Thriller Quartett 4016 - 4 Krimis in einem Band
Von Chris Heller, Thomas West und Cedric Balmore
()
Über dieses E-Book
Virginia Knowlton starrte ihn verdutzt an. Sie kannte ihn nicht. Ihr gefielen weder sein Aussehen noch das dünne, scharfe Lächeln, mit dem er sie musterte. Ihr war zumute, als schätzte er sie wie eine Ware ab.
»Wer — wer sind Sie?« fragte das Girl.
»Ihr Mörder«, antwortete der Mann.
Dieser Band enthält folgende Krimis:
Cedric Balmore: Das Syndikat der nackten Puppen
Cedric Balmore: Stets, wenn er die Peitsche nahm
Cedric Balmore: Heroin für reiche Ladies
Chris Heller & Thomas West: Kommissar Jörgensen und der rote Diamant
Mehr von Chris Heller lesen
Krimi Dreierband 3078 - 3 Thriller in einem Band! Bewertung: 0 von 5 Sternen0 Bewertungen12 Krimis im Paket Februar 2022 Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenKiller in der Klemme: 3 Urlaubskrimis Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDrei Krimis Spezialband 1046 Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenIch darf mich nicht verwandeln Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenKrimi Dreierband 3097 Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenActionkrimi Doppelband 5002 Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenThriller Quartett 4033 - 4 Krimis in einem Band Bewertung: 0 von 5 Sternen0 Bewertungen8 Strand Thriller für den Mörderurlaub 2023 Bewertung: 0 von 5 Sternen0 Bewertungen9 Strandkrimis Februar 2023: Krimi Paket Bewertung: 0 von 5 Sternen0 Bewertungen
Ähnlich wie Thriller Quartett 4016 - 4 Krimis in einem Band
Rezensionen für Thriller Quartett 4016 - 4 Krimis in einem Band
0 Bewertungen0 Rezensionen
Buchvorschau
Thriller Quartett 4016 - 4 Krimis in einem Band - Chris Heller
Thriller Quartett 4016 - 4 Krimis in einem Band
Cedric Balmore, Chris Heller, Thomas West
Als es klingelte, öffnete sie. Vor der Tür stand ein Fremder. Das Mädchen prallte vor ihm zurück, als er sich über die Schwelle schob und schon in der Diele stand. »Hallo, Virginia«, sagte er grinsend.
Virginia Knowlton starrte ihn verdutzt an. Sie kannte ihn nicht. Ihr gefielen weder sein Aussehen noch das dünne, scharfe Lächeln, mit dem er sie musterte. Ihr war zumute, als schätzte er sie wie eine Ware ab.
»Wer — wer sind Sie?« fragte das Girl.
»Ihr Mörder«, antwortete der Mann.
Dieser Band enthält folgende Krimis:
Cedric Balmore: Das Syndikat der nackten Puppen
Cedric Balmore: Stets, wenn er die Peitsche nahm
Cedric Balmore: Heroin für reiche Ladies
Chris Heller & Thomas West: Kommissar Jörgensen und der rote Diamant
Copyright
Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von
Alfred Bekker
© Roman by Author / COVER A.PANADERO
© dieser Ausgabe 2022 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.
Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.
Alle Rechte vorbehalten.
www.AlfredBekker.de
postmaster@alfredbekker.de
Folge auf Twitter:
https://twitter.com/BekkerAlfred
Erfahre Neuigkeiten hier:
https://alfred-bekker-autor.business.site/
Zum Blog des Verlags!
Sei informiert über Neuerscheinungen und Hintergründe!
https://cassiopeia.press
Alles rund um Belletristik!
Das Syndikat der nackten Puppen
Cedric Balmore
Als es klingelte, öffnete sie. Vor der Tür stand ein Fremder. Das Mädchen prallte vor ihm zurück, als er sich über die Schwelle schob und schon in der Diele stand. »Hallo, Virginia«, sagte er grinsend.
Virginia Knowlton starrte ihn verdutzt an. Sie kannte ihn nicht. Ihr gefielen weder sein Aussehen noch das dünne, scharfe Lächeln, mit dem er sie musterte. Ihr war zumute, als schätzte er sie wie eine Ware ab.
»Wer — wer sind Sie?« fragte das Girl.
»Ihr Mörder«, antwortete der Mann.
***
Er sagte es leichthin, als antworte er auf die Frage, welchen Beruf er habe.
Seine Stimme war nicht unangenehm. Sie hatte nichts Drohendes. Aber die Worte senkten sich wie glühendes Blei in sie hinein.
»Gehen wir in die Küche«, sagte der Mann.
Virginia Knowlton gehorchte wie betäubt Der Mann folgte ihr. Interessiert schaute er sich in der Küche um.
»Sauber und ordentlich«, meinte er lobend.
»Sie haben gesagt…«, begann Virginia Knowlton, aber sie hatte nicht die Kraft, den Satz zu beenden. Seine Drohung war zu absurd, um ernst genommen zu werden. Niemand hatte einen Grund, sie zu töten. Niemand!
»Das Syndikat hat es befohlen«, meinte er und setzte sich an den kleinen Klapptisch. »Mein Name ist übrigens Eden. Ray Eden.«
Die Situation wurde immer unwirklicher. Mörder pflegen sich nicht vorzustellen. War der Mann verrückt? Wenn das zutraf, stellte sich die Frage, ob er harmlos oder gefährlich war.
»Kochen Sie mir einen Kaffee«, for-; derte er.
Virginia Knowlton nickte. Mechanisch erledigte sie die gewohnten, Handgriffe. Sie füllte den Kessel mit Wasser und stellte ihn auf die Herdplatte.
Was würde geschehen, wenn sie jetzt laut um Hilfe schrie? Sie dachte an die Bewohnerinnen der angrenzenden Apartments. Die alte Mrs. Slope war halb taub und würde nichts hören, Ann Shirley, die auf der anderen Seite wohnte, hatte die Stadt vor zwei Tagen verlassen, um ihre in Dakota lebende Familie zu besuchen. In den anderen Apartments plärrten Radios und Fernsehgeräte. Laute Hilferufe gehörten zum Instrumentarium vieler Bildschirmkrimis. Ein echter Hilfeschrei hatte in dieser Umgebung keine Chance, ernst genommen zu werden.
Der Mann beobachtete sie. Sein schmales, straffes Gesicht mit den blassen Lippen hatte regelmäßige Züge. Nur seine flachen steingrauen Augen waren ihr unheimlich. Sie schätzte ihn auf achtundzwanzig Jahre. Er hatte dunkelblondes, sehr kurz geschnittenes Haar mit buschigen Kotelettenansätzen. Unter seinem dunkelblauen Blazer trug er einen himmelblauen Rollkragenpullover. Seine grauen Hosen waren scharf gebügelt.
»Ich kenne Syndikate nur aus Romanen oder Zeitungsberichten«, sagte Virginia Knowlton. »Ich bin nie einer solchen Organisation oder einem ihrer Mitglieder zu nahe getreten. Ich habe keine Verbindungen zur — nun, zur Unterwelt. Weshalb sollte ein Syndikat meinen Tod wünschen?«
»Keine Ahnung«, meinte Ray Eden. Sein Lächeln verwandelte sich in ein faunhaftes Grinsen. »Niemand hat mich über die Gründe meines Auftrages informiert. Ich habe den Tötungsbefehl und einen Vorschuß bekommen und bin losgezogen. Das ist alles.«
Virginia Knowlton schüttelte das Kaffeepulver in den Filter und sah zu, wie das Wasser hindurchlief. Es war unfaßbar! Da gab es also wirklich Menschen, die das Morden ganz nüchtern als einen bezahlten Job betrachteten.
»Sie — Sie müssen mich verwechselt haben«, murmelte das Mädchen.
»Sie sind Virginia Knowlton aus Carson, Texas. Sie haben eine Schwester namens Leslie. Ihre Eltern betreiben in Carson eine kleine Farm, stimmt’s?« Virginia Knowltons Verblüffung wuchs im gleichen Maße wie ihr Terror. »Mein Tod würde niemandem einen Gewinn bringen«, meinte sie und wunderte sich darüber, daß sie es fertigbrachte, ihr Leben wie eine Handelsware zu bemessen.
»Wer weiß«, spottete der Mann. »Vielleicht haben Sie reiche Eltern? Vielleicht gibt es jemand, der sich Ihr Erbteil unter den Nagel reißen möchte?«
»Ich muß Sie enttäuschen. Meine Eltern sind arm. Es geht ihnen miserabel. Die kleine Farm ist hoch verschuldet. Ich unterstütze meine Familie monatlich mit zweihundert Dollar. Das zwingt mich dazu, meine eigenen Ausgaben einzuschränken. Ich komme kaum zum Sparen und bin alles andere als ein für die Syndikate interessantes Objekt.«
»Sie sehen blendend aus«, stellte Ray Eden fest. Seine Augen wurden schmal. »Ihre Figur ist Sonderklasse. Es kann Ihnen nicht schwerfallen, die Männer auszunutzen, die sich um Ihre Gunst bemühen.«
Virginia ärgerte sich über eine solche Einschätzung, daß sie rot wurde. »Offenbar gehen Ihre und meine Ansichten über Fragen der Moral und des Schicklichen weit auseinander«, sagte sie. »Es käme mir nie in den Sinn, von einem Mann Geld anzunehmen.«
Er lächelte. »Die Welt wäre langweilig, wenn es nur Gleichgesinnte gäbe,« meinte er. »Übrigens trinke ich den Kaffee mit einem Schuß Whisky.«
»Die Flasche steht im Wohnzimmer«, antwortete das Mädchen und gab sich Mühe, ihre plötzliche Erregung nicht zu zeigen. Wenn sie erst einmal in der Diele war, konnte sie die Wohnungstür aufreißen und die Flucht ergreifen.
Ray Eden erhob sich. »Stellen Sie den Kram auf ein Tablett«, forderte er. »Wir können Ihre Henkersmahlzeit im Wohnzimmer einnehmen.«
Sie setzten sich ins Wohnzimmer. Virginia Knowlton zerbrach eine Tasse, als sie das Geschirr zitternd abstellte. Ray Eden schüttete ruhig etwas Whisky in seinen Kaffee und probierte die Mischung mit zufriedenem Gesicht.
Virginia Knowlton saß ihm stocksteif und kerzengerade auf dem vorderen Sesselrand gegenüber. »Ich komme nicht davon los, daß Sie sich mit mir nur einen makabren Scherz erlauben,« meinte sie.
Er setzte die Tasse ab und erhob sich so abrupt, daß die Whiskyflasche umfiel. Sie rollte über den Tischrand, fiel zu Boden und zerbrach.
Virginia Knowlton wollte aufspringen, aber die Knie versagten ihr den Dienst. Der Mann kam um den Tisch herum. In seinen grauen Augen formierte sich ein seltsamer Ausdruck, eine Mischung aus Hunger, Hohn und Entschlossenheit.
Dicht vor dem Mädchen blieb der Mann stehen. Virginia Knowlton blickte zu ihm hoch und sah, daß er an seinem Kinn eine Operationsnarbe hatte und daß in seinen Nasenlöchern borstige Haare wucherten.
»Wie zart Ihre Haut ist!« murmelte er und hob seine Hände.
Virginia Knowlton fiel es ein, daß die Öffentlichkeit immer wieder von mysteriösen Morden aufgeschreckt wurde, von den Amokläufen brutaler, abartig veranlagter Killer. War Ray Eden einer von ihnen?
»Nein!« schrie das Mädchen. Sie versuchte aufzuspringen. Der Mann packte blitzschnell zu. Seine Hände legten sich wie ein Stahlring um ihren Hals.
Ray Eden begann, das Girl zu würgen. Er war ihr dabei so nahe, daß sie den Geruch seiner Kleidung in die Nase bekam, eine Geruchsmischung von Tabak, Mottenkugeln und Schweiß. Ein Gefühl des Ekels erfaßte sie, aber noch stärker als dieses Empfinden war die jäh aufbrechende Todesangst.
Virginia zerrte an seinen Händen. Er lachte nur darüber. Noch bekam sie Luft, aber sie fühlte, daß er nur ein wenig mehr zuzudrücken braucht 2, um auch die letzte Zufuhr zu stoppen.
Virginia Knowlton erinnerte sich plötzlich daran, was sie kürzlich in einem Frauenmagazin über die Kunst der Selbstverteidigung gelesen hatte. In ihrer wahnsinnigen Furcht beherzigte sie eine dieser Regeln.
Sie riß ein Knie hoch und traf den Mann dort, wo es ihn schmerzte.
Ray Eden ließ sie los und jumpte einen Schritt zurück.
Virginia Knowlton sprang hoch und jagte zur Tür. Sie riß sie auf, kam aber nicht mehr dazu, durch die Diele zur Wohnungstür zu rennen. Ray Eden hatte die Schlagwirkung abgeschüttelt wie ein lästiges Insekt. Er erwies sich als spurt- und reaktionsschnell. Virginia Knowlton stieß einen lauten Schrei aus, als er sie am Arm ergriff und zu Boden riß.
Das Girl schlug hart mit dem Kopf auf. Sie wollte schreien, aber der Mann preßte ihr sofort seine feuchte Hand auf den Mund. Schwer atmend kniete er sich über sie. In seinen Augen war kalter, fremder Glanz. Zufriedenheit war darin, der Triumph des Siegers, aber auch der Spieltrieb einer Katze, die sich mit einer Maus vergnügt.
Blitzschnell wechselte er seinen Griff. Er legte seine Hände um ihren Hals. Diesmal drückte er fester zu. Das Girl bekam keine Luft. Sie bäumte sich auf, sie wehrte sich verzweifelt gegen das Furchtbare, aber ihre Kräfte reichten nicht aus, um sich mit denen des Mannes zu messen.
Sie merkte, wie ihr die Sinne schwanden. Sie dachte an ihre Mutter, sie dachte an ihre Schwester und, flüchtiger schon, an Bob Jenkins, der sie hatte heiraten wollen. Sie verstand, nicht, was geschah und warum es geschah, sie fühlte nur, daß jetzt alles aus war.
Ihr letzter Gedanke galt der Frage, weshalb man sie zum Tode verurteilt hatte. Dann stürzte ihr Bewußtsein in einen endlos tiefen Schacht.
***
Ich trat auf die Bremse und schloß die Augen. Ich war hundemüde. Am liebsten hätte ich jetzt und hier gepennt, am Steuer meines Wagens, den Kopf auf das Lenkrad gebettet. Ich gab mir einen Ruck. Bloß jetzt nicht einschlaf en! Ich hatte keine Lust, mich nach dem Erwachen wie gerädert zu fühlen.
Ich stieg aus und ging gähnend auf den Hauseingang zu. Hinter mir lag eine Woche harter Arbeit. Morgen wartete ein schwieriger Fall auf mich, im Augenblick aber war Ruhe. Ich konnte mich auf eine heiße Dusche und einen erholsamen Schlaf konzentrieren — was für ein herrlicher Gedanke!
»Pst!« machte es. »Mr. Trevellian!«
Ich blieb stehen und wandte den Kopf. Der Mann, der mich gerufen hatte, stand halb verdeckt hinter einem der Zedernbüsche, die den Hauseingang flankierten.
Ich erkannte ihn sofort. Der Mann hieß Borkley oder Blockley. Bis vor kurzem war er einer der Mieter des von mir bewohnten Apartmenthauses gewesen. Vor etwa einem Monat war er mit seiner Familie ausgezogen.
Ich schaute mich um. Auf der anderen Straßenseite führte ein älterer Mann seinen Hund spazieren. Ein Liebespaar ging eng umschlungen und verträumt die Straße hinab. Sonst war niemand in der Nähe. »Was ist los?« fragte ich den Mann hinter dem Busch. Mir war unklar, was er mit seinem Versteckspiel bezweckte.
»Ich muß Sie sprechen, Sir«, sagte er. Seine Stimme klang angstvoll. »Erinnern Sie sich an mich? Ich bin Dennis Blockley.«
Ich fühlte, daß ich die heiße Dusche vergessen mußte, vielleicht sogar das Schlafen, auf das ich mich besonders gefreut hatte.
»Warum kommen Sie nicht hinter dem Busch hervor?« fragte ich ihn.
»Sie sind hinter mir her«, behauptete er flüsternd.
»Wer?«
»Hier kann ich es Ihnen nicht erklären.«
»Okay, folgen Sie mir in meine Wohnung«, sagte ich seufzend.
»Nicht jetzt«, meinte er. »Niemand darf uns zusammen sehen. Ich komme später nach, sobald die Luft rein ist.«
»Einverstanden, aber lassen Sie mich bitte nicht zu lange warten«, sagte ich. »Ich muß dringend mal schlafen.«
Mit dem Lift fuhr ich nach oben und stand kurz darauf unter der Dusche. Danach mixte ich mir einen leichten Drink. Ich setzte mich im Bademantel in das Wohnzimmer, legte die Füße hoch und gab mir Mühe, munter zu bleiben.
Ein heftiges Klirren ließ mich zusammenfahren. Ich hob blinzelnd die Augenlider und entdeckte, daß ich eingenickt war und das Glas fallen lassen hatte. Ich holte die Kehrschaufel und einen Besen aus der Küche und beseitigte den Schaden. Ein Blick auf die Uhr zeigte mir, daß seit meiner Heimkehr bereits eine Stunde verstrichen war.
Ich war wütend auf Blockley. Warum rief er mich nicht an, wenn er kalte Füße bekommen hatte? Ich ging ins Schlafzimmer und schlüpfte in meinen Pyjama. Zum Teufel mit Blockley! Ich legte mich in die Klappe und wartete auf das Sandmännchen, merkte aber schon nach wenigen Sekunden, daß ich einfach nicht einschlafen konnte. Ich sah Blockleys Gesicht vor mir und erinnerte mich an die Angst in seiner Stimme. Er hatte sich vor seinen Verfolgern gefürchtet. War es den Burschen gelungen, ihn vor dem Haus abzufangen?
Ich hatte keine Ahnung, wie ernst das Ganze zu nehmen war. Jedenfalls würde ich nicht einschlafen können, bis ich den Fall geklärt hatte. Ich rief den Hausmeister an. Er erinnerte sich an Blockley.
»Ein ordentlicher Mann«, sagte er. »Sehr tüchtig. Mir tat nur die Frau leid. Nachts war er nie zu Hause. Er arbeitete im Hotelgewerbe.«
»Warum sind sie ausgezogen?«
»Sie brauchten eine größere Wohnung. Soviel ich weiß, war Nachwuchs unterwegs.«
»Haben Sie die neue Adresse?«
»Ja, er hat sie mir wegen der Post auf geschrieben«, sagte der Hausmeister. »Warten Sie mal. Ich suche sie Ihnen heraus. Hier ist sie. Dennis Blockley, Adams Street 144.«
»Telefon?«
»Als'er von hier wegzog, hatte er noch keinen neuen Anschluß, Sir.«
»Danke, ich besorge mir die Nummer von der Auskunft.«
Wenige Minuten später wählte ich Blockleys Nummer. Eine Frau meldete sich. Es schien fast so, als habe sie neben dem Telefon gesessen und auf den Anruf gewartet.
»Dennis?« fragte sie. Ihre Stimme klang wach und gespannt, aber auch angstvoll.
»Hier spricht Jesse Trevellian, Madam. Erinnern Sie sich an mich? Wir wohnten bis vor einem Moment im gleichen Haus.«
»O ja, Sir. Ich weiß. Dennis hat Sie oft bewundert. Als er noch jung war, träumte er davon, selber einmal FBI-Agent zu werden. Aber dann war er froh, daß er im Hotelfach unterkam. Was ist geschehen, Sir?«
»Das wollte ich gerade von Ihnen erfahren, eigentlich von Ihrem Mann.«
»Dennis ist nicht zu Hause. Er — er hat heute seinen freien Abend.«
»Wieso läßt er Sie da allein?«
»Dennis hat eine dringende Angelegenheit zu regeln, Sir«, sagte die Frau stockend.
Ich beschloß, mit offenen Karten zu spielen. »Er wollte mich sprechen und in meiner Wohnung aufsuchen, ist aber nicht gekommen. Haben Sie dafür eine Erklärung?«
Am anderen Leitungsende war es einige Sekunden still. Dann ertönte ein unterdrücktes Schluchzen. »Mein Gott, ich habe solche Angst um ihn!« wimmerte die Frau.
Ich wartete auf eine Erklärung, aber sie kam nicht. »Wovor fürchten er und Sie sich?«
»Ich wünschte, ich könnte es Ihnen sagen, Sir, aber ich weiß nicht, was dahintersteckt«, erwiderte die Frau. »Dennis spricht mit mir nicht darüber. Aber ei ist am Ende. Völlig fertig. Etwas frißt, bohrt und zehrt an ihm. Er fühlt sich bedroht und verfolgt. Jedenfalls habe ich den Eindruck, daß es so ist. Wenn ich Dennis danach frage, weicht er mir aus und behauptet, daß alles okay sei und daß ich keinen Grund hätte, mir Sorgen zu machen. Sie müssen wissen, daß ich ein Kind erwarte und kurz vor der Entbindung stehe. Dennis will mich aus diesem Grund picht mit seinem Kummer behelligen, aber mir wäre die Wahrheit tausendmal lieber als die schreckliche Ungewißheit.«
»Wo arbeitet Ihr Mann?«
»Er ist als Nacht- und Etagenkellner im ›Moreno‹ beschäftigt, Sir.«
»Hängen seine augenblicklichen Probleme mit seinem Job zusammen?« wollte ich wissen.
»Ich weiß es nicht, Sir, aber ich vermute es. Wenn ich bloß wüßte, wo er jetzt ist und was er treibt!«
»Rufen Sie mich bitte an, wenn er nach Hause kommt«, sagte ich und legte auf. Ich suchte die Nummer des »Moreno« heraus, verzichtete aber darauf, sie zu wählen. Wenn Blockleys Sorgen mit dem Hotel zusammenhingen, wäre es falsch gewesen, mit einem der leitenden Herren zu sprechen.
Das »Moreno« war ein Prominentenhotel. Es war eines der besten Häuser, die New York zu bieten hatte. Sein Service und sein Ruf waren untadelig.
Ich zog mich an und vergaß meine Müdigkeit. Als ich das Haus verließ, kam mir der alte Mann mit seinem Hund entgegen.
»Ihr Hund braucht eine Menge frische Luft, was?« fragte ich den Mann. »Ich erinnere mich, daß Sie schon vor einer Stunde mit ihm unterwegs waren.«
»Wenn es nach Bulwer ginge, wären wir längst wieder zu Hause«, meinte der Alte. »Ich leide an Schlaflosigkeit, wissen Sie. In meiner Wohnung kriege ich Platzangst.«
»Haben Sie mich zufällig vor ungefähr einer Stunde in das Haus gehen sehen?«
»Klar«, antwortete er. »Ich bin ein guter Beobachter, Mister. Sie stoppten vor der Tür und wechselten ein paar Worte mit dem Kerl, der hinter dem Busch stand.«
»Richtig. Wohin ist er gegangen, nachdem ich das Haus betreten hatte?«
»Er überquerte die Straße. Auf der anderen Fahrbahnseite wurde er von einigen Kerlen zusammengeschlagen. Sie zerrten ihn in den Wagen und fuhren mit ihm weg.«
»Was waren das für Kerle?« fragte ich.
Der Alte zuckte mit den Schultern. »Halbstarke, nehme ich an«, sagte er. »Zwei von ihnen trugen Lederjacken. Der dritte hatte eine Sportkombination an.«
»Haben Sie die Polizei benachrichtigt?«
Der Alte winkte ab. »Das hätte doch keinen Sinn gehabt. Es ging alles viel zu schnell. Sicher war es nur eine der üblichen Keilereien unter jungen Leuten. Ich bin zu alt, um mich darüber noch aufzuregen, aber für alle Fälle habe ich mir die Nummer des Wagens eingeprägt. Sie lautete FN-4512.«
»Würden.Sie die Schläger wiedererkennen?«
»Nein, Sir, meine Augen sind nicht mehr das, was sie einmal, waren. Die Nummer konnte ich nur deshalb erkennen, weil der Wagen vorschriftswidrig wendete und dicht an mir vorbeikam. Er ist da ’runter gefahren.«
Ich eilte in mein Apartment und hängte mich an die Strippe. Zwei Minuten später wußte ich, daß Dennis Blockley mit seinem eigenen Wagen entführt worden war.
Ich telefonierte mit dem District Office und veranlaßte, daß alle Polizeidienststellen und Patrolcars durch ein Rundtelegramm auf den Wagen hingewiesen wurden.
Dann trieb es mich aus dem Haus. Wie unter einem Zwang ging ich die Straße hinab. Ich schlug die Richtung ein, die mir der Alte genannt hatte. Etwa in der Mitte der übernächsten Querstraße befand sich ein größerer Parkplatz. Er war beleuchtet, aber unbewacht.
Ich betrat ihn und stellte fest, daß er zu zwei Dritteln belegt war. Ich ging die einzelnen Wagenreihen durch und entdeckte das gesuchte Fahrzeug, einen 66er Fairlane, in der hintersten Kolonne. Der Wagen stand zwischen zwei Lampen an einer miserabel ausgeleuchteten Stelle.
Im Fond saß ein Mann. Sein Kopf lehnte an der geschlossenen Scheibe. Er war leicht vornübergebeugt. Es sah aus, als ob der Mann schliefe.
Ich öffnete den Wagenschlag. Der Mann rutschte mir hilflos entgegen. Ich fing ihn mit den Armen auf. Sein Kopf fiel zurück. Er war zerschlagen, verschwollen und blutverkrustet. Dennis Blockleys Augen standen weit offen. Er bewegte seine Lippen, war aber außerstande, ein Wort hervorzubringen.
Ich bettete ihn behutsam auf den schmutzigen Asphalt. Blockleys Anzug war zerrissen und blutbefleckt. Ich zog mein Jackett aus und schob es zusammengerollt unter seinen Nacken. Blockley schloß die Augen.
»Ich hole einen Arzt«, stieß ich hervor.
»Nein!« würgte Blockley hervor. »Nein, keinen Arzt. Keine Polizei. Ich bin okay.«
Seine Stimme klang verändert. Es kostete ihn Schwierigkeiten, mit seinen auf geplatzten Lippen zu sprechen.
»Ich bringe Sie nach Hause«, sagte ich.
»Nein, nein… Ich möchte, daß Sie gehen.«
»Ich will Ihnen helfen!«
»Ich weiß«, sagte er. »Aber Sie würden damit nur das Gegenteil erreichen. Niemand darf mich mit Ihnen sehen, G-man, sonst ist es endgültig aus.«
»Was ist aus?«
Ein trockenes Schluchzen zerrte an seiner Kehle, aber er hatte sich rasch wieder in der Gewalt. »Gehen Sie«, sagte er. »Ich bin nicht verletzt. Ich brauche nur eine Stunde Ruhe. Dann fahre ich nach Hause.«
»Wollen Sie Ihrer Frau so unter die Augen treten?«
»Ich kann mich irgendwo frisch machen«, murmelte er.
»Wer hat es getan, Blockley?«
»Ich weiß es nicht«, sagte er.
Er log. Er hatte Angst vor einem zweiten Überfall. Die Gangster hatten seinen Widerstandswillen gebrochen.
»Warum vertrauen Sie sich mir nicht an?« fragte ich ihn.
Er' starrte an mir vorbei in den Nachthimmel. »Weil ich meine Frau liebe«, sagte er kaum hörbar. »Weil ich weder sie noch das Kind verlieren möchte. Ich darf sie nicht allein lassen. Ich habe kein Recht, ihnen den Mann und den Vater zu nehmen. Von mir erfahren Sie nichts, G-man. Ich habe meine Lektion gelernt.«
***
Eine Uhr zirpte. Das Mädchen zählte die Schläge. Elfmal. Sie öffnete die Augen. Jetzt hörte sie auch das Radio. Es spielte sehr leise. Virginia Knowlton drehte den Kopf zur Seite. Sie war zu Hause. Sie lag in ihrem Wohnzimmer auf der Couch. Aber sie fühlte weder etwas von dem Wohlbehagen noch von der gelösten Ruhe, die diese Umgebung sonst in ihr erzeugten. Ein fremder Geruch stieg in ihre Nase. Ein Geruch von Tabak, Mottenkugeln und männlichem Schweiß. Im nächsten Moment setzte ihre Erinnerung ein. Virginia Knowlton zuckte hoch und wandte sich um.
Der Mann stand am Kopfende der Couch. Er präsentierte schon wieder sein dünnes, nichtssagendes Lächeln. »Fünf Minuten«, sagte er. »Sie waren genau fünf Minuten ohne Bewußtsein.«
Virginia Knowlton griff sich an den Hals. Der Schock seines Angriffes saß ihr tief in den Knochen. Sie war unfähig, ein Wort zu äußern. Sie beobachtete, wie der Mann an den Tisch trat und ein Whiskyglas bis zur Hälfte füllte. Er mußte sich das Glas und die Flasche aus dem Schrank geholt haben. Er verkorkte die Flasche und schaute sie an. »Wollen Sie?«
Virginia Kowlton nickte. Sie brauchte eine Stärkung, egal, woher sie kam und wer sie ihr' anbot. Ray Eden drückte ihr das Glas in die Hand. Die Rechte des Girls zitterte so stark, daß sie beim Trinken die Hälfte verschüttete.
»Na, na!« höhnte der Mann. »Reißen Sie sich mal zusammen. So schlimm war es ja nun auch wieder nicht. Schließlich leben Sie noch…« Ja, sie lebte. Der Mann hatte also doch nur geblufft. Er hatte sie bis zur Bewußtlosigkeit gewürgt, um sie gefügig zu machen. Aber wofür?
Virginia Knowlton stellte das Glas aus der Hand und wischte sich mit dem Handrücken über den Mund. Sie brachte es einfach nicht fertig, ihren Blick vom Gesicht des Mannes abzuwenden. Sie wußte, daß sie dieses Gesicht niemals vergessen und immer hassen würde.
»Ich hatte eine Kleinigkeit vergessen«, sagte der Mann und setzte sich. »Einen wichtigen Punkt. Wenn Sie auf ihn eingehen, können Sie unbelästigt und ungefährdet weiterleben — sogar besser als zuvor.«
Virginia Knowlton stellte keine Fragen. Wozu auch? Dieser Mann wußte genau, was er wollte. Virginia Knowlton fürchtete sich vor dem, was jetzt auf sie zukam.
»Sie sind Chefsekretärin bei Lester Roundhill, nicht wahr?« fragte Eden beinahe sanft.
»Sie wissen es. Warum fragen Sie?«
»Ich möchte die Atmosphäre entkrampfen«, behauptete Ray Eden. »Ich möchte, daß wir zu einem für beide Teile befriedigenden Abschluß kommen. Verehren Sie Ihren Chef?«
»Ich kenne niemand, der es mit ihm an Tüchtigkeit aufnehmen könnte«, meinte das Girl.
Warum sagte sie das? Warum beantwortete sie überhaupt die Fragen des Gangsters? Es gab dafür nur eine Erklärung. Sie fürchtete sich vor ihm. Solange er sich mit ihr unterhielt, war sie dem schrecklichen Zugriff seiner Hände entzogen.
»Vielleicht sollte ich etwas deutlicher werden«, meinte Ray Eden. »Sind Sie in Roundhill verknallt?«
Wieder wurde Virginia Knowlton rot. Sie ärgerte sich darüber noch mehr als beim erstenmal. Die Frage traf sie an ihrer empfindlichsten Stelle. Virginia hatte sie sich selbst schon gestellt, wohl mehr als tausendmal. Liebte sie Lester Roundhill?
»Mr. Roundhill ist glücklich verheiratet«, antwortete sie. »Er hat drei Kinder, die er abgöttisch liebt.«
Ja, das war die Antwort gewesen, die sie sich selbst oft genug gegeben hatte.
»Was hat das mit Ihnen zu tun?« wollte Eden wissen. »Der Kerl ist ein Mann. Er ist nicht blind. Ihre Reize können ihm nicht entgangen sein.«
Virginia Knowlton starrte ins Leere. Sie hatte Lester Roundhill oft genug dabei überrascht, wie er sie fragend, grübelnd oder auch bewundernd angeblickt hatte. Es waren Sekunden der Wahrheit gewesen, in denen offenkundig wurde, wie der Chef als Mensch zu ihr stand. Stets hatte er sich dann rasch, geradezu abrupt, abgewandt, hinterher war er beinahe grob zu ihr. Sie hatte gefühlt, daß sie ihn anzog und daß er sie begehrte, aber sie hatte auch merken müssen, daß sein Wille, seiner Frau nicht untreu zu werden, mit jeder Anfechtung fertig geworden war.
Im übrigen hatte sie niemals versucht, ihn zu ermutigen oder gar mit ihm zu flirten. Sie respektierte ihn und seine Ehe. Niemand brauchte zu wissen, daß sie manchmal darunter litt, nur seine Sekretärin zu sein.
»Ich weiß nicht, worauf Sie hinauswollen«, sagte Virginia Knowlton unwirsch.
»Sie könnten ihn verführen«, sagte der Mann.
Virginia Knowltons Herzschlag beschleunigte sich. »Das ist eine absurde Vorstellung!« sagte sie scharf.
»Wieso? Roundhill ist ein gutaussehender Bursche. Oder etwa nicht? Ein brillanter Tennisspieler. Ein großer Segler. Ein Manager des Erfolgtyps. Mit vierundvierzig Jahren steht er an der Spitze eines Industrieimperiums, mächtig und millionenschwer. Sie sind seine Sekretärin. Sie sind häufiger und länger mit ihm zusammen als seine Frau oder seine Kinder. Sie gehören zu seinem Leben. Wollen Sie sich im Ernst damit zufriedengeben, nur die Arbeit mit ihm zu teilen — und nicht das Vergnügen?«
»Ich bin mit meinem Anteil zufrieden«, sagte Virginia Knowlton, aber sie wußte, daß das eine Lüge war. Es wäre richtiger gewesen, dem Mann zu sagen, daß sie sich mit diesem Anteil abgefunden hatte. O ja, sie war glücklich darüber, für Lester Roundhill arbeiten zu dürfen, aber es gab auch Momente der Schwäche, Augenblicke der Bitterkeit und Resignation.
Ja, ich liebe Lester Roundhill, dachte sie beinahe trotzig. Solange das kein Mensch erfährt, solange nicht einmal Lester weiß, was ich für ihn empfinde, tue ich keinem damit weh. Ich wäre die letzte, die eine glückliche Ehe zerstört!
»Sie werden ihn schon in den Griff bekommen«, sagte Ray Eden. »Sie wären keine richtige Frau, wenn Sie das nicht mit der linken Hand schafften.«
»So etwas käme für mich niemals in Frage«, sagte Virginia Knowlton.
»O doch«, höhnte der Mann. »Sie vergessen, daß Sie sterben müssen, wenn Sie unsere Forderung nicht erfüllen. Das ist keine Phrase, meine Liebe. Wir erreichen alles, was wir uns vorgenommen haben.«
»Was hätten Sie davon, wenn zwischen Mr. Roundhill und mir etwas — etwas geschähe?« fragte sie stockend.
»Eine ganze Menge«, meinte der Mann grinsend. »Wir könnten Roundhill damit unter Druck setzen.«
»Sie wollen ihn erpressen?«
»Wir wollen ihn für gewisse Forderungen empfänglicher machen«, sagte der Mann grinsend.
»Dazu gebe ich mich nicht her!« erklärte Virginia Knowlton entschlossen.
»Sie haben die Wahl«, sagte Eden und zeigte ihr warnend seine gekrümmten Hände. »Entweder Sie tun, was ich von Ihnen verlange, oder Sie haben schon bald Ihren letzten Atemzug getan.«
Virginia Knowlton begann zu zittern. »Warum wenden Sie sich denn gerade an mich?« fragte sie. Tränen traten ihr in die Augen. Sie konnte nichts dagegen tun.
»Das ist leicht zu erklären«, sagte der Mann. »Sie sind jung und schön. Sie haben als einzige das Format, Lester Roundhill zu becircen. Sie sind ein Mädchen, dem sich täglich die Chance dafür bietet. Sie sind stundenlang in seiner Nähe. Sie begleiten ihn auch auf Geschäftsreisen. Das trifft doch zu, nicht wahr?«
»Ja«, sagte das Mädchen.
»Pflegen Sie mit Lester Roundhill im gleichen Hotel abzusteigen?« fragte er.
»Selbstverständlich. Ich muß stets in seiner Nähe sein«, antwortete Virginia Knowlton.
»Um so besser«, sagte er. »Einfach großartig! Dann wird es in einem der Hotels passieren.«
»Was passieren, um Himmels willen?« Der Mann grinste schon wieder. »Die große Verführung«, sagte er. »Warum machen Sie nicht das Beste daraus? Roundhill wird Sie mit Geschenken überhäufen. Wenn Sie es richtig anstellen, wird er sogar Frau und Kinder sitzenlassen und Sie heiraten. Ich kann nicht begreifen, weshalb Sie nicht von allein auf die Idee gekommen sind, Ihr Leben auf diese Weise zu versüßen. Sie haben nichts zu verlieren, aber alles zu gewinnen.«
»Fangen Sie nicht schon wieder damit an«, sagte Virginia Knowlton wütend. »Ich bin kein Materialist.«
»Aber auch kein Fatalist, wie ich hoffe. Stellen Sie sich einmal vor, was passieren würde, wenn wir Sie töten müßten«, sagte der Mann. »Es träfe schließlich nicht Sie allein. Wer würde dann Ihre Eltern unterstützen? Wahrscheinlich würden sie auf ihrer verschuldeten Farm verhungern.«
»Hören Sie auf damit!« sagte das Girl. »Mich können Sie nicht einschüchtern. Das sind ja nur Drohungen. Niemand bringt einen Menschen um, weil er sich weigert, auf eine indiskutable Forderung einzugehen.«
»Ich muß'Ihnen widersprechen«, sagte der Mann. »Unsere Stärke besteht darin, daß wir auch vor dem Äußersten nicht zurückschrecken. Wollen Sie es auf einen Versuch ankommen lassen? Sie erheitern mich! Am Ende eines solchen Versuches stände Ihr eigenes Begräbnis.«
»Ich kann es nicht«, flüsterte Virginia Knowlton. »Ich habe nicht die Kraft, etwas Unrechtes zu tun. Es wäre eine abgrundtiefe Gemeinheit gegenüber Mr. Roundhill. Er hat mich stets fair und zuvorkommend behandelt.«
»Sie sollen ihn weder bestehlen noch umbringen«, spottete der Mann. »Was wir Ihnen vorschlagen und diktieren, ist letzten Endes für Sie nur eine Portion Amüsement. Ein Flirt, wenn Sie so wollen. Den Rest besorgen wir.«
»Sie wollen Mr. Roundhill erpressen!«
»Was kümmert Sie das?« fragte Ray Eden. »Lester Roundhill ist millionenschwer. Wollen Sie Ihr Leben opfern, nur um ihm eine geringfügige Schmälerung seines Bankkontos zu ersparen? Sie wären verrückt, wenn Sie das täten!«
»Ich kann es nicht«, wiederholte Virginia Knowlton mit kraftloser Stimme.
Noch während sie es sagte, eilte ihre Phantasie den Gedanken voraus. Sie versuchte sich vorzustellen, wie Lester Roundhill auf einen Verführungsversuch von ihr reagieren würde. Möglicherweise würde er ihn einfach ignorieren, oder er würde sie auf die Straße setzen. Dann fiel ihr ein, wie er sie manchmal anzuschauen pflegte. Plötzlich war sie sich seiner ablehnenden Haltung nicht mehr so sicher.
Sie versuchte sich auszumalen, wie es sein würde, wenn er ihren Verführungskünsten erliegen sollte, wehrte diesen Gedanken aber schon im nächsten Moment wütend ab. Wenn sie erst einmal anfing, diese Dinge in Betracht zu ziehen, war sie schon verloren!
»Wirklich ein Jammer«, höhnte Ray Eden. Im nächsten Moment spürte das Girl die Foltermaschine seiner erbarmungslosen Finger an ihrem Hals. Er drückte fest zu.
»Nein!« gurgelte sie. »Nein.«
Ray Eden ließ sie los. »Well?« fragte er.
Virginia Knowltons Augen schwammen in Tränen. Sie war am Ende und fühlte sich außerstande, der Qual und dem Schrecken noch weiter zu trotzen. Sie brauchte eine volle Minute, um sich erholen und antworten zu können. »Ich werde tun, was Sie sagen.«
Ray Eden richtete sich auf. Er lachte kurz. »Nä bitte!« meinte er. »Warum nicht gleich so? Mit den Vorarbeiten für die große Szene beginnen Sie am besten gleich morgen. Je weniger Zeit Sie verlieren, desto besser für alle Beteiligten! Wann verreisen Sie mit Roundhill?«
Virginia Knowlton massierte sich den schmerzenden Hals. »Morgen«, sagte sie. »Ich habe in seinem Auftrag für uns beide einen Flug nach New York gebucht.«
»Wo steigen Sie mit ihm ab?«
»Im ›Waldorf‹.«
»Sie werden Ihre diesbezüglichen Dispositionen ändern und das ›Moreno‹ nehmen«, sagte Ray Eden. »Es ist moderner; Lester Roundhill wird es dort gefallen.«
»Er steigt immer im ›Waldorf‹ ab«, meinte das Girl. »Ein anderes Hotel kommt für ihn nicht in Frage.«
»Tischen Sie ihm irgendein Märchen auf. Sagen Sie ihm, daß das ›Waldorf‹ ausgebucht sei. Oh, ehe ich’s vergesse! Da wäre noch eine Kleinigkeit zu beachten.«
Virginia Knowlton schloß die Augen. Nahm dieser Alpdruck denn kein Ende?
»Was denn noch, um Himmels willen?« fragte sie.
Der Mann steckte sich eine Zigarette an. Sein zufriedenes Lächeln ließ erkennen, wie sehr er sich als Herr der Situation fühlte.
»Es könnte sein, daß Sie bis zum Tagesanbruch meine Warnungen vergessen und auf die Idee kommen, die Polizei oder das FBI anzurufen. Ich rate Ihnen, das bleibenzulassen. Wenn Sie nicht spuren, erwischt es nicht nur Sie. Dann halten wir uns auch an Ihrer kleinen Schwester schadlos. Ist das klar?«
»Ich hasse Sie!« stieß Virginia Knowlton hervor.
Ray Eden inhalierte tief. Er legte den Kopf in den Nacken und produzierte drei gelungene Rauchringe. »Das steht Ihnen frei«, sagte er dann. »Hauptsache, Sie halten sich an unsere Befehle.«
***
Ich ging nach Hause. Ehe ich mich ins Bett legte, rief ich im Distriktgebäude an. Ich bekam Oliver Hurst an die Strippe. Er war einer unserer Printexperten und hatte Nachtdienst. Ich bat ihn darum, zur Adams Street zu fahren.
»Ich hoffe, Sie finden vor oder in der Nähe des Hauses 144 einen 66er Fairlane mit der Nummer FN-4512«, sagte ich. »Ich bezweifle, daß sein Besitzer eine Garage hat. Er heißt Blockley und ist von ein paar jungen Burschen zusammengeschlagen worden. In seinem Zustand wird er möglicherweise den Wagen abgeschlossen haben. Gegen Blockley liegt nichts vor, aber ich wüßte gern, wer die Schläger waren. Vielleicht gelingt es Ihnen, ein paar Prints sicherzustellen. Das Ganze ist mehr oder weniger inoffiziell. Es ist erforderlich, daß Sie äußerst behutsam und diskret vorgehen. Blockley ist ängstlich und nervös. Er darf nicht merken, daß wir ihn gleichsam gegen seinen Willen zu beschützen versuchen.«
»Ich fahre sofort los«, erklärte Hurst. »Warten Sie lieber noch ein paar Stunden«, empfahl ich ihm. »Es ist besser, wenn Sie den Job kurz vor Tagesanbruch erledigen. Um diese Zeit ist auf den Straßen am wenigsten los. Noch eins, Oliver. Sehen Sie sich in der Umgebung des Wagens genau um, ehe Sie an die Arbeit gehen. Es ist möglich, daß die Gangster das Haus beobachten. Falls das zutreffen sollte, dürfen Sie den Fairlane nicht anrühren. Die Gangster könnten sonst glauben, daß die Aktion von Blockley ausgelöst wurde.«
»Ich .verstehe. Blockley darf nicht gefährdet werden. Ich rufe Sie morgen früh an, Jesse.«
***
Ich erhielt seinen Anruf genau in dem Augenblick, als ich mich mit meinem Freund und Kollegen Milo Tucker anschickte, das Chefbüro aufzusuchen.
»Ich bin fündig geworden, Jesse«, sagte Hurst. »Die meisten Fingerabdrücke gehörten naturgemäß zu Blockley. Einige konnte ich nicht identifizieren, weil sie nicht in der Kartei geführt werden. Möglicherweise sind es die seiner Frau. Andere waren verwischt und unbrauchbar. Aber ein Paar ist so gestochen scharf wie der Druck einer neuen Banknote. Ein alter Bekannter von Ihnen ist der Vater dieser Prints. Ich spreche von Guy Lavendore.«
»Lavendore«, sagte ich verblüfft. »Vielen Dank, Oliver, das hilft mir weiter.«
Ich legte auf und setzte mich. Milo stand an der Tür. »Du siehst aus, als hätte man dir gerade die Pensionsrechte gekündigt«, stellte er fest. »Komm schon! Der Chef erwartet uns.«
Ich nickte. »Einen Moment, bitte. Lavendore ist wieder unterwegs.«
»Wen wundert das?« fragte Milo. »Die Katze läßt das Mausen nicht. Er ist uns einige Male durch die Lappen gegangen, aber das heißt nicht, daß er auf seine spezielle Art des Glücks abonniert ist.«
»Sein Glück basiert auf gekauften oder erpreßten Zeugen«, sagte ich und stand auf. »Er hat diese Masche schon wiederholt erfolgreich angewendet.«
Neun Uhr dreißig betraten Milo und ich Mr. McKees Office. Nachdem wir den Chef begrüßt und an seinem Schreibtisch Platz genommen hatten, berichtete ich von meinem nächtlichen Erlebnis.
»Ich kann mir nicht vorstellen, daß Guy Lavendore unter die Schläger gegangen ist«, sagte ich abschließend. »Es paßt nicht zu ihm. Er wäre zwar der letzte, der irgendwelche Skrupel hätte, einen Menschen niederzuschlagen, aber er ist eitel und achtet streng auf sein Gangsterprestige. Die Strafexpeditionen von der Art, wie sie gegen Blockley organisiert wurde, überläßt er seinen Fußtruppen.«
Mr. McKee rieb Sich das Kinn. »Guy Lavendore war in Buggsy Riegels Syndikat der zweiten Mann. Nach der Zerschlagung von Riegels Syndikat schaffte es Lavendore als einziger, straffrei auszugehen. Er ist clever, hart und machtgierig. Wir haben damit gerechnet, daß er bald wieder die Keimzelle eines neuen Syndikates bilden würde. Daß wir jetzt aber von ihm als Schläger hören, das allerdings hätte niemand erwartet.«
»Es steht keineswegs fest, daß Lavendore in der vergangenen Nacht an def Schlägerei gegen Blockley dabei war«, sagte ich. »Guy Lavendore kann auch zu einem anderen Zeitpunkt mit Blockley gefahren sein und dabei seine Fingerabdrücke in dem Fairlane zurückgelassen haben. Sicher ist nur, daß Dennis Blockley um sein Leben bangt und erpreßt wird. Es scheint klar zu sein, daß Lavendore dahintersteckt.«
»Was kann Lavendore von Blockley wollen?« fragte Milo. »Blockley ist ein Kellner ohne großes Einkommen.«
»Ein Nacht- und Etagenkellner in einer Luxusherberge«, stellte ich richtig. »Im ›Moreno‹ steigt nur die Prominenz ab. Es läßt sich beispielsweise denken, daß diese reiche Prominenz für eine