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Freiheit. Bewusstheit. Verantwortlichkeit.: Festschrift für Volker Zotz zum 60. Geburtstag
Freiheit. Bewusstheit. Verantwortlichkeit.: Festschrift für Volker Zotz zum 60. Geburtstag
Freiheit. Bewusstheit. Verantwortlichkeit.: Festschrift für Volker Zotz zum 60. Geburtstag
Ebook593 pages3 hours

Freiheit. Bewusstheit. Verantwortlichkeit.: Festschrift für Volker Zotz zum 60. Geburtstag

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Der Band Freiheit. Bewusstheit. Verantwortlichkeit erscheint zum 60. Geburtstag des Philosophen und Religionswissenschaftlers Volker Zotz, der mit Büchern wie "Geschichte der buddhistischen Philosophie" (1996), "Auf den glückseligen Inseln" (2000), "Der Konfuzianismus" (2015) und "Mit Buddha das Leben meistern" bekannt wurde.

Teil 1 enthält Beiträge zu seinem geistigen Werdegang und einzelnen Facetten seines Schaffens. Teil 2 ist dem deutsch-indischen Schriftsteller und Künstler Lama Anagarika Govinda (1898-1985) gewidmet, dessen Schüler Volker Zotz war. Teil 3 enthält Beiträge zu Fragen des Buddhismus und seiner Rezeption in Indien und Europa. Teil 4 geht auf Aspekte des religiösen und universitären Lebens in Japan ein. Teil 5 befasst sich mit Martin Buber, Valentin Tomberg, Michael Brink und Oscar Kiss Maerth. Teil 6 vereint meditative, literarische und künstlerische Beiträge.

Mit Beiträgen von Antonio-Maria Caruso - Otfried H. Culmann - Ulrich Dehn - Michael Frensch - Peter Gäng - Michael Gerhard - Peter Michael Hamel - Wilfried Huchzermeyer - Jochen Kirchhoff - Reinhard Kirste - Gerhard Knauss - Zensho Wolfgang Kopp - Yukio Kotani - Mondrian Graf von Lüttichau - Peter Michel - Friederike Migneco - Daniel Müller - Andreas Neider - Muhō Nölke - Harry Oldmeadow - Peter Riedl - Yoshin Franz Ritter - Munish Bernhard Schiekel - Perry Schmidt-Leukel - Heinz Stein - Kunihiko Terasawa - Benedikt Maria Trappen - Gerhard Weißgrab - Karel Werner - Peter Wevelsiep - Werner Zimmermann

"Selten habe ich einen so glücklich und zugleich so umfassend komponierten biografischen Essay zu einer ja noch längst nicht zuende gekommenen geistigen Existenz gelesen." (Prof. Dr. Kuno Lorenz)
LanguageDeutsch
Release dateNov 16, 2016
ISBN9783960250104
Freiheit. Bewusstheit. Verantwortlichkeit.: Festschrift für Volker Zotz zum 60. Geburtstag

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    Freiheit. Bewusstheit. Verantwortlichkeit. - Benedikt Maria Trappen

    TEIL I

    VOLKER ZOTZ

    ZUM LEBEN UND WIRKEN

    „EIGENTLICH WEISS ICH NICHT, WOVON ICH

    SCHREIBE, WEISS ICH DOCH NICHT EINMAL,

    WER ICH BIN. ABER DA IST EIN ZWIEFACHER

    TROST: ZUVIEL WISSEN WAR SCHON IMMER

    GEFÄHRLICH. UND SCHLIESSLICH: WAS HEISST

    SCHON ‚EIGENTLICH‘?"¹

    BENEDIKT MARIA TRAPPEN

    FREIHEIT. BEWUSSTHEIT. VERANTWORTLICHKEIT.

    VOLKER ZOTZ. EIN LEBEN FÜR DEN INTERKULTURELLEN DIALOG

    Volker Zotz zählt mit mehr als 20 Buchveröffentlichungen ² in den Bereichen Philosophie, Religionswissenschaft, Psychologie und Management, darunter umfangreiche Standardwerke zur Geschichte der buddhistischen Philosophie und zur Rezeptionsgeschichte des Buddhismus im deutschsprachigen Raum, zahlreichen Beiträgen in Büchern und Zeitschriften, Lehrgängen, Herausgeberschaften, Einführungen und Vorworten, Kolumnen, Rezensionen, Übersetzungen sowie Vorträgen und Medienbeiträgen zu den derzeit besten Kennern des Buddhismus und des Konfuzianismus. Einzelne seiner Bücher wurden ins Koreanische, Französische, Tschechische, Ungarische, Polnische, Spanische und Bulgarische übersetzt.

    Die interkulturelle Hermeneutik verdankt ihm nicht nur die Begriffe der „interkulturellen Spiritualität und des „eurasischen Humanismus³. Aus der Auseinandersetzung mit dem Buddhismus hervorgegangene Fragen und Einsichten beleuchten die Grundprobleme der Hermeneutik, im Besonderen im interkulturellen Kontext, neu und setzen nachhaltige Impulse für die schöpferische Auseinandersetzung mit dem Eigenen und dem Fremden. Seine Forschungen weisen immer wieder eindringlich darauf hin, dass beim Versuch des Verstehens nicht nur Achtsamkeit gefordert ist im Hinblick auf mögliche Projektionen, den eigenen biografischen und kulturellen Hintergrund sowie unterschiedliche Sprachwelten, Stile und damit verbundene Fragen der Übersetzung. Schwerer wiegen vor allem in der Auseinandersetzung mit Nāgārjuna gewonnene grundsätzliche Einsichten der Unangemessenheit abendländischer Logik und Fragestellungen für die Rezeption östlicher Traditionen.

    Dass sich einander Widersprechendes notwendig ausschließt erweist sich dabei ebenso fragwürdig und hinfällig wie die Frage nach dem Wesen einer Sache, Lehre oder Tradition. Bedeutsame buddhistische Einsichten wie die wechselseitige Abhängigkeit der Dinge und Ereignisse, die Vorläufigkeit jeder Aussage und der unabschließbare Prozesscharakter der Wirklichkeit erfordern eine andere Weise der Betrachtung und Geschichtsschreibung, die – Hegels Diktum folgend, dass das Ganze das Wahre ist – statt das Eigentliche und historisch Anfängliche zu suchen und zu wahren, der schöpferischen Entfaltung des Ursprünglichen nachspürt.

    Damit einher geht nicht nur das Bewusstsein des Andersseins des Anderen, das letztlich immer Geheimnis bleibt, sondern auch die Achtung der Vielfalt und der Sinn für die nicht in einem vereinheitlichenden Synkretismus aufzuhebende Pluralität der Betrachtungsweisen. Die Spiegelung des Eigenen im Fremden wird damit zum unabschließbaren Prozess der Annäherung und der wechselseitigen Bereicherung, Erweiterung des Horizontes. Während abendländisches Denken dazu neigt, der verständlichen Versprachlichung im Sinne metaphysischer Systeme und dogmatischer Aussagen einen Eigenwert beizulegen, spricht sich in östlichem Denken der Vorrang der Erfahrung aus und das Wissen, dass diese unendlicher Vertiefung und Erweiterung fähig ist und von Aussagen niemals eingeholt und ausgeschöpft werden kann. Ein sich selbst in seiner Zeitlichkeit und Endlichkeit als Prozess verstehendes Sein kann daher immer nur Vorläufiges wissen und sagen. Auch weiß es um den Werkzeugcharakter des Denkens, das Leiter ist und Floß, um, sich wandelnd, eine andere Dimension zu erwecken, die es unablässig in alltäglicher Bewährung zu erweitern und zu vertiefen gilt. Dies Wissen um den allem Schöpferischen zu Grunde liegenden Prozess der Menschwerdung und den Weg der kleinen Schritte dürfte einer der bedeutsamsten und nachhaltigsten Impulse sein, die aus den Forschungen von Volker Zotz auf Philosophie, Religionswissenschaft, Literaturwissenschaft und Kulturwissenschaft ausstrahlen.

    Doch ist Volker Zotz nicht nur Pandit, ungemein belesener und derart gebildeter Universitätslehrer. Als Schüler – und Nachfolger – Lama Anagarika Govindas sowie weiterer bedeutsamer Persönlichkeiten und Meister wie Kiichi Tetsuo Nagaya Roshi und Takamaro Shigaraki steht er zugleich in einer auch durch Initiation und intensive zwischenmenschliche Begegnung weitergebenen Tradition und ist ebenso spiritueller Lehrer, Guru, einer, der weiß, weil er erfahren hat. Wie wenige sonst vereint er damit in seiner Person Exoterisches – bloßes Wissen – und Esoterisches – existenzielles Wissen, Erfahrung. Er kann damit als Prototyp eines Wissen Suchenden und Wissen Weitergebenden verstanden werden, der der Akademie Platons näher steht als der Bologna-Reform und der in dem von ihm hoch geschätzten Konfuzius seinen Ahnherr und Meister findet.

    Volker Helmut Manfred Zotz wurde am 28.10.1956 in Landau in der Pfalz geboren. Die Familie seines Vaters, Helmut Zotz (* 1928), stammt aus Tirol. Seine Mutter, Ines Aehle (1938 – 2014), wurde in Berlin geboren.

    Johannes Baptist Zotz (1700 – 1759) gründete in Landau eine Manufaktur für Lederwaren. Die katholische Familie war königlich-bayerischer Hoflieferant und Ausstatter für die bayerische Kavallerie. Dementsprechend waren seine männlichen Vorfahren gelernte Sattler wie sein Großvater Severin Zotz (1838 – 1940) oder Kaufmänner wie sein Vater Helmut Zotz. Durch Bombenangriffe verlor die Familie im Zweiten Weltkrieg ihr gesamtes Eigentum und musste die Firma aufgeben. Margarethe Zotz (geb. Ibold), die Großmutter väterlicherseits, stammt aus einer preußischen katholischen Unternehmerfamilie. Seine Familie mütterlicherseits kommt aus Ostdeutschland. Von den Großeltern lernte Volker Zotz nur Erna Aehle kennen, die Mutter seiner Mutter. Diese hatte jüdische Wurzeln und war in der Kindheit und frühen Jugend eine wichtige Bezugsperson.

    Volker Zotz wuchs als einziges Kind seiner Eltern in Landau auf. Er wurde römisch-katholisch erzogen. Seiner Herkunft und Verwurzelung in einer gelebten Tradition blieb Zotz sich auch bei seiner Auseinandersetzung mit den philosophischen und religiösen Lehren Asiens immer bewusst. Dem entsprechend hat er sich immer wieder auch mit christlicher Theologie und Spiritualität beschäftigt.

    1971 traf Volker Zotz den britischen Schriftsteller Oskar Kiss Maerth (1914 – 1991), mit dem er bis zu dessen Tod in Kontakt stand. Trotz Kritik an einzelnen Thesen Maerths war Zotz beeindruckt und berührt von dessen Idee einer buddhistisch inspirierten gesellschaftlich-politischen Veränderung. Politische und soziale Themen stellen bis heute einen integrativen Aspekt seiner spirituellen Forschung und Lehre dar.

    Durch Briefe kam Volker Zotz, der sich von Kindheit an für Asien interessierte und seit 1970 mit asiatischer Literatur auseinandersetzte, mit dem ursprünglich deutsch-bolivianischen Ernst Lothar Hoffmann in Kontakt, der nach Aufenthalten in Italien und Ceylon und mehreren Forschungs- und Pilgerreisen durch Tibet als Lama Anagarika Govinda mit seiner indischen Frau Li Gotami in Indien lebte. Govinda, der vor allem durch sein Buch Der Weg der weißen Wolken auch in Deutschland bekannt geworden war, nahm Volker Zotz 1972 in den 1933 von ihm gegründeten Orden Ārya Maitreya Maṇḍala auf. Bereits während seiner Gymnasialzeit unterhielt Zotz Kontakte zu weiteren Schülern Govindas und Angehörigen des Ordens, von denen vor allem Ernst Pagenstecher und Karl-Heinz Gottmann für ihn zu bedeutsamen Lehrern wurden, mit denen er sehr viel Zeit verbrachte. Bedeutsam wurde für ihn daneben die aus einem Briefwechsel hervorgegangene Bekanntschaft mit Friedrich Fenzl und dessen Lehrer Harry Pieper.

    Auch, wenn sich einzelne Überzeugungen und Betrachtungsweisen Govindas für Zotz auf Grund eigener Studien später als fragwürdig und unhaltbar erwiesen, achtet und schätzt er den kreativen Lebensweg Govindas als inspirierende bedeutsame schöpferische Rezeption und Entwicklung buddhistischer Traditionen, der der Westen nachhaltige Impulse verdankt.

    Lama Anagarika Govinda und Volker Zotz in Mill Valley, Kalifornien, Dez. 1982 (Foto: Karl Schmied)

    Bereits während seiner Schulzeit begann Zotz mit dem Schreiben, das ihm auch während seines Zivildienstes in einem evangelischen Pflegeheim nach dem Abitur am Max-Slevogt-Gymnasium in Landau bedeutsam blieb. Zwei Gedichtbände und eine Erzählung aus dieser Zeit erschienen 1978 und 1979 in der Verlagsedition Dittmer.⁵ Neben wissenschaftlichen, philosophischen und essayistischen Arbeiten und Sachbüchern entstehen auch heute noch immer wieder literarische Arbeiten.⁶ Zudem setzte sich Volker Zotz immer wieder mit Autorinnen, Autoren und literarischen Strömungen auseinander. Er schrieb eine Biografie André Bretons, setzte sich für eine Neubewertung des Schriftstellers Norbert Jacques ein, mit dessen Tochter Adeline Jacques-Marin (1921 – 1992) er seit 1987 befreundet war und schrieb eine umfassende Würdigung der amerikanischen Autorin Ruth Tabrah (1921 – 2004). Tabrah, mit der Zotz seit 1989 befreundet war, schrieb nach einem Studienaufenthalt in Japan mehrere Bücher über Buddhismus und engagierte sich in dem Vorbereitungskomitee zur Gründung des interkulturellen Projektes Kōmyōji, dem sie bis zu ihrem Tod als Beirat angehörte.

    „Der surrealistische Dichter" - Portrait Volker Zotz, München 1980 (Foto: Matthias Falck Wohlfahrt)

    1978 nahm Volker Zotz das Studium der Philosophie, Buddhologie, Geschichte und Kunstgeschichte an der Universität Wien auf. Von herausragender Bedeutung wurde für ihn dort der mit Paul Feyerabend befreundete Philosoph Kurt Rudolf Fischer (1922 – 2014), bei dem er 1986 mit einer Arbeit Zur Rezeption, Interpretation und Kritik des Buddhismus im deutschen Sprachraum vom Fin-de-Siècle bis 1930 promovierte. Zu den zahlreichen Impulsen, die er von diesem unkonventionellen Professor jüdischer Herkunft erhalten hat, zählt die Sensibilität für mögliche Affinitäten philosophischer Richtungen zur Ideologie des Nationalsozialismus, die Volker Zotz auch für die Geschichte des Buddhismus geltend gemacht und untersucht hat. Zweitgutachter war der Philosoph, Gruppendynamiktrainer, Sozialwissenschaftler und Publizist Gerhard Schwarz, mit dem Zotz auch nach seiner Promotion in interdisziplinären Projekten unter dem Titel „mehrdimensionale Ursachenforschung" zusammengearbeitet hat.

    Volker Zotz und Gerhard Schwarz bei einer wissenschaftlichen Konferenz im Festsaal der Universität Wien am 23.8.1990 (Foto: Thomas Waysocher)

    Während seiner Studienzeit hielt sich Zotz mehrfach für längere Zeit in Asien auf. Eine seiner Reisen auf dem Landweg von Indien nach Europa beschreibt er in seinem Buch Offenes Leben und Tod.

    1981 wurde Volker Zotz von Lama Anagarika Govinda zum Repräsentanten und Leiter des österreichischen Zweigs des Ārya Maitreya Maṇḍala ernannt.

    Afghanistan 1979: Volker Zotz mit seinem Freund Matthias Falck Wohlfahrt auf dem Rückweg von Indien nach Europa (© M. Wohlfahrt)

    1982 gründete er die Zeitschrift Damaru. War diese zunächst buddhistischen Themen im Sinne Govindas gewidmet, öffnete sie sich später für ein breiteres Themenspektrum und erscheint heute als Damaru. Zeitschrift für interkulturelle Spiritualität im Verlag von Kōmyōji. Herausgeberin ist seit 2006 die Kulturund Sozialanthropologin Birgit Zotz, die Ehefrau von Volker Zotz.

    1984 erschien auf Anregung Lama Govindas, der dem Buch ein Geleitwort hinzufügte, Maitreya. Kontemplationen über den Buddha der Zukunft, das Volker Zotz „in Dankbarkeit seinem „verehrten Lehrer Dr. Karl-Heinz Gottmann widmete. In der Auslegung der 26. Lehrrede der Sammlung Dīgha-Nikāya des Pāli–Kanon, die von allen Schulen und Lehrmeinungen des Buddhismus anerkannt wird und die das Erscheinen Maitreyas, des kommenden Buddhas der Liebe, voraussagt, nähert Zotz sich dem Phänomen „Buddha auf den Ebenen der Wortbedeutung, der Definition, der Geschichte und der Mythologie. Kern der als „Erwachen beschriebenen Erleuchtungserfahrung des historischen Buddha ist demnach die Überwindung, Auslöschung des „kleinen Ich", das sich in der Erfahrung des vollkommenen Loslassens der Leere öffnet, die tiefes Verstehen und unmittelbaren Bezug zu allem Seienden ermöglicht. Die Auslöschung des durch seine bisherige Geschichte (Karma) bestimmten Ich in der Wiederholung des Gewesenen und der ekstatischen Erfahrung des „Lichts stillt alle Bedürfnisse und Sehnsüchte und schenkt dem in gewisser Weise neu Geborenen tiefen Frieden, ewige Ruhe, ewiges Licht und bedingungslose Liebe. Diese ungeheure geheimnisvolle Erfahrung des „Auslöschens des Ichs, die alles durchdringende Erfahrung des Seins und die damit verbundenen vielfältigen Einsichten sind so tief und unerschöpflich, dass sie von Verstand und Sprache nicht zu fassen sind.

    Während Maitreya die „vierte Dimension" in den Mittelpunkt stellt, die sich – den Menschen wandelnd und im eigentlichen Sinn erst menschlich, weil wahrhaft liebend und lebendig machend – in der Erfahrung des Erwachens öffnet, begreift Zotz die Vielfalt buddhistischer Schulen und Lehrmeinungen später wesentlich aus der Unmöglichkeit des sprachlichen Ausdrucks. Diese ermöglicht es und macht zugleich unumgänglich, immer wieder andere Aspekte dieser unergründlichen Erfahrung in schöpferischer Aneignung zu betonen, und die mit jedem Versuch sprachlich-verständlicher Fassung dessen, was unsagbar und undenkbar ist, verbundenen Widersprüche zu entwickeln.

    In dieser Einsicht gründet das entschiedene Plädoyer von Volker Zotz für die relative Berechtigung und Gültigkeit unterschiedler Perspektiven. Im Hinblick auf das Absolute ist alles Endliche vorläufig und relativ. Was wirklich zählt ist die geduldige Bewährung im Alltag in der liebenden Hingabe an die anderen. Der sich auf diese Weise Gebende und Schenkende erfährt sich zugleich als der Getragene, der „sich" als offene Weite, Leere und Fülle zugleich, zurück erhält.

    1987 veröffentlichte Volker Zotz mit Freiheit und Glück ein buddhistische Einsichten und Methoden „für heutige Menschen" vermittelndes unorthodoxes Lehr- und Übungsbuch für jeden, der sich entschließt, seinem Leben Richtung und Sinn zu verleihen. Das Buch erschien 1990 unter dem Titel Erleuchtung im Alltag und 1999 als Mit Buddha das Leben meistern. Unter diesem Titel erreichte es 2015 die 15. Auflage. Gewidmet ist das auf inneres Wachstum und Verwandlung des Lebens zielende Buch dem Gedächtnis an Ernst Pagenstecher und seine Frau Traude.

    Mit Karl Jaspers erinnert Zotz den Leser immer wieder daran, dass das kleine, egozentrische Ich auf seinem Weg zum Licht notwendig scheitern muss. Es gibt keine Erlösung für das Ich. Auch kann es nicht um das endgültige Erreichen eines Ziels gehen, sondern nur darum, seinem Leben Richtung zu geben und die auf diesem Weg immer überwältigender aufleuchtende Erfahrung einer anderen Seinsweise, einer anderen Kraft zuzulassen und geduldig zu vertiefen und zu erweitern. Was zählt ist der Augenblick, hier und jetzt, in dem vollkommen wach und gegenwärtig zu sein die Aufgabe des Ich ist. Dem nicht mehr von Begierden, Vorurteilen und Abneigungen bestimmten, wacher und lebendiger gewordene Ich geschehen und fügen sich die Ereignisse von selbst.

    1989 ging Zotz nach Japan, wo er bis 1999 an den Universitäten Ryūkoku und Ōtani in Kyoto sowie an der Rissho-Universität in Tokio tätig war. Er arbeitete in dieser Zeit u.a. mit dem von Paul Tillich beeinflussten buddhistischen Religionsphilosophen Takamaro Shigaraki (1926 – 2014), dem Spezialisten für Jōdo-Shinshū, Meiji Yamada (1935 – 2015), und dem mit Goethe, Gide, Klages und der Lebensphilosophie vertrauten Yukio Kotani zusammen. Während zwischenzeitlichen Aufenthalten in Europa lebte er in dem fast zur Hälfte von Kroaten bewohnten kleinen österreichischen Dorf Weingraben im Burgenland.

    Aus seiner bereits in den achtziger Jahren begonnenen intensiven Auseinandersetzung mit dem Surrealismus ging die 1990 veröffentlichte Biografie André Bretons hervor. Dass Kunst ein Weg der Erkenntnis und Befreiung sein kann, verband Lama Govinda bereits mit der Romantik. Für die Surrealisten wurde die schöpferische Entdeckung des Unbewussten, das Streben nach Ganzheit, das Verständnis des Alltags als Schlaf und Traum und des alltäglichen Ich als unwirklich zum Programm. Zotz sieht die Bedeutung Bretons daher weniger in seinem literarischen Schaffen und den Einflüssen, die er auf andere ausübte, sondern in einer als solche weitgehend unbeachtet und unverstanden gebliebenen Philosophie und Technik. Bretons vielfältige Einsichten in wechselseitige Abhängigkeiten und Bedingtheiten, die ihn mit Freud, Marx, Engels, Trotzki und Lenin verbinden, sein Verständnis aller Selbst- und Welterfahrung als Prozess wie auch die Relativierung des Historisch-Einmaligen zu Gunsten einer universal wirksamen Gegenwart des schöpferischen Geistes, stellen attraktive Schnittstellen zur buddhistischen Welterfahrung dar.

    Takamaro Shigaraki und Volker Zotz in Kyoto (Foto: Ryūkoku Universität)

    Philosophie, Literatur und Kunst werden damit zu Spiegeln, in denen der leidenschaftlich Suchende sich selbst erblicken und erkennen kann, Zuspruch und Ermunterung findet. Es ist, wenn auch in den Prägungen von Zeit und Raum, im Grunde derselbe Geist in allen, der sich von Erfahrung zu Erfahrung, von Stufe zu Stufe durchringt auf der Suche nach Erlösung, nach Erweiterung vorgegebener Grenzen, nach Vertiefung, Intensivierung, Vereinigung der Gegensätze, nach Ganzheit. Synchronizitäten, Begegnungen, Zufälle, Zeichen und Offenbarungen begleiten solchen Aufbruch, solchen entschlossenen Versuch des Verrückens. Träume werden Wirklichkeit, die Wirklichkeit traumhaft. Dass die mit der radikalen Infragestellung der Subjektivität einhergehende Dialektik von Diesseits und Jenseits von den Surrealisten letztlich immer wieder zu Gunsten einer Treue zur Erde und zum Menschen – einer neuen Erde und einem neuen Menschen – entschieden wurde, verbindet sie, wie auch der Primat der Erfahrung, mit Nietzsche ebenso wie mit Buddha.

    Früchte seiner Studien und Zusammenarbeit in Japan sind die 1991 erschienenen Bücher Buddha und Der Buddha im Reinen Land. Seiner Darstellung des Lebens und der Lehre Siddhārtha Gautamas voraus stellt Zotz klare und tiefe Einsichten in die grundsätzlichen Schwierigkeiten dieses Versuchs. Dabei weist er nicht nur auf die unterschiedlichen Interessen des historischen Stifters, der sein Leben und Lehren überliefernden religiösen Tradition, der späteren Interpretationen und der noch späteren wissenschaftlichen Erforschung hin und beleuchtet die Quellenlage und Traditionsgeschichte. Er wendet zentrale Einsichten dieser Lehre auf deren Erforschung und Geschichtsschreibung selber an und ergänzt und bereichert die interkulturelle Hermeneutik dadurch nachhaltig.

    Nicht die einzelne überlieferte Episode und Aussage kann daher Gültigkeit beanspruchen, sondern nur das Gesamtbild. Da Buddha kein Buddhist war, zeigt Zotz den kulturellen, philosophischen und geschichtlichen Hintergrund Gautamas zunächst ausführlich auf, um das Besondere des „mittleren Weges in der Erfahrung des großen Erwachens deutlich werden zu lassen. Die sich in vierfacher Vertiefung anbahnende tiefgreifende Wandlung seines in-der-Welt-Seins, die als „Aufhebung des Leidens in vollkommener Gegenwärtigkeit den Kern des Erwachens ausmacht, entzieht sich letztlich jeder zureichenden Beschreibung. Wesentlich ist die tief empfundene Vergänglichkeit und die Einsicht in die wechselseitige Abhängigkeit, Verwobenheit des Lebens, die radikale Infragestellung des Ich, die schonungslose Selbsterkenntnis sowie das geduldige Überwinden der Egozentrik.

    Auf diesem meditativen Weg vom Ich zum Licht zeigt sich das Unendliche im Endlichen, und die unmittelbare Erfahrung überschreitenden metaphysischen Fragen heben sich auf. Die mit dem Schwinden des Eigenseins erfahrbare Leere ist zugleich Fülle. Dem Lassenden geschieht alles wieder. Mit heiterer Gelassenheit und achtsamer Gegenwärtigkeit entspricht er dankbar den Anforderungen von Augenblick zu Augenblick. Dass Buddha sich im klaren Wissen um die Undenkbarkeit und Unsagbarkeit dieser Erfahrungen dennoch zum Lehren des „edlen achtfachen Pfades" entschloss, was Quelle vielfältiger Diskussionen und Schulbildungen wurde, gründet in seinem tiefen Mitgefühl mit allem Lebenden. Seine mit erheblichem zeitlichen Abstand aus der Erinnerung aufgezeichneten, schriftlich überlieferten Lehrreden müssen daher immer situativ, orts-, zeit- und adressatenbezogen verstanden werden.

    Die tiefen Einsichten und Erfahrungen Buddhas lassen vielfältige Akzentuierungen zu. Der Shin-Buddhismus zählt zu den Schulen, die zwar den Primat der Erfahrung vor der Metaphysik betonen, die Eigenleistung des Menschen aber hinter der Notwendigkeit des Vertrauens und der Erfahrung eines ganz Anderen zurücktreten lassen. Wie könnte sich der in sich selbst und die Welt verstrickte Mensch überhaupt auf den Weg machen, wenn er nicht der Gerufene wäre? Und wer anders als Buddha könnte diese Sehnsucht in ihm erwecken? Zwar ist die Mitwirkung des Menschen auf dem Weg der Erlösung unverzichtbar. Geduld, Demut, Vertrauen, Hingabe und Anrufung sind unerlässlich. Die tragende, führende und erlösende Kraft aber ist nicht die des Ich.

    Gemeinsam mit dem 23. Abt des Nishi Honganji, Kōshō Ōtani (1911 – 2002), einem Cousin des japanischen Kaisers Hirohito, gründete Volker Zotz 1994 die Institution „Kōmyōji - Eurasischer Humanismus & Interkulturelle Spiritualität." Unterstützt wurde die Gründung durch die Äbte mehrerer buddhistischer Tempel in Japan und japanische Universitätslehrer wie Takamaro Shigaraki. Der Name Kōmyōji kommt von der japanischen Lesart für drei chinesische Schriftzeichen:

    - Kō heißt Licht, ein universelles Sinnbild für Erkenntnis und Orientierung.

    - Myō wird aus den Symbolen für Sonne und Mond gebildet.

    Das Zeichen qualifiziert Licht somit als klar und glänzend. In einigen Zusammensetzungen verweist es auf den kommenden Tag oder die Zukunft. Wird es Mei ausgesprochen, kann es für Scharfblick, Klarblick, Einsicht und Erkenntnis bedeuten.

    - Ji bezeichnet einen Tempel.

    „Kōmyōji" steht somit für einen Ort, an dem das klare Licht der Erkenntnis im transkulturellen Dialog im Besonderen zwischen Europa und Asien in die Zukunft weisende Einsichten vermitteln soll. Die Einrichtung veranstaltet internationale Kongresse, Tagungen und Seminare und gibt Veröffentlichungen heraus. Ein zentraler Bestandteil der Tätigkeit sind Fernkurse zu Themen asiatischer Philosophie. Präsidentin von Kōmyōji ist derzeit Birgit Zotz.

    In seinem 1996 erschienenen umfangreichen Standardwerk Geschichte der buddhistischen Philosophie zeigt Zotz ausführlich das Entstehen der Vielfalt buddhistischer Schulen in wechselseitiger Abhängigkeit als schöpferische Entfaltung einer anfänglichen Erfahrung, Akzentuierung unterschiedlicher Aspekte und Entwicklung der mit der Versprachlichung unvermeidlich gegebenen Widersprüche auf. Nicht eine ursprüngliche reine Lehre gilt es durch – innerhalb ihrer Grenzen durchaus bedeutsame und berechtigte – philologische und kulturwissenschaftliche Forschung wieder zu gewinnen. Buddhismus wird vielmehr verstanden als die grundsätzlich unabschließbare geschichtliche Entfaltung des Anfänglichen. Was neu scheint in diesem schöpferischen Prozess entsteht dabei nicht aus Eigensinn und dem Willen zur Originalität, sondern geht aus der Besinnung und Rückwendung auf die Tradition ursprünglich hervor. Entmythologisierung führt, dem Gesetz des Entstehens in Abhängigkeit folgend, von selbst zur Erfahrung eines neuen Mythos, Metaphysikkritik zu neuer Metaphysik. Das Wahre ist das Ganze.

    Volker Zotz mit Yoshiko und Kōshō Ōtani in einem Wiener Heurigenlokal 1990 (Foto: Thomas Waysocher)

    Diesem entschiedenen, aus tiefer Einsicht hervorgehenden Pluralismus gegenüber sieht Zotz die Tendenz abendländischer Philosophie und Theologie, Perspektiven und Standorte zu verabsolutieren und davon Abweichendes zu diskriminieren, zu verfolgen und zu vernichten. Der östlichen Neigung, die Einheit in der Vielheit zu sehen, diese zu respektieren und zu tolerieren entgegen gesetzt sieht er eine ausgeprägte Tendenz des Abendlandes zum Totalitarismus. Auch wenn dies sicher nicht auf alle Denker, im Besonderen der sogenannten Mystik, zutrifft, hat Zotz damit doch eine wesentliche, in der Eigenart abendländischer Metaphysik gründende Gefahr erkannt und benannt, deren sorgsame Erwägung angesichts vielfältiger Krisen unserer globalisierten Welt dringend geboten ist.

    Zotz zog 1999 nach Luxemburg, wo er als assoziierter Professor der Université du Luxembourg Philosophie und Geistesgeschichte lehrte. Im Rahmen der Überführung des vormaligen Centre Universitaire de Luxembourg in eine Volluniversität beteiligte er sich an der öffentlichen Diskussion und betonte die Bedeutung der Geisteswissenschaften. Von 1999 bis 2000 war er Chefredakteur der buddhistischen Zeitschrift Ursache & Wirkung, für die er zunächst als Kolumnist tätig war.

    In seinem 2000 erschienenen umfangreichen Buch Auf den glückseligen Inseln. Buddhismus in der deutschen Kultur untersucht Zotz die Rezeptionsgeschichte des Buddhismus im deutschsprachigen Raum im Licht mehrerer grundlegender Hypothesen. Die kulturelle Grenze zu Asien stellt demnach ein auf Projektion und Abspaltung beruhendes konstituierendes Element europäischen Selbstverständnisses dar. Die auf diese Weise entstandene Einheit Europas betont nicht nur Naturwissenschaft und Technik, sondern enthält auch rassistische Elemente, die der Sicherheit und Abgrenzung dienen. Dem Pluralismus, der Selbstgenügsamkeit und Gelassenheit Asiens gegenüber steht damit ein auf Vereinheitlichung, Expansion und Unterwerfung zielendes Abendland, was sich nicht zuletzt in der oft wenig liebevollen und toleranten christlichen Missionierung anderer Völker spiegelt.

    Die Faszination und Angst, die der Osten auf den Westen ausübt, wird damit verständlich. Europas weitgehend verdrängte irrationale Schattenseite wurde im Bild Asiens einerseits als prälogisch, prärational und mythisch verurteilt und bekämpft. Andererseits spürte der Westen immer wieder, dass ihm gerade diese verdrängte Schattenseite zu seiner Ganzheit und wirklichen Vernünftigkeit fehlt. Wie gefährlich, verführerisch und überwältigend diese abgespaltene Nachtseite vermeintlicher Rationalität und Vernunft sein kann, wurde dem Westen eindringlich mit der unmenschlichen Ideologie des Nationalsozialismus vor Augen geführt. „Die gleiche von der Suche nach Heil geleitete geistesgeschichtliche Tradition führte zu Albert Schweitzer wie zu Heinrich Himmler […] Humanistische deutsche Kultur und der NS-Abgrund als zwei Seiten einer Medaille?"⁸ Das als solches nicht verständliche Irrationale stellt daher nicht das ganz Andere der Vernunft dar. Seine Anerkennung stellt vielmehr ein notwendiges Moment wirklicher Vernünftigkeit dar. Diese tiefe Weisheit findet Zotz auch im Konfuzianismus.

    Obwohl Begegnungen zwischen Ost und West durch Reisen und Begegnungen seit der Antike möglich und spätestens mit dem Feldzug Alexanders 326 v. u. Z. nach Indien verbürgt sind, beginnt die eigentliche Rezeptionsgeschichte des Buddhismus in Deutschland erst 1802. Zotz zeigt auf, wie nicht nur Fragen der Zugänglichkeit und Verlässlichkeit von Quellen und deren Übersetzung die Auseinandersetzung erschwerten, sondern vor allem metaphysische und geschichtsphilosophische Konzepte notwendig zu Unverständnis und Verzerrungen führten. Erst sprachphilosophische Reflexionen und die allmähliche Unterscheidung zwischen vorstellendem Denken, Intuition und der Reflexion von Erfahrung ermöglichten eine von Projektionen und Spiegelungen zunehmend freiere Wertschätzung östlicher Traditionen. Dass auch diese von rassistischen Überzeugungen keineswegs frei sind und mit den Konzepten von Karma und Reinkarnation Elemente enthalten, die zumindest Auslegungen zulassen, die wenig menschlich und sozial akzeptabel sind, wird von Zotz deutlich heraus gestellt.

    Ebenso wird deutlich, dass es von geografischen und zeitlichen Bedingungen unabhängig wirksame, universelle, mit dem Menschsein verbundene Einsichten, Strukturen, Ideen gibt, die sich im Osten wie im Westen finden. Ökonomische, soziale und politische Faktoren wirken zwar prägend, reichen aber für eine hinreichende Erklärung der Aktualisierung universaler Ideen nicht aus. Die Beschäftigung mit dem Fremden wird damit zu einem Prozess, der zu den eigenen Wurzeln zurückführt und manches neu zu sehen und wertzuschätzen lehrt, was man zuvor nur im Fremden zu finden glaubte.¹⁰ Zotz hat damit sowohl Gefahren wie auch Chancen eines Eurasischen Humanismus aufgezeigt und der Forschung ebenso wie dem interessierten Leser östlicher Texte nachhaltige Impulse vermittelt.

    Ebenfalls im Jahr 2000 erschien seine Bildmonografie Konfuzius, die seine große Wertschätzung des chinesischen Weisen erkennen lässt. Die Anregung für die vertiefte Beschäftigung mit dem chinesischen Weisen verdankt Zotz Lama Anagarika Govinda, der sich gründlich mit dem I Ging auseinander gesetzt und ein viel beachtetes Buch darüber geschrieben hat. Wichtige weitere Impulse erhielt er später u. a. von Shoken Yamasaki (1907 – 1989), Keisai Doki, dem vormaligen Abt des Senpuku-Tempels in Takaoka, und Yukio Kotani. An sich selbst arbeiten und sich bilden in der Rückbindung an die Tradition, ihrer sozialen Funktion wegen Riten einhalten und wertschätzen „als ob" das Reich der Ahnen und Geister wirklich sei, auch wenn sie sich im tiefsten Kern rationalem Verständnis entziehen, bescheiden, arm und schweigsam Maß und Mitte wahren, in der Hinwendung zum andern großzügig, weitherzig, einfach und echt ohne Unterscheidung und Ansehen der Person Gutes tun, lebenslang lernen und durch Vorbild und Beispiel mehr lehren als durch Worte: auf diese Weise sich unablässig bemühen menschlich zu werden und zu sein, versteht Zotz als bleibende Aufgabe und Weg auch in unserer Zeit.

    Mit den beiden 2007 und 2015 erschienen Büchern Konfuzius für den Westen. Neue Sehnsucht nach alten Werten und Der Konfuzianismus vertiefte und erweiterte er die bedeutsame Thematik und forderte über „die müde Toleranz der Unverbindlichkeit hinaus, „die jedem seinen Glauben und Lebensstil lässt, solange einen dies nicht belästigt eine „intensive und existenzielle Kenntnisnahme des anderen, „ein Verstehen, das im Innersten berührt und verwandelt.¹¹ In dieser Forderung kommt der Kern seines eigenen schöpferischen Lebensweges klar und deutlich zum Vorschein.

    2002 gründete Volker Zotz gemeinsam mit der deutsch-italienischen Lyrikerin und Schriftstellerin Friederike Migneco den gemeinnützigen Kulturverlag Kairos Edition. Wichtige Gesprächspartner waren für ihn in dieser Zeit auch der Theologe und Islamwissenschaftler Wilhelm Maas (1937–2012), Bruno Fromme OC, Abt des Klosters Himmerod von 1991 bis 2011, sowie der damalige Erzbischof von Luxemburg, Fernand Franck. Von 2002 bis 2004 war Zotz Redaktionsleiter der Zeitschrift Forum für Politik, Gesellschaft und Kultur.

    Birgit und Volker Zotz, Pangong Tso, Ladakh 2012 (Foto: Dorje Ngawang)

    Am 5. Juli 2005 wurde Zotz an der philosophischen Fakultät I der Universität des Saarlandes auf der Grundlage seiner bis dahin erschienenen Bücher, mehrerer Aufsätze, einer studiengangbezogenen Lehrveranstaltung und eines Vortrages „Zur Geschichte des Reinkarnationsglaubens in Europa von Karl-Heinz Ohlig für das Fach Religionswissenschaft habilitiert. An dem Verfahren beteiligt war mit Kuno Lorenz ein in Logik, Sprachphilosophie, Anthropologie, indischem Denken und Buddhismus vielfach ausgewiesener Philosoph. 2005 lernte Volker Zotz auf einer wissenschaftlichen Tagung in Österreich die Kulturanthropologin und Tourismuswissenschaftlerin Birgit Hutter kennen, die er 2008 heiratete. Ihr verdankt er nicht nur „kostbare Inspiration und Hilfe¹² bei seinen Forschungen. Birgit Zotz hat sowohl für Kōmyōji als auch für Ārya Maitreya Maṇḍala und den Kairos Verlag wichtige Aufgaben übernommen.

    Ebenfalls 2005 erschien in der Zeitschrift Damaru „Leitmotive des Ārya Maitreya Maṇḍala". In dem 2013 noch einmal als eigenständige Publikation erschienenen Beitrag geht Volker Zotz der Geschichte des Ordens nach und klärt dessen Leitmotive in Vergangenheit und Zukunft. Dabei kristallisieren sich fünf wechselseitig mit einander verbundene, gleichursprüngliche Leitmotive heraus:

    •Der Mythos des kommenden Buddha Maitreya und das Ideal des Bodhisattva

    •Das Vorbild und Beispiel des Gründers Lama Anagarika Govinda

    •Philosophie, Ethik und Meditation des Buddhismus

    •Die tantrische Weltsicht und die Praxis des Siddha

    •Die Idee des Ordens als Maṇḍala und Kula

    Der Orden kennt keine Gelübde, die an einen bestimmten Lebensstil binden. Wesentlicher ist das Streben nach innerer Freiheit, um in der Entfaltung eigener Begabungen und Interessen dem Gemeinwohl zu dienen. Die Aufnahme in den Orden, der sich als eine „Bruderschaft des Herzens und des Geistes"¹³ versteht, erfolgt nach Jahren des Studiums und der Vorbereitung durch Initiation, die eine unverlierbare geistige Tatsache darstellt. „Auf diese Weise besteht der Orden als die Ganzheit aller jemals Initiierten in der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft."¹⁴ Die Mitglieder des Ordens fühlen sich wahlverwandt und verstehen sich als Familie, in der einer den anderen inspiriert, unterstützt, ermahnt und ihm beisteht.¹⁵ Die geheimnisvollen Erfahrungen auf dem Weg der Wandlung bleiben nicht Initiierten verborgen, da „das Mysterium der inneren Verwandlung nur dann vor sich gehen (kann), wenn die geheimen Kräfte seiner Symbole profanen Augen und dem müßigen Geschwätz der Welt entzogen bleiben."¹⁶

    Das Verständnis des Ordens als Mandala erläuterte Lama Govinda 1966 wie folgt: „So aber wie im Seelischen sich die chaotischen Mächte der Tiefe zur Ganzheit bewusster Erkenntnis zusammenschließen, entsteht aus dem Zusammenschluß gleichstrebiger Individuen ein Mandala, aus dem jeden Einzelnen höhere Kräfte der Verwirklichung zufließen. Das ist der Sinn des Ārya Maitreya Maṇḍala, in dem jeder, der zum Glied des heiligen Kreises wird, gleichgültig aus welcher „Richtung er auch kommen mag, einem gemeinsamen Zentrum zuschreitet, in dem die Verschiedenheit aller individuellen Wege ihren Einheitspunkt findet.¹⁷ Von den „Torheiten der Epoche¹⁸ distanziert, wirken die Mitglieder des Ordens gleichwohl in der Welt und halten sich bereit, nach Krisen und Katastrophen in der liebenden Zuwendung zu anderen „den Grundstein einer neuen Kultur zu legen.¹⁹ Unablässig an sich arbeitend werden sie „zu Mitwirkenden und Teilhabern" einer neuen Schöpfung.²⁰

    Mit Die neue Wirtschaftsmacht am Ganges, Business im Land der aufgehenden Sonne und Kamasutra im Management erschienen ab 2006 Bücher, die Volker Zotz’ jahrzehntelange Erfahrungen in Asien für die Wirtschaft und das Management in Europa hilfreich und fruchtbar werden lassen. Dementsprechend war er in interkulturellen Fragen immer wieder auch als Unternehmensberater tätig.

    2007 erschien als Festgabe anlässlich des 75. Geburtstages von Friedrich Fenzl Die Suche nach einem sozialen Buddhismus. Zotz reflektiert darin nicht nur seinen eigenen Weg und die Entwicklung einer buddhistischen Gemeinschaft und Kultur im Deutschland der siebziger Jahre. Die Schrift kann ebenso als vortreffliche Einführung in Jōdo Shinshū gelesen wie als Plädoyer für „ein bereicherndes Lernen von Kulturen, Denkweisen und Religionen, die außerhalb der vertrauten Sphären entstanden sind."²¹

    Seit 2009 hält sich Volker Zotz, der sich „als ein Bewohner Eurasiens versteht, das er „als einen einzigen bunten Kontinent empfindet²², immer wieder lange in Indien auf. Den wesentlichen Ertrag dieses interkulturellen Lebens formulierte er 2015 in einem Gespräch mit dem Marix-Verlag: „Bei meinem Pendeln zwischen Ost und West immer wieder zu erleben, wie sogar in gewöhnlichsten Belangen nichts selbstverständlich und allgemein gültig ist, hilft der philosophischen und wissenschaftlichen Arbeit. Dass alles mit gleicher Berechtigung ganz anders sein kann, lässt mich nicht vergessen, wie ungewiss alle scheinbaren Gewissheiten sind."²³

    Am 11. Mai 2013 wurde Zotz zum stellvertretenden Leiter des Ordens Ārya Maitreya Maṇḍala ernannt.²⁴ Seit dem 20. März 2015 ist er Leiter des Ordens. In seiner „Botschaft zum Amtsantritt als Maṇḍalācārya"²⁵ betonte er noch einmal die außerordentliche Bedeutung der kulturellen, methodischen und individuellen Vielfalt, die für schöpferischen Wandel unverzichtbar ist. Gleichzeitig kündigte er an, im Rahmen einer grundlegenden Erneuerung mit dem Amt verbundene Machtbefugnisse zugunsten eines internationalen Gremiums und der inhaltlichen und administrativen Selbstständigkeit der einzelnen Zweige des Ordnens abzugeben. Mit dem Abbau von Hierarchien zu Gunsten der Gemeinschaftlichkeit soll eine Revision der Ordensregel erfolgen. Eine neu einzurichtende Plattform soll dem weltweiten Austausch dienen. Neben der geplanten Zurückführung des internationalen Zentrums des Ordens nach Indien plant Zotz die Herausgabe einer Gesamtausgabe der Werke von Anagarika Govinda.

    Volker Zotz in der Songtsen Bibliothek, Dheradun, Indien 2010, (Foto: Elvira Glocker)

    Im August desselben Jahres erschien mit Sage etwas oder schweige eine Auswahl von ihm selbst übersetzter Kōans, mit der Zotz sich noch einmal ausdrücklich dem Zen-Buddhismus zuwendet, der durch einfaches Sitzen und die meditativ-intuitive Arbeit mit Kōans zu einer alles Sagbare und Denkbare überschreitenden Erfahrung unmittelbaren gegenwärtig Seins führen will.

    Anfang 2016 schufen Volker Zotz und seine Frau Birgit in der niederösterreichischen Gemeinde Grimmenstein, südlich von Wien, Räumlichkeiten für das „Anagarika Govinda Institut für buddhistische Studien", das auch den Nachlass Govindas verwahrt.

    Zotz, selbst vielseitiger Autor und Mitglied des PEN-Clubs, gelten „ungeachtet ihrer jeweiligen Einstellung vor

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