Skizzen
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Skizzen - Victor Auburtin
Bestien
Inhaltsverzeichnis
In einer Bremer Menagerie haben zwei Königstiger Streit angefangen und sich gegenseitig zerrissen. Ein bedauerlicher Vorfall, der aber zum Glück äußerst selten ist.
Brehm erzählt, daß die Königstiger friedliche Geschöpfe sind, die nie untereinander kämpfen und die in der Gefangenschaft sich auch mit anderen Tieren auf das beste vertragen.
Manchmal wollen gewisse Menageriebesitzer zur Belustigung des Publikums einen Kampf zwischen einem Tiger und einem Löwen veranstalten. Dann weigert sich der Tiger zu kämpfen, er möchte seine Ruhe haben, und man muß ihn anstacheln, indem man ihn mit spitzen Messern sticht und mit kochendem Wasser begießt. Und es kann wohl kein Zweifel vorliegen, wer in diesem Falle die Bestie ist: der Tiger, der nicht will, oder der stachelnde Menageriebesitzer neben dem belustigten Publikum.
Durch die Natur geht das Gesetz, daß die zoologischen Objekte im allgemeinen sanft und milde sind, daß sie aber immer wilder werden, je näher sie verwandtschaftlich dem Menschen stehen und je mehr sie mit ihm zu tun haben.
Alle Raubtiere leben friedlich und verträglich unter sich; mit einziger Ausnahme des Haushundes, den wir vermanscht und verdorben haben und der in unseren Kammern den täglichen Hader des Menschen mit ansehen muß.
Die Affen sind, wie die Welt weiß, unsere nächsten Verwandten, und wir haben diese Verwandtschaft verdient; deshalb sind sie ebenso verrückt wie wir, liefern sich untereinander Schlachten und kennen sogar die Errungenschaft der Artillerie, da sie sich mit Steinen und Kokosnüssen bombardieren.
Die Ameisen haben dieselbe politische Organisation wie wir, und ebenso wie bei uns gilt als Basis ihrer Gesellschaft das Prinzip der Arbeit, auf dem seit der Paradiesespforte der Fluch Gottes des Herrn ruht; die Folge ist, daß sie ebenso wie wir nichts vom Leben haben und in unaufhörlichen wirtschaftlichen Kriegen begriffen sind.
Und dann in der tiefsten, achtlosen Tiefe das wimmelnde Gewürm der Menschen, die sich gegenseitig die Bäuche aufschneiden und die Broschüren schreiben, um zu beweisen, daß Jesus Christus dieses Bauchaufschneiden nicht nur gestattet, sondern sogar dringend empfohlen habe.
Das Krokodil und ich
Inhaltsverzeichnis
Am Vormittag ging ich ins Aquarium, um mir die Tiere anzusehen.
Das ist eines der schwersten Übel dieser Zeit, daß wir so wenig Tiere zu sehen bekommen. Die Pferde, Hunde und Katzen werden immer seltener in den Städten, die Natur zieht sich von uns zurück und überläßt uns unseren respektiven Veranstaltungen.
Deshalb also ging ich in das Aquarium, wo es, wie immer, außerordentlich voll war. Um den Schwanzmolch drängten sich Hunderte von Zuschauern, und vor den Schlangen hatten sich Schlangen gebildet. Den Haupterfolg aber konnte das große Krokodil verzeichnen, das mit dem Bauch im Wasser lag.
Das große Krokodil lag mit dem Bauch im Wasser und beschäftigte sich damit, auf sein Mittagessen zu warten. In dieser Tätigkeit ließ es sich weder durch die Neckereien noch durch die Zurufe der Beschauer stören; es hatte die Augen halb geschlossen, und um seinen für gewöhnlich so ironischen Mund spielte ein Zug von Melancholie. Lebenskünstler haben oft dicht vor dem Essen einen solchen melancholischen Zug um die Lippen.
Am Nachmittag ging ich in das Fischgeschäft, um einen Karpfen für das Fest zu kaufen.
Das Geschäft, in dem ich meine Fische kaufe, unterscheidet sich von anderen Geschäften dieser Art dadurch, daß in ihm ein Haussegen aufgehängt ist. Dieser Haussegen enthält die Worte: Wo Glaube, da Liebe; wo Liebe, da Hoffnung; wo Hoffnung, da Gott; wo Gott, da keine Not, und ist über der Bank angebracht, auf der die Fische zubereitet werden.
»Soll ich ihn gleich totmachen?« fragte mich das Fräulein und lächelte verführerisch.
Ich wäre am liebsten wieder fortgelaufen. »Wenn ich bitten darf«, sagte ich mit heiserer Stimme.
Das Fräulein trug den Karpfen auf die Bank unter dem Haussegen, wickelte ihn in ein Tuch und hieb ihm den