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Flugmodus
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eBook210 Seiten2 Stunden

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Über dieses E-Book

"Alle starren auf mich, als wäre ich nackt in der Schule. Jetzt, eine Zeitmaschine — Ich würde sie auf das Datum vor den Sommerferien einstellen, als alles noch in Ordnung und Elija nur ein Freund war.Ein Jugendroman über die erste Liebe, Musik, Vertrauen und den Versuch, erwachsen zu werden. Liebevoll und tiefgründig erzählt. Wer die letzte Seite dieses Romans gelesen hat, will Pauline und ihre Freunde adden."
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum8. Apr. 2020
ISBN9783347046344
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    Buchvorschau

    Flugmodus - Florian Stritzelberger

    Fallen - Pauline - 2 Tage danach

    Vom Gefühl her bin ich heute ohne Kleider in der Schule. Irgend so ein Arsch hat ein Bild meines Körpers geklaut. Die Blicke meiner Mitschüler bohren sich wie Reißnägel in meine trockene Neurodermitis-Haut. Ich schreibe Elija einen Zettel und falte ihn mit tausend Fragezeichen in meinem Kopf.

    Wie ist das passiert?

    Es klopft an der Klassenzimmertür. Elija weicht meinen Blicken aus. Er versteckt die Antwort und seine Hände immer tiefer in den Hosentaschen, im Stuhl versunken, als würde er mit der ganzen Sache nichts zu tun haben.

    Unser Mathelehrer Wenger kauert mit seiner Parabelschablone hinter der Tafel, und Kreidegeräusche stören unsere Privatgespräche. Nathalie wischt neben Wenger eine neue Tafelseite für seine Aufgaben frei, ohne dass er es fordert. Es klopft an der Klassenzimmertür. Bruder Fritz, der Rektor des Peterstift-Gymnasiums, tritt ans Pult und blickt in die Runde. Erstaunlich, wie sich der Lärmpegel ohne ein Wort von Fritz senkt. Sein Blick bleibt an mir hängen.

    »Pauline, du bist Klassensprecherin der 10a?«

    Ich nicke.

    »Komm bitte ins Rektorat.«

    Die zerkauten Bleistiftreste ätzen meine Lippen. Ich falle durch ein Loch im Boden vom dritten Stock bis in den Fahrradkeller.

    Schule war immer in Ordnung für mich. Automatische Jalousien, die sich dem Sonnenlicht anpassen. Mein Platz hinten links am Fenster, Blick Richtung Park. Jetzt dieser Absturz. Ich will schreien, doch mir fehlt die Luft für einen Ton. Ich schiebe den Stuhl nach hinten und folge Fritz zu seinem Büro in den Altbau. Ich weiß, dass Fritz den Unterricht nicht wegen Kleinigkeiten stört. Er kommt nur, wenn die Kacke am Dampfen ist. Ich habe echt keine Lust darüber zu reden und es geht auch absolut keinen etwas an. Er öffnet die Tür, und jeder Schüler geht mit Respekt in dieses Zimmer. Die anderen Klassensprecher warten schon.

    »Setzt euch.«

    Hinter seinem Schreibtisch hängt ein Bild mit aufgeklebten Kaffeebohnen: »Life happens, coffee helps.« Ich rieche leider keinen Kaffee, sondern nur muffigen Teppich, der irgendwie zu einem Chef passt.

    »Könnt ihr euch vorstellen, warum ich mit euch sprechen möchte?«

    Die Uhr über dem Schreibtisch tickt fordernd in die Stille.

    »Nicht so richtig«, antwortet Joey aus der Parallelklasse.

    »Die Mutter einer Schülerin hat mir einen Chatverlauf gezeigt mit einem Inhalt, der an unserer Schule nichts zu suchen hat. Ich will wissen, wer dafür verantwortlich ist.« Die eingestürzten Betonpfeiler drehen sich in ein einziges, großes Nichts.

    Wände vermischen sich mit Decken, und das Karussell nimmt Fahrt auf. Dann wird es schwarz.

    Das Nächste, was ich spüre, ist japanisches Heilpflanzenöl auf meiner Stirn. Ich liege im Krankenzimmer und kann unsere Sekretärin durch die offene Tür telefonieren hören.

    Drohnen, Flugtaxis – gibt’s auch schon Zeitmaschinen? Ich brauche eine, dringend!

    Ich stelle das Datum auf den letzten Schultag vor den Sommerferien!

    Letzte Schultage sind magisch - Pauline - 66 Tage vorher

    Der Geruch der Freiheit kriecht aus dem Maul des Waffeleisens. Wir frühstücken heute ein letztes Mal als Neuntklässler. Besser als Film schauen. Meine Netflixauswahl verliert sowieso gegen Fast and The Furious und Fack Ju Göhte. Eli hat Teig am Finger und hält ihn mir hin.

    »Probier mal!«

    »Die fertige Waffel ist mir lieber. Was weiß ich, wo du deine Finger hattest.«

    Er verteilt den Teig im Waffeleisen und schickt mir ein Wildschweingrunzen.

    Der Schulranzen ist so leicht wie nie. Nur mein Mäppchen und meine Blumenteekanne, die auch im Sommer ein treuer Gefährte ist. Vor der Schule kämpfen Sonne und Schatten um jeden Quadratmeter. Bald ist das hier ein Geisterhaus. Ich schaue unter der Bank auf mein Handy und gehe auf Instagram.

    Letztes Pausenbrot für dieses Schuljahr, postet Nathalie. Die Gurke hebt und senkt sich auf das Brot – das Ganze mehrmals wiederholt. Das ist Wahnsinn! Dazu ein Feenzaubereffekt. Nathalie und ihr Gemüse.

    Ich buchstabiere den Sommer vor meinen Augen, während Modau sich um die Zeugnismappen kümmert und Elija die letzte Waffel ausbackt.

    S wie Sonnenuntergänge am Baggersee.

    O wie ohne Eintrittskarte durch den Zaun an den See.

    M wie Magnum Mandel futtern.

    M wie Menschen beobachten und Gedichte schreiben.

    E wie den Ernst des Lebens vergessen.

    R wie raus in das Feld zum Baumhaus fahren und Mutter Natur zuhören.

    An den Zeugnissen haftet ein frischer Tintenlaserduft und die weitgezogene Unterschrift unseres Klassenlehrers Herr Modau.

    Ab jetzt sind Uhren Werkzeuge anderer Galaxien und hängen eine Zeitlang verstaubt im Keller. Wir müssen die Tische im Klassenzimmer stapeln, alle Bilder im Klassenzimmer abhängen. Mia soll fegen, reitet aber als Hexe auf dem Klassenzimmerbesen und handelt sich gleich einen Anschiss ein. Modau lässt es sich nicht nehmen, jeden persönlich zu verabschieden. Die Jungs mit High-Five, den Mädchen gibt er die Hand.

    »Du könntest, wenn du wolltest«, kommentiert er Elis Jahresleistung. Ich bekomme nur ein »Weiter so, Pauline!«

    Die besseren Schüler bekommen in der Schule wenig Worte. Die ganze Welt konzentriert sich nur auf das, was nicht funktioniert.

    Ich schiele zu Eli, wie er mit Nathalie Daumenwrestling spielt.

    Eli verliert und muss den Müll mit den Kunstbildern und alten Unterrichtsplakaten zum Hausmeister bringen. Schade um die kubistischen Meisterwerke.

    Ich schiele auf seinen Platz. Frieder bekommt ein Buch für das zweitbeste Jahrgangszeugnis. Mia interessiert sich wenig für ihr Zeugnis. Ihre tägliche Leidenschaft ist das LeZi-Buch. Es ist zu Beginn der 8. Klasse eingeführt worden und befindet sich immer unter Mias Bank — das legendäre Lehrerzitatebuch.

    Während wir versuchen viel zu viel Käse und Wurst unter uns aufzuteilen, beschäftigt sich Mia mit dem Lezi. Wer die meisten Lezi-Einträge hat, bekommt auch dieses Jahr einen Preis von uns. Das Auto des preisgekürten Lehrers wird mit einer goldenen Ananas geschmückt, was immer Elis Aufgabe ist. Mia tippt mir auf die Schulter.

    »Schwester, der Ablauf für heute steht: School´s-Out-Party im Kuckucksnest. Vorher aber noch auf´s Grundstück.«

    Eli hat die Ananas besorgt. In diesem Jahr wird Herr Löffler mit dem fruchtigen Gral gekürt. Mit seinen Phantasienamen für unsportliche und konditionsschwache Schüler ist er fast immer auf dem Treppchen.

    »Du einbeiniger Laboraffe, spiel ab.«

    »Ein Kamel säuft nicht so viel Leitungswasser während des Sports wie du.«

    »Was Foul war und was nicht, entscheid immer noch ich, du wehleidiger Ameisenbär.«

    »Gib ab, Schlange, sonst beiße ich dich und besorg dir einen Job beim Optiker.«

    »Du änderst die Richtung beim Dribbeln wie ein Fisch sein Fell. GAR NICHT!«

    Ich bin sein »Rehlein«. Ich verkneife mir meine Spitznamen für ihn und schenke ihm lieber einen meiner lyrischen Wattpad-Einträge:

    Keiner hat dich lieb, nur deine kleine Pfeife.

    Ob du mit ihr schlafen gehst?

    Und ob du im Puma-Jogging auch den Rasen mähst?

    Will ich gar nicht wissen.

    Denn Sportlehrer essen mit der Stoppuhr Menschen.

    Ihr Feingefühl ist echt beschissen.

    Wattpad - where stories live steht an der obersten Stelle meiner Lesezeichen. Ich veröffentliche dort Texte und bekomme oft schnell eine Rückmeldung oder einen Kommentar. Mir tut das richtig gut, manche Dinge mit Worten zu verarbeiten. Manch einer geht ins Fitnessstudio und schlägt Sandsäcke. Ich dagegen schreibe Texte auf Wattpad bei einem Chai-Latte. Es hilft und macht die Gedanken leichter.

    Nathalie verdrückt in der Umkleide nicht selten die Tränchen in das Sportshirt.

    Löffler hat schon oft von Fritz eins auf den Deckel bekommen für seine Unverschämtheiten. Nun bekommt er von uns die Ananas.

    Eli hat den Obstgral kurz nach sieben auf dem Dach des alten Diesels platziert. Ein bisschen mulmig wird den Lehrern schon, wenn es auf den letzten Schultag zugeht.

    Zwar spielt sich der größte Hype in den sozialen Netzwerken ab und die Lehrerschaft wundert sich immer wieder über diesen seltsamen Streich, hinterfragt ihn aber wenig. Den wirklichen Sinn rafft wohl kein Lehrer. Sie halten es wohl für einen seltsamen Zufall, dass am letzten Schultag immer Obst auf den Lehrerautodächern liegt.

    Es ist kurz nach elf - Startschuss.

    Mia, Eli, Frieder und ich werfen unsere Schulrucksäcke in die Luft und kicken sie bis zu den Rädern. Zuerst geht es die Steighohle hinunter und dann zum Supermarkt. Frieders Handy klingelt.

    »Papa, Großes D, kleines s, großes L, kleine