Am Rande zum Wesentlichen: Miniaturen in Wort und Kohle
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About this ebook
Nur noch ein Sommer. Nur noch ein Herbst und ein langer Winter, - sicherlich. Dann das Fortgehen.
Dreizehn verschiedene Begebenheiten an dreizehn verschiedenen Orten ergeben dreizehn Erzählungen:
Da betritt ein Künstler den Friedhof und verschwindet kurz darauf spurlos.
Da ist eine Alltagsgeschichte, eine aus der Schule.
Und da ist auch der Literaturnobelpreisträger Günter Grass, der auf zwei Kännchen Tee Besuch bekommt. …
Teilweise erscheint dem bestimmten Mann das vergangene Leben wie ein Zerrbild, und doch ist alles in aufgeräumter Form mit Liebe und Verlust untrennbar verbunden.
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Book preview
Am Rande zum Wesentlichen - Dr. phil. Thorsten Lindemann
Strandgut: Miesmuscheln, … 20. September 2015
Abgesang
Schau mal, sagte ich mir halblaut, dort ist das und dahinten sogar noch das. Immerhin, … einige Dinge waren mir also im Tumult der mittlerweile abhanden gekommenen Jahrzehnte noch geblieben.
Ohne den Motor meines Wagens abzustellen hielt ich es für angebracht eine Rückschau passieren zu lassen. Ich bemerkte etwas beiläufig, dass ich mit dem Angehen des Schauspiels, eine präsentierende Geste, geradeso, als verlangte jemand dieses von mir, zackig fertigbrachte. Im Rückspiegel sah ich meine Augen lässig abschweifen, auch suchte mein Blick forschend nach dem angezeigten Zug, zweifellos gewagt aus dem Wagen heraus. Die geschlossene Schranke, … die, die den See von der Stadt schon immer trennt, machte weiterhin keine Zugeständnisse. Was ist schon Zeit, dachte ich. … Sehr viel weiter entfernt, hinter der Sperre, ging ein Schuljunge, vielleicht dreizehn, kaum älter. Er tapste, wie unter meinem Verdacht stehend, mechanisch getrieben, in die spätherbstliche Nasskälte hinein. Ich war mir sicher, dieser Bengel wird, nachdem zwei angedachte Schulstunden vergangen, diesen abseitigen Weg wieder zurücknehmen, und dann, zuhause angekommen und nach abgebröckelter, wohl oder übel, notgedrungener Überzeugung, seiner Mutter das zu frühe Heimkommen aus der Schule klarmachen. Am Ende wird er es auch dieses Jahr wieder geschafft haben. Diese späten, alljährlichen Bundesjugendspiele lagen ihm nun mal mit Grauen belegt nahe. … Jetzt verschwand der Bursche aus meinem Blickwinkel. Ein Wiedersehen lag wohl kaum im Möglichen. … Nun, … nur ein abklingendes Rauschen, … ja, … das hörte ich noch. Meine Abtrift hatte das ohrenbetäubende Vorbeifahren des Güterzuges nicht zugelassen. Was würde meine Tochter, die nun selbst als Lehrerin tätig ist, so hörte ich mich leise fragen, dazu sagen, wenn ich mich ihr gegenüber dazu bekennen würde. … Wozu? Deutlicher wollte ich mir selbst gegenüber nicht werden. … Der unterdessen ganz und gar abgerauschte Zug, den Unterschied zwischen Personen- und Güterzug konnte ich zu meiner Überraschung immer noch intuitiv festmachen, wurde durch das Öffnen der Schranke glaubhaft. Immer noch etwas verlegen nickte ich meinem Spiegelbild zu. … So. … Bummlig fuhr ich auf die erste Bahnschwelle. Holprig, auf ungleichem Grund, kantig, führte es mich. Der Wagen geriet ins Ruckeln, gelegentlich ins Schlingern. Also nichts Neues, … na klar. Ein schneller Blick in den Rückspiegel reichte. Kein Fahrzeug folgte. Das also erfuhr ich auch. Welchen Aufhänger Fahrradfahrer oder Fußgänger gefunden hatten, um dieser schönen Stunde hier und jetzt zu entsagen, hätte ich mich zwar fragen können, entschied mich aber dafür, unbelastet zu bleiben. Doch kaum mich so festgelegt, drängte sich auch schon eine weitere Frage auf: Sollte man sich in verrückten Zeiten generell durch gewollte Nichtkenntnis vor der Welt schützen oder brachte dieses Prädikat gerade dann eher das Gegenteil davon hervor? … Wie also? Etwas gegen meinen Willen und säumig genug, tat ich nun auch dieses Kopfzerbrechen beiseite. … Gut. … Nur wenig später hielt ich vor einer grau gewordenen Holzbaracke, es war niemand zu sehen. Ich stieg aus dem Wagen und tat das, wozu ich hierher gekommen war. Mein Gesicht brannte etwas. … Nun erschien es mir unbegreiflicher als noch unlängst, … nämlich, dass ich mich mit dem Näherrücken meines Abflugs zunehmend mehr mit der eigenen Vergangenheit beschäftigte. … Schwamm drüber, oder auch nicht. Mit der Eilfertigkeit eines Athleten, über die ich mich ebenfalls nur wundern konnte, ließ ich die Hütte links liegen. … Auch gut. … Wenn sich das nicht über die hingegangenen Jahre geändert hatte, musste alsbald der Weg zum Ufersaum des Sees sich zum schmalen Pfad verengen. … Erneut so ein Augenblick der kam: Plötzlich, in der für mich beklemmenden Stille, brach der Gedanke an meinen bevorstehenden Abschied gänzlich wühlend hervor. So jedenfalls hatte ich das nicht erwartet. Ich muss zugeben, mir kamen die Vokabeln – Versöhnung, auch Abrechnung als Gegenspieler ins Hirn, dabei lief mein Blick frei über großzügig gebliebene Pfützen. Ein Wolkenbruch hatte diese Hinterlassenschaft über Nacht und längs des Weges so belassen. … Nein, ich gab nicht auf. Meine Straße war nicht der Ort für Oberflächlichkeit und Leere, und schließlich, ich