Buchreihe: Produktivitätssteigerung in der Softwareentwicklung, Teil 2: Managementmodell, Aufwandsermittlung und KPI-basierte Verbesserung
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In der Softwareentwicklung ist Produktivität ein Maß dafür, wie viel Funktionalität in einer bestimmten Zeit und unter Einhaltung festgelegter Qualitätskriterien entwickelt werden kann. Gelingt eine Produktivitätssteigerung, erhöht dies den Umfang der entwickelten Funktionalität und reduziert die erforderliche Zeit. Beides ist erstrebenswert, denn Software ist der Stoff, aus dem Innovationen entstehen. Die IT hat nahezu alle Lebensbereiche durch fundamentale Innovationen verändert. Unsere Zukunft wird von der Virtualisierung und smarten Helfern, also mit Intelligenz ausgestatteten Dingen, dominiert werden. Dadurch wird Softwareentwicklung zu einer Schlüsselkompetenz. Für Unternehmen, die Software entwickeln, sind bereits heute Produktivität und damit Zeit, jedoch auch Qualität kritische Erfolgsfaktoren.
Durch die Einführung von Standards und durch Automatisierung konnte die Produktivität in der Softwareentwicklung nachweislich auf das 20-fache gesteigert werden. Bei Wiederverwendung fachlicher und technischer Komponenten konnte schon ein Faktor von 100 gemessen werden. Nachvollziehbar sind solche Leistungsunterschiede nur durch Messungen und die konsequente Verwendung der Messergebnisse im Rahmen eines auf ständige Optimierung ausgelegten Managementmodells.
Dieser zweite Teil, "Managementmodell,
Aufwandsermittlung und KPI-basierte
Verbesserung", beschreibt ein Modell, das auf drei Kennzahlen basiert: Produktivität, Kosten und Qualität. Es erklärt ihre zyklische Erhebung, ihre analytische Auswertung und Indikatoren, die zu Verbesserungsmaßnahmen in wichtigen Einflussbereichen führen. Um den Nutzen der Maßnahmen vorab einschätzen zu können, liefert es Erfahrungswerte wie auch ein Verfahren zur Berechnung ihrer Wirksamkeit. Das beschriebene Modell ist ein Navigationsinstrument, das dem Management zeigt, in welche Richtung, mit welcher Geschwindigkeit es sich angesichts seiner Kennzahlen bewegt.
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Book preview
Buchreihe - Stefan Luckhaus
Einleitung:
Factories - von der Manufaktur zur Softwareproduktion
Eine Steigerung der Produktivität bedeutet für Software entwickelnde Unternehmen [Wallmüller 1990]:
Softwareprodukte in kürzeren Zeitintervallen entwickeln;
Softwareprodukte so entwickeln, dass sie einen höheren Return on Investment liefern;
Softwareprodukte mit höherer Qualität entwickeln.
Niemand wird daran zweifeln, dass es sich dabei um erstrebenswerte, manchmal sogar essenzielle Ziele handelt. Genau diese Eigenschaften sind beispielsweise für Startups in den ersten Finanzierungsrunden entscheidend, wenn es um die Entwicklung eines digitalen Geschäftsmodells und dessen Bewertung durch Investoren geht. Die erste Frage, die dieses Buch klären möchte, ist: In welchem Maße kann die Produktivität gesteigert werden, d.h. welche Verbesserungen hinsichtlich der oben genannten Punkte können in der Praxis erwartet werden?
Das Potenzial von Produktivitätssteigerungen
Die Bandbreite der Produktivität, die in der heutigen Praxis der Softwareentwicklung gemessen werden kann, ist sehr hoch. Die Ursache dafür ist ein großer Nachholbedarf dieser Branche gegenüber anderen Bereichen der industriellen Entwicklung. Abbildung 1 zeigt Erfahrungswerte der PASS Consulting Group für verschiedene Entwicklungsparadigmen, die jeweils als Verhältnis von Output zu Input errechnet wurden. Der Output wurde mit der Data Interaction Point-Methode (Einheit: DIP), der Input in Personentagen (PT) gemessen [Luckhaus 2014].
Abbildung 1: Erfahrungswerte für erreichbare Produktivität
Die Manufaktur – Softwareentwicklung als Handwerk
Im Kontext dieser Produktivitätsbetrachtung steht die Softwaremanufaktur für einen Softwarehersteller mit nachfolgend beschriebenen Eigenschaften: Software wird von Grund auf als Unikat hergestellt und sowohl die implementierte Funktionalität als auch der Entwicklungsprozess sind individuell. Die Entwicklung nutzt bestehende Programmiersprachen, Compiler, Entwicklungsumgebungen, einige Werkzeuge usw., zeichnet sich ansonsten jedoch durch Handarbeit aus. Produkt-und Prozessqualität sind stark von der Erfahrung und den Fähigkeiten der Entwickler abhängig.
PASS verfügt über Erfahrungen und Messwerte der Produktivität aus eigenen Projekten wie auch aus Kundenprojekten, die nach Art einer Manufaktur durchgeführt wurden. Ihre Produktivität liegt in der Regel wenig über 1 DIP/PT. Laufen Projekte schlecht, ist auch eine Produktivität möglich, die deutlich unter 1 DIP/PT liegt. Gut laufende Projekte können einen Wert von 2 erreichen. Darüber hinaus gehende Produktivitätssteigerungen sind bei dieser Art der Softwareentwicklung nicht zu erwarten.
Entwicklungsstandards
Softwareentwicklung wird produktiver, wenn technische und Prozessstandards festgelegt und genutzt werden, beispielsweise:
Programmierrichtlinien und Entwurfsmuster, unterstützt durch Entwicklungsumgebungen, die mit Versionsverwaltungssystemen, Werkzeugen zur Codeprüfung usw. integriert sind.
Frameworks als Entwicklungsrahmen mit wiederverwendbaren technischen Komponenten.
Standard-Architekturen, die in ihrem Zusammenspiel bewährte Systemkomponenten vorgeben und die Integration der zu entwickelnden Software mit diesen Systemkomponenten wie auch einen nachträglichen Austausch erleichtern.
Moderne Programmierparadigmen, welche einerseits Aufgaben an die unterliegende Plattform delegieren und dadurch die Menge des zu entwickelnden Codes reduzieren, andererseits die Stärken der Konzepte aus beispielsweise objektorientierter und funktionaler Programmierung kombinieren.
Prozessmodelle, durch die Prozesse und Methoden für alle Kompetenzbereiche der Softwareentwicklung festgelegt sind, einschließlich Vorlagen für alle zu erstellenden Dokumente.
Durch Standards können viele Anforderungen erfüllt werden, ohne dass dafür Code entwickelt und getestet werden muss. Sie schützen die Investition in das Softwareprodukt, da Prozess und Produkt unabhängig von der Erfahrung und den handwerklichen Fähigkeiten einzelner Prozessbeteiligter sind und vorab festgelegte Qualitätskriterien eingehalten werden. Handelt es sich um industrieweite Standards (beispielsweise Frameworks wie Hibernate, Spring, PrimeFaces usw.), kann meist auch unternehmensübergreifend auf Erfahrungen zurückgegriffen werden und Mitarbeiter für die Wartung und Weiterentwicklung sind leichter zu finden.
Zu Projekten, die Gebrauch von technischen und Prozessstandards machen ohne dabei jedoch Teilprozesse der Softwareentwicklung zu automatisieren, verfügt die PASS Consulting Group über Messungen, die eine Produktivität zwischen 2 und 4 DIP/PT aufzeigen. Gegenüber einem Projekt, das aufgrund einer eher handwerklich orientierten Arbeitsweise mit einer Produktivität von 1 DIP/PT abgeschlossen wurde, kann durch Standardisierung somit eine bis viermal so hohe Produktivität erreicht werden. Ein möglicher Vorteil wäre der gleiche Output bei einem Viertel der Kosten, alternativ jedoch auch die Entwicklung eines viermal so großen Funktionsumfangs bei gleichen Kosten.
Standardisierung ist ein erster Schritt von der Manufaktur zur Fabrik und eine wichtige Grundlage für den nächsten Meilenstein, die zunehmende Automatisierung entlang des Fertigungsprozesses.
Automatisierte Fertigungsprozesse
Modellbasierte Entwicklung mit automatischer Code-Generierung ermöglicht die Implementierung einer Software auf der abstrakten Ebene eines Modells an Stelle einer Programmiersprache. Ein Beispiel dafür ist die PASS Software Factory, mit der dieses Paradigma seit fast 20 Jahren in der kommerziellen, unter kritischer Betrachtung von Produktivität und Qualität permanent optimierten, Softwareentwicklung eingesetzt wird. Sie basiert auf Modellen für die verschiedenen Gestaltungsbereiche einer Software, d.h. Dialoge, Prozesse, Workflows, Datenstrukturen oder Schnittstellen sowie auf den Werkzeugen, mit denen Objekte in diesen Bereichen erstellt und verändert werden können wie beispielsweise grafische Benutzeroberflächen, Datenmodelle bzw. Modelle von Fachobjekten, einfache Prozessabläufe und Workflows mit mehreren Interaktionen der Benutzer. Der Entwickler verknüpft die verschiedenen Modelle, beispielsweise Workflows mit