognosezeitraum und in der erwarteten Wucht des Wandels. Die Tendenz jedoch ist klar - das Altern und Schrumpfen setzt sich fort.

    Das Landesamt für Statistik geht von einem Einwohnerrückgang von fünf Prozent bis 2028 aus. Mit einem spürbaren Wachstum rechnen die Statistiker nur bei den Senioren. Deutliche Rückgänge erwarten sie dagegen bei den Erwerbsfähigen. Die Zahl der jungen Einbecker bis 15 Jahre bleibt nach diesen Berechnungen vorerst stabil.

    Die N-Bank erwartet für die kommenden 20 Jahre einen Einwohnerverlust von rund 6.000 Personen. Laut dieser Prognose schrumpfen bis 2040 alle Altersgruppen mit Ausnahme der Menschen ab 75 Jahren.

    Einbecks künftige Einwohner

    Quellen: Bevölkerungsvorausberechnung 2019 und Bevölkerungsdaten des Landesamts für Statistik; Bevölkerungsprognose der N-Bank 2017 - 2040

    Die Gegenüberstellung zeigt: Eine Trendwende hin zu steigenden Einwohnerzahlen ist extrem unwahrscheinlich. Das bedeutet nicht, dass sich die Stadt nicht um eine günstigere Bevölkerungsentwicklung bemühen sollte. Mindestens ebenso wichtig ist es aber, den laufenden Prozess des Alterns und Schrumpfens sinnvoll zu gestalten.

    3. Bauen und Wohnen

    Während in vielen Großstädten die Immobilien immer knapper werden, beherrscht in Einbeck ein ganz anderes Problem die Debatte: Leerstand. Große Aufmerksamkeit bekommen vor allem die ungenutzten Fachwerkhäuser im Stadtzentrum. Kontrovers diskutieren Kommunalpolitiker, Unternehmer und Verwaltung über die Ursachen und Konsequenzen des Leerstands. Gleichzeitig steht die Stadt vor der Frage, wie viel Neubau sie sich künftig noch leisten will und wie altengerechter Wohnraum entstehen kann. Aber der Reihe nach.

    Die Grundüberlegung ist simpel: Weniger Menschen brauchen weniger Wohnraum, sodass Einbeck unter dem Strich eher abreißen als bauen m