Discover millions of ebooks, audiobooks, and so much more with a free trial

Only $11.99/month after trial. Cancel anytime.

Friesenleiche. Ostfrieslandkrimi
Friesenleiche. Ostfrieslandkrimi
Friesenleiche. Ostfrieslandkrimi
Ebook222 pages2 hours

Friesenleiche. Ostfrieslandkrimi

Rating: 0 out of 5 stars

()

Read preview

About this ebook

Eine verbuddelte Leiche am Borkumer Strand! Die Hand des Toten ragt aus dem Inselsand, bei dem Opfer handelt es sich um den prominenten Schönheitschirurgen Dr. Matthias Drese. Schnell stoßen die Kommissare Mona Sander und Enno Moll auf eine Reihe an Verdächtigen, denn der Schönheits-Doc war eine äußerst kontroverse Persönlichkeit: für manche ein Halbgott in Weiß, andere hingegen hielten ihn für einen Scharlatan im Arztkittel. Zudem war Dr. Drese amourösen Abenteuern nicht abgeneigt … Hatte seine Ehefrau Cornelia genug von den Eskapaden ihres Mannes? Oder stecken krumme Geschäfte hinter dem Mord? Und welche Rolle spielt die ungewöhnliche Tätowierung des toten Doktors bei der Lösung des Falls? Die ostfriesischen Ermittler sind gerade dabei, das Chaos zu entwirren, als ein weiterer Notruf eingeht...

LanguageDeutsch
PublisherKlarant
Release dateApr 27, 2021
ISBN9783965863569
Friesenleiche. Ostfrieslandkrimi

Read more from Sina Jorritsma

Related to Friesenleiche. Ostfrieslandkrimi

Titles in the series (20)

View More

Related ebooks

Crime Thriller For You

View More

Related articles

Reviews for Friesenleiche. Ostfrieslandkrimi

Rating: 0 out of 5 stars
0 ratings

0 ratings0 reviews

What did you think?

Tap to rate

Review must be at least 10 words

    Book preview

    Friesenleiche. Ostfrieslandkrimi - Sina Jorritsma

    Kapitel 1

    Kommissarin Mona Sander hatte an diesem windigen Oktober­morgen bereits einige ereignislose Dienststunden in der Polizei­station Borkum hinter sich, als ihr Telefon klingelte. Sie meldete sich mit Namen und Dienstgrad.

    »Ich habe hier eine Melderin in der Leitung, die eine Totenhand gefunden haben will«, verkündete Polizeimeisterin Grietje Smit, die in der Telefonzentrale saß. Sie fuhr fort: »Vielleicht ist es auch nur ein Scherzanruf, was weiß ich.«

    Und bevor Mona reagieren konnte, wurde sie mit der Anruferin verbunden. Im Hintergrund war das Tosen der Brandung zu hören, auf der Nordseeinsel ein alltägliches Geräusch.

    »Sie müssen sofort kommen, hier liegt eine Leiche im Sand!«, rief die unbekannte Frau, um das laute Wellenbrechen am Spülsaum des Strandes zu übertönen. Die Kriminalistin atmete tief durch, dann sprach sie laut und deutlich.

    »Ich bin Kommissarin Sander. Wie heißen Sie?«

    »Mein Name ist Anke Jochens. Ich habe einen Spaziergang am Meer gemacht, und dann sah ich plötzlich diese … diese Finger, wie sie aus dem Sand ragten!«

    »Und Sie sind sicher, dass es keine künstliche Hand ist, von einer Schaufensterpuppe beispielsweise?«

    »Nein, das … glaube ich nicht. Angefasst habe ich jedenfalls nichts.«

    »Das ist gut so«, lobte Mona. »Wo genau befinden Sie sich?«

    »Am Strand«, lautete die Antwort. Die Kommissarin unterdrückte einen Seufzer. Borkum war die größte von den Ostfriesischen Inseln, entsprechend lang erstreckte sich die Küstenlinie des Eilands.

    »Geht es etwas genauer, Frau Jochens? Ich möchte so schnell wie möglich zu Ihnen kommen. Doch dafür muss ich wissen, wo Sie sind. Gibt es in der Nähe vielleicht ein Gebäude, an dem ich mich orien­tieren kann?«

    »Ja, hier ist zwischen den Dünen dieses CVJM Freizeithaus. Und das Café Sturmeck.«

    »Das ist an der Waterdelle beziehungsweise Hindenburgstraße«, erwiderte Mona. »Ich bin in spätestens zehn Minuten bei Ihnen.«

    Mit diesen Worten beendete sie das Telefonat, griff nach ihrem Anorak und verließ ihr Dienstzimmer. Die junge uniformierte Kollegin blickte auf, als Mona ins Wachlokal kam.

    »Jagst du jetzt den handlosen Untoten?«, fragte Grietje und schnitt eine Grimasse, um die Fratze einer Horrorfilmfigur zu imitieren.

    »Deine Witze waren auch schon mal besser«, sagte die Kommis­sarin zu der sommersprossigen Polizistin. »Sagst du bitte Enno Bescheid, dass er mir zum Strand auf Höhe der Waterdelle folgen soll?«

    »Falls der Zahnarzt ihn nicht zu sehr gequält hat, wird dein Kollege dir prompt folgen«, verkündete Grietje.

    Mona verließ die Polizeistation an der Strandstraße und schwang sich auf ihr privates Mountainbike. Als fixe Radfahrerin benötigte sie nur sechs oder sieben Minuten, um zur Waterdelle zu gelangen. Vor dem CVJM Freizeithaus befanden sich einige Fahrradständer. Sie schob ihr Rad in einen davon und trabte dann über den Bohlen­weg zwischen den Dünen zum Strand hinunter. Im Oktober war es auf Borkum schon etwas ruhiger als während der Hauptsaison im Sommer, doch die Insel konnte sich auch im Herbst nicht über einen Mangel an Urlaubern beklagen. Neben den ganzjährig anreisenden Kurgästen kamen um diese Zeit vorwiegend Paare und Singles, die nicht von den Schulferien abhängig waren.

    Die Kommissarin ließ ihren Blick über den Strand schweifen. Es gab einige Spaziergänger und Jogger, die sich unmittelbar am Spül­saum entweder in Richtung Ortskern oder zum Ostland bewegten.

    Ungefähr sechs Meter von der Brandung entfernt stand eine Frau. Sie hatte die Fäuste in die Hüften gestemmt. Selbst auf die Entfernung war ihre Körperspannung deutlich wahrzunehmen. Die Kommissarin beschleunigte ihre Schritte und hielt auf die Unbekannte zu.

    »Frau Jochens?«, rief Mona, während sie ihren Dienstausweis hochhielt und der Wind in ihr schulterlanges rotblondes Haar fuhr.

    »Ja, die bin ich!«, gab die Angesprochene eifrig nickend zurück. Sie trug Sportschuhe, eine blaue Freizeithose und eine grell orangefarbene Freizeitjacke. Ihr Haar war unter einer Baumwoll­mütze verborgen, die mit einem Anker verziert war – ein typisches Mitbringsel, das man in den Borkumer Souvenirläden fand. Nach Monas Schätzung war Anke Jochens zwischen fünfzig und sechzig. Momentan interessierte sich die Kommissarin allerdings hauptsäch­lich für die bleichen Finger, die aus dem lockeren Strandboden ragten. Sie kniete sich hin, um die Hand genauer zu betrachten. Auf den Fingern waren festgetrocknete Sandkrusten zu erkennen, außerdem bemerkte Mona einen Ehering. Der Größe nach zu urteilen, handelte es sich vermutlich um eine Männerhand. Dafür sprach auch die Tatsache, dass die Nägel nicht lackiert waren.

    Die Kriminalistin streifte sich Latexhandschuhe über und berührte das Gewebe leicht. Sie fasste nicht zum ersten Mal in ihrem Leben einen Toten an. In diesem Moment war sie hundertprozentig sicher, dass es sich um den Teil eines Verstorbenen handelte, nicht etwa um eine Attrappe aus Kunststoff oder Gummi.

    Sie holte das Funkgerät aus der Tasche und sagte: »Grietje, ich melde einen Leichenfund am Strand, ungefähr auf Höhe vom Café Sturmeck. Hier muss abgesperrt werden, außerdem soll ein Bestatter die sterblichen Überreste für den Transport zum gerichtsmedizini­schen Institut vorbereiten.«

    »Das ist verstanden«, gab die junge Kollegin zurück. »Ich schicke dir gleich Claas und Aiske, um den Bereich abzusperren. Und Enno ist auch gerade gekommen. Er wird sich sofort auf den Weg zu dir machen.«

    Diese Information hörte die Kommissarin gern. Sie fühlte sich durchaus dazu in der Lage, allein mit der Untersuchung zu beginnen. Doch sie und der erfahrene Oberkommissar waren einfach ein gutes Team, sie ergänzten einander perfekt und hatten gemeinsam schon viele knifflige Fälle gelöst.

    »Ist der Mann ertrunken?«

    Diese Frage hatte die Melderin gestellt. Mona drehte sich zu Anke Jochens um und sagte: »Die genaueren Todesumstände der Person müssen wir erst klären. Sie sind eine aufmerksame Beobachterin. Hier wird viel Strandgut angetrieben. Wenn Sie den Toten nicht bemerkt hätten, wäre er womöglich viel später entdeckt worden.«

    Die Kommissarin meinte ihr Lob durchaus ernst. Die Totenhand ragte ein gutes Stück weit vom Spülsaum entfernt aus dem Sand. Der Strand war auf dieser Höhe besonders breit.

    »Eigentlich bin ich nur aufmerksam geworden, weil eine Möwe daran gepickt hat«, gab die Zeugin zu. »Der Vogel ist weggeflogen, als ich näher kam.«

    Mona nickte gedankenverloren. Am liebsten hätte sie die Leiche sofort ausgegraben. Aber erstens hatte sie kein Werkzeug bei sich, und zweitens wollte sie auf ihre Kollegen warten. Außerdem musste ein Sichtschutz angebracht werden. Für ihren Geschmack liefen hier zu viele unbeteiligte Zivilisten herum. Sie wollte vermeiden, dass womöglich sensationslüsterne Menschen den Leichnam begafften. Dann wandte sie sich wieder an die Melderin: »Sie müssen nicht hier bleiben, ich habe aktuell keine Fragen mehr an Sie. Ich brauche nur Ihre Telefonnummer und Ihre Adresse hier auf der Insel, falls noch etwas unklar ist.«

    Mit diesen Worten gab die Kriminalistin Anke Jochens ihr Notizbuch. Die Frau schrieb eine Mobilnummer sowie die Anschrift der Pension Lührmann auf. Nachdem Mona die Kladde zurückbe­kommen hatte, eilte die Zeugin davon. Die Kommissarin konnte nur hoffen, dass Frau Jochens sich durch den Leichenfund nicht ihren Urlaub verderben ließ. Mona funkte noch schnell Claas Lammer und Aiske Berend an und bat die uniformierten Kollegen, auf ihrem Weg zum Strand zwei Klappspaten sowie einen Sichtschutz mitzubringen. Dann schaute sie sich die aus dem Boden ragende Hand genauer an. Zwischen den Fingern hatte sich etwas Seetang verfangen. Die Pflanzen verströmten ihren typischen Geruch, den viele Touristen mit einem morgendlichen Spaziergang am Strand einer Nordseeinsel in Verbindung bringen. Mona berührte den Tang, er war noch feucht. Die Haut des Toten sah nicht so aus, als ob der Körper schon länger im Wasser gelegen hätte. Die Kommissarin erinnerte sich mit Schaudern an einige Wasserleichen, die auf Borkum angeschwemmt worden waren. Es handelte sich dabei wahrscheinlich um Menschen, die auf hoher See über Bord gingen oder den Freitod wählten. Im Vergleich dazu wirkte dieser Tote geradezu frisch. Sie schätzte, dass er vor höchstens vierundzwanzig Stunden ums Leben gekommen sein konnte.

    Unfall oder Verbrechen?

    Während Mona sich diese Frage stellte, kamen ihre Kollegen durch den Sand herangestapft. Ein Stück hinter ihnen näherte sich auch der hochgewachsene und schwergewichtige Oberkommissar Enno Moll. Wie üblich trug er Jeans, ein Karohemd und seine abgewetzte Lederjacke.

    Die Kommissarin erhob sich aus ihrer knienden Position, gab den Polizisten die Hand und schilderte kurz, was ihr bisher bekannt war.

    »Ich baue den Sichtschutz auf, Claas kann ja schon mal mit dem Ausgraben anfangen«, schlug Polizeimeisterin Aiske Berend vor.

    »Meinetwegen«, gab Claas Lammer zurück und begann mit der Arbeit.

    Mona schaute Enno prüfend an: »War es beim Zahnarzt schlimm?«

    Der Ostfriese schüttelte den Kopf.

    »Die Behandlung war halb so wild. Unangenehm ist nur, dass ich jetzt ein paar Stunden lang nichts essen darf.«

    Mona verkniff sich eine flapsige Bemerkung, obwohl Ennos Leibesfülle unübersehbar war. Er nahm sich oft genug selbst auf die Schippe, und seine Kollegin mochte Witze über seinen Umfang ebenso wenig wie dumme Sprüche über ihre eigene geringe Körpergröße von nur eins dreiundsechzig. Der Oberkommissar nahm das zweite Werkzeug zur Hand, um Claas zu helfen. Mona hingegen beteiligte sich am Aufstellen des Sichtschutzes. Diese Maßnahme erwies sich als dringend notwendig, denn der Auftritt von uniformierten Polizisten hatte unweigerlich zur Folge, dass Neugierige herbeiströmten.

    »Gehen Sie bitte weiter, es gibt hier nichts zu sehen!«, rief Mona. Doch ihre Worte zeigten keine Wirkung. Immerhin hielten die Schaulustigen jenseits der Sichtblende Abstand.

    Claas und Enno kamen schnell voran. Offenbar war die Leiche nur von einer wenige Zentimeter dicken Sandschicht bedeckt gewesen. Die beiden hatten ihre Spaten beiseitegelegt, um den toten Körper nicht versehentlich zu beschädigen. Sie legten den schlanken und durchtrainierten Leib eines ungefähr fünfzigjährigen Mannes mit blondem, grau meliertem Haar frei. Der Tote lag auf dem Rücken. Die Arme waren abgespreizt, wobei der eine schräg nach oben gerichtet war. Die Leiche war mit Sandalen, knielangen Khakishorts und einem blauen Sweatshirt bekleidet. Die angewinkelten Beine schienen in einem Krampf erstarrt zu sein. Für diese Annahme sprachen auch die verzerrten Gesichtsmuskeln.

    »Äußere Verletzungen kann ich nicht erkennen«, stellte Mona fest. »Wir müssen kein Rätselraten über die Todesursache veranstalten. Die Obduktion wird uns Aufschluss geben.«

    Enno nickte und sagte: »Viel spannender finde ich momentan die Frage, wie der Leichnam auf diesem Strandabschnitt gelandet ist. Der Mann wird nicht angeschwemmt worden sein. In dem Fall wäre er nicht gänzlich mit Sand bedeckt worden, nicht in so kurzer Zeit.«

    »Ich habe mir auch schon gedacht, dass er schätzungsweise gestern ums Leben gekommen sein muss.«

    Mit diesen Worten begann die Kommissarin damit, die Taschen des Unbekannten zu durchsuchen. Doch er hatte nichts bei sich, noch nicht einmal ein benutztes Papiertaschentuch.

    »Jemand hat den Körper notdürftig hier verscharrt«, mutmaßte der Oberkommissar. »Es wurde gerade genug Sand zur Seite geschau­felt, um den Toten in die Kuhle legen und dann wieder bedecken zu können. Allerdings haben der oder die Täter nicht an die Flut gedacht. Beim Höchststand der Tide steht hier alles unter Wasser. Jetzt haben wir Ebbe, da hat sich die Nordsee zurückgezogen. Und sie nahm genügend Sand mit, um zumindest einen Teil des Körpers freizulegen.«

    »Ja, nämlich die Hand«, bestätigte Mona. Sie fuhr fort: »Ich frage mich, ob diese verkrampfte Körperhaltung auf den Todeskampf zurückzuführen ist. Ob der Mann noch gelebt hat, als er mit Sand bedeckt wurde?«

    Enno überlegte weiter: »Der Körper muss bei Niedrigwasser hierher geschafft worden sein. Nachts war bis gegen halb elf noch Ebbe, danach stieg das Wasser wieder an. Wenn ich einen Toten beseitigen wollte, würde ich es auch im Schutz der Dunkelheit tun. Die Täter werden den Mann nicht bei Tageslicht hier verscharrt haben. Es gibt weit und breit keine Deckung, und man muss jederzeit mit unliebsamen Zeugen rechnen.«

    Mona ergänzte: »Und die Kriminellen hatten entweder keine Ahnung von den Gezeiten oder sie wollten den Mann in Panik möglichst schnell verbuddeln, ohne über die Konsequenzen nachzudenken.«

    »Du gehst also von einem Verbrechen aus?«

    »Denkst du anders darüber, Enno? Wenn jemand an einer Krankheit stirbt oder einen Unfall hat, dann ruft man doch üblicherweise den Notarzt und beseitigt den Toten nicht einfach wie … wie ein Stück Aas.«

    Trotz aller Professionalität war Mona empört. Und sie hatte nicht vor, dieses Gefühl zu unterdrücken. Sie wollte die Schuldigen zur Verantwortung ziehen und vor allem herausfinden, was geschehen war. Die Kommissarin machte mit ihrem Smartphone einige Fotos vom Gesicht des Mannes. Auch Enno betrachtete das Antlitz aus nächster Nähe. Er klang nachdenklich, als er sagte: »Mir kommt der Tote bekannt vor. Ich habe ihn bestimmt schon einmal gesehen, doch mir fallen die Zusammenhänge noch nicht ein.«

    Im Gegensatz zu der Kommissarin, die erst seit einigen Jahren auf Borkum lebte, war der stämmige Ostfriese auf der Insel geboren. Hätte es sich um die sterblichen Überreste eines Einheimischen gehandelt, dann wäre Enno vermutlich sofort dessen Name, Anschrift und Familienstand eingefallen. Doch die Insel wurde ganzjährig von vielen Touristen und Kurgästen besucht, hinzu kamen noch die Besitzer von Zweitwohnungen und -häusern.

    Mona deutete in Richtung CVJM Freizeithaus und sagte: »Lass uns doch dort mit unseren Nachforschungen beginnen. Diese Unterkunft wird auch im Herbst gut besucht sein. Von dort aus sind es nur wenige Meter bis zu diesem Strandabschnitt. Vielleicht hat unser Unbekannter dort gewohnt. Oder jemand kennt ihn.«

    »Einverstanden«, gab Enno zurück.

    Claas hatte eine Kunststoffplane dabei, mit der sie den toten Körper abdeckten. Verwertbare Fußspuren suchte man in der Nähe des Leichenfundortes vergeblich. Der Sandboden war noch feucht, was ebenfalls für die Kleidung des Verstorbenen galt. Für Mona stand nun endgültig fest, dass die letzte Flut über den hastig Verscharrten hinweggespült hatte.

    Die Kommissarin bat ihre uniformierten Kollegen, auf den Bestatter zu warten, der den Toten im Leichenwagen zur Fähre schaffen sollte. Dann stapfte sie gemeinsam mit dem Oberkommissar Richtung Ferienheim.

    »Wenn der Mörder die Taschen des Opfers geleert hat, wäre es höchst unlogisch, den Toten unweit der Unterkunft zu verbuddeln«, dachte Enno laut nach. »Und wer einen Körper so nah beim Spülsaum eingräbt, beweist damit nur, dass er vom Wechsel der Gezeiten keine Ahnung hat. Früher oder später hätte die Flut den kompletten Leib freigelegt.«

    »Dann war der Täter entweder kein Insulaner oder hat in seiner Panik nicht so vorausschauend gedacht.«

    Mit diesen Worten spann Mona den Gedanken des Ostfriesen weiter. Die Kriminalisten erreichten das große, helle CVJM-Gebäude gerade in dem Moment, als eine Jugendgruppe mit Fahrrädern zu einem Ausflug aufbrechen wollte. Die Kommissarin hielt ihren Dienstausweis hoch und zeigte die Fotos, die sie von dem Unbekannten gemacht hatte.

    »Der ist ja tot, wie gruselig!«, rief ein blondes Mädchen.

    »Ja, und wir müssen seinen Namen ermitteln«, sagte Enno. »Kennt ihr den Mann?«

    Eine andere Jugendliche meinte: »Der Typ sieht ein bisschen aus wie Dr. Drese.«

    »Ist das einer eurer Lehrer?«, hakte der Ostfriese nach. Daraufhin brachen die Teenager in Gelächter aus. Offenbar hatte Enno unfrei­willig etwas Komisches gesagt.

    »Sie leben wohl hinter dem Mond!«, brachte die Blonde kichernd hervor. »Dr. Drese ist ein Star-Chirurg aus Hamburg. Er hat aus meiner Cousine eine krasse Beauty Queen gemacht.«

    »So, hat er das getan?«, fauchte Mona. »Also

    Enjoying the preview?
    Page 1 of 1