Ich will keinen neuen Vati: Sophienlust Bestseller 78 – Familienroman
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Das Kinderheim Sophienlust erfreut sich einer großen Beliebtheit und weist in den verschiedenen Ausgaben der Serie auf einen langen Erfolgsweg zurück. Denise von Schoenecker verwaltet das Erbe ihres Sohnes Nick, dem später einmal, mit Erreichen seiner Volljährigkeit, das Kinderheim Sophienlust gehören wird.
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Ich will keinen neuen Vati - Patricia Vandenberg
Sophienlust Bestseller
– 78 –
Ich will keinen neuen Vati
Patricia Vandenberg
Es war ein wunderschöner Frühlingsmorgen. Das große Knospen und Blühen hatte begonnen, und die Kinder in Sophienlust rüsteten sich zu ihrem ersten großen Ausflug. Ihre kleinen Rucksäcke aufgeschnallt, versammelten sie sich im Gutshof zum Abmarsch und waren schon voller Ungeduld.
Denise von Schoenecker musste ihren Jüngsten zurückhalten, der auch mitgehen wollte. Der reizende kleine Junge zappelte wild und schrie tief gekränkt: »Auch mitgehn, auch mitgehn!«
»Unser Henrik ist noch zu klein«, tröstete ihn Denise. »Wenn du mal größer bist, mein Liebling, darfst du auch mitgehen.«
»Henrik groß«, widersprach der Kleine und reckte seine Hand in die Höhe, so hoch er nur konnte. »Sooo groß ist Henrik.«
»Wir können ihn ja im Wagen mitnehmen«, meinte Dominik, dem der kleine Bruder leidtat.
»Das fehlte noch«, seufzte Denise. »Über Stock und Stein, da bekommt er ja eine Gehirnerschütterung. Henrik darf nachher mit Vati in die Stadt fahren.«
Das tröstete den kleinen Burschen halbwegs, aber es gab doch noch ein paar Tränchen, als die Kinder schwatzend und lachend davonzogen. Begleitet wurden sie heute von Carola und Gretli. Malu und Andrea waren schon so vernünftig, dass sie auf die kleinen Kinder ebenfalls etwas aufpassen konnten. Wolfgang Rennert hatte nicht mitgehen können, da ihm ein Weisheitszahn gezogen werden musste.
»Pünktchen, du sollst nicht dauernd zurückbleiben«, ermahnte Dominik seine kleine Freundin, der er besonders zugetan war.
»Wenn ich doch aber so hübsche Blümchen sehe«, entgegnete sie. »Und da ist ein Marienkäferchen. Schau mal, Nick, ist das nicht goldig?«
»Es ist rot«, brummte er. »Und es hat viele schwarze Pünktchen.«
Sie strahlte ihn an. »Ich habe blonde«, erklärte sie eifrig.
»Du hast Sommersprossen«, belehrte er sie.
»Aber deswegen hast du mich doch Pünktchen genannt.«
Er seufzte abgrundtief. Gegen Pünktchen kam selbst er manchmal nicht an. Sie wusste immer eine Erwiderung, aber Nick fand, dass sie von Tag zu Tag netter wurde.
Andrea, die ein sehr hübsches Mädchen geworden war, machte es Spaß, einmal einen ganzen Tag lang mit den Kindern von Sophienlust beisammen zu sein.
»Schade, dass Sascha nicht auch mitkommen konnte«, sagte Malu.
»Er hat Zwischenprüfung, da muss er mächtig lernen«, meinte Andrea.
»Er ist ja auch fast schon ein Mann«, mischte sich Angelika ein.
Andrea lachte übermütig. »Der und ein Mann! Ein richtiger Lausejunge ist er jetzt.« Aber man merkte ihr doch an, dass sie stolz auf ihren großen Bruder war.
»Hat er eine Freundin?«, erkundigte sich Malu.
»Mehrere«, erwiderte Andrea, »aber keine richtige. Er ist eben Kavalier, das mögen die Mädchen.«
Das Gespräch ging hin und her. Sie kamen vom Hundertsten ins Tausendste, wie es bei Mädchen ihres Alters üblich war. Aber auch die Kleineren fanden immer wieder etwas zu schwatzen. Carola und Gretli hatten nicht viel Mühe mit ihnen. Die Kinder waren alle folgsam.
»Da steht ein Auto«, stellte Pünktchen plötzlich fest. »Es ist aber leer.«
»Ein schönes Auto«, meinte die kleine Vicky.
»Ihr bleibt jetzt hübsch zusammen«, ermahnte Carola die Kinder sofort. Ein leeres Auto bedeutete immerhin, dass ein Fremder im Wald sein konnte. Vorsicht war da in jedem Fall angebracht.
»Hier gibt es keine Verbrecher«, behauptete Pünktchen.
»Das weiß man nie«, widersprach Dominik, sodass Pünktchen sich sofort ängstlich an ihn klammerte. »Brauchst ja keine Angst zu haben«, raunte er ihr zu. »Ich beschütze euch schon.« Aber noch war weit und breit niemand zu sehen.
*
»So ein Picknick im Wald ist schön, Muttilein«, sagte der kleine Rolf begeistert. »Das könnten wir öfter machen.«
»Ist dir auch nicht kalt?«, erkundigte sich Amelie Stein besorgt.
»Die Decke ist ja schön warm«, erwiderte er. »Müssen wir denn weiterfahren? Mir gefällt es hier so gut.«
Rolf hatte dieser Reise von Anfang an Widerstand entgegengesetzt, so als ahne er etwas. Amelie versank in wehmütige Betrachtungen. Wenn der Junge nun Adrian ablehnte, wie sollte sie sich dann entscheiden? Sie stand zwischen dem Mann, den sie nach bitteren Erfahrungen in ihrer ersten Ehe lieben gelernt hatte, und ihrem kleinen Sohn. Heute nun hatte sie einen Versuch machen wollen, Adrian Bork und Rolf auf unverfängliche Weise zusammenzubringen, um so die Einstellung ihres Kindes zu erforschen.
»Ich höre was«, ließ Rolf sich vernehmen, nachdem er eben herzhaft in ein belegtes Brot gebissen hatte. So klang seine Stimme undeutlich.
Amelie achtete nicht darauf, weil ihre Gedanken weitergewandert waren. Seit zwei Tagen fraß quälende Angst in ihr. Auch darüber wollte sie mit Adrian Bork sprechen. Gunther Mosbach, ihr geschiedener Mann, war in der Stadt aufgetaucht, in der sie eine neue Heimat gefunden hatte. War es Zufall, oder hatte er ihre Spur gesucht und gefunden, obgleich sie wieder ihren Mädchennamen angenommen hatte? Sie wusste auf diese peinigende Frage keine Antwort, war aber vor allem darauf bedacht, dass Rolf diesen Mann nicht mehr sah, seinen Vater, der aber nie ein richtiger Vater gewesen war. Noch immer hatte das Kind den Schock nicht überwunden, den es durch die ewigen Streitereien erlitten hatte. Rolf besaß eine Scheu vor allen Männern. Sobald einer in Amelies Nähe auftauchte, wappnete er sich sofort mit Abwehr. Würde es bei Adrian auch so sein?
»Ich höre etwas«, wiederholte Rolf. »Es sind Kinder. Sie singen, Mutti.«
Helle Stimmen schallten jetzt durch den Wald. Sie kamen näher. Rolfs Augen begannen zu glänzen. Männer mochte er nicht, aber Kinder schon.
»Wer recht in Freuden wandern will«, war jetzt ganz deutlich zu vernehmen.
»Darf ich nicht mal gucken, Mutti?«, fragte Rolf.
»Bleib bitte hier«, ermahnte sie ihn, als er sich erhob.
»Nur ein bisschen möchte ich gucken«, bettelte er. »Es sind bestimmt viele Kinder.«
Da tauchten auch schon die ersten auf, allen voran Dominik von Wellentin-Schoenecker, der wachsam Ausschau hielt, ob ja nicht eine finstere Gestalt in der Nähe war.
»Na, wer sagt’s denn«, rief er erleichtert aus, »es ist nur ein Junge. Und eine Dame. Guten Tag«, fuhr er höflich fort.
»Wir machen Picknick«, sagte Rolf. »Das dürfen wir doch?«
»Freilich«, erwiderte Dominik. »Gehört das grüne Auto euch?«, erkundigte er sich dann aber doch vorsichtshalber.
Rolf nickte. Amelie Stein aber fragte rasch: »Ist der Wald Privatbesitz?«
»Deswegen brauchen Sie nicht zu erschrecken«, meinte Carola freundlich. »Hier ist jeder willkommen.«
Das hörte Rolf gern. »Es ist sehr schön hier«, erklärte er.
»Na klar, der Wald gehört ja auch zu Sophienlust«, stellte Dominik fest.
»Was ist Sophienlust?«, fragte Rolf.
Dass jemand, der sich hier aufhielt, noch nichts von Sophienlust gehört hatte, erschien Dominik verwunderlich. »Unser Kinderheim«, erwiderte er. »Da kommen wir alle her.«
Rolf sah ihn nachdenklich an. »Da wohnt ihr? Da schlaft ihr auch?«
»Freilich, was sonst«, meinte Dominik. »Aber jetzt müssen wir weiter. Wir machen nämlich einen Ausflug.«
»Ich möchte auch lieber einen Ausflug mit Kindern machen, Mutti«, flehte Rolf.
»Kannst ja mitkommen«, erklärte Dominik großzügig.
»Wirklich, kann ich das? Oh, Mutti, darf ich nicht hierbleiben, bis du von Lindau zurückkommst?«
Amelie sah sich überrumpelt. Sie war noch gar nicht dazu gekommen, ein Wort mit dem jungen Mädchen zu wechseln, das einen sehr sympathischen Eindruck auf sie machte.
»Mein Sohn kommt kaum mit Kindern zusammen«, erläuterte sie. »Entschuldigen Sie, dass er Sie so lange aufhält.«
»Das macht gar nichts«, lächelte Carola. »Wir haben viel Zeit und sind daran gewöhnt, dass Kinder Fragen stellen. Mein Name ist Carola Dahm. Ich gehöre auch nach Sophienlust. Und das sind unsere Trabanten.«
Amelie nannte ebenfalls ihren Namen und ließ ihren Blick dann in die Runde schweifen. Ein Kind sah so nett und gepflegt aus wie das andere. Vielleicht wäre es für Rolf gut, wenn er in Gesellschaft von fröhlichen Kindern einmal seine Angst vergessen würde, ging es ihr durch den Sinn.
Bisher war es ihr unmöglich erschienen, sich von dem Jungen zu trennen, aber nun sah sie, wie sehr er sich nach so lebhafter Gesellschaft zu sehnen schien.
»Nehmen Sie noch Kinder auf?«, fragte sie Carola.
»Das müsste Frau von Schoenecker entscheiden«, erwiderte das junge Mädchen freundlich. »Platz wäre schon noch. Kamen Sie deswegen hierher?«
»Nein«, erwiderte Amelie, »es ist ein ganz impulsiver Entschluss. Ich spüre zum ersten Mal, was meinem Jungen fehlt.«
Hier wäre er auch sicher vor Gunther, dachte Amelie weiter. Niemals würde er auf den Gedanken kommen, dass ich Rolf in ein Heim gegeben habe.
Aber sie musste nach Lindau. Sie durfte Adrian nicht warten lassen. Er machte sich ohnehin schon genügend Sorgen um sie.
»Bitte, bitte, Muttichen, lass mich doch hier«, bettelte Rolf. »Du kannst mich doch wieder abholen, wenn du zurückkommst.«
»Das geht doch nicht so einfach«, meinte sie zögernd.
»Es ginge schon, wenn Sie uns den Jungen anvertrauen wollen«, warf Carola ein. »Wir