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Der Milliardär: Fatales Experiment
Der Milliardär: Fatales Experiment
Der Milliardär: Fatales Experiment
Ebook409 pages5 hours

Der Milliardär: Fatales Experiment

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About this ebook

Zweiundzwanzig Jahre verbringt Tyron Hunter damit, einer der reichsten Männer der USA zu werden. Ein Zeitungsbericht verändert über Nacht sein Leben. Hunter entschließt sich, einen Teil seines gewaltigen Vermögens zu verschenken. Er plant ein Experiment. Zwei Millionen Dollar sollen anonym auf die Bankkonten von jeweils zehn bedürftigen Familien überwiesen werden. Wie würde das Geld diese Menschen verändern? Bald darauf ereignet sich eine Serie schrecklicher Morde. In einem Park von Miami werden die verstümmelten Leichen junger Touristinnen gefunden. Als klar wird, dass zwischen dem Experiment und den grausigen Geschehnissen eindeutig Zusammenhänge bestehen, macht es sich Hunter zur Aufgabe, diese Verbrechen selbst zu bekämpfen. Er greift dabei auf ungewöhnliche Methoden zurück. Seine Geheimwaffe im Kampf gegen die Kriminalität in den USA ist eine ganz besondere Art von Männern - Kopfgeldjäger. Es ist ein riskantes Unterfangen, denn das Wild, das sie jagen, ist unberechenbar und gefährlich. Doch einmal gestellt, würde sich die Justiz mit diesen Kriminellen nie mehr befassen müssen, denn die Jäger machen keine Gefangenen. Das Blatt wendet sich, als die Kopfgeldjäger ein Mitglied der kubanischen Mafia exekutieren. Tyron Hunter selbst wird nun zur Zielscheibe des organisierten Verbrechens.
LanguageDeutsch
Publishertredition
Release dateJul 4, 2016
ISBN9783732360444
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    Der Milliardär - Jaron Power

    Kapitel 1

    Januar 1977

    Der Blizzard, der am 28. Januar 1977 in Orkanstärke über den westlichen Teil des Bundesstaates New York fegte, ging in die Annalen als Blizzard of 77 ein. Der Interstate 90, von Jamestown nach Buffalo, war komplett gesperrt.

    Das war ausgesprochenes Pech für die zwei Männer, die an diesem Abend noch nach Hause wollten. Sie versuchten, über den Highway 60 auszuweichen, aber die Sicht wurde immer schlechter. Weit und breit war alles in Weiß gehüllt, von anderen Fahrzeugen rundum nichts zu sehen.

    Einen Schneesturm dieser Größenordnung hatte es vorher noch nie gegeben. Er hatte sich auch nicht in irgendeiner Form angekündigt, auf einmal war er da. Natürlich waren Blizzard Warnungen in den Nachrichten, aber Schneestürme gab es jedes Jahr. Für die Einwohner Buffalos, der Schneehauptstadt Amerikas, war das schon Normalität. Sie waren extreme Temperaturen bis minus 40°C gewohnt.

    Nur an diesem Freitag war alles anders gewesen. Innerhalb kürzester Zeit war die Temperatur auf minus 50°C gefallen. Der Erie See war zugefroren. Die einzigen Verkehrsmittel waren Snowmobile.

    Besorgt warf Tyron Hunter einen Blick auf die Benzinanzeige. Sie hatten weniger als einen halben Tank Sprit. Bei diesem Wetter wäre es ratsam gewesen, mit vollem Tank plus Reservekanister unterwegs zu sein. Er hatte nicht daran gedacht. Das war mehr als fahrlässig, musste er jetzt erkennen.

    Jährlich sterben viele Menschen in einem Blizzard. Durch heftiges Schneetreiben orientierungslos geworden, kommen sie von der Straße ab. Innerhalb weniger Stunden völlig zugeschneit, sind ihre Chancen, rechtzeitig entdeckt zu werden, gleich Null. In Abständen den Motor laufen lassen, war ein bewährter Schutz gegen die eisige Kälte. Wie hypnotisiert hängen die Augen der Insassen dann an der Nadel der Benzinanzeige, die sich langsam und stetig nach links neigt, bis der Motor zu stottern beginnt, um schließlich ganz stehen zu bleiben. Eine bleierne Müdigkeit lässt die Opfer eines Schneesturms danach für immer einschlafen.

    „Ich fahre bei der nächsten Möglichkeit vom Highway herunterfahren, sagte Tyron zu dem drei Jahre jüngeren Jason Lorreto. „Es wird immer schlimmer, ich kann kaum noch etwas erkennen.

    „Kein Wunder, wir fahren in Richtung Erie See, da kommt das weiße Zeug ja her."

    „Ich habe ein Schild mit der Abfahrt nach Stockton gesehen, das müsste nun jeden Moment kommen." Tyron steckte den Kopf aus dem Fenster, um besser sehen zu können.

    „Achtung, da ist die Abfahrt", schrie Jason.

    Hunter bremste scharf ab und versuchte, den nun schlingernden Wagen auf der Straße zu halten.

    „Das war knapp." Jason Lorreto stieß die angehaltene Luft aus.

    „Wenigstens sind wir vom Highway herunter", sagte Tyron erleichtert. Die Landstraße, auf der sie sich nun befanden, war unter den Schneewehen begraben. Der rote Challenger hinterließ eine einsame Spur im immer tiefer werdenden Schnee. Stockton eine Meile, das Schild war in dem Schneegestöber kaum zu erkennen. Das kleine Village war noch nicht zu sehen. Mit zehn mph schob sich der Wagen durch die weiße Masse. Wie aus dem Nichts heraus, erschien eine Straßenlaterne, dahinter stand in Leuchtschrift Town-Hall. Über einer Kreuzung hing eine Verkehrsampel, deren gelbes Licht sich heftig im Sturm bewegte.

    „Da rechts, ein Hotel." Jason öffnete das Fenster. Im Licht der Scheinwerfer lasen sie STOCKTON HOTEL. Davor waren viele Wagen am Straßenrand geparkt. Den Autokennzeichen nach kamen die Leute aus Kanada und Pennsylvania. Drinnen schien es lebhaft zuzugehen. Laute Stimmen drangen bis nach draußen.

    „Es scheint, als wären wir nicht die Einzigen, die hier Schutz vor dem Blizzard suchen, meinte Tyron. „Hoffentlich ist noch ein Zimmer frei. Er parkte den Wagen und öffnete den Kofferraum. Als die Männer ausstiegen, merkten sie erst, wie sehr die Temperatur gefallen war.

    „Das müssen 40° oder kälter sein", sagte Jason, als der eisige Wind in sein Gesicht schnitt.

    „Ich habe keine Lust es herauszufinden", entgegnete Tyron, während er die Taschen aus dem Wagen holte.

    Der Check-In war nicht besetzt. Als Jason auf die Klingel drückte, kam ein hübsches Mädchen die Treppe herunter.

    „Good evening, lächelte sie. „Ist es sehr schlimm da draußen?

    „Schlimm genug. Haben Sie noch ein Zimmer frei?"

    „Yes, Sir, ein Doppel- und ein Einzelzimmer."

    „Sehr gut, wir nehmen das Doppelzimmer."

    „Füllen Sie das bitte aus, das Mädchen schob Tyron ein Formular hin. „Ihr Zimmer hat die Nummer sieben im ersten Stock. Werden Sie morgen weiterfahren?

    „Wenn der Sturm vorüber, und der Highway wieder offen ist, ja. Ansonsten werden wir wohl noch bleiben müssen. Haben Sie das ganze Jahr hindurch geöffnet?"

    „Nur das Restaurant, das Hotel ist von November bis April geschlossen."

    „Was ist von April bis November?", fragte Jason neugierig.

    „Da kommen die Touristen."

    „Touristen, hier?"

    Das Mädchen warf ihm einen Blick zu, als könne sie seiner Frage nicht folgen.

    „Wir kommen aus Buffalo", entschuldigte Tyron.

    „Dann müssten Sie doch informiert sein."

    „Informiert? Worüber?"

    „Über unsere Höhlen, und unterirdischen Seen. Wir haben ganze Landschaften unter der Erde. Die Leute kommen von überall her, sogar aus Kalifornien und Colorado", sagte das Mädchen stolz.

    „Und warum habt ihr jetzt geöffnet?", fragte Tyron.

    „Wegen des Blizzards. Heute Nachmittag, so gegen drei Uhr, trafen die ersten Wagen ein, um vor dem Sturm Schutz zu finden. Danach kamen immer mehr Leute, und so hat sich mein Vater entschlossen, den kompletten Hotelbetrieb aufzunehmen, bis die Straßen wieder frei sind."

    „Auch die Küche?"

    „Na klar, bis acht Uhr."

    „Großartig, da haben wir ja noch zwei Stunden Zeit."

    „Ist in dem Zimmer ein Telefon?"

    „In jedem Zimmer ist ein Apparat. Wir sind schließlich nicht irgendwo in den Appalachen."

    „Natürlich nicht, war nicht so gemeint." Tyron schenkte ihr sein schönstes Lächeln. Er kam immer gut an bei den Frauen. Fünfunddreißig Jahre alt und durchtrainiert waren die neunzig Kilo gut über seine 1,85 Meter große Statur verteilt. Das strohblonde Haar, komplettiert durch grüne Augen, machten ihn zum Blickfang für das weibliche Geschlecht.

    Jason Lorreto war genau das Gegenteil. Einen Kopf kleiner, dunkelhaarig mit weichen Gesichtszügen und braunen Rehaugen, die verträumt in die Welt blickten. Tyron Hunter traf die Entscheidungen und führte, Jason folgte.

    „Sehen wir Sie später noch?", fragte Tyron das Mädchen.

    „Ja, solange die Gäste Hunger und Durst haben, werde ich wohl arbeiten müssen."

    „Dann freue ich mich auf nachher."

    Diesmal lächelte das Mädchen zurück.

    Die zwei Männer gingen die Treppe nach oben. Das Zimmer war groß und freundlich. Vom Fenster aus konnte man sehen, dass der Challenger schon völlig mit Schnee bedeckt war.

    „Morgen werden wir schaufeln müssen", dachte Tyron.

    „Ich habe Hunger, merkte Jason an. „Übrigens, süße Maus die Kleine, gefällt sie dir auch?

    „Ja, ganz nett, aber du bist verheiratet und ich bin auch liiert", antwortete Tyron auf dem Weg nach unten.

    Eine laute Gesprächskulisse empfing sie, als sie die Tür zum Restaurant öffneten. Die Gäste schienen in bester Laune zu sein. Am Ende der langen Bar fanden die zwei Männer noch Platz, wo sie dann auch gleich ihre Bestellung aufgaben. Das Gesprächsthema war natürlich der Blizzard.

    Etwa zwanzig Männer und Frauen saßen an der langen Bar. Die Schicksalsgefährten spendierten einander eine Getränkerunde nach der anderen, während draußen der Schneesturm die Häuser unter sich begrub. Eine Menge Dollarscheine wechselten die Besitzer.

    Tyron sah dem Treiben amüsiert zu. Ein plötzlicher Gedanke schoss ihm durch den Kopf. Den Autos nach zu urteilen, kamen die Leute aus der Mittelklasse Amerikas, mit begrenztem Einkommen. Dennoch gaben sie ihr Geld hier relativ leichtfertig aus. Tyron sinnierte vor sich hin: Was wäre, wenn er von jedem Einzelnen hier fünf oder zehn Dollar erhalten würde, um diese dann zu investieren – und das jeden Monat, über Jahre hinweg? Das könnte sich jeder leisten, manch einer sogar bedeutend mehr. Das Geld würde sich nach dem Gesetz der Multiplikation vermehren. Natürlich würde es einige Jahre dauern, Jahrzehnte sogar, aber es würde sich für jeden von ihnen lohnen.

    Zu viele Menschen in den Vereinigten Staaten haben keinerlei Ersparnisse. Vielleicht fehlt ihnen der Anreiz zum Sparen. Investitionen hingegen gaben immer Anreiz. Jeder kann sich damit eine finanziell gesicherte Zukunft aufbauen und vieles mehr. Auch Leute mit geringem Einkommen müssten davon überzeugt werden, dass es Möglichkeiten gibt, auch kleinere Summen gewinnbringend anzulegen.

    Das Essen kam. Während Tyron aß, rechnete er. Es gab in der Metropolregion von Buffalo circa eine halbe Million Haushalte. Die Hälfte davon kann an eine Investition im herkömmlichen Sinne nicht einmal denken. Jedoch haben auch diese Menschen Wünsche und Träume, ihre Kinder aufs College zu schicken oder eine gesicherte Zukunft für sich selbst aufzubauen.

    Den Meisten wäre das sicherlich fünf Dollar im Monat wert. Mit einer Einlage von fünf, zehn oder zwanzig Dollar pro Haushalt und Monat ergäbe das etwa zweieinhalb Millionen Dollar. Bei einer gesetzlich erlaubten Provision von fünf Prozent wäre das ein Einkommen von $ 125.000 ...im Monat, Jahr für Jahr.

    Tyron wurde es ganz heiß. Er schob den Teller zur Seite und nahm einen kräftigen Schluck aus seinem Bierglas.

    „Was ist los, schmeckt dir das Essen nicht?", fragte Jason erstaunt.

    „Das Essen ist gut, aber mir kam soeben eine irre Idee."

    „Na, lass hören."

    „Du wirst mich für verrückt halten, wenn ich dir das jetzt sage."

    „Das werde ich auch, wenn du es mir nicht sagst."

    „Also gut. Was fällt dir bei den Leuten hier auf?"

    Jason wendete den Kopf nach allen Seiten. „Die trinken zu viel."

    „Gut beobachtet, sagte Tyron spöttisch. „Sie geben dafür relativ viel Geld aus. Jede Runde kostet dem jeweiligen Spender fünfzehn Dollar, und das vielleicht mehrmals an diesem Abend. Der Dicke da hinten hat schon drei Runden spendiert. Mir kamen gerade folgende Gedanken. Tyron erläuterte seine Idee.

    „Wenn ich nicht den ganzen Abend mit dir zusammen gewesen wäre, würde ich denken, du hättest auch getrunken und zwar reichlich. Du bist verrückter als ich dachte. Jason schüttelte den Kopf. „Wie willst du von fremden Menschen Geld bekommen? Vielleicht mit einem alten Hut auf der Main Street?

    „Natürlich nicht, aber denke doch mal nach. Tyron sah den Freund eindringlich an. „Was haben wir heute Morgen getan?

    „Wir gaben ein Seminar in der Jamestown High School."

    „Und was erhoffen wir von diesem Seminar?"

    „Na ja, dass die Lehrer ihr Geld bei uns anlegen."

    „Richtig, und sie werden dies auch tun. Need und Greed, Bedarf und Habgier, steuern nämlich das Denken der Menschen. Wir werden in unserem Geschäft nie reich werden, denn es gibt zu viel Konkurrenz und nicht genügend Klienten. Was wir brauchen, sind mehr Klienten und weniger Konkurrenz. Denke doch mal über folgendes nach: Hunderttausend, ach, was rede ich, Millionen von Menschen würden nur einen winzigen Teil ihres Einkommens bei uns anlegen …,den Rest überlasse ich deiner Vorstellungskraft."

    Jason winkte dem Bartender. „Einen doppelten Wild Turkey bitte, das brauche ich jetzt. Er leerte das Glas Bourbon in einem Zug, schüttelte sich und sah den Freund ernst an. „Du bist der beste Verkäufer, den die Brookside Agentur je hatte. Jedes Jahr landest du unter den Top Ten im ganzen Land, reicht dir das denn nicht?

    „Es geht nicht nur um das Geld, es geht um die Idee. Sie ist einfach genial. Die fast fanatische Begeisterung in Tyrons Stimme war nicht zu überhören. „Wir könnten die bescheidenen Wünsche dieser Menschen erfüllen. Ja, wir könnten ihre Träume wahr machen!

    „Ich glaube, ich brauche noch einen Bourbon."

    „Lass den Unsinn, Jason, ich meine es ernst."

    „Das glaube ich dir sogar, und in der Theorie klingt die Sache auch ganz gut, aber wie stellst du dir den praktischen Teil dabei vor?"

    „Ganz einfach, wir gehen sammeln."

    „Oh super, wir gehen sammeln. Das ist natürlich eine großartige Idee. Jason stieß ein fast hysterisches Lachen aus. „Also doch mit einem alten Hut?

    „Natürlich nicht."

    „Wie dann, etwa von Tür zu Tür?"

    „Ja, aber nicht nur. Zuerst sprechen wir in den Kirchen vor und bitten den jeweiligen Geistlichen um eine kurze Redezeit am Ende des Gottesdienstes. Ich würde dann über ein Thema sprechen, das besser bei den Menschen ankäme, als die Predigt des Pastors. Die Zukunft ihrer Kinder würde das Highlight meiner Message sein. Die Leute sollten daran erinnert werden, dass die Sklaverei nicht ausgestorben ist, es gibt sie immer noch. In Buffalo schuften die Männer in Lackawanna bei Bethlehem Steel. Irgendwann werden sie an Lungenkrebs krepieren, nur um Platz für ihre Söhne zu machen, denen dann das gleiche Schicksal widerfahren wird. Keiner von ihnen kommt aus diesem Teufelskreis je heraus. Das ist die bittere Tatsache. Aber es muss nicht so sein, denn es gibt einen anderen Weg. Tyron nahm einen Schluck aus seinem Bierglas. „Was glaubst du, wie gebannt die Menschen in der Kirche meinen Worten folgen werden, denn wir haben die Antwort auf ihre Gebete und nicht ihr Pastor. Der fährt nach der Predigt in seinem dreihundert Dollar Anzug mit dem Cadillac nach Hause. Tyron schnalzte mit der Zunge. „Yes Sir, das ist der Weg."

    „Jetzt reicht es, Bartender noch einen Bourbon. Man konnte Jason ansehen, dass er total überfordert war. „Von welchen Kirchen redest du überhaupt? Ich kann uns jetzt schon bei dem Bischof der Polnisch-Katholischen Kirche mit deiner Idee vorsprechen sehen. Der lässt uns glatt verhaften.

    „Nicht die katholische Kirche – der Ort für unser Vorhaben wird die East Side sein."

    „Bist du wahnsinnig, protestierte Jason, während seine Augen wieder nach dem Bartender suchten. „Da wohnt die ganze schwarze Bevölkerung von Buffalo. Hast du denn überhaupt eine Vorstellung davon, wie gefährlich es dort für zwei weiße Jungs mit Geld in der Tasche ist? Liest du denn keine Zeitung?

    „Beruhige dich, wenn es sich erst einmal herumspräche, was wir vorhaben, wird nichts passieren. Schließlich würden wir dort ansetzen, wo es am nötigsten wäre, und wo unser Staat bislang versagt hat."

    „Oh Mann! Jason blickte in Richtung TV, wo gerade katastrophale Bilder von Buffalo gezeigt wurden. Die Windgeschwindigkeit des Blizzards hatte weiter zugenommen. Bis zu zehn Meter hohe Schneeverwehungen, die bis an die Elektrizitätsleitungen reichten, hatten die Stadt unter sich begraben. Wild verstreut standen tausende havarierter Autos auf den Straßen und behinderten die Räumfahrzeuge. „So wie es aussieht, werden wir wohl das Wochenende hier bleiben müssen.

    „Genügend Zeit, um alles zu besprechen", fügte Tyron hinzu.

    Jasons Gesicht nahm wieder den skeptischen Ausdruck an. „Okay, nehmen wir einmal an, unsere Geldsäcke wären voller fünf, zehn und zwanzig Dollarscheine. Was dann?"

    „Ganz einfach, wir teilen die einzelnen Anleger zu je zwanzig Personen in Investmentclubs auf. Das ist die legale Formulierung für Anleger, die als Gruppe investieren möchten. Die Leute machen das aus verschiedenen Gründen. In unserem Fall, weil es vielleicht der einzige Weg wäre, um einen akzeptablen Anlagebetrag zu erhalten. Danach werden wir uns einen Anwalt suchen und die einzelnen Clubs registrieren lassen. Das Geld legen wir dann in konservative Investment Fonds an. Als Mitglied der National Association of Security Dealers wären wir dazu autorisiert."

    „Und was ist mit dem bürokratischen Teil? Jährlich müssten Statements verschickt werden. Wenn die Geldlawine auf uns zurollte, würde ein riesiger Apparat mit hunderten von Mitarbeitern nötig sein, um dies zu bewältigen." Jason schien der Verzweiflung nahe.

    „Das stimmt nicht ganz, antwortete Tyron gelassen. „Es wären tausende von Mitarbeitern erforderlich, denn wir würden uns wie ein Virus in ganz Amerika verbreiten. Nur würde dieser Virus den Menschen gut tun.

    „Du bist nicht nur verrückt, Tyron, du leidest auch unter Größenwahn."

    „Ganz und gar nicht, ich erlaube mir nur einen Blick in die Zukunft. Aber lass uns das Thema wechseln und noch ein wenig Spaß haben, heute Abend. Morgen können wir uns weiter unterhalten." Tyron bestellte noch zwei Bier, während seine Augen das Mädchen vom Empfang suchten.

    Auch am nächsten Tag tobte der Sturm mit unverminderter Stärke weiter. Von Tyrons Challenger, sowie den anderen Fahrzeugen war nichts mehr zu sehen. Aus Toronto waren zusätzliche Schneeräummaschinen nach Buffalo gekommen, um bei den Arbeiten zu helfen. Auch die National Guard wurde eingesetzt. Um 20:00 Uhr erklärte Präsident Jimmy Carter die Stadt schließlich zum Katastrophengebiet. Über dreihundert Menschen hatten in dieser Nacht ihr Leben verloren. Andere, die es nicht mehr nach Hause geschafft hatten, waren in Schulen und anderen öffentlichen Einrichtungen untergebracht worden.

    Am Frühstückstisch war der Blizzard wieder das Hauptthema. „Ich komme aus Pittsburgh, meldete sich ein Gast zu Wort. „Ich habe gerade mit meiner Frau telefoniert. Bei uns hat es auch ganz schön geschneit, aber die Straßen sind wenigstens nicht gesperrt. Doch um zu diesen Straßen zu kommen, muss ich hier ausharren, bis der Interstate 90 freigegeben wird.

    „Was macht ein Mann aus Pittsburgh in Western New York?", fragte Tyron.

    „Ich arbeite bei IBM und war auf dem Weg zu einer Firma in Toronto, um die Leute dort an einem Großrechner von uns einzuweisen. Der verdammte Blizzard hat mich dann überrascht."

    „Uns erging es ähnlich, erzählte Tyron. „Wir hatten eine Schule in Jamestown besucht. Eigentlich hätten wir in Jamestown bleiben sollen, aber wir dachten, über den Highway 60 könnten wir es noch nach Buffalo schaffen. Beinahe wäre uns dies zum Verhängnis geworden, hätten wir nicht im letzten Moment die Abfahrt Stockton entdeckt.

    „Sie besuchten eine Schule?, fragte der spendierfreudige Mann vom Vorabend. „Sind Sie Lehrer?

    „Um Gottes Willen, wir sind Wertpapierhändler und Berater für die New York State Teacher Association."

    „Kein Geld mehr für Wertpapiere, habe gestern Abend alles ausgegeben", der Dicke lachte glucksend.

    „Das habe ich gesehen, dachte Tyron. Zu dem Mann aus Pittsburgh gewandt: „Fahren Sie weiter nach Toronto, wenn die Straßen geräumt sind?

    „Nein, ich kehre um und fahre zurück nach Pittsburgh."

    „Welche Art von Computern stellt IBM her?"

    „Hauptsächlich Groß- und Abteilungsrechner für Unternehmen."

    „Das hört sich interessant an. Tyron fand diesen jungen Mann sympathisch. „Was ist Ihr Tätigkeit?

    „Ich bin Programmierer."

    „Ich gehe ein wenig an die Luft", unterbrach Jason.

    „Gute Idee, ich komme mit. Übrigens mein Name ist Tyron Hunter." Er reichte dem IT-Spezialisten die Hand.

    „Ich bin Robert Shannon, war nett, mit Ihnen zu plaudern."

    „Wir sehen uns später, Robert." Draußen empfing sie eine beißende Kälte. Die Schneeverwehungen reichten bis unter die Dächer der Häuser. Das Village war unter der weißen Masse begraben. Die Kälte trieb die Männer wieder in das Hotel zurück.

    „Gehen wir auf unser Zimmer, sagte Tyron. „Ich möchte, dass du alles notierst, was ich dir jetzt erkläre. Danach gehen wir noch einmal über das Ganze, Punkt für Punkt. Meine Idee wird dir dann weniger unrealistisch erscheinen als gestern Abend. Also wenn wir zurück sind, nehmen wir uns die East Side von Buffalo vor. Zuerst die Kirchen, es sind ja keine Kirchen im herkömmlichen Sinne. Oft handelt es sich nur um ehemalige Geschäfte oder andere größere Räume, die zu einer Kirche umgestaltet wurden. Daher der Name Storefront Church. Diese religiösen Gemeinden sind klein, meistens zwischen fünfzig und zweihundert Gläubigen. Wir werden ein Gespräch mit dem jeweiligen Geistlichen suchen, mit dem Anliegen, am Ende der Predigt fünfzehn Minuten Redezeit zu erhalten. Ich werde die Leute daran erinnern, dass Gott nur denen hilft, die sich selbst helfen. Warum sollte nicht jedes Kind eine College oder Universität besuchen können? Ich werde ihnen klar machen, dass es finanzielle Instrumente gibt, die auch sie nützen könnten. Unser Erscheinen in den Kirchen wird eine erstklassige Referenz sein und uns eine Vertrauensbasis schaffen. Natürlich werden wir Hilfe benötigen, und nach und nach Mitarbeiter einstellen müssen, aber das ist alles noch Zukunftsmusik.

    „Hoffentlich ist der Wahnsinn nicht ansteckend", stöhnte Jason.

    „Wir dürfen allerdings nie vergessen, fuhr Tyron ungerührt fort, „dass wir es mit einfachen Gemütern zu tun haben werden. Viele von ihnen sind aus den Südstaaten zugewandert und haben meist keinen High School Abschluss. Da die ganze Thematik sehr erklärungsintensiv ist, müssten wir uns hierzu etwas einfallen lassen. Es ist äußerst wichtig, dass ein jeder versteht, auf was er sich einlässt. Sonst werden wir irgendwann mit der Börsenaufsicht Probleme haben. Tyron Hunter glühte förmlich vor Begeisterung. „Glaube mir, wir werden es schaffen und unsere gesetzten Ziele erreichen."

    „Holy cow, Tyron, das Ganze kommt mir vor, wie ein sehr empfindliches Uhrwerk, wo nur ein einziges Körnchen Sand genügt, um es zu zerstören."

    „Der Vergleich ist nicht schlecht, damit hast du den Nagel genau auf den Kopf getroffen. Wir müssen eben verhindern, dass Sand in unser Uhrwerk hineinkommt. Tyron blickte auf seine Uhr. „Wie doch die Zeit vergeht, ich habe schon wieder Hunger. Gehen wir nach unten.

    Shannon winkte ihnen zu, als sie ins Restaurant zurückkehrten. Die Männer dort vertrieben sich die Zeit mit Pokern. Fünf Spieler saßen an einem runden Tisch. Einer der Spieler erhob sich. „Das Spiel werde ich nie lernen, Sie können meinen Platz einnehmen", bot er Tyron an.

    Dieser setzte sich. „Hast du Lust, Jason?"

    „Nein, danke. Ich bin an der Bar, wenn du mich suchst."

    „Welche Pokervariante spielen wir?"

    „Seven Card Stud, Einsatz einen Dollar. Limit fünf Dollar", antwortete Shannon.

    Bei dieser Variante sind die ersten zwei Karten und die letzte Karte, also die siebte, verdeckt. Alle anderen Karten liegen offen auf dem Tisch.

    „Dann wollen wir mal." Shannon war der Dealer.

    Tyron liebte Poker, obwohl er sonst von Glücksspielen nicht allzu viel hielt. Auch würde er nie mit hohem Einsatz spielen. Nach einer Stunde hatte er fünfzig Dollar verloren und noch kein einziges Spiel gewonnen. Bis jetzt hatte er ausgesprochenes Pech gehabt. Beim nächsten Spiel hielt er zwei Könige in der Hand, auch seine dritte Karte war ein König. Die vierte war eine Zehn. Noch drei Karten. Wenn sich darunter noch ein König befände, hätte er ein verdammt gutes Blatt.

    Der Mann aus Pittsburgh hatte zwei Damen auf dem Tisch liegen. Er legte fünf Dollar in den Pot, der inzwischen zu einer ansehnlichen Summe herangewachsen war. Ein zweiter Spieler warf seine Karten hin.

    Tyron beäugte sein Blatt. Drei Könige und eine Zehn, er hielt mit.

    Mit den nächsten Karten erhielt Shannon seine dritte Dame, die Chancen für ein Full House standen bei ihm gut.

    Tyrons, aufgedeckten Karten ließen im Moment höchstens eine Straße vermuten. „Auch für mich stehen die Chancen für ein Full House nicht schlecht, dachte er. Er würde schließlich noch zwei weitere Karten erhalten. Er warf einen fünf Dollarschein in den Pot, zum Mithalten.

    Mit einem zuversichtlichen Grinsen verdoppelte Shannon den Einsatz.

    Ein weiterer Spieler stieg aus. Nun waren es nur noch Shannon und Tyron.

    Die vorletzte Karte für Shannon war eine Zehn.

    Tyron erhielt die Herz Sieben. „Das sieht nicht gut aus", dachte er. Wieder wanderten die grünen Scheine in die Mitte. Die letzte Karte blieb verdeckt. Langsam drehte Tyron sie um. Wow, es war der vierte König.

    Shannon schien zuversichtlich und mit seinen Karten äußerst zufrieden zu sein. Tyron wusste aber, dass er gewonnen hatte. Sein Mitspieler konnte nur vier Königinnen oder ein Full House haben, und das war nicht gut genug.

    Shannon warf seine Scheine in den Pot, Tyron verdoppelte den Einsatz. Sein Gegenüber schien zu zögern, da Tyrons aufgedeckte Karten keinerlei Hinweis auf ein gutes Blatt gaben.

    „Sie bluffen", sagte Shannon mit einem unsicheren Lächeln.

    „Try me", erwiderte Tyron trocken.

    „Also gut, ich erhöhe."

    „Ich verdoppele den Einsatz."

    „Da bin ich mal gespannt." Das waren auch die vielen Zuschauer, die inzwischen neugierig um den Tisch herumstanden.

    „Ich möchte sehen", forderte Shannon endlich.

    Tyron legte zwei Karten auf den Tisch. „Ich habe zwei Könige und dann – noch diese zwei Könige." Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück, während der Verlierer auf die vier Könige vor sich starrte.

    „Ich dachte, mein Full House wäre gut genug", seufzte Shannon und reichte Tyron die Hand.

    „Dafür werden Sie heute mein Gast sein", tröstete ihn Tyron.

    Kapitel 2

    Nach vier Tagen war der Sturm abgeflaut und in östliche Richtung weitergezogen. Die Sonne war endlich herausgekommen, und ihre Strahlen reflektierten sich in den Trillionen von Schneekristallen.

    Gierig zog Tyron die frische, klare Luft in seine Lungen ein. „Ist das nicht wunderschön, Jason?"

    „Sehr schön, aber vergiss nicht, weiter zu graben." Es dauerte eine Stunde, ehe der Challenger soweit vom Schnee befreit war, dass man ihn bewegen konnte. Auch die Einwohner von Stockton waren damit beschäftigt, ihre Häuser und Fahrzeuge frei zu schaufeln. Schneepflüge hatten inzwischen die Highways wieder fahrbar gemacht.

    Tyron tauschte mit Robert Shannon Visitenkarten aus.

    „Wenn Sie mal im schönen Pennsylvania sind, kommen Sie bei uns vorbei, ich möchte meine Piepen zurückgewinnen", lautete die Einladung von Shannon.

    „Das gleiche gilt für Sie, sollten Sie irgendwann in die Nähe von Buffalo kommen."

    Gegen zwölf Uhr befanden sich Tyron und Jason auf dem Weg nach Hause. Auf dem Interstate 90 war in ihre Richtung nur eine Fahrbahn geräumt. Die Wagen waren gezwungen, hintereinander zu fahren, denn Überholen war nicht möglich. Links und rechts war eine drei Meter hohe Schneewand, sodass man das Gefühl hatte, durch einen Tunnel zu fahren.

    In Orchard Park, hielt Tyron vor Jasons Haus. Dieser hatte vor zwei Jahren geheiratet und war erst vor einigen Monaten in dieses Splitt Level eingezogen.

    „Willst du noch für ein Bier mit hereinkommen? Pamela würde sich freuen."

    „Nein, danke, Serena wartet auf mich. Wir sehen uns ja am Wochenende. Und vergiss nicht: Kein Wort über unser besprochenes Thema, das bringe ich den Girls am Samstag selbst bei."

    Tyron steuerte den Wagen in Richtung Sky Way, der in dreißig Metern Höhe über Buffalo hinweg führte. Von hier oben hatte man eine grandiose Aussicht über die Stadt. Immer wieder schüttelte er den Kopf, als er die Schneemassen unter sich sah. Es würde Wochen dauern, bis die Aufräumarbeiten beendet wären.

    Es waren noch fünfzehn Meilen bis Grand Island. Auf der Grand Island Bridge hielt er an, um die Maut zu bezahlen. Seit zwei Jahren lebte er nun am West River Parkway, direkt am Niagara River. Hier hatte er eine wunderschöne Aussicht auf den breiten Fluss, der ein paar Meilen weiter sechzig Meter in die Tiefe stürzte.

    Die Niagara Fälle lockten jährlich Millionen von Besuchern aus aller Welt an. Aber das war nicht der Grund, warum Tyron auf die Insel gezogen war. Lange Zeit vorher hatte er schon den Wunsch gehegt, sich einen 410-Commander zuzulegen,

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