Pilgern - das letzte Abenteuer unserer Zeit: ... auf dem Franziskusweg unterwegs
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Pilgern - das letzte Abenteuer unserer Zeit - Klaus Gresser
Einleitung
Sehr viele Menschen waren und sind auf dem bekanntesten Pilgerweg der Welt, auf dem Camino Frances, dem Jakobsweg, unterwegs. Meist in St. Pie di Port in Frankreich gestartet, oder von Süden in Lissabon oder Porto in Portugal (Küstenweg-Camino Portugues), ist ihr großes Ziel Santiago di Compostela in Spanien. So war auch mein allererster Gedanke, als ich einen Pilgerweg plante, den Camino Portugues in Angriff zu nehmen. Er erschien mir ein vernünftiger Einstieg für einen „Pilgeranfänger" zu sein. Er dauert ca. zwei Wochen und führt überwiegend in Flachetappen nach Santiago de Compostela. Aber es kam ganz anders.
Meine Beweggründe
Im Juni 2018 hate ich einen schweren Unfall beim Drachenfliegen in Vorarlberg/Österreich. Ich hatte vergessen mich mit meinem Gurtzeug in den Drachen einzuhängen. Ich startete…
… und wachte im Landeskrankenhaus in Feldkirch/Österreich wieder auf. Zu Anfang war ich nur froh überlebt zu haben. Die meisten Piloten, die vergessen haben, sich einzuhängen mussten diesen Fehler mit dem Leben bezahlen. An mir war aber noch alles dran. Bis auf Hautabschürfungen und dem Verlust der vorderen Zähne war alles OK. Nach zwei Tagen Beobachtung im Spital durfte ich wieder nach Hause. Erst dort spürte ich die nicht sogleich sichtbaren Auswirkungen des Unfalls: Meine Psyche war angeknackst: So schnell ist das Leben durch einen einfachen Fehler vorbei! Und das mir! Wo ich doch immer alles im Griff habe! Zum anderen sah ich plötzlich einen riesigen schwimmenden braunen Fleck vor meinem rechten Auge, der vorher nicht da war. Es war furchtbar, bei jeder Augenbewegung ging der Fleck mit! Ich recherchierte im Internet. Diese sogenannten „Floater oder „Mouches Volantes" zusammen mit dem Schuldgefühl durch einen Anfängerfehler beinah tot zu sein, trieben mich in eine posttraumatische Belastungsstörung,- so die Diagnose des Arztes. Ich war in eine Depression geraten! Ich dachte, nun ist mein bisheriges, schönes Leben vorbei und ein anderes, weniger schönes wird beginnen! An irgendeinem Zeitpunkt in dieser Situation schwor ich, wenn ich je wieder ein normales Leben führen kann, mache ich mich auf einen Pilgerweg!
In meiner Therapiephase traf ich auf einen sehr guten Gesprächstherapeuten. Ich erzählte ihm unter anderem von meiner Idee, einen Pilgerweg zu wagen. Er fand diese Idee großartig und bestärkte mich darin. Er meinte, gerade auch in dieser Übergangsphase vom Berufsleben in die Pension, ich stand wenige Monate vor diesem Umbruch, sei es sinnvoll Inne zuhalten, über sich und das bisherige Leben nachzudenken und im Kopf frei zu werden, um zu überlegen, was man denn zukünftig als Pensionär machen möchte. Neu gewählte Indianerhäuptlinge, gehen, bevor sie ihr neues Amt antreten, für einige Zeit in die Schwitzhütte, um sich zu reinigen und im Kopf frei zu werden. Jesus fastete 40 Tage in der Wüste. Es machte Sinn, so meinte er weiter, in einer entscheidenden Umbruchsphase des Lebens, sich auf diese Weise, z.B. durch einen Pilgerweg, eine Auszeit zu nehmen, um über das vergangene Leben nachzudenken und sich klar zu werden, was man im weiteren Leben machen möchte.
Nachdem auch meine Augenproblematik durch die Kunst der Augenärzte immer besser wurde, - mittlerweile gibt es (sehr teure) Verfahren mit Hilfe von Lasertechnik diese Floater zu zerstören, und zudem sich das Gehirn zunehmend an das Vorhandensein einiger wenige, sichtbarer Floaterreste gewöhnte, war klar: Der versprochene Pilgerweg steht an.
Die Planung
Vom berühmten Jakobsweg hatte ich vom Buch und Film von Hape Kerkeling gehört. Freunde von uns, ein Ehepaar, waren beide, nicht zusammen, sondern nacheinander diesen Weg gegangen. Thomas war im Herbst auf dem Camino Portugues von Porto aus unterwegs, seine Frau Im Frühjahr 2019. Ich hatte also Vorbilder, deren Erfahrungen ich erfragen und diskutieren konnte. Thomas Erfahrungen und Berichte bestärkten mich in meinem Entschluss. Ich kaufte mir einen entsprechenden Pilgerführer. Im Frühsommer 2019 stieg ich in die konkrete Planung ein. Ich lud Christine zum Kaffee ein, und bat sie über ihre Erfahrungen und Erlebnisse zu berichten. Zwei anfangs nicht so bedeutsam erscheinende Punkt prägten sich mir ins Gedächtnis ein: Es müssen wohl sehr viele Pilger auf diesem Weg unterwegs sein und zweitens: Übernachtet/geschlafen wird meist mit mehreren zusammen, in der zufällig zusammengewürfelten Pilgergemeinschaft in einer Gemeinschaftsunterkunft.
Vor allem der letzten Punkt ließ massive Zweifel aufkommen: Da kann ich nicht schlafen! Ich kann nicht mit mehreren, fremden Leuten in einer Gemeinschaftsunterkunft schlafen. Das will ich mir nicht antun! Meine Frau meinte nur: Stell dich nicht so an! Andere können das ja auch. Das gehört halt zum Pilgern!
Jetzt wäre ich mein Pilgerversprechen gerne wieder los geworden! Aber ist konnte ohne Gesichtsverlust nicht mehr zurück. Ich hatte zu vielen Menschen aus meiner Umgebung davon erzählt.
In der Zeit der Vorbereitung lernte ich gerade fleißig Italienisch. Im Frühsommer hatte ich einen Kurs an der Volkshochschule belegt und das Erlernen der Italienische Sprache machte mir großen Spaß. Da kam irgendwann der Gedanke auf: Könnte man das nicht verbinden? Das Pilgern und die neue Sprache üben? Ich recherchierte im Internet und stieß auf eine Beschreibung des Franziskuswegs. Es brauchte nicht viel um mich dafür zu begeistern. Außer der Sprache weckte die Person des Hl. Franziskus sofort mein Interesse. Er war mir ja schon ziemlich vertraut. Als Lehrer habe ich in vielen Stunden meinen Kindern im Religionsunterricht von Franziskus und seinem bewegten Leben erzählt. Auf einmal passte alles: Ich hatte einen interessanten Pilgerweg gefunden. Er war annähernd in derselben Zeit zu schaffen wie der Camino Portugues, - etwas mehr als zwei Wochen. Ich könnte meine neue Sprache anwenden und üben und ich war auf den Spuren des Mannes unterwegs, dessen Leben ich immer im Religionsunterricht meinen Schülerinnen und Schülern nah bringen wollte! Ich kaufte mir einen Pilgerführer über den Franziskusweg und begann mit der Vorbereitung. Mitte September sollte die Reise beginnen und dann knapp zweieinhalb Wochen dauern.
Meine Ausrüstung
Natürlich habe ich mich bei meinen Vorbereitungen in der Planungsphase intensiv mit der Ausrüstung beschäftigt. Welcher Rucksack, Regenponcho oder Regenanorak, welche Socken, Wanderschuhe, Fleecepulli und T-Shirts, u.a. soll ich mitnehmen? Die „Experten" haben da jeweils ganz unterschiedliche, und zum Teil sich widersprechende Vorschläge parat. Was soll in den Rucksack, auf was kann ich verzichten? Wie schwer darf der Rucksack sein? Ich habe die einschlägigen Pilgerführer und Internetportale herangezogen. Klar war, trotz individuell unterschiedlicher Ratschläge, alle empfehlen, dass das Gesamtgewicht, einschließlich Rucksack nicht mehr als 10 % des Körpergewichts betragen sollte. Das sind bei mir ca. 7,6 kg. Hinzurechnen muss man dann aber auf dem Weg das Wasser, ca. 1,5l und etwas Verpflegung. Jetzt nach dem Franziskusweg bin ich schlauer.
Im Folgenden meine Packliste, - fettgedruckt, die Sachen, die ich weglassen würde und welche ich dazunehmen würde.
- Rucksack, ca. 1,8 kg, stabil, mit Hüft- und Brustgurt, Alugestell
- Einen Wanderstock, in drei Teile zum Transport zerlegbar. Sehr wichtig beim Klettern bergauf und insbesondere zum Abstützen an steilen Abstiegen und beim Überqueren von Bachläufen.
- Zwei T-Shirts aus Merino, riechen nicht! Ein „Ausgeh"-Hemd kurzärmelig, z.B. zum Essen gehen, bummeln, einkaufen und während der An- und Abreise.
- Ein Fleece-Pullover. Es war morgens recht frisch und abends wurde es mit Einbruch der Dunkelheit schnell kühl. Unentbehrlich!
- Regenschutz; ich hatte einen Regenponcho dabei. Würde ich definitiv nicht mehr nehmen! Besser ist ein leichter Regenanorak. Der ist viele schneller an- und auszuziehen. Das Gewürge mit dem Poncho war furchtbar umständlich. Wenn man ihn mehrmals auf der Wanderung an- und ausziehen muss, ist der Poncho außerdem überall nass.
- Zwei Treckinghosen, eine an. Eine Treckinghose hatte abnehmbare Unterteile, so dass ich auf manchen Wegstrecken, schnell auf kurze Hose „umbauen" konnte. Praktisch! Diese Hosen haben außerdem praktischerweise viele Taschen/Fächer für Kleinzeugs wie Handy, Geldbeutel, Pilgerführer, etc.
- Eine leichte kurze Hose – habe ich nie gebraucht! Würde ich weglassen.
- Eine Badehose – habe ich nie gebraucht, siehe oben!
- Eine