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Deutschlands Bürgerkrieg Saga - Band 2: Schlachtenzeit: Historische Romane Bestseller
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eBook323 Seiten4 Stunden

Deutschlands Bürgerkrieg Saga - Band 2: Schlachtenzeit: Historische Romane Bestseller

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Über dieses E-Book

Deutschlands Bürgerkrieg - Die große Saga um den 30 jährigen Krieg

"Krieg ist ein Feind, der sich nicht in der Schlacht besiegen lässt."

Deutschland 1625: Seit Jahren erringt die katholische Liga einen Sieg nach dem anderen.
So stark hat sich das Machtgleichgewicht zwischen Katholiken und Protestanten im Reich mittlerweile verschoben, dass die Protestanten Europas entscheiden einzugreifen. England, Dänemark und die Niederlande schließen ein Bündnis und führen ihre Soldaten gegen die Liga.
Der Kaiser antwortet auf die einzige für ihn denkbare Weise: Mit dem größten Heer, das Deutschland bis dahin gesehen hat.
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum8. Jan. 2023
ISBN9786197713091
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    Buchvorschau

    Deutschlands Bürgerkrieg Saga - Band 2 - Markus R. Willinger

    Martin (Oberösterreich 15. Mai 1625)

    Zitternd griff der Jüngling nach dem Würfel.

    Er drehte und wendete ihn in seiner Hand, so als könnte er damit das Ergebnis des Wurfes beeinflussen. „Mach schon!", fuhr ihn einer der bayrischen Soldaten an und stieß ihn mit der Breitseite seiner Hellebarde an. Der Schlag fiel so hart aus, dass der Bursche auf den Boden stürzte und ihm der Würfel aus der Hand und ins Gras fiel. Einen Augenblick herrschte Stille. Selbst der Bursche gab keinen Laut von sich, sondern starrte nur stumm auf den Würfel, der sein Schicksal entschieden hatte.

    Martin trat einen Schritt vor und hob den Würfel hoch. „Eine Eins!", verkündete er laut, damit die Leute auf dem Haushammerfeld ihn hören konnten.

    „Zählt nicht!, rief jemand. „Zählt nicht! „Das zählt nicht! Unzählige Rufe ertönten. Über fünftausend Männer, die gesamte männliche Bevölkerung der Grafschaft Frankenburg, schrien ihren Protest heraus. Der Bursche musste beliebt bei den Leuten auf dem Feld sein. Doch Martin ignorierte die Proteste. „Bringt ihn zu den anderen, wies er die Soldaten an.

    Der Jüngling schrie und brach in Tränen aus. „Lasst mich nochmal würfeln!, flehte er. „Bitte, bitte! Martin beachtete ihn nicht. Alle jammerten und baten um einen zweiten Versuch, aber die Regeln waren eindeutig: ein Wurf pro Person.Wer niedriger würfelte als sein Gegenspieler, verlor. Die Soldaten zerrten den Jüngling zu der großen Eiche, wo bereits drei andere Verlierer standen.

    „Nächstes Paar!, befahl Martin schroff. Es handelte sich um zwei Männer aus demselben Dorf. Ein muskulöser Schmied und ein langer, hagerer Mann. Die beiden blickten einander ernst an. „Viel Glück, sagte der Schmied gefasst. Der Lange rührte sich nicht.

    „Würfle!, wies Martin den Langen an und reichte ihm einen Würfelbecher und ein Brett. Dem Mann rannen Schweißperlen über die Stirn. „Mach schon, trieb ein Soldat ihn an.

    Der Lange schluckte, atmete tief ein und schüttelte den Becher. Dann ließ er ihn auf das Holzbrett niedersausen. Er wollte nach dem Becher greifen, aber Martin hielt ihn zurück. „Hände weg", befahl er und hob den Becher selbst nach oben. Es war eine Sechs.

    Der Lange riss erleichtert die Arme in die Höhe und sein aschgraues Gesicht bekam wieder ein wenig Farbe. Ungerührt ging Martin zu dem Schmied, der lustlos nach dem Becher griff. Während der Lange verzweifelt am Leben hing, schien der Schmied mit seinem bereits abgeschlossen zu haben. Der Mann schüttelte den Becher kurz und ließ ihn dann kraftvoll niedersausen.

    Auch er hatte eine Sechs.

    Die Gesichtszüge des Langen entgleisten. Mit aufgerissenen Augen starrte er auf den Würfelwurf seines Gegenübers. „Und was jetzt?", fragte der Schmied ruhig.

    „Ihr würfelt noch einmal", verkündete Franco, Martins Gehilfe und Stellvertreter. Sie hatten die Möglichkeit eines Patts bereits zuvor besprochen.

    Diesmal begann der Schmied. Er hatte nur eine Drei. Doch als der dünne Mann wieder an der Reihe war, brach dieser in Tränen aus. „Bitte, bitte. Wir hatten doch beide eine Sechs. Gott will uns am Leben lassen!", jammerte er.

    Einer der Soldaten zückte seinen Degen. „Würfle", knurrte Martin.

    Weinend und schwitzend griff der Mann nach dem Becher und würfelte. Er hatte eine Zwei.

    Er wusste, dass er schuldig ist. Deswegen hat er sich so gefürchtet.

    „Stellt ihn an die Seite. Wir hängen ihn nachher mit den anderen. Der dünne Mann brach in Tränen aus. „Ich habe eine Tochter!, rief er. „Sie ist acht. Ihre Mutter ist bei der Geburt gestorben. Was soll aus ihr werden? Gnade, bitte habt Gnade!"

    Martin ignorierte ihn und wandte sich dem nächsten Paar zu.

    Die Männer würfelten alle auf unterschiedliche Art und Weise. Manche waren ruhig oder versuchten zumindest, ruhig zu wirken. Wieder andere starrten gebannt auf den Würfel, weinten oder fluchten. Ein Mann würfelte mit geschlossenen Augen und ohne hinzusehen. „Gott beschützt mich", verkündete er selbstbewusst. Er hatte eine Eins.

    Schließlich waren ein Vater und sein Sohn an der Reihe.

    „Nimm", sagte Martin zu dem Sohn und hielt ihm den Becher hin. Der Sohn, ein hübscher Kerl, der sicher einigen Bauernmädchen den Kopf verdrehte, griff nach dem Würfelbecher und schüttelte ihn, dabei vermied er es, seinem Vater in die Augen zu sehen. Er hatte eine Vier.

    Der Sohn schloss die Augen, so als wollte er nicht sehen, was vor sich ging. Martin ging zu dem Vater. Es war ein graubärtiger Mann mit wettergegerbtem Gesicht, aber sanften Augen. Als Martin ihm den Becher hinhielt, schüttelte er den Kopf. „Nein, sagte er schluchzend und atmete tief ein. „Ich kann das nicht tun. Ich melde mich freiwillig. Richtet mich hin.

    Die Menge hielt den Atem an. Der Vater war bereit, das ultimative Opfer zu erbringen. Alle Blicke richteten sich auf Martin, doch der winkte ab. „Die Regeln sind eindeutig."

    „Ich werde nicht würfeln!", rief der Vater empört.

    „Dann richten wir euch eben beide hin", erklärte Martin kalt. Er hatte nicht vor, sich von diesen Bauern an der Nase herumführen zu lassen. Sie hatten sich die Sache mit ihrem rebellischen Verhalten selbst eingebrockt.

    „Vater bitte, sagte der Sohn mit immer noch geschlossenen Augen. „Würfle einfach.

    Der Mann griff fluchend nach dem Becher. Er setzte ihn sanft auf, so als wollte er dem Würfel nicht zu viel Schwung geben. Er hatte eine Fünf.

    Der Vater schrie, woraufhin der hübsche Sohn entsetzt die Augen aufriss. „Bringt ihn weg, befahl Martin und zwei Soldaten zerrten den Burschen zur Eiche. Martin wollte sich abwenden, doch der Vater warf sich nach vorne und packte ihn am Kragen. „Ich verfluche dich, Priester, schrie er. „Ich verfluche dich. Du bist der Teufel!"

    Soldaten ergriffen den Mann und schlugen ihn zu Boden. „Verletzt ihn nicht, sagte Martin und massierte seinen Hals. „Gott will ihn lebendig.

    Schließlich waren alle Paare durch. Unter der Eiche standen nun siebzehn Männer und Jünglinge. Sie hatten sich an den Frankenburger Unruhen beteiligt und waren durch Gottes Los zum Tode verurteilt worden.

    Martin wandte sich an Graf Adam von Herberstorff. Dieser war der bayrische Statthalter Oberösterreichs und darum für Recht und Ordnung verantwortlich. Oberösterreich gehörte eigentlich zu den österreichischen Erblanden, doch weil die Österreicher kein Geld und viele Schulden hatten, hatten sie Oberösterreich für zehn Jahre an Bayern verpfändet. Unter einer Bedingung: Die Bayern sollten die protestantischen Ketzer, welche die Bevölkerungsmehrheit stellten, ausradieren. Eine Aufgabe, die Bayerns Herzog Maximilian nur zu gern erfüllte. Er hatte katholische Priester ins Land bringen lassen, und wer die katholische Sonntagsmesse verpasste, musste horrende Strafsummen bezahlen. Auch sonst pressten die Bayern Oberösterreich mit allen Mitteln aus, denn sie hatten ja kein Interesse daran, dass das Land sich langfristig entwickelte. Diese Maßnahmen hatten in der Grafschaft Frankenburg zu einer Bauernrevolte geführt. Die Revolte war rasch niedergeschlagen worden, doch die Anführer mussten bestraft werden. Also hatten Martin und Herberstorff die gesamte männliche Bevölkerung Frankenburgs auf das Haushammerfeld beordert, um die Anführer vor aller Augen hinzurichten.

    Herberstorff trat vor und wandte sich an die Bevölkerung. „Wir waren gnädig, rief er laut. „Die Hälfte derer, die sich nachgewiesenermaßen an den Unruhen beteiligt haben, wird hingerichtet. Dankt nicht uns. Dankt Gott und seiner heiligen Kirche.

    Martin hatte gehofft, dass das Würfelspiel die Frankenburger zur Einsicht bringen würde. Doch das war nicht der Fall. Im Gegenteil, sie pfiffen, schrien und protestierten, als die Verlierer der Reihe nach aufgeknüpft wurden. Erst als der letzte der Todgeweihten, es war der hübsche Sohn, leblos an der Eiche baumelte, verstummten die Schreie.

    Sorgfältig studierte Martin die Gesichter der Zuseher auf dem Feld. Er suchte nach Anzeichen von Reue oder Einsehen.

    Doch er sah nur Hass.

    Richard (Amsterdam, Juni 1625)

    In ganz Europa gab es keine so betriebsame und hektische Stadt wie Amsterdam.

    Die Hauptstadt der Niederlande war wie ein einziger großer Marktplatz, der niemals zur Ruhe kam und auf den immer neue Waren geschafft wurden. Sei es mit Schiffen aus Asien oder der Neuen Welt, mit Karren und Transportkutschen aus dem Umland oder mit Booten aus dem Inneren Europas. „Eine Ware, die man in Amsterdam nicht kaufen kann, kann man nirgendwo kaufen", verkündeten die Bürger der Stadt oft stolz. Amsterdam schlief nie und handelte immer. Auch der Krieg hatte daran nichts ändern können. Noch nicht jedenfalls.

    Richard von Hoheneck saß auf dem Balkon seines Bürgerhauses und beobachtete das bunte Treiben. Amsterdam war nicht umsonst das Handelszentrum Europas. Die Niederlande waren immer schon reich gewesen, doch mit dem Aufkommen des Protestantismus hatten die holländischen Bürger die wirtschaftlichen Fesseln abgelegt, die die katholische Kirche ihnen auferlegt hatte. Zinsen waren nun nicht mehr nur erlaubt, sondern sogar erwünscht und allgemein gab es keine Handelsbeschränkungen mehr. Viele Niederländer folgten einer besonderen Form des Protestantismus: Sie waren Calvinisten. Für Calvinisten war das Verdienen von Geld nicht nur nicht anstößig, im Gegenteil, es geschah zum Ruhme Gottes. „Wir ehren Gott nicht, indem wir hungernd auf dem Boden sitzen und beten, sondern indem wir das Beste aus uns selbst machen. Indem wir einen guten Handel treiben oder neue Städte und Häuser bauen, damit ehren wir Gott", hatte ein Calvinist zu Richard einmal gesagt. Die Calvinisten maßen auch der Bildung einen herausragenden Stellenwert bei — ein Grund, weshalb die Niederlande nicht nur das weltweite Wirtschaftszentrum, sondern auch der Ursprungsort zahlreicher neuer Technologien und Ideen waren.

    Doch nicht nur in religiöser Hinsicht waren die Niederlande anders. Während das restliche Europa noch halb im Feudalsystem feststeckte, hatte man hier ein neues plutokratisches Gesellschaftssystem entwickelt. In Deutschland, Frankreich oder Spanien war Reichtum gleichbedeutend mit Landbesitz und der Herrschaft über Bauern und Leibeigene. In den Niederlanden besaßen die reichsten Menschen kaum Land. Sie verfügten stattdessen über Schiffe, Handelsrechte und vor allem Geld.

    Es gab weder Leibeigenschaft noch Frontdienste, stellte Richard nicht zum ersten Mal begeistert fest. Jeder ist für sich selbst verantwortlich. Die Niederlande sind die Zukunft, und genau deswegen wollen so viele fremde Mächte sie vernichten.

    Denn der holländische Reichtum war bedroht. Spanien erhob Anspruch auf die protestantischen Niederlande und wollte die Niederländer wieder zum katholischen Glauben zwingen. Seit Jahrzehnen tobte der Krieg zwischen dem mächtigen Spanien und den selbstbewussten Niederlanden. Ein paar Jahre lang hatte der Krieg still gestanden, doch jetzt war er wieder voll entbrannt.

    Richard öffnete seine aus braunem Leder bestehende Arbeitsmappe. Ein Geschenk von Helena van Widem, einer sagenhaft reichen holländischen Händlerin mit großem Einfluss auf die niederländische Regierung. Die Mappe enthielt verschiedene Dokumente und Berichte. Von allen Waren, die es in Amsterdam gab, waren diese Dokumente wahrscheinlich die wertvollsten. Es waren Berichte über nahezu alles: die Truppenstärke der spanischen und bayrischen Heere, die Stimmung an den Höfen Europas und vieles mehr. Richard hatte in den letzten Jahren mit holländischem Geld ein europaweites Spionagenetzwerk aufgebaut. Jetzt war er dank seiner Informationen und Kontakte eine unverrückbare Größe der protestantischen Widerstandsbewegung geworden.

    Richard ging seine Akten durch. Das tat er jeden Tag, denn es gab ständig neue Nachrichten zu lesen. Er fand einen Bericht, der ihn innehalten ließ. Er stammte aus dem bayrisch besetzten Oberösterreich und enthielt Beschreibungen von einem beispiellosen Akt der Grausamkeit. Dem Frankenburger Würfelspiel.

    Fassungslos las Richard sich die Details dieser Grässlichkeit durch. Anscheinend waren drei dutzend Bauernführer gegeneinander aufgestellt und gezwungen worden, um ihr Überleben zu würfeln. Wer denkt sich so etwas aus?

    Kurz darauf las er die Antwort. Ein Jesuitenpriester namens Martin di Simioni war für die Sache verantwortlich. Richard legte sich die Hand an die Stirn. Simioni. Ich kenne ihn. Er hat in den letzten Jahren die Gegenreformation in Böhmen und Mähren geleitet. Ein gefährlicher Mann.

    Doch was auch immer im Kopf des Priesters vorgegangen war, sein Vorgehen hatte der katholischen Sache eher geschadet als genützt. Dem Bericht zufolge stand ganz Oberösterreich jetzt vor einem Aufstand. Selbst die katholischen Bauern wollten die bayrischen Besatzer loswerden.

    Richard überlegte. Eine Bauernrevolte so weit im Süden könnte die katholische Liga vom Norden ablenken und dann ...

    Plötzlich ertönte eine Stimme hinter ihm: „Na, planst du wieder einen neuen Krieg?"

    Richard wandte sich um. Hinter ihm stand die schönste Frau, die er kannte. Elizabeth. Die Witwe seines toten Freundes Benjamin und Richards Jugendliebe.

    Richard lächelte. Er konnte nicht anders. Er lächelte immer, wenn er Elizabeth sah. Er liebte sie, seit er denken konnte. Sie erwiderte sein Lächeln wie immer: mit einem Blick voller Hass und Verachtung.

    Er räusperte sich. „Im Gegenteil, ich überlege, wie ich den Krieg beenden kann."

    Sie zog die Brauen hoch. „Der Krieg ist beendet, erklärte sie hochmutig. „Du willst ihn nur neuentfachen, weil du mit seinem Ergebnis nicht zufrieden bist.

    Richard seufzte. Es hatte keinen Sinn, mit Elizabeth über Politik zu diskutieren. Sie verabscheute ihn und alles, was er tat. Die böhmische Rebellion hatte ihrem Ehemann das Leben gekostet, und sie gab Richard die Schuld dafür. Nach der Schlacht um Prag waren sie gemeinsam nach Amsterdam geflohen. Elizabeth war die Frau eines Rebellen und ihr Sohn der Erbe eines Rebellen. Darum musste sie in den Niederlanden bleiben und konnte nicht in ihre Heimat zurückkehren. Sie lebte also in Amsterdam, besuchte Buchklubs und war im Kunsthandel tätig. Finanziell war sie auf Richard angewiesen, weswegen sie in seinem Haus lebte.

    Wenn sie nicht ihren Sohn zu versorgen hätte, würde sie vermutlich lieber verhungern, als von meinem Geld zu leben, dachte er und fragte: „Was willst du?"

    Elizabeth rümpfte die Nase. „Helena van Widem, diese schreckliche Person, ist hier. Sie will dich sehen."

    Richard erhob sich unverzüglich. Van Widem war keine Frau, die man warten ließ. „Sag den Dienern, sie sollen uns heißen Gewürzwein bringen, sie trinkt nichts anderes", sagte er im Hinausgehen. Elizabeth murmelte irgendetwas Abfälliges, aber er schenkte ihr keine weitere Beachtung. Er wusste, sie würde tun, was er verlangte.

    Mit eiligen Schritten lief er die Stufen des großen Stadthauses hinab. Bevor er die Tür zum Empfangsraum öffnete, blieb er kurz stehen, richtete sein Hemd und fuhr sich durch die Haare.

    Van Widem saß gelangweilt auf einem Wartestuhl. Sie war eine ältere Frau von beinahe sechzig Jahren. In ihrer Jugend war sie angeblich sehr schön gewesen, doch davon war heute nichts mehr zu sehen. Ihre Haut war faltig, ihr Körper dick und ihr Haar licht. Ihre Augen und ihr Verstand hatten die Jahre jedoch unbeschadet überstanden. Helena van Widem war die vielleicht klügste und gerissenste Frau der Welt; und sie wusste es.

    „Richard, sagte sie mit krächzender Stimme. „Solange lasst Ihr eine alte Frau wie mich warten? Seht Ihr denn nicht, dass ich nicht mehr lange zu leben habe?

    Richard räusperte sich. „Ihr seht frischer aus denn je, sicher werdet Ihr noch lange ..."

    Sie winkte ab. „Spart Euch das Geschwätz. Wenn ich Unsinn hören will, dann unterhalte ich mich mit meinem Idioten von einem Sohn. Der Erbe meines ganzen Handelsimperiums ist er, und was erzählt er mir heute? Er will aus dem Unternehmen aussteigen und Künstler werden. Künstler! Ich sage Euch, Richard, die jungen Leute sind heutzutage einfach verweichlicht."

    Richard schwieg. Van Widem legte keinen Wert auf Zustimmung. Das hatte sie nicht nötig. „Warum seid Ihr gekommen?", fragte er stattdessen.

    Van Widem runzelte die Stirn. „Vielleicht will ich mir einfach einmal Euer Haus ansehen? Eigentlich ist es ja mein Haus. Ich erinnere mich noch, als ich es gekauft habe. Sie blickte sich aufmerksam um „Ihr habt es ordentlich eingerichtet.

    „Das war nicht ich, stellte Richard richtig. „Das war meine ...

    Helena van Widem unterbrach ihn lachend. „Eure Freundin? Heimliche Liebe? Die Witwe Eures Freundes? Hasst sie Euch noch immer?, fragte sie spöttisch. „Ihr seid doch eigentlich ein hübscher Kerl. Wie kann sie da widerstehen? Wenn ich selbst vierzig Jahre jünger wäre, Richard ... Sie warf ihm einen anzüglichen Blick zu. Van Widem hielt nichts von weiblicher Zurückhaltung. Sie hatten in ihrem Leben viele Liebhaber gehabt, und wenn sie einen Mann wollte, bekam sie ihn. Auch jetzt noch.

    Richard war froh, dass sie ihn nicht wirklich wollte, sondern nur mit ihm spielte. Hätte sie mehr gefordert, hätte er einwilligen müssen. Er brauchte van Widem zu sehr, um sie zurückzuweisen.

    Ein junger Diener kam mit heißem Wein herein. Der Junge trug die beiden Becher schüchtern näher. Er war gerade erst in Richards Dienste getreten und hatte offensichtlich höllische Angst, etwas falsch zu machen. Vorsichtig stellte er die Becher vor ihnen ab und machte, dass er davon kam.

    Van Widem blickte auf den Wein und rümpfte die Nase. „Junge!, hielt sie den Diener zurück, „da sind keine Nelken, bring welche.

    Der Diener blickte sie unsicher an. „Wir haben keine Nelken", sagte er verschnupft.

    Van Widem rollte mit den Augen. „Du bist so einfallsreich wie ein Stein. Wir sind in Amsterdam. Geh zum Markt und kauf Nelken! Und beeil dich."

    Der Diener nickte hastig und lief los.

    Van Widem trank ungerührt von ihrem heißen Wein. „Warum seid Ihr gekommen?", fragte Richard erneut.

    Die Händlerin warf ihm einen ernsten Blick zu. „Euer Plan ist aufgegangen", sagte sie kryptisch. Richard musste nicht fragen, worum es ging. Er verfolgte seit Jahren nur einen Plan.

    „Dann haben die Könige von Dänemark und England eingewilligt?", fragte er und versuchte, seine Begeisterung zu unterdrücken.

    Van Widem nickte. „Die Konferenz findet in zwei Wochen in Den Haag statt. Ich habe dort eine Villa, die wir verwenden können."

    Richard schloss die Augen. Das war es. Seit Jahren arbeitete er daran, dass die Protestanten Europas sich an einen Tisch setzten und berieten, wie sie sich gegen Kaiser Ferdinand zur Wehr setzen könnten.

    „Wer wird kommen?", wollte er wissen.

    Van Widem zuckte mit den Schultern. „Wer weiß das schon. Fürsten sind wankelmütig. Die Herzöge von Braunschweig und Lüneburg haben Gesandte geschickt, ebenso wie die beiden Herzöge von Mecklenburg. Dazu kommen natürlich der König von Dänemark, unsere niederländischen Vertreter und der Gesandte des Königs von England."

    Das war eine beeindruckende Liste. Nur ein Land fehlte. „Was ist mit Gustav Adolf von Schweden? Schickt er einen Bevollmächtigten?"

    „Es sieht nicht so aus."

    Richard nickte grimmig. Von allen protestantischen Mächten verfügte Schweden über das stärkste Heer. Doch der mächtige schwedische Reichskanzler Oxenstierna war gegen einen Kriegseintritt und blockierte jeden Versuch, Schweden einzubeziehen.

    Richard dachte an die schwedische Königin, die wunderschöne Maria Eleanora von Brandenburg. Er hatte Marie vor einigen Jahren in Berlin kennengelernt. Damals war sie eine Unterstützerin der protestantischen Sache gewesen. Ob ich sie vielleicht dazu verwenden kann, Schweden umzustimmen?

    Sie berieten noch eine Weile die Details der Konferenz, dann machte sich Helena van Widem wieder auf den Weg — Sie hatte nicht auf ihre Nelken gewartet. Richard blieb in freudiger Stimmung zurück. Wenn es ihm gelänge, eine europaweite Allianz gegen Kaiser Ferdinand auf die Beine zu stellen, könnten sie alles zurückgewinnen. Die deutschen Protestanten würden sich erheben, und Böhmen könnte doch noch unabhängig werden. Vielleicht würde Elizabeth dann endlich aufhören, ihn zu hassen.

    Auf dem Weg in sein Zimmer stieß Richard auf Benjamin, Elizabeths fünfjährigen Sohn. Benjamin sah genauso aus wie sein Vater, nach dem er benannt worden war. Er hatte blondes Haar und ein niedliches weiches Gesicht und war ein aufgeweckter, kluger Junge, der sich für alles Mögliche interessierte. Benjamin blickte Richard ernst an. „Mama ist böse", warnte er.

    Richard ging auf die Knie. „Das sind wir alle manchmal, sagte er, woraufhin Benjamin eifrig nickte. „Aber Mama besonders. Ich glaube, sie mag es hier nicht so sehr. Sie redet immer von diesem Böhmen. Wo liegt das denn?

    Richard, der immer eine Landkarte in seiner Ledermappe hatte, zeigte es ihm. „Hier, siehst du? Es ist ein großes Land, sogar noch größer als die Niederlande. Auch wenn in Böhmen viel weniger Menschen leben."

    „Gibt es dort denn keine Städte?", wollte der kleine Benjamin wissen. Neugierig deutete er auf eine Markierung mit dem Namen Prag.

    „Natürlich gibt es dort auch Städte. Aber keine so großen und nicht so viele wie hier. Böhmen ist voller Wälder und Berge. Da kann man keine so riesigen Siedlungen bauen."

    Der Junge schaute ihn staunend an. Einen Berg hatte er noch nie gesehen. So etwas kannte er nur aus Büchern. „Nimmst du mich einmal dahin mit?, fragte Benjamin. „Du reist ja so viel. An die tollsten Orte! Da will ich auch hin!

    Richard lächelte und dachte an die Zeiten, als er und Benjamins Vater gemeinsam durch das Reich gereist waren. Vater und Sohn waren einander so ähnlich. Er beugte sich noch weiter hinab und schaute den Jungen liebevoll an. „Wenn du dich brav anstrengst, ordentlich lesen lernst und dich auch ansonsten gut benimmst, dann nehme ich dich einmal auf eine Reise mit", versprach er.

    Benjamin strahlte. „Wirklich?"

    „Wenn du artig bist, erinnerte Richard, woraufhin Benjamin ihm um den Hals fiel. „Ich werde ganz brav sein!, versicherte der Junge eifrig. Richard schloss ihn in die Arme.

    Was tut ihr da?"

    Die beiden fuhren hastig auseinander und schauten sich um. Elizabeth war auf den Stufen aufgetaucht. Sie trug ein mädchenhaftes Sommerkleid mit Rüschen, doch ihr Gesicht war hasserfüllt.

    Richard wollte etwas sagen, aber Benjamin kam ihm zuvor. „Gar nichts, Mama, Richard hat mir nur gezeigt, wo Böhmen liegt, und gesagt, dass er mich irgendwann dorthin mitnehmen will."

    Elizabeths Augen funkelten. „Hat er das?, fragte sie mit einem falschen Lächeln. „Ich frage mich, wie er das anstellen will. Ist er in Böhmen doch ein verurteilter Hochverräter. Elizabeth und Richard maßen einander mit feindseligen Blicken. Früher hätte Richard versucht, Elizabeth zu beruhigen und die Situation aufzuklären. Aber er hatte schon lange erkannt, dass das sinnlos war. Elizabeth wollte ihn hassen. Das bestätigte sie mit ihren nächsten Worten:

    „Benjamin, ich will, dass du dich von diesem Mann fernhältst. Das Haus ist mehr als groß genug dafür. Bleib in unserem Flügel und lass dich nicht mit diesem Verbrecher und Kriegstreiber ein."

    Dem Jungen traten die Tränen in die Augen. Er konnte nicht verstehen, warum Elizabeth Richard so verabscheute. „Aber er ist doch praktisch mein Vater!", protestierte er weinend. Richards Herz setzte einen Schlag aus. Vater. So hatte Benjamin ihn noch nie genannt.

    Elizabeth wich das Blut aus den Wangen. Mit bebenden Lippen sah sie ihren Sohn an, dann schlug sie ihm ins Gesicht.

    „Nenn ihn nie, niemals wieder deinen Vater!", rief sie zornig „Er ist der Mann, der deinen Vater getötet hat! Jetzt geh auf dein Zimmer!"

    Benjamin rieb sich das rote Gesicht. Doch anstatt zu gehen, blickte er Elizabeth ernst an. „Kaiser Ferdinand hat meinen Vater ermordet. Das sagt jeder in Amsterdam, nur du bist anderer Meinung." Dann ging er. Würdevoll und so,

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