Präsenzbasiertes Coaching: Eine analytische und konzeptionelle Arbeit inspiriert von der Praxis des Focusings und der Perspektive der Nondualität
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About this ebook
Dafür zieht er die Coaching- und Psychotherapieforschung zu Rate, Werke von Philosophen, Erkenntnisse der Neurowissenschaften sowie die Praxis des Focusings und die Perspektive der Nondualität.
Seine Analyse kulminiert in der Integration von erlebensnaher Reflexion (z.B. Focusing) und nondualem Gewahrsein. Dieses Zusammenspiel helfe dem Klienten dabei, sich selbst im Ziehen und Zerren seines Lebens verstehen und akzeptieren zu lernen und damit seine Entwicklung zu ermöglichen.
Von diesen Ergebnissen ausgehend konzipiert der Autor eine Weise des Miteinanders, die Präsenz in den ihr gebührenden Mittelpunkt des Coachings stellt, macht Vorschläge für ein präsenzkultivierendes Training sowie für eine neue Form von Coaching-Techniken - den Intraventionen.
"Damit hat der Autor eine exzellente Bachelorarbeit vorgelegt, die von ihrer Tiefe eher an eine Dissertation erinnert."
- aus dem Gutachten von Prof. Dr. Sven Sohr
Christoph J. Koerber
Christoph ist Autodidakt, Praktizierender von Hatha Yoga und nondualer Meditation, Begleiter für Inner Relationship Focusing, studierter Life Coach (B. Sc.) und Mit-Erschaffer einer wunderbarvollschönen intimen Partnerschaft. Sein Leben lässt er aus seiner tiefsten inneren Wahrheit heraus entstehen - aus Offenheit, Stille, Lebendigkeit und Verbundenheit. Solange er nicht das wahrnimmt, auf das diese Worte deuten, hält er inne. Mit seinen Angeboten unterstützt er Menschen dabei, sich selbst zu verstehen, anzunehmen und auf Ihre Weise zu entfalten.
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Book preview
Präsenzbasiertes Coaching - Christoph J. Koerber
Christel Utters gewidmet,
deren Präsenz ich als so heilsam erfahren habe.
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
Danksagungen
Einleitung
Analyse
2.1. Coaching
2.1.1. Definition
2.1.2. Genese
2.1.3. Differenzierung
2.1.4. Verständnis
2.2. Präsenz
2.2.1. Herkunft
2.2.2. Stand von Coaching-Forschung und -Praxis
2.2.3. Forschung in der Psychotherapie
2.2.4. Sicht der Neurowissenschaften
2.2.5. Forschung zum Focusing
2.2.6. Praxis des Focusing
2.2.7. Perspektive der Nondualität
2.2.8. Focusing und Nondualität
2.2.9. Reflexion und Präsenz
Konzeption
3.1. Theorie
3.1.1. Präsenz als Basis
3.1.2. Präsenz als Ziel und Weg
3.2. Praxis
3.2.1. Kultivierung von Präsenz
3.2.2. Rahmen für Präsenz
3.2.3. Intraventionen
3.2.4. Interventionen
Diskussion
Nachwort
Anhang
A. Übungen für die Kultivierung von Präsenz
Kategorie: Kopf
Kategorie: Herz
Kategorie: Bauch
Kategorie: Gewahrsein
B. Liste von Intraventionen
Kategorie: Ausrichten
Kategorie: Halten
Kategorie: Durchdringen
C. Interventionen
Kategorie: Erkenntnis
Kategorie: Transformation
Kategorie: Stabilisierung
D. Liste Erlebensorientierter Fragen
E. Übung zur Entwicklung einer Absichtserklärung
F. Übersetzte Zitate in Originalsprache
Literatur
Vorwort
Das vorliegende Werk von Christoph J. Koerber basiert auf einer Bachelorarbeit im Studium „Life Coaching", das ich als Professor für Life Coaching und Positive Psychologie an der Deutschen Hochschule für Gesundheit und Sport anno 2022 begleiten durfte.
„Präsenz ‒ was ist das? Der Autor, welcher der Idee des präsenzbasierten Coachings auf einer spannenden philosophischen Reise u.a. über den Taoismus zur existenziellen und humanistischen Psychologie sehr tiefgreifend und umfassend auf den Grund geht, bringt die Präsenz einfach auf den Punkt: „Ganz da sein
. Angesichts der zunehmenden Zerstreutheit des hybriden Menschen im Zeitalter der Digitalisierung und Globalisierung brilliert diese Antwort als Haltung durch ihre provokante und revolutionäre Kraft.
Doch der Autor bleibt bei den Analysen nicht stehen ‒ er geht noch weiter, indem er auf Grundlage des Focusing-Ansatzes ein präsenzorientiertes Miteinander konzipiert. Dieses denkt die Präsenz als Basis, Weg und Ziel und lädt mit dem Angebot zahlreicher Intra- und Interventionen zur Verkörperung und Kultivierung in der Praxis ein. Am Ende werden wir angehalten und inspiriert, „als fühlendes Wesen präsent zu sein, um uns „zu einem authentischen, bewussten und liebevollen Menschen zu entwickeln
.
Auf besonderer Art und Weise vereint Christoph J. Koerber Theorie und Praxis in seiner Persönlichkeit. Seine geistige Größe offenbarte sich schon früh im Studium durch viele herausragende Arbeiten, u.a. über Carl Rogers, die Stille oder den Stoizismus (mit einer lateinischen Literaturliste), während seine Praxis durch Meditation und kraftvolle Präsenz geprägt ist.
In dem Geiste springt auch der Funke über, um wider den Zeitgeist für alternative Wege zu werben. Ein erfülltes Leben und Freude beim Lesen!
Prof. Dr. Sven Sohr
Berlin, August 2022
Danksagungen
Ich bin dankbar dafür, dass meine Frau Salomé während der Entstehung der vorliegenden Arbeit so präsent mir mir war und mich mit all ihrer Liebe, Klarheit und Feinfühligkeit unterstützt, ermutigt und begleitet hat.
Ich bin dankbar dafür, dass Prof. Dr. Sven Sohr für mich während meiner gesamten Studienzeit stets offen, tatkräftig und mutgebend da war und mir Möglichkeiten aufgezeigt hat, die ich sonst nicht wahr genommen hätte. Ich bin dankbar dafür, dass Arno Katz mir und diesem Projekt so offen und hilfsbereit begegnet ist. Ohne diese beiden Männer hätte ich das Projekt nicht als Buch der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Danke, dass ihr an mich an dieser Stelle geglaubt habt.
Ich bin dankbar dafür, dass meine Mama und mein Papa mich stets auf ihre Weise lieben und mich bei meinen Vorhaben mit ihren Stärken und Kenntnissen unterstützen.
Ich bin dankbar dafür, dass mir Annett Gantke zu einer Zeit, in der ich nicht wusste, wohin mit mir, einen Platz in ihrer Familie geschenkt und mich so warm wie ihr eigenes Kind willkommen geheißen hat.
Ich bin dankbar dafür, dass Christel Utters mit mir stets auf eine Weise präsent war, die jenseits aller Vorstellungen und Beschreibungen ist, und mich so lieb hatte, dass sie mich hinaus in mein eigenes Leben schickte.
Christoph J. Koerber Bad Salzdetfurth, November 2022
I. Einleitung
In unserer heutigen Arbeits- und Alltagswelt finden vor allem durchdachte Ideen, sichtbare Taten und starke Stories Beachtung. Damit einhergehend verstärkt sich die urmenschliche Tendenz, nur auf den äußeren Schein zu achten und vorschnelle Schlüsse zu ziehen. Doch in der überaus komplexen und stets wandelnden Realität unserer Gesellschaft polarisieren Ansichten, die ein vereinfachtes und eindeutiges Bild einer Situation suggerieren, vor allem wenn sie mit einer oberflächlichen Gewissheit vorgebracht werden (Stelter, 2009). Um inmitten einer solchen hyperkomplexen
Welt gesund leben zu können, braucht der Mensch Räume, in denen er offen seine widersprüchlichen Meinungen, irrationalen Ängsten und kommunikativen Schwierigkeiten thematisieren kann. In solchen Räumen für reflexive Selbsterforschung kann er sich auch existenziell tiefen Fragen widmen ‒ wie den aktuell sehr herausfordernden Themen der Identität, Einsamkeit, Ungewissheit und Sinnlosigkeit (Spinelli, 2010). Coaching kann als eine Antwort auf diesen Bedarf verstanden werden (Stelter, 2014; 2009).
Doch um das bieten zu können, darf sich ein Coach¹ nicht hinter seiner Rolle verstecken und nur mittels seiner Techniken und Fähigkeiten wirken. Solch ein Angebot verlangt vom Coach letzten Endes, seine Zertifikate und Prozeduren beiseite legen zu können und einfach nur als Mensch mit einem anderen Menschen präsent zu sein‒ transparent, mitfühlend und wertschätzend (Stelter, 2014; Gendlin, 1990; Rogers, 1981). Als Mensch geht der Coach nämlich ebenfalls einen Weg, auf dem er sich existenziellen Problemen stellen muss, sich im optimalen Fall persönlich entwickelt und ganzheitlich reift. Erst indem der Coach selbst lernt, diesen Weg zu gehen, hat er das Recht verdient, seine Klienten durch das gleiche Gebiet zu begleiten (vgl. Silsbee, 2008). Wie ich im Verlauf der Arbeit argumentiere, ist die echte und ganze menschliche Präsenz einer der wichtigsten Faktoren, der das Gehen solch eines unbegreiflichen Weges in unserer heutigen Zeit möglich macht.
Auf meinem eigenen Weg begleitet mich seit über fünf Jahren eine tägliche Meditations-praxis (Taft, 2021; McLeod, 2016; 2013; Fenner, 2015; 2007) gepaart mit einem Interesse an Persönlichkeitsentwicklung, das zeitweise die Ausmaße eines Vollzeit-Jobs annimmt. Seit mehreren Jahren ergänze ich mein tägliches Methodenrepertoire mit den Körperübungen des Hatha Yogas (Bernard, 1968) und der selbstreflexiven Praxis des Focusings (Gendlin, 1981). Indem ich während dieser Praktiken alles, was in meiner Wahrnehmung auf kognitiver, emotionaler, körperlicher und spiritueller Ebene auftaucht, willkommen heiße und ihm einen Platz gebe, habe ich geübt, präsent zu sein. Vor diesem Hintergrund ist in mir eine Affinität zu wahrnehmungsorientierten und integrativ-ganzheitlichen Ansätzen des Begleiten von Menschen entstanden.
Das erste konkrete Forschungsinteresse für diese Arbeit fand ihren Ursprung in der Zeit, als ich neun Monate lang bei Christel Utters, einer Begleiterin für innere wie äußere Entwicklungsprozesse, verbracht habe (Utters & Simonis, 2022). Von ihr ließ ich mich ganzheitlich auf meinem menschlichen Entwicklungsweg begleiten. Mit ihr habe ich den Wert der Präsenz während Begegnungen neu schätzen gelernt. Für mich vereint Christel zwei scheinbare Polaritäten und gerade das hat mich zur vorliegende Arbeit inspiriert: Auf der einen Seite Meditation und das Erforschen der eigenen Innenwelt, auf der anderen Seite Effektivität und gemeinschaftliches Handeln ‒ Stille und Aktivität.
Zeitgleich hat sich mir die Frage gestellt, wie im Coaching nachhaltige und echte Entwicklungen gefördert werden. Ich habe nämlich bei Freunden, Bekannten und mir selber häufig beobachten können, dass nur das Durchdenken und Durchsprechen der eigenen Probleme trotz bester Absichten selten nachhaltige und verkörperte Veränderungen bewirken. Passend dazu fand ich immer mehr Bestätigung in der neurowissenschaftlich informierten Coaching-Forschung, dass es einer Integration des Unbewussten benötigt, damit sich unser Erleben und Verhalten verändern kann (Ryba, 2019; Siegel, 2018). Es müssen daher zusätzlich die Prozesse Aufmerksamkeit bekommen, die sich unbewusst im Körper und vor allem in der Brust- und Bauchgegend abspielen (Ryba, 2019; Gendlin, 2016). Mein Training einer ganzheitlichen Präsenz schien wie dafür gemacht.
Ziel dieser Arbeit ist es nun, den Begriff der Präsenz aus mehreren Perspektiven zu betrachten und die Bedeutung der Präsenz für Entwicklungsprozesse herauszuarbeiten. Dafür werde ich im Laufe der Arbeit Theorie und Forschung von Coaching (2.1.; 2.2.2.) und verwandten Disziplinen (2.2.1.; 2.2.3.; 2.2.4.; 2.2.5.) wie auch die Erfahrung der Präsenz (2.2.6.; 2.2.7.) analysieren und Präsenz in die reflexive Arbeit des Coachings integrieren (2.2.8.; 2.2.9.). Im Anschluss konzeptualisiere ich einen Coaching-Ansatz bestehend aus Theorie (3.1.) und Praxis (3.2.), der auf dem Fundament jener Analyse und Integration aufbaut.
1 Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für alle Geschlechter.
2. Analyse
In diesem ersten Teil der Arbeit werden die beiden zentralen Begriffe Coaching und Präsenz (2.2) erläutert. Dafür wird der Leser durch deren jeweiligen Herkunftsgeschichte und in deren mitunter leisen wie unscheinbar-tiefen Wurzeln und Bedeutungen hinein geführt.
2.1. Coaching
Dieser Abschnitt unterteilt sich einerseits in drei allgemeine Ausführungen zum Coaching hinsichtlich seiner Definition, Genese (2.1.2.) und Differenzierung (2.1.3); und andererseits in eine spezifische Ausführung zum hier vertretenden humanistischen Coaching- und Menschenverständnisses (2.1.4).
2.1.1 .Definition
Wie so viele Texte zu Coaching beginnt auch dieser mit dem Thema der Definition. Dabei steht nicht nur das wissenschaftliche Interesse dahinter, sondern auch die grundlegende Frage der Identität des Coaches. Diese kennen die Frage nämlich nur zu gut 'Was denn Coaching eigentlich sei?' Bemüht, eine möglichst interessenweckende Beschreibung ihrer Tätigkeit zu formulieren und nachvollziehbar zu erklären, wie sie sich von ähnlichen Anbietern unterscheiden, hat jeder seine eigene Weise, Coaching zu definieren (Greif et al., 2018b). In ihrer Einleitung zu dem Complete Handbook of Coaching
kritisieren Cox, Bachkirova und Clutterbuck (2010) die üblichen Definitionen von Coaching dahingehend, dass diese zwar das weite Feld beschreiben würden, es allerdings nicht wirklich von anderen helfenden Berufen abgrenzen könnten. Selber bieten sie für ihr Buch folgende Arbeitsdefinition an, in der sie abstrakt und doch präzise Coaching einen Rahmen geben und beschreiben, was es in jedem Fall mit sich bringen sollte:
Coaching kann als ein Prozess der menschlichen Entwicklung betrachtet werden, der eine strukturierte, zielgerichtete Interaktion und den Einsatz passender Strategien, Instrumente und Techniken zur Förderung wünschenswerter und nachhaltiger Veränderungen zum Nutzen des Coachees und potenziell auch anderer Beteiligter umfasst
(Cox et al., 2010, S. 1, Übs. d. A.).
Dementsprechend ist Coaching kein haltloses Plaudern, sondern eine strukturierende und orientierende Interaktion für den besagten Prozess. Als Prozessexperte findet der Coach die passenden Mittel, um jenen zu begleiten, muss aber nicht Fachexperte für die spezifische Situation sein (siehe auch 2.1.4.).
Ähnlich wie in einer Psychotherapie können Klienten ihre individuelle Situation zusammen mit ihren Motiven, Zielen und Bedürfnisse sowie ihren Ängsten und inneren Konflikten sehr offen im geschützten Rahmen des Coachings reflektieren (vgl. Greif et al., 2018b). Wie in der Einleitung schon behauptet, wird Coaching Stelter (2009) zufolge dem besonderen Bedarf nach Räumen für diese individuelle Reflexivität des Selbst
gerecht. Auf Stelter Bezug nehmend stellen Greif et al. (2018b) abschließend folgende Definition vor:
„Coaching ist eine intensive und systematische Förderung ergebnisorientierter Problem- und Selbstreflexionen sowie Beratung von Personen oder Gruppen zur Verbesserung der Erreichung selbstkongruenter Ziele oder zur bewussten Selbstveränderung und Selbstentwicklung. Ausgenommen ist die Beratung und Psychotherapie psychischer Störungen" (Greif, 2008, S. 59).
Demnach ist Coaching kein endloses Durchkauen und Grübeln, sondern mittels geeigneter Methoden ergebnisorientiert. Neben Zielerreichung sind mit Ergebnissen auch Entscheidungen oder Einsichten gemeint. Zudem wird im Coaching nur das angestrebt, was mit den Vorstellungen des Klienten über sein ideales Selbstkonzept übereinstimmt, also was selbstkongruent ist. Zur Abgrenzung von Coaching zur Psychotherapie ist mehr in 2.1.3. zu finden.
2.1.2. Genese
Um die Identität eines Coaches näher verstehen zu können, ist neben der Definition ein Blick auf den Anfang und Ursprung von Coaching wichtig. Als Coach (eigentlich englisch für Kutsche, später Kutscher) wurde umgangssprachlich ab Mitte des 19. Jahrhunderts an Universitäten des angloamerikanischen Raums eine Person bezeichnet, die andere bei der Vorbereitung auf Prüfungen und sportlichen Wettbewerben unterstützt (vgl. Lippmann, 2013, S. 14). Mit Coaching wurde weit mehr als reines Training verstanden ‒ besonders während Wettkämpfen war eine umfassende Betreuung, Beratung und Motivierung des Klienten gemeint (vgl. Ryba, 2017, S. 6 f.).
Als der Begriff in den 1970er Jahren aus dem