Ganzheitliche Psychotherapie: Neue Wege und Möglichkeiten
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Book preview
Ganzheitliche Psychotherapie - Moena Hielscher
Vorne Weg
Innerhalb eines Vollzeitjahres finden ungefähr eine Millionen Menschen den Weg zu einem Therapeuten. Diese Menschen sind an ihre emotionalen Grenzen gestoßen. Entweder es wurde von anderen bemerkt oder sie haben es selbst erkannt. Psychische Störungen sind auf dem Weg, Volkskrankheit Nummer 1 zu werden¹. Ängste, Depressionen, Burnout aber auch Mobbing, Beziehungsprobleme und Aggressionen nehmen in den letzten Jahren sowohl in der Wahrnehmung als auch in der Diagnostik zu.
Dass psychische Gesundheitsbeeinträchtigungen immer mehr zunehmen, mag zum einen dem immer höher werdenden Stress in unterschiedlichen Situationen wie Beruf, Familie und Freizeit, zum anderen der allgemeinen, gesellschaftlichen Akzeptanz psychischer Belastungen zugeschrieben werden. Es darf heute einfach auch darüber geredet werden, dass man sich traurig, unentschlossen und völlig ausgepowert fühlt.
Immer offen bleibt die Frage, was kann und was will ich tun, um mich leichter und entspannter, glücklicher und freier zu fühlen? So wie damals. Früher. Als alles noch anders war.
Etwas bei sich zu verändern, heißt immer auch, es selbst in die Hand zu nehmen, sich um sich selbst zu kümmern und nicht darauf zu warten, dass andere es für einen tun. Jeder ist eigenverantwortlich. Und manchmal müssen wir uns wieder daran erinnern, dass wir es uns Wert sind, uns um unsere Gesundheit eigenverantwortlich zu kümmern. Auf die Zeit, die etwas richtet, und auf Umstände in der Zukunft, die sich ergeben mögen, zu hoffen, verändert nicht die eigene Situation.
Der allererste Schritt ist die Selbstwahrnehmung. Solange jeder für sich nicht selber erkennt, dass er sich in einer depressiven Lage befindet oder auf Situationen zu ängstlich reagiert, kann der Entschluss nicht reifen, wirklich etwas für sich und seine unsägliche Gefühlslage zu tun. Der Entschluss kann heißen: Nein, nein, nein … das will ich so nicht mehr, es muss sich etwas verändern und zwar jetzt. Der Zeitpunkt ist gekommen. Jetzt. Handeln.
Möglichkeiten gibt es viele.
Meist beginnt die Reise beim Allgemeinarzt, der vielleicht zuerst nur Ruhe verordnet. Vieles kann sich mit ein wenig Entspannung und weniger Funktionieren-Müssen verbessern. Wenn nicht, und keine körperlichen Ursachen aufzuspüren sind, wird an einen Psychotherapeuten verwiesen.
Hier trennen sich aber auch mögliche Wege.
Zum einen gibt es den Weg, der klassisch symptom-bezogen und schulmedizinisch ausgelegt sowie von den Krankenkassen akzeptiert ist. Zum anderen gibt es den Weg, der Alternativen bietet und ganzheitlich denkt. Dieser Weg wird vom deutschen Krankenkassensystem derzeit nicht übernommen.
Welcher Weg eingeschlagen wird, ist erst einmal egal. Hauptsache, es kommt etwas in Bewegung. Allerdings können alternative Wege auch nur dann eingeschlagen werden, wenn jeder ausreichend Informationen dazu hat. Oft sind Alternativen überhaupt nicht ausreichend bekannt. Dann kann sich auch nicht eigenverantwortlich entschieden wer-den, welcher Weg zu einem persönlich am besten passt. Und manchmal gibt es sogar einschlägige Vorgaben, keinen anderen Weg gehen zu dürfen. Unwissenheit schützt nicht.
Erstes Beispiel aus einem Erstkontakt-Telefonat
Eine junge Frau kontaktierte mich per Telefon und fragte nach einem freien Therapieplatz. Für mich klingt das Wort „Therapieplatz bereits nach langwierig und zeitintensiv, was es gar nicht immer sein muss. So antwortete ich, dass sie – da ich eine freie Psychologin bin und dem deutschen Kassensystem nicht unterstellt bin – zeitnah Termine bekommen kann. Um den Aspekt „freie Psychologin
näher zu erläutern sagte ich, dass ich einen alternativen Behandlungsansatz nutze, der durchaus seine Vorteile hat.
Ihre Antwort war ein wenig aufgeregt, dass ihr Arzt ihr sagte, dass sie auf gar keinen Fall etwas anderes machen solle als eine Verhaltenstherapie, denn nichts anderes wäre in ihrem Fall sinnvoll.
Zweites Beispiel aus einem Erstkontakt-Telefonat
Eine junge Mutter kontaktierte mich. Sie hätte eine Überweisung zum Psychiater und Psychotherapeuten bekommen. Einer Einweisung in die Psychiatrie lehnte sie ab, da sie eine kleine Tochter habe und ihr Mann im Krankenhaus liege. Dem Gespräch entnahm ich, dass sie den Unterschied zwischen Psychiater und Psychotherapeut nicht kannte.
In solchen Fällen verfalle ich gern in meinen Modus der Aufklärung und erklärte kurz das deutsche Gesundheitssystem. Im weiteren Gespräch ergab sich, dass sie von einem Psychiater erwarte, Tipps zu bekommen. Ja, das sei möglich, sagte ich, und gleichzeitig werde der Psychiater sie auch medikamentös einstellen wollen. Ich hörte heraus, dass sie ungern Medikamente einnehmen wolle, so meinte ich, sie könne immer noch selber entscheiden, ob sie die Medikamente dann nehmen wolle oder nicht. Mit der Reaktion der jungen Mutter hatte ich nicht wirklich gerechnet. Sie fragte (sich oder mich), ob man das denn wirklich dürfe - verschriebene Medikamente nicht einnehmen?
Nur, wer gut informiert ist, kann gute Entscheidungen für sich treffen. Und wir werden immer häufiger gefordert, Entscheidungen anderer zu hinterfragen und uns selber um unsere Belange zu kümmern. Auf der anderen Seite kann nicht jeder immer alles wissen. Wir sind auf die Informationen von anderen angewiesen. Ärzte sind für uns Experten, die für unsere Gesundheit das Beste wollen und wir haben gelernt, dass deren Entscheidungen weitreichend gut sind. Die Schulmedizin ist eine lebenserhaltende Medizin, die deutlich zu unserem Lebensstandard beigetragen hat. Und gleichzeitig hat auch diese Medizin ihre Grenzen.
Da jeder sein eigener Entscheider über Körper, Geist und Seele ist, bleibt es nicht aus, sich gut und allumfassend zu informieren. Eine Zweitmeinung kann eingeholt werden. Das machen wir doch auch, wenn es um des deutschen Mitbürgers Lieblingsspielzeug geht, dem Auto. Entscheidungen für sich zu treffen beinhaltet immer, Informationen zu suchen, zu vergleichen und abzuwägen. Dabei sich seiner eigenen Prioritäten klar zu werden, Neues und Unbekanntes zu verstehen und sich gut und wohl mit der eigenen Sichtweise zu fühlen. Von daher gibt es kein richtig und kein falsch. Jeder trifft zu jedem Zeitpunkt seine Entscheidung und die ist richtig. Möglicherweise aus einer späteren zeitlichen Perspektive heraus, hätte eine andere Entscheidung sinnvoller sein können. Das wissen wir aber erst in der Retrospektive.
Fazit ist, andere therapeutische Richtungen dürfen in Anspruch genommen werden und es ist möglich, verschriebene Medikamente nicht einzunehmen.
In diesem Buch möchte ich über psychotherapeutische Möglichkeiten informieren. Ich möchte, dass jeder eine gute und richtige Entscheidung für sich selbst treffen kann. Ich möchte über meine Entscheidung einen alternativen Weg zu gehen berichten und stelle meine eigene Technik vor, um Emotionen, die an Ereignisse gekoppelt sind, zu harmonisieren. Kleine Alltagshelfer, die die persönliche Gefühlslage entspannen, stelle ich ebenfalls vor. Fallbeispiele aus der Praxis runden das Bild ab.
Zudem möchte ich für eine alternative und ganzheitliche Perspektive in der Psychotherapie Bekanntheit schaffen. Ich möchte Möglichkeiten eröffnen und Wissen teilen. Ich möchte auch – als gesellschaftliches Ziel – Brücken bauen zwischen schulmedizinischen und alternativen Ideen. So können Ängste vor Neuem und vor dem Unsichtbaren aufgelöst und die Achtung vor Menschen, die sich einen anderen, neuen Weg suchen, um wieder zu gesunden, erhöht werden.
Ich wünsche mir, dass Krankenkassen beginnen Studien in diesem Feld zu machen. Und ich mache da jederzeit gerne mit. Ich wünsche mir für die Zukunft, dass für alle Menschen alle Möglichkeiten in der Psychotherapie gleich viel wert sind und finanziell vom Krankenkassensystem übernommen werden.
Beginnen wir hier mit einem Buch über mögliche Alternativen, die einen friedvollen, effektiven und modernen Weg in der Psychotherapie bereiten.
1 Report Psychologie, Thema des Monats im August 2015
I Mögliche Wege
1.Der klassische Weg
1.1 Begrifflichkeiten
Psychiater / Psychologe
Psychologischer oder Ärztlicher Psychotherapeut
Kinder- und Jugendpsychotherapeut
1.2 Die Therapeuten
Approbation und Abrechnung / Schutz des Namens Therapeut
1.3 Therapie - Klassische Psychotherapie
Verhaltenstherapie
Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie Psychoanalyse
1.4 Das Deutsche Gesundheitssystem
Ambulanter Gesundheitsbereich Stationärer Gesundheitsbereich Rehabilitations-Gesundheitsbereich
1.5 Was dieses System leistet
2.Mein Weg
2.1 Meine Familie und Ich
Mein seelisches Zuhause / Ein erneuter PsychoAuslöser Schulmedizin Pur
2.2 Wie bin ich nur Psychologin geworden?
2.3 So ein funktionaler Mensch
Funktionieren im Außen - so auch im Innen
Gedanken rund um ein Kind
2.4 Der klassische Weg wird verlassen
Der auslösende Moment
2.5 Die Entscheidung
3.Der alternative Weg
3.1 Begrifflichkeiten
Heilpraktiker im Allgemeinen / Heilpraktiker /
Heilpraktiker für Psychotherapie / Heiler und Co /
Weitere therapeutisch Tätige ohne Anerkennung /
Heilung / Heilung aus der Ferne / Honorar
3.2 Was Ich bin
1. Der klassische Weg
In den vergangenen Jahren habe ich feststellen können, dass Menschen unsicher sind im Umgang mit Begriffen im Rahmen der Psychotherapie. Es ist nicht klar, was den Psychiater vom Psychologen unterscheidet, wann jemand Psychotherapeut ist und welche Möglichkeiten auf dem klassischen Weg in der Psychotherapie angeboten werden und worin darin der Unterschied besteht. Ich höre auch immer wieder die Unsicherheit heraus, was könne nun am besten getan werden? Meist wird eine Überweisung vom Hausarzt in den Händen gehalten und daraufhin werden wahllos Therapeuten, Psychologen und Psychiater angerufen, im guten Glauben, irgendwo wird schon irgendwer irgendwann Zeit für einen haben.
Hieraus hat sich im Erstkontakt schon oft ein längeres Gespräch entwickelt, in dem ich die Möglichkeiten, die heute auf dem klassisch psychotherapeutischen Markt üblich sind, erläutere. Die Anrufer waren dafür meist sehr dankbar.
Im Folgenden werden Begriffe geklärt und Therapiemöglichkeiten beschrieben. Zudem wird das, was das deutsche Gesundheitssystem leistet, angesprochen. Alles in allem ist es das Ziel, eine Übersicht zu geben, damit sich jeder, der nach psychologischer Unterstützung sucht, diese auch auf dem klassischen Weg finden kann. Grundvoraussetzung ist immer Information und Wissen.
1.1 Begrifflichkeiten
1.1.1 Psychiater
Ein Psychiater - oder auch Neurologe - ist ein Arzt, der ein Studium der Medizin mit der Fachrichtung Psychiatrie und Neurologie abgeschlossen hat. Ein Arzt stellt Diagnosen und darf vor allem Medikamente verschreiben. Psychiater in niedergelassenen und privaten Praxen wie auch in Fachkliniken beraten und helfen, Entscheidungen zu treffen, die aus medizinischer Sicht für eine schnelle Genesung relevant sind.
Empfohlen werden kann von Seiten eines Psychiaters eine stationäre Aufnahme in einer Klinik, in der jeder als Patient sodann aufgenommen werden kann. Anhand von Gesprächen und Testmaterialien wird entschieden, welche Medikation und welche therapeutische Unterstützung relevant erscheinen. Neben der medikamentösen Einstellung erfolgen gruppen- bzw. einzeltherapeutische Begleitungen, Bewegungs- und Sportmaßnahmen oder auch Ernährungsberatungen. Wenn nach einer absehbaren Zeit und abschließender Begutachtung, die Psychiater (Ärzte) und Psychologen (Therapeuten) vor Ort der Meinung sind, die Symptomatik hat sich soweit stabilisiert, wird der Patient entlassen und an eine ambulante Therapieeinrichtung oder einen niedergelassenen Psychotherapeuten verwiesen.
Empfohlen werden kann aber auch eine ambulante Therapie in einer sogenannten Tagesklinik. Tagsüber ist eine therapeutische Betreuung vorhanden in einer psychiatrischen Einrichtung, Jeder Patient geht abends nach Hause. Das ist so ähnlich wie jeden Tag arbeiten gehen. Auch hier wird nach einer bestimmten Zeit, wenn Stabilisierung eingetreten ist, empfohlen eine psychotherapeutische Begleitung in der Nähe des Wohnortes zu beginnen.
Auch Psychiater können eine zusätzliche therapeutische Ausbildung erlangt haben und können somit neben der medikamentösen auch eine therapeutische Begleitung anbieten.
1.1.2 Psychologe
Häufig werden die Begriffe „Psychologe und „Psychotherapeut
als Synonym verwendet. Ein Psychologe ist erst einmal nur ein studierter Mensch, der sich speziell mit den psychologischen Aspekten des menschlichen Seins universitär - also theoretisch - befasst hat. Während des Studiums der Psychologie spezialisiert sich der Student. Der eine wird in die Beratung von Unternehmen oder Medien gehen, der andere in die Wissenschaft oder die Personalwirtschaft und der dritte in den therapeutischen Bereich. Erst wenn der studierte Psychologe nach Abschluss des Studiums zusätzlich noch eine klassische Ausbildung in Verhaltenstherapie, tiefenpsychologisch fundierter Psychotherapie oder analytischer Psychotherapie an einem renommierten Institut absolviert hat, darf er sich psychologischer Psychotherapeut/In oder kurz Psychotherapeut/In nennen².
1.1.3 Psychologischer oder Ärztlicher Psychotherapeut
Der Unterschied zwischen einem psychologischen Psychotherapeuten und einem ärztlichen Psychotherapeuten ist die Art des Studiums. Der eine studierte Psychologie, der andere Medizin mit der Fachrichtung Psychiatrie und Neurologie. Beide haben sich psychotherapeutisch weitergebildet.
1.1.4 Kinder- und Jugendpsychotherapeut
Kinder- und Jugendpsychotherapeuten kümmern sich im Besonderen um das Wohl von Kindern und Jugendlichen. Sie werden ganz speziell auf die Behandlung von jungen Menschen geschult, nutzen dabei andere Herangehensweisen und Methoden, um psychische Probleme zu bewältigen. Diese zusätzliche Ausbildung ist Grundvoraussetzung hier in Deutschland, um mit Kindern und Jugendlichen psychotherapeutisch – auf dem klassischen Weg – arbeiten zu dürfen.
1.2 Die Therapeuten
Die Anzahlen der Absolventen studierter Psychologen hat sich innerhalb von gut 20 Jahren mehr als verdreifacht³. Von allen Absolventen sind ca 30% im Gesundheitssektor tätig und im kassenärztlichen Gesundheitssystem registriert⁴.
Innerhalb der Gruppe der Psychologischen Psychotherapeuten wird am häufigsten verhaltenstherapeutisch mit Klienten gearbeitet (49%), während in der Gruppe der ärztlichen Psychotherapeuten die tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie be-vorzugt wird (58%)⁵. Weniger als die Hälfte aller therapeutisch arbeitenden Psychologen oder Ärzte nutzen die Psychoanalyse als Behandlungsform.
1.2.1 Approbation und Abrechnung
Nicht alle auf dem Markt aufzufindenden psychologischen Psychotherapeuten sind dem kassenärztlichen System angeschlossen. Es gibt einige, die zwar auch nach den kassenärztlichen Richtlinien ausgebildet wurden, jedoch keine eigene Kassenzulassung erworben haben. Um von der gesetzlichen Krankenkasse als abrechnungswürdiger Psychotherapeut anerkannt zu werden, bedarf es noch eines Eintrages ins Ärzteregister. Dann – wenn der Antrag angenommen und dort aufgenommen – erhält der psychologische Psychotherapeut die sogenannte Approbation. Nur wer approbiert ist, kann auch über die gesetzlichen Krankenkassen abrechnen und Klienten annehmen aufgrund einer ärztlichen Überweisung.
Ist ein Psychotherapeut noch nicht approbiert, jedoch nach den Regeln der Krankenkassen ausgebildet, ist er frei tätig. Auch diese Psychotherapeuten können unter bestimmten Voraussetzungen über die gesetzliche Krankenkasse abgerechnet werden. Diese Bedingungen und eine Liste aller frei tätigen Psychologen können bei der eigenen Krankenkasse angefragt werden.
Dies hat sich als nützlich erwiesen, da immer noch zu wenig Psychotherapeuten die kassenärztliche Zulassung erhalten und dadurch der heutige Bedarf an kostenfreien Therapieplätzen bei weitem nicht ausreichend ist.
Neben den oben genannten klassischen und vor allem anerkannten Therapiemethoden (Verhaltenstherapie, tiefenpsychologisch fundierte Therapie und Psychoanalyse), gibt es noch weitere Therapiemodelle, die zumindest von einigen Krankenkassen anerkannt und somit bezahlt werden. Dabei handelt es sich um Gesprächstherapie, Systemische Therapie, Kunst- und Musiktherapie sowie Traumatherapie uvm. Andere Krankenversicherungen übernehmen diese Therapiemodelle nicht⁶. Die Übernahmespezifikationen sind am besten immer im Vorfeld mit der eigenen Krankenkasse abzuklären.
1.2.2 Schutz des Namens Therapeut
Leider gibt es immer wieder kleine Lücken in der Rechtslage, so dass sich jeder – ohne nachweisbare Ausbildung Coach und / oder Therapeut nennen darf. Lediglich in Deutschland sind die Begriffe Physiotherapeut, Psychotherapeut, Musik- und Kunsttherapeut sowie Heilpraktiker und Arzt geschützt⁷. Und um diese Titel tragen zu dürfen bedarf es einer speziellen Ausbildung oder heilkundlichen Zulassung⁸. Somit sind psychologische Psychotherapeuten und Psychiater fundiert ausgebildet.
Wichtig ist nun noch für den Hilfesuchenden zu entscheiden, mit welcher Art Therapie ein Psychotherapeut arbeiten sollte, um die subjektiv erlebte Symptomatik möglichst effektiv zu behandeln. Zudem spielt auch die persönliche Ebene eine große Rolle. Gerade zwischen Psychotherapeut und Klient sollte eine vertrauensvolle Wohlfühl-Atmosphäre vorhanden sein, so dass es jedem leicht fällt sich zu öffnen und frei von der Leber weg zu reden. In jedem Fall sind fünf Behandlungen möglich, um sich für oder gegen einen Therapeuten zu entscheiden.
1.3 Therapie - Klassische Psychotherapie
Um als Psychotherapeut nach dem Studium überhaupt arbeiten zu können, müssen alle an einem renommierten Institut – also nicht irgendwo – eine angewandte Ausbildung absolviert haben. Oft zieht sich diese Ausbildung über 3 Jahre in Vollzeit hin. Danach kann sich der Absolvent Psychotherapeut in Verhaltenstherapie, tiefenpsychologisch fundierter Therapie oder Psychoanalyse nennen. Ganz wichtig, um die Approbation zu erhalten und über die gesetzlichen Krankenkassen abrechnen zu können, werden nur diese drei Therapieformen zugelassen. Alle anderen heutzutage möglichen Therapieformen sind gezielt bei Krankenkassen anzufragen.
Seit 2014 wird die Therapieform EMDR (Eye Movement Desensitization and Reprocessing) anerkannt und auch übernommen⁹. Diese Behandlungsmethode, die in einer Zusatzausbildung erworben wird, ist ein sehr hilfreiches Instrument besonders in der Bearbeitung und Bewältigung von Traumata.
1.3.1 Verhaltenstherapie
Die grundlegende Idee der Verhaltenstherapie ist, dass das derzeitige Verhalten problematisch ist und verlernt werden soll, indem gleichzeitig ein neues Verhalten einstudiert wird. Damit wird das alte Verhalten im Gehirn sozusagen überschrieben.
Die Verhaltenstherapie wurde aus der Lerntheorie heraus entwickelt. Grundgedanke ist: Verhalten ist lernbar. Heute ist der Fokus der Verhaltenstherapie deutlich weiterentwickelt und zieht sowohl Gedanken und Gefühle des Menschen mit ein¹⁰. Ziel ist es, Verhaltensweisen, die sich negativ auf das subjektive Wohlbefinden des Menschen auswirken, durch bestimmte Techniken umzulenken, neu zu lernen und somit den Lebensalltag besser bewältigen zu können¹¹.
Zu Beginn einer Therapie wird eine Problem- und Bedingungsanalyse durchgeführt, um genaue Beschreibungen des Problems zu bekommen als auch das Problem erst einmal klar zu umreißen. Hiermit lassen sich Ziele erstellen und die Vorgehensweise definieren. Üblicherweise werden Verhaltensübungen eingesetzt, die sowohl aktiv vor Ort als auch im Lebensalltag geübt oder möglicherweise auch nur in der Vorstellung durchlebt werden sollen. Hierbei gibt es unterschiedliche Herangehensweisen.
Eine ist die systematische Desensibilisierung. Hier werden Klienten mit zB einem angstauslösenden Reiz immer wieder in kleinen Dosen konfrontiert bis sich Gedanken und Körper in die Konfrontation hinein entspannen können. Diese Schritt-für-Schritt-Konfrontation ist langwieriger als eine komplette Reizkonfrontation. Hier geht der Klient zusammen mit dem Therapeuten komplett in die zB angstauslösende Situation hinein. Der Klient stellt sich der Situation mit Unterstützung des Therapeuten, die somit nicht mehr umgangen werden kann. Eine weitere beliebte Methode ist die der Verstärkung, dh der Belohnung von erwünschtem Verhalten und die Nichtbeachtung von unerwünschtem Verhalten.
In der kognitiven Verhaltenstherapie werden Methoden des sozialen Kompetenztrainings eingesetzt, indem in Rollenspielen eine verloren gegangene soziale Kompetenz - wie zB um etwas bitten oder seine Gefühle äußern können - geübt werden. Mit der Methode des Trainings der Problemlösung werden zuerst mittels eines Schemas Strategien der Problemlösung gelernt und dann in Rollenspielen eingeübt¹². Auch Entspannungsverfahren¹³ können eingesetzt werden, wie Autogenes Training und Entspannungsübungen nach Jacobson. Denn je entspannter ein Mensch einer subjektiven Gefahr gegenübersteht, desto weniger bedrohlich wirkt diese.
Verhaltenstherapeutisch wird in Einzel- oder Gruppenbehandlungen gearbeitet. Im Normalfall finden Gespräche im wöchentlichen Turnus statt. Es wird davon ausgegangen, dass Klienten zuhause und im Alltag üben, damit sich das neu erlernte Verhalten besser und leichter einprägen kann.
1.3.2 Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie
Die grundlegende Idee der tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie ist, dass beim Klienten in Jahren der frühen Kindheit Situationen auftraten, die mit unangenehmen Gefühlen einhergingen. Möglicherweise sind diese negativen Erfahrungen auch aus einem inneren und unbewussten Konfliktpotential heraus entstanden. Meist besteht dieser innere Konflikt aus dem Wunsch unabhängig und selbstständig zu sein bei gleichzeitigem Fordern nach Bindung und Versorgung¹⁴. Tritt eine Situation auf, in der dieser Konflikt stark erlebt wird, werden die daran gebundenen Emotionen im Unterbewussten abgelegt. Gleichzeitig – obwohl unterbewusst – prägt es das weitere Verhalten, die Gefühle und somit auch die Sicht auf die Dinge im Leben. Dies kann ggf zu stark belastend erlebten Situationen und auffälligen Verhaltensweisen führen. Symptome können psychischer bis hin zu körperlicher Natur sein.
In einer Tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie ist es die Aufgabe des Therapeuten die ins Unterbewusste abgedrängten Situationen mit den daran gebundenen Gefühlen aufzudecken und bewusst zu machen¹⁵. Somit werden die Ursachen der heutigen misslichen Lage aufgespürt. Gleichzeitig werden Fähigkeiten, die aufgrund der situativen Lage in der Kindheit, nicht hilfreich ausgebildet wurden, aufgebaut und trainiert. Da die alten, unbewussten und oft sehr schmerzhaften Erfahrungen in Gegenwart des Therapeuten noch einmal durchlebt werden, ist es wichtig, dass Klient und Therapeut eine gute und stabile Beziehung haben, die von Offenheit und Ehrlichkeit geprägt ist.
Ziel ist es, reifere bzw neue oder andere Verarbeitungsstrategien von früheren unbewussten Vorgängen und Konflikten, die sich in aktuellen Lebenssituationen, besonders in interpersonellen Beziehungen zeigen, zu etablieren¹⁶. Hier wird ebenso in Einzel- oder Gruppenbehandlungen gearbeitet, in der Regel einmal wöchentlich. Die Dauer ist abhängig von der Schwere der Erfahrungen und kann bis zu mehreren Jahren dauern¹⁷.
1.3.3 Psychoanalyse
Der Begründer der Psychoanalyse ist Sigmund Freud. Er suchte nach einem Erklärungsmodell der menschlichen Psyche. 1896 entwickelte er seine Theorie über unbewusste Vorgänge im Seelenleben eines Menschen, die in der Kindheit ihren Ursprung haben und somit kaum bewusst zugänglich sind¹⁸ und nun im fortlaufenden Alter seelische Konflikte und Probleme bereiten. Freud befasste sich – und brach damit durchaus in der Zeit Tabus – sehr intensiv mit der Entwicklung der Persönlichkeit aufgrund der Triebkraft des Menschen, die auch für ihn ganz klar bereits im Kindesalter angelegt ist. Darf die Triebkraft nicht gelebt werden, entstehen Mängel und Defizite, die zu inneren Konflikten und zu Verhaltensauffälligkeiten im Alter¹⁹ führen. Die Psychoanalyse hat sich durchaus weiterentwickelt, denn nicht mehr steht die mangelnde Auslebung der Triebkraft in Abhängigkeit des kindlichen Alters heute ausschließlich im Vordergrund.
Motive und Einstellungen, die sich in der Vergangenheit entwickelt haben und damals sinnvoll waren, wirken im Heute weiter und sind dadurch mit – auch wenn alt – handlungsbestimmend. Durch diese Erkenntnis kann Veränderung eintreten, Probleme gelöst und jeder somit psychisch gesünder werden²⁰,²¹. Geht es um Defizite, die jemand aufweist, dann kann auch eine Umstrukturierung der Persönlichkeit und ein Nachreifen Ziel der Behandlung sein²². Somit ist die Psychoanalyse Persönlichkeitstheorie und Krankheitslehre zugleich, die mit bestimmten Behandlungsformen die Möglichkeit bietet, innere Konflikte erkennbar zu machen und damit eine Richtungsänderung des Verhaltens ermöglichen kann²³.
Behandlungsformen beziehen sich vornehmlich auf die Traumdeutung und die freie Assoziation. In der freien Assoziation benötigt der Klient einen offenen und vertrauensvollen Rahmen, indem ehrlich mit sich selbst in Kommunikation getreten werden kann und gelernt wird, sich frei zu äußern. Durch die Äußerungen erfolgt eine Bewusstwerdung, die durchaus Veränderungen im Inneren bewirken können.
Das Ziel ist klar: Es geht um den Erkenntnisgewinn der Grundlagen des heutigen Verhaltens basie-rend auf Kindheitserlebnissen²⁴. Es geht nicht um eine Harmonisierung von Erlebtem. Das Ende der Behandlung kann neben dem Erkenntnisgewinn auch die Umstrukturierung und das Nachreifen der Persönlichkeit des Menschen zum Ziel haben. Die Behandlungsdauer in Einzelsitzungen – einmal bis mehrmals die Woche – ist daher offen und kann bis zu fünf Jahren dauern²⁵.
1.4 Das Deutsche Gesundheitssystem
Das deutsche Gesundheitssystem basiert auf vier Grundsäulen. Es besteht eine Versicherungspflicht und eine Beitragspflicht, deren Höhe einkommensabhängig ist und somit ein Solidaritätsprinzip zur Grundlage hat. Das Gesundheitssystem ist zudem selbstverwaltend²⁶.
Gesetze für das allgemeine deutsche Gesund-heitssystem werden auf Bundesebene getroffen. Ausschüsse regulieren, was und in welcher Höhe zB von Krankenkassen gezahlt werden muss²⁷. Die Krankenkassen decken die Basis der Gesundheitsfürsorge ab. Spezielle Leistungen, die als iGeL-Leistungen bekannt sind, sind individuelle GesundheitsLeistungen, die privat zu zahlen sind. Ist eine Behandlung nicht mit dem regulären Gesundheitsfürsorgebereich abgedeckt, kann jeder auf dem freien Markt nach speziellen Lösungen für sich suchen.
Unterteilt ist das gesamte Gesundheitswesen in drei große Bereiche, dem
- ambulanten Behandlungssystem
- stationären Behandlungssystem
- Rehabilitationssystem²⁸.
1.4.1 Ambulanter Gesundheitsbereich
Den ambulanten Bereich decken hierzulande die niedergelassenen Ärzte / Zahnärzte / Therapeuten (Sammelbegriff für alle Heilberufe, die staatlich anerkannt sind) ab. Jeder Bürger des Landes hat ganz grundsätzlich das Recht der freien Arztwahl, was sogar gesetzlich geregelt ist unter §76 SGB V (Sozialgesetzbuch).
Der Beratungsbedarf im Rahmen der ambulanten Fürsorge wächst von Jahr zu Jahr²⁹. Das kann daher kommen, dass immer mehr Menschen Unterstützung suchen und auch immer älter werden. Hierdurch wird der Bedarf an Gesundheits- und Pflegedienstleistungen in den nächsten Jahren weiter steigen³⁰.
1.4.2 Stationärer Gesundheitsbereich
Der stationäre Gesundheitsbereich wird von Ärzten in Krankenhäusern abgedeckt. Ärzte, die in Krankenhäusern arbeiten, sind überwiegend nicht in eigener ambulanter Praxis tätig. Ausnahmen bilden Belegärzte, die durch ihre Tätigkeit in der eigenen Praxis, ihren Patienten auch operative Eingriffe unter ihrer Leitung anbieten. Krankenhäuser werden entweder durch öffentliche Mittel gehalten, durch privatwirtschaftliche Anbieter betrieben oder sind in gemeinnütziger Hand (ca 35%). Die Anzahl der Krankenhäuser in öffentlicher Hand sind in den Jahren 1991 bis 2015 von 36% auf 29,5% gesunken. Dagegen stieg der privatwirtschaftliche Markt (35,6%) im Krankenhaussektor an. Helios Kliniken – ein Großunternehmen aus der Gruppe Fresenius und Rhön (Fusion 2012) – sind damit derzeit der größte Anbieter mit mehr als 5,2 Mio € Umsatz jährlich. Dagegen sind die Asklepios-Kliniken fast schon klein. Trotz der Fusion mit Mediclin stehen sie an zweiter Stelle der Umsatzskala mit ca 3,0 Mio € jährlich³¹. Einige – zB Fresenius – sind bereits an der Börse notiert und sind damit nicht nur einer Verpflichtung gegenüber ihren Patienten, sondern auch gegenüber ihren Aktionären, eingegangen. So steigt der Druck im stationären Bereich der Gesundheitsversorgung in Deutschland Geld zu verdienen³².
Der Aufgabenschwerpunkt des stationären Gesundheitssystems liegt in der Notfall- und Akutversorgung. Hier müssen oft in sehr kurzer Zeit, Entscheidungen für Patienten getroffen werden, deren Gesundheit eine körperliche Grenze angenommen hat. Ziel ist – laut Hippokratischem Eid³³ – das Leben des Menschen zu erhalten. Hierin werden Ärzte heutzutage von Maschinen und Technik, die wir uns vor 100 Jahren nicht mal vorstellen konnten, unterstützt³⁴. Das Wissen, das heute in der westlichen Medizin Grundlage ist, bringt uns viele Vorteile. Wir verstehen den Körper des Menschen deutlich besser und können mit minimalinvasiven Techniken schnell und effektiv Korrekturen im körperlichen Symptombereich vornehmen. Auch dadurch leben Menschen in der Regel länger.
1.4.3 Der Rehabilitations-Gesundheitsbereich
Unter Rehabilitationsleistungen sind medizinische Leistungen zu verstehen, die eine Verschlimmerung des körperlichen oder seelischen Zustandes verhindern (abwenden, beseitigen, mindern) sollen³⁵. Rehabilitationsleistungen sind also gleichzeitig neben der Nachsorge (der Nichtverschlimmerung eines Zustandes) auch eine Vorsorge. Es sollen andere oder weitere – oder gar die Wiederholung - krankhafte Zustände vermieden werden.
Es werden innerhalb der Rehabilitationsmaßnahmen vier Bereiche unterschieden³⁶:
1. Medizinische Leistungen
(Wiederherstellung der Gesundheit)
2. Teilhabe am Arbeitsleben
(Erhaltung der Erwerbsfähigkeit)
3. Unterhaltssichernde Leistungen
(Erhaltung der Reha-Maßnahmen)
4. Teilhabe an der Gemeinschaft
(speziell für behinderte Menschen, um sie am Gemeinschaftsleben teilhaben zu lassen)
Träger dieser möglichen Leistungen, die alle im Sozialgesetzbuch festgeschrieben sind, sind unterschiedlich. Es können Krankenkassen sein, aber auch die Bundesagentur für Arbeit, gesetzliche Unfall- und Rentenversicherungen sowie Jugendhilfeträger und Träger von Sozialeinrichtungen³⁷. Voraussetzung für eine Reha-Maßnahme ist immer, dass die betreffende Person „reha-bedürftig und „reha
-fähig ist. Beides wird vom sozialmedizinischen Dienst geprüft³⁸.
Zur Arbeitswiedereingliederung nach längerer Arbeitspause