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Thesen am Tresen
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Ebook137 pages1 hour

Thesen am Tresen

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Kleine kurze (wahre?) Geschichten aus dem Leben von irgendwem
LanguageDeutsch
Publishertredition
Release dateSep 5, 2022
ISBN9783347627833
Thesen am Tresen
Author

alex Wittner

alex Wittner ist 1975 in Freiburg im Breisgau geboren und aufgewachsen. Viel Zeit verbrachte er im Bereich der Jugendarbeit, wobei er sich mit Kindern und Jugendlichen zur Gruppenstunde traf und diverse Sommerfreizeiten mitorganisierte. Hier muss die Liebe zum Erdenken und Erzählen fantasiegeladener Geschichten entstanden sein. Später studierte er Betriebswirtschaftslehre und arbeitete 20 Jahre in den Bereichen Werbung und Marketing. Er selbst hat leider keine Kinder, lässt sich aber gerne von den Kindern in der Familie und von Freunden inspirieren. Wenn man sich selbst nicht zu ernst nimmt, dann kann man eine Menge Spaß haben. Also sollte man nicht nur mit Kindern und Jugendlich - eigentlich immer - versuchen ein bisschen mehr Quatsch zu machen und fantastischen Ideen zu folgen.

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    Thesen am Tresen - alex Wittner

    Mitten in Berlin, aber nicht in Mitte?

    Von außen wirkt das Haus wie eines von vielen auf der Straße. Es ist ja auch eines von vielen auf der Straße. Es entsprang wohl irgendeinem sehr alten Baustil. Ein sehr einfacher Baustil, der sich schon vor langer Zeit von moderner Architektur verabschiedet hat. Zeitlose Klasse, könnte man sagen. Und damit liegt man vermutlich richtig. Außen Wände und oben ein Dach. Ein Haus eben.

    Das Gebäude steht am Ende einer Reihe anderer Gebäude, die sich aber erst viele Jahre später, vielleicht Anfang des 20. Jahrhunderts, dazugesellt haben. Das Haus hat nur drei Stockwerke und hier und da ist ein Fenster in die Wand gezimmert. In den oberen Stockwerken wohnen vermutlich irgendwelche Menschen und unten befindet sich nicht nur vermutlich eine Bar. Und vor dem Gebäude? Ein Bürgersteig mit ein paar traurigen kleinen Bäumchen, die hoffentlich ihre beste Zeit noch vor sich haben.

    Hier und da eine Parkbank, auf der wohl kaum jemand gerne Platz nimmt. Vielleicht, um sich einmal die Schuhe zu binden oder ein Eis zu essen. Aber sicherlich nicht, um sich nach einer Wanderung hier auszuruhen und eine Pause zu machen. Um am besten noch die mitgebrachte Teekanne mit Pfefferminztee aus dem Rucksack mit Wanderabzeichen leerzutrinken. Kein Mensch macht mitten in Berlin eine längere Wanderung mit Spazierstock und Thermoskanne im Rucksack. Außerdem bietet das zwei Meter entfernte Haus wirklich keine schöne Aussicht. Aber irgendetwas hat sich der Stadtplaner bestimmt dabei gedacht, hier eine Bank hinzusetzen.

    Neben der Bank steht ein überfüllter orangefarbener Mülleimer. Darunter zwei leere Bierflaschen für die Berliner Flaschensammler. Also alles in allem eine sehr typische Straße mitten in Berlin. Was mitten in Berlin bedeutet, liegt sicherlich immer im Auge des Betrachters. Da die meisten Berliner sich für den Mittelpunkt der Welt halten, gibt es offensichtlich viel „Mitten in Berlin".

    Kommen wir zurück: Das Gebäude liegt an einer kleinen Kreuzung und hat schon einige Jahre auf dem Buckel. Vor allem aber ist es kein Yuppie-Neubau. Vielleicht war es vor ein paar Jahrhunderten mal ein Yuppie-Neubau, wenn es damals schon Yuppies gab. Aber in ein aktuelles Yuppie-Gebäude würde die Bar auch nicht reinpassen. Es ist keine schnieke Cocktailbar. Eher das Gegenteil. Urig, sagt man wohl. Manch einer würde auch von einer Taverne sprechen. Ja, es ist eine alte Taverne mitten (das hatten wir schon) in Berlin. Nennen wir sie „Zum grünen Baum oder „Zum Anker oder „Der lachende Dreibein". Oder wir lassen das mit dem Namen.

    Die Taverne ist eine Bar. Keine Yuppie-Bar. Aber wir wiederholen uns. Von außen sieht sie also ganz nett aus. Backsteine und getönte Fenster, die aus vielen kleinen einzelnen Scheiben bestehen. Ob die Scheiben getönt sind oder einfach nur dreckig und verraucht? Keine Ahnung. Aber treten wir ein.

    Es ist eine gemütliche Taverne. Es riecht nach kaltem Zigarettenrauch, der glücklicherweise größtenteils von dem angenehmen Geruch des Kaminfeuers überdeckt wird. Zu dem Kamin kommen wir sicher später noch. Das schummrige Licht beschert der Bar eine angenehme Atmosphäre, auch wenn das Fehlen der Gäste und des entsprechenden Geräuschpegels an dieser schönen Atmosphäre etwas zerrt.

    Gegenüber der Tür befindet sich ein großer Tresen. Mit allem, was man zum Ausschenken der Getränke so braucht. Es gibt links und rechts je zwei große lange Holztische mit Holzbänken und Holzhockern. Hier sitzt man zusammen. Hier trinkt man zusammen und hier lacht man zusammen. Hier rutscht man sicherlich auch zur Seite, wenn ein einzelner Gast kommt. Aber wer kommt denn überhaupt auf die Idee, so eine gastfreundliche Schenke – nein, wir wollten Bar sagen – in Berlin aufzumachen? Vielleicht war es ja auch umgekehrt. Zuerst war die Bar da und dann kam der Berliner Style drum herum dazu.

    Die Bar passt leider nicht mehr so ganz hierher. Das Interieur – oder, wie man hier besser sagen würde: die Einrichtung – ist überhaupt nicht typisch für die Gegend. Außerdem ist auch kein Mensch hier. Keine Menschenseele, wenn man vom Wirt absieht. Aber zu dem kommen wir später.

    Was gibt es sonst noch über die Bar zu erzählen? Ein Hirschgeweih an der Wand? Nein, so etwas gab es früher vielleicht einmal, aber heute will das keiner mehr. Aber dafür gibt es überall diese kleinen Deko-Gegenstände. Gegenstände, die man sonst nirgendwo mehr finden würde. Ein alter Messingbecher mit einem Stößel, ein an der Wand herunterhängender Lavendelstrauch und Bilderrahmen, die so verrußt und vergilbt auf dem Kaminsims stehen, dass man die Bilder längst nicht mehr erkennen kann.

    Ja, rechts vom Tresen ist ein Kamin. Ein offener Kamin mit ein paar leicht lodernden Holzscheiten darin. Auf der einen Seite ist weiteres Holz gestapelt und auf der anderen Seite ist das übliche Kamingeschirr mit Besen und Schürhaken und so Zeug. Man könnte sich vorsichtig die Frage stellen, ob das Ordnungsamt von diesem Kamin weiß. Darf man in einer Gaststätte so ein offenes Feuer brennen lassen? Da gibt es doch sicher jede Menge Vorgaben.

    „Das geht dich überhaupt nichts an, unterbricht der Wirt den erstaunten neutralen Erzähler. „Das ist meine Bar und meine Geschichte und wenn ich da einen Kamin drin haben will, dann habe ich da einen Kamin. Und wenn da gleich ein Zebra zur Tür reinkommen soll, dann ist das so. Leb damit.

    Ach ja, der Wirt. Hinter dem Tresen steht ein großer, kräftiger Mann mit dunklen Haaren, dunklen Augen und einem dunklen Vollbart. Er trägt ein schwarzes T-Shirt und hat ein kariertes Handtuch über der Schulter. Das ist kein Zufall. Der Mann weiß immer, wo sein Handtuch ist. Der Wirt ist wohl Ende vierzig und hat ein freundliches Gesicht. Mit einigen Lachfalten, die er aktuell aber nicht besonders strapaziert. Mit einem anderen, ebenfalls karierten Handtuch trocknet er gerade ein Bierglas ab. Er bereitet die Bar auf den großen Ansturm vor. Jeden Moment könnte ein Gast hereinkommen. Immerhin bricht der Abend gerade an und es wird für viele Menschen in Berlin Zeit für ein Bier.

    Das Regal hinter dem Wirt steht voll mit Flaschen mit hochprozentigem Inhalt. Whiskey aus Schottland, Rum aus Guyana, Gin aus Japan, Wodka aus Finnland und natürlich alles, was sich der Kenner des gepflegten oder ungepflegten Tropfens noch so vorstellen kann. Auch die Zapfhähne versprechen, dass keine Kehle trocken bleiben muss.

    Um das Bild noch kurz zu vervollständigen: Rechts hinter der Bar ist eine kleine Durchgangstür, die in einen Raum hinter dem Regal führt. Diese ist geschlossen, weshalb nicht zu erkennen ist, ob sich da eine Küche oder eine Speisekammer oder gar eine Wohnstube befindet. Rechts vom Tresen befindet sich noch ein Fenster. Dieses ist nicht vergilbt oder verrußt. Man kann auf die Straße nach draußen schauen. Vielleicht ist es dem Wirt wichtiger, ab und zu zur Seite auf die Straße zu schauen, als vorne aus den kleinen Fensterchen zu blicken.

    Links von der Bar ist der Weg zu den Toiletten. Auch hier lässt sich nicht wirklich erkennen, wie viele es sind und für wie viele Geschlechter die Toiletten ausgerichtet ist. Egal. Die Bar an sich scheint gerade noch klein genug, um sich nicht an jeden Standard halten zu müssen. Und das tut sie auch nicht.

    Die Schrippen-Situation

    Knarrend schwingt die Tür auf und knallt dann im Winkel von 164 Grad gegen einen Stopper. Zum Glück hab ich die nervige Glocke an der Tür wieder weggemacht, denkt sich der Wirt. Ein großgewachsener Gast mit einem langen schwarzen Mantel tritt ein und schaut sich in der leeren Bar um. Tja, welchen Platz soll er wohl nehmen? Er geht direkt auf die Bar zu.

    „Kannste bitte die Tür wieder zumachen?", fragt der Wirt.

    Der Gast dreht sich um, schließt die Tür und läuft wieder auf den Tresen zu. Er legt seinen Mantel auf einen der vier Barhocker und setzt sich auf einen der anderen. „Hallo, kann ich bitte ein Bier haben?", fragt er den Wirt in freundlichem Ton voller Vorfreude.

    Gute Idee in einer Bar, denkt sich der Wirt. Er überlegt, ob es Sinn ergibt, den Gast zu fragen, was für ein Bier genau es denn sein darf. Nach kurzem Überlegen kommt er zu dem Schluss, dass er das als Meister vom Fach eh besser beurteilen kann, und greift sich ein Glas. Heute ist Donnerstag. Also nimmt er den vierten Zapfhahn von links und fängt an, zu zapfen. Nicht ganz ohne Stolz zaubert er eine wundervolle Schaumkrone auf das Glas und stellt es dem Gast hin.

    „Prost", sagt der Wirt.

    „Danke, sagt der Gast. Er nimmt einen tiefen Schluck, stößt ein genüssliches „Aaaaaah aus und schmiert sich die Schaumkrone von der Oberlippe. Er trägt einen Dreitagebart und eine Brille. Beides ist nicht auf einen besonderen Stil zurückzuführen. Der Bart sagt nur, dass er sich nicht rasiert hat, und die Brille ist einfach hilfreich, da er eine Brille braucht. Seine leicht ergrauten Haare liegen leicht unkontrolliert auf seinem Kopf. Ein Fachmann würde nicht von einer Frisur sprechen. Das gab es vielleicht früher einmal. Der Gast ist Ende dreißig und würde sich selbst wahrscheinlich als äußerst normal deklarieren. Er hatte früher vielleicht mal Erfolg bei Frauen und manchmal wundert er sich, wo dieser hin ist. Kommt bestimmt wieder, wenn die richtige Frau kommt. Bestimmt, denkt sich der Gast immer wieder.

    „Hast du noch was zu essen?, fragt der Gast und erklärt: „Ich hab den ganzen Tag noch nichts gegessen. Der Wirt überlegt eine Weile. Dann schaut er auf die Uhr.

    „Es ist siebzehn Uhr und du hast noch nichts gegessen? Nicht mal ne Kleinigkeit von einem der tausend Bäcker an jeder Ecke?"

    „Na ja", sagt der Gast, „das war mein Plan. Hat aber nicht geklappt. Ich wollte mir heute Morgen ein Brötchen kaufen. Komm ich in diesen Backshop rein und sehe die Bäckereifachverkäuferin. Sie war am Telefon. Ich so – klar, biste lieber mal geduldig. Also stellste dich hinten an. Na ja, also ich war der Einzige. Aber die Dame war am Telefon. Also war ich in der Aufmerksamkeitsreihenfolge wohl nur auf Platz zwei. Die Dame hat wohl mit ner Freundin telefoniert. Ich glaube sie hat ne Tochter. Die hat zurzeit wohl nicht so Bock auf Schule und das macht ihr natürlich Sorgen. Kann

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