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Venus vulgivaga
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Venus vulgivaga

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About this ebook

In den frühen Morgenstunden des heutigen Tages wurde ein Mann in einem Zug der Strecke Frankfurt-Hannover-Hamburg tot aufgefunden. Der Boden war blutüberströmt, die Passagiere rannten entsetzt aus dem Wagen. Der Mann war ermordet worden. Wer ist der Mörder und wie konnte er von den Fahrgästen und dem Bahnpersonal unbemerkt bleiben?
LanguageDeutsch
PublisherSharp Ink
Release dateDec 30, 2022
ISBN9788028269197
Venus vulgivaga

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    Book preview

    Venus vulgivaga - Otto Schwerin

    Vorwort

    Inhaltsverzeichnis

    Lieber Leser! Der Untertitel, den ich der Ueberschrift nachzusetzen für notwendig erachtete, bedeutet eine Entschuldigung und gleichzeitig eine Erklärung.

    Eine Entschuldigung, weil ich notgedrungen einen lateinischen Titel wählen mußte, und eine Erklärung für jene gewisse Sorte von Sittlichkeitsschnüfflern, deren durch konkave Brillengläser halb verdeckte Augen entsetzt auf dem Buchumschlag ruhen werden und die doch gleichzeitig ihre Freude durch ein kurzes, blitzschnelles Aufleuchten kaum verbergen können, denn der ominöse § 184 des Reichsstrafgesetzbuches erlaubt ihnen, das »notwendige Aergernis« zu nehmen; und dann Gnade dem Autor!

    Diesen Herrschaften im Jägerhemd, wallenden Teutonenbart und Harmonikahosen, die sich malerisch auf klobige Zugstiefel herniedersenken, diene zur Beruhigung, daß die » Venus vulgivaga« der alten Römer nichts mit meiner modernen » Venus vulgivaga« zu tun hat.

    Jener römischen Venus vulgivaga, deren unmoralisches Treiben schon damals moralinverseuchten Pädagogen und Jugendbildnern ein schmerzender Dorn im züchtigen Auge war, soll hier kein Ruhmesdenkmal errichtet werden. Beruhigt Euch, Ihr Herren Professoren, Ihr Herrschaften vom Jugendring und Ihr holden fünfzigjährigen Jungfrauen, Vorstandsdamen von Limonaden-, Traktätchen- und Sodawasservereinen; in meinem Buch wird kein unzüchtiges Wörtchen fallen, es enthält weder eine Verherrlichung, noch eine Verurteilung der Prostitution, – es ist überhaupt in keiner Weise sexuell, denn meine » Venus vulgivaga« stellt nichts weiter dar, als – – eine harmlose Statuette aus gewöhnlichem Gips, sie ist nichts als die (allerdings vorzügliche Kopie) eines deutschen Bildhauers nach dem berühmten französischen Original Pierre Delacostes, der zur Zell des Roi Soleil in Angers seiner Bildhauerkunst lebte.

    Und um diese harmlose, gefühlslose und daher durchaus züchtige Venus rankt sich ein wucherndes Gestrüpp mehrerer verbrecherischer Untaten, deren Aufdeckung meinem Freund Dr. Karl Egon Lutz vorbehalten blieb.

    Also keine Bange, Ihr Pächter und Verfechter der Moral! Es handelt sich um keine irgendwie geartete Pornographie, sondern um einen harmlosen, aber, wie ich hoffe, spannenden Kriminalroman.

    Erstes Kapitel

    Inhaltsverzeichnis

    Der Frühschnellzug D 123, Frankfurt-Hannover-Hamburg, war in den Bahnhof Friedberg (Oberhessen) eingefahren. Pünktlich, und ohne eine Minute Verspätung.

    Der Personenzug nach Gießen, den der Schnellzug fahrplanmäßig überholen mußte, stand seit 10 Minuten wartend auf dem Nebengleis. Ein Dutzend Reisende hatten in Friedberg den Schnellzug verlassen, ungefähr die gleiche Anzahl war zugestiegen. Der Zugführer und der Fahrdienstleiter standen hinter der schweren Schnellzugsmaschine, die fauchend und zischend auf das Zeichen zur Weiterfahrt, hinein in die fruchtbare Wetterau, gen Gießen und Marburg zu, wartete, als ein Mann in der Uniform der Telegraphenbeamten eiligst über die Gleise sprang. In seiner rechten Hand schwenkte er ein zusammengefaltetes Papier, anscheinend ein Telegrammformular, und während er über die Schienen auf den Schnellzug zueilte, rief er mehreremale einen Namen aus.

    Der Name war nicht ganz verständlich, er schien viersilbig, enthielt dem Laut nach zwei oder drei Vokale und klang dadurch rein phonetisch ein wenig exotisch, italienisch, spanisch, portugiesisch.

    Halb neugierig, halb ärgerlich, denn das Ueberschreiten der Gleise war bahnpolizeilicherseits streng untersagt, wandten sich die beiden Bahnbeamten dem Rufer zu, der ohne sich um sie zu kümmern, den Zug wie suchend entlanglief, immer den gleichen Namen ausrufend.

    Plötzlich klirrte ein Fenster herab. Ein noch jüngerer, gut gekleideter Herr, mit einem hellen, weichen Filzhut meldete sich.

    »Ich habe ein Bahntelegramm für Sie,« sagte der Depeschenbote verschnaufend. »Können Sie sich legitimieren?«

    Der Angeredete nahm mit sichtbarem Erstaunen prüfend die Depesche zur Hand.

    »Der Name stimmt schon,« sagte er ein wenig überrascht. »Das Telegramm ist wirklich für mich. Hier ist mein Paß!«

    An den Fenstern der Nachbarabteile erschienen einige neugierige Gesichter, um jedoch, da die Neugierde nicht auf ihre Kosten kam, bald wieder zu verschwinden. –

    Während der Depeschenbote, nach Erledigung seines Auftrages, langsam die Unterführung zum Ausgang hinabging, blieb der Empfänger, das Telegramm unschlüssig, beinahe ein wenig mißtrauisch in der Hand wiegend, im Fensterrahmen stehen, als er plötzlich einen leisen, fast gehauchten Wehruf ausstieß, mit der linken Hand in die Luft griff und schwer in das Innere des Wagens zurücksank. Im gleichen Augenblick klirrte es in dem Abteil, wie von splitterndem Glas.

    Die beiden übrigen Insassen des Abteils, die bisher teilnahmslos auf ihren Plätzen saßen, es waren zwei einfach gekleidete Frauen, sprangen in die Höhe, die ältere der beiden, wahrscheinlich die Mutter der anderen, beugte sich erschrocken über den am Boden liegenden Mann und stieß einen lauten Schreckensruf aus, denn – – – – der Mann war tot. – – Oberhalb der Nase, mitten in der Stirn, war ein kleines, beinahe kreisrundes Loch, aus dem langsam das Blut in dicken Tropfen zu Boden sickerte und bereits eine kleine, braunrote Lache gebildet hatte.

    Sowohl auf dem Gang des D-Zugwagens, als draußen auf dem Bahnsteig, wurde es nun lebendig. Ueberall erschrockene, neugierige, sensationshungrige und verstörte Gesichter.

    Der Zugführer und zwei Bahnbedienstete stürzten ins Abteil.

    Draußen auf dem Gang drängten sich ein Dutzend Neugierige zusammen.

    »Was ist denn passiert?« fragte der Zugführer, gewichtig in seiner Autorität. »Donnerwetter«, rief er aus, seine Frage selbst beantwortend, »der Mann ist tot – erschossen! Niemand verläßt das Abteil!«, rief er schnell gefaßt und doch durch den Anblick des Toten ein wenig verwirrt. »Rufen Sie sofort den Bahnhofsvorstand, Häuser, und holen Sie auch die Polizei! – Der Zug wird nun Verspätung bekommen,« fügte er mehr zu sich, als zu den Umstehenden gerichtet hinzu, nachdem er einen kurzen Blick auf seine Uhr geworfen hatte. »Wie ist denn das passiert? Haben Sie einen Schuß gehört?« fragte er die beiden Frauen, von denen die Aeltere fassungslos in einer Ecke zusammengekauert war, während die andere, die Jüngere, den Toten wie geistesabwesend anstarrte.

    »Entsetzlich!« stöhnte die Jüngere. – »Gehört? Nein – ich – ich weiß gar nichts. – Der Herr stieg mit uns zusammen in Frankfurt ein – ich kenne ihn nicht. – Draußen rief jemand – wer, weiß ich nicht. – – Er ging ans Fenster und fiel plötzlich in den Wagen zurück. – Anscheinend erschossen. – Da drüben muß der Schuß hinausgefahren sein, denn die Fensterscheibe ist zertrümmert. – – –«

    Der Bahnbeamte schien den Schaden erst jetzt zu bemerken. Er brachte der zertrümmerten, anscheinend durchschossenen Fensterscheibe, die als fiskalisches Eigentum seiner Obhut unterstellt war, beinahe größeres Interesse entgegen, als dem Unglücklichen, der, die Beine an den Leib gezogen, leblos auf dem kalten Boden lag.

    Plötzlich ertönte von draußen aus dem Durchgang des Schnellzugwagens ein unterdrückter Schrei. Eine junge Frauensperson brach sich, ohne Rücksicht auf die Neugierigen zu nehmen, rücksichtslos Bahn und warf sich, laut schreiend, über den Toten.

    »Gott steh mir bei, Franz!« schluchzte sie auf. – »Allmächtiger! Was ist hier vorgefallen?« – Der Bahnhofsvorstand in roter Mütze trat mit einem Polizisten in das Abteil.

    Er war sofort Herr der Situation.

    Ohne sich um den Toten vorerst zu kümmern, wandte er sich an die Passagiere des Wagens, die den Durchgang versperrten.

    »Meine Herrschaften!« sagte er höflich aber bestimmt, »es hat sich hier ein Unglücksfall oder vielleicht auch ein Verbrechen ereignet. Ich bitte Sie, den Wagen, der abgekoppelt wird, zu räumen und Ihre Sitze in einem anderen Wagen einzunehmen. Dieser muß zur Verfügung der Staatsanwaltschaft hier bleiben.

    Diese beiden Damen und Sie, mein Fräulein,« er wandte sich mit etwas gedämpfter Stimme an die junge Frauensperson, die sich immer noch heftig schluchzend über den Toten gebeugt hatte, – »muß ich bitten, sich als Zeuginnen zur Verfügung der Polizei zu halten.«

    Die ältere Frau, die sich bisher zitternd und beinahe teilnahmslos in die Wagenecke verkrochen hatte, wurde nun lebendig.

    »Unter keinen Umständen bleibe ich hier mit dem Toten allein,« erklärte sie mit einer Energie, die zu ihrem bisherigen Benehmen in auffallendem Gegensätze stand. »Ich fürchte mich, und außerdem, ich muß heute mittag in Cassel sein, wir beide« – sie deutete bei diesen Worten auf ihre jüngere Begleiterin, die schaudernd neben ihr Platz genommen hatte – »werden dort erwartet.«

    »Es tut mir leid,« erwiderte der Bahnbeamte mit bestimmter Höflichkeit, »Sie können nicht abfahren. Sie beide sind die einzigen Zeugen des mysteriösen Vorfalls und müssen ihre Aussagen zu Protokoll geben.«

    »Aber ich kann gar nichts aussagen« – jammerte die Aeltere, »ich habe gar nichts gesehen, ich will mit der Polizei nichts zu tun haben!«

    Die junge Dame legte der älteren die Hand auf den zitternden Arm.

    »Beruhige dich, Tante,« sagte sie leise. »Wir werden der Polizei wiederholen, was wir wissen, und fahren mit dem 10 Uhr-Zuge weiter.«

    »Dann darf ich Sie vielleicht bitten, mich in mein Zimmer zu begleiten, bis die Polizei zur Stelle ist. Ich habe bereits telephonieren lassen. Und Sie Fräulein – –!« Er unterbrach sich erschrocken, denn die junge Dame, die sich über die Leiche des Mannes gebeugt hatte, war aus dem Abteil verschwunden. Der Bahnhofsvorstand unterdrückte einen leisen Fluch.

    »Wo ist die Dame hingekommen!« rief er auf den Gang hinaus. »Donnerwetter! Die Dame muß unbedingt hier bleiben. Erst jammert sie, daß es Gott erbarm, und nun, wo sie dringend gebraucht wird, ist sie verschwunden. Zugführer!«

    »Herr Vorsteher!«

    »Sie haben die junge Frau gesehen, die sich um den Toten bemüht hat. Sie muß sofort zur Stelle geschafft werden. Suchen Sie den Zug ab und fahren Sie dann in Gottes Namen los. Meldung hierher, – ich warte.«

    Der Wagen hatte sich völlig geleert. Außer dem Polizisten, der sich vollständig passiv verhalten hatte, – so mochte ihn der »große Kriminalfall« überrascht haben – und den beiden Frauen, blieb nur der Bahnhofsvorstand bei dem Toten.

    Nach knapp zwei Minuten kam der Zugführer zurück.

    Er legte die Hand an die Mütze und meldete: »Die Frau ist seltsamerweise nirgends aufzufinden.«

    »Sonderbar,« meinte der Vorgesetzte kopfschüttelnd. Dann sah er auf seine Uhr. »Donnerwetter! schon 20 Minuten Verspätung. Fahren Sie in Gottes Namen los. Das andere ist Sache der Polizei! –«

    Im nächsten Augenblick zog mit einem schrillen Pfiff, einem letzten Gruß an den toten Mann, der auf dem nackten Holzboden des Abteils dritter Klasse den ewigen Schlaf schlief, die Maschine an, und der Zug rollte langsam aus dem Bahnhof.

    Zwei Minuten später folgte ihm der Gießener Personenzug auf dem Nebengeleise.

    Zweites Kapitel

    Inhaltsverzeichnis

    Die Abteilung 7 des Frankfurter Polizeipräsidiums bestand im Jahre 191. aus fünf miteinander verbundenen Räumen. Sie war in den Zimmern 317-321 im zweiten Stock des modernen Polizeipalastes an der Hohenzollernanlage untergebracht, als Vorsteher fungierte der inzwischen pensionierte Kriminalinspektor Fischer, im internen Dienste, um Verwechslungen mit einem gleichnamigen Kommissar der Sittenpolizei zu vermeiden, Fischer I genannt. Ihm waren für den Ermittlungsdienst einige 130-150 Beamte unterstellt, darunter die Kommissare Rademacher, von Klenck, Neumann, Reckenthien und Hieronymus, sowie die Wachtmeister Muschal, Haberland, Ringling, Müller III, Gerlach und Lautensack. Ein Teil der Beamten der Frankfurter Kriminalabteilung sind für die Leser meiner Romane bereits alte Bekannte, vor allem die Herren Rademacher und Muschal, mit denen wir unsere Geschichte am Morgen des 1. Juli anno domini 191. fortsetzen.

    Rademacher erschien am fraglichen Tage ein wenig zu spät in seinem Dienstzimmer, das die bekannt nüchterne stereotype Aufmachung aller preußischen Diensträume aufwies. Billige Tannenmöbel, nicht viel wertvollere Oeldruckbilder der letzten preußischen Könige bezw. deutschen Kaiser, und selbstverständlich den obligaten Spucknapf aus weißem Email.

    Sein Adlatus, Wachtmeister Muschal, der den Raum mit dem Kommissar teilte, erhob beim Eintritt seines Vorgesetzten den Kopf von seiner Schreibarbeit und begrüßte Rademacher mit jener respektvollen Vertraulichkeit, die das tägliche Zusammenarbeiten im Innen- und Außendienst mit der Zeit geschaffen hatte.

    Rademacher schloß langsam und umständlich seine Schreibtischschubladen auf und fragte sein Gegenüber, während er Bleistifte und andere Bürorequisiten auf der Tischplatte ordnete:

    »Na, Muschal – was Neues?!«

    »Nischt – von Belang, Herr Kommissar. Hier eine kleine Anzeige; Betrugsversuch eines möblierten Herrn in der Fichardstraße, Fahrraddiebstahl in der Battonstraße, eine Messerstecherei in der Wirtschaft zum grünen Bock in der Saalgasse – – –«

    »Tote –?«

    »Nee. Nur ein Verwundeter, allerdings haben se ihm ne gehörige Abfuhr verpaßt. Er liegt im Heiligen Geist¹ und ist noch nicht vernehmungsfähig. Uebrigens ist der Täter durch herbeigerufene Beamte des 37. Reviers verhaftet worden, nachdem ihn das Publikum vorher halbtot geprügelt hat. –«

    »Gesund für ihn. Noch was?«

    »Die Reviermeldungen sind noch nicht oben. Es ist hier nur noch 'ne gemeinsame Beschwerde einiger Geschäftsleute in der Fahrgasse, die sich über den Dirnenbetrieb dort beschweren. –«

    »Geht uns nichts an. Geben Sie die Eingabe an die Sittenpolizei weiter.«

    »Jawohl, Herr Kommissar, ich habe die Sache schon zur Weitergabe vorgemerkt, aber wenn ich Sie bitten dürfte, Herrn von Sinning von der Sittenpolizei – so gewissermaßen kollegial darauf aufmerksam zu machen, daß er dort mal mit fester Hand zugreifen läßt – –, es würde nichts schaden – –, Herr Kommissar. Denn – – unter uns gesagt – dort ist wirklich am hellichten Tag ein wahrer Schweinebetrieb – und dann – ich weiß zufällig – in der Fahrgasse wohnt ein Redakteur von der »Latern«, – und wenn erst das Gestänker in den Zeitungen losgeht, – dann haben wir wieder den Salat. Sie kennen doch den Alten! –«

    »S'is gut, Muschal. Ich treffe Herrn von Sinning nachher beim Vortrag beim Regierungsrat und werd's ihm sagen. Sonst noch was?«

    »Ja, Herr Kommissar!« Muschal verzog seinen Mund unter dem roten, borstigen Schnurrbart zu einem breiten Grinsen. »Die zwei Diebstahlssachen von vorgestern sind schon geklärt. Lautensack nahm gestern abend in einer Wirtschaft in der Schüppengasse einen alten Makkener² hoch³, unterwegs versuchte der Kerl sein Klamoniß⁴ in einen Kanal zu planten.⁵ Doch Lautensack paßte auf und brachte mir den Kerl zum Verhör. Ich sagte ihm auf den Kopf zu, daß er und kein anderer das Ding in der Blücherstraße geschoben hatte. Natürlich, zuerst Leugnen; eine sofortige Durchsuchung seiner Bleibe⁶ förderte aber den größten Teil der gestohlenen Wäsche wieder zu Tage, schließlich schmußte er und gab sogar seinen Hehler an.«

    »Wer ist denn der Hehler?«

    »Der alte Heck in der Paradiesgasse.

    Ich stieg Heck natürlich sofort aufs Dach. Und nun kommt das Allerschönste, ich fand bei ihm nicht nur den Rest der gestohlenen Wäsche, sondern auch eine große Anzahl englischer Kleiderstoffe. Vorgestern früh meldete die Firma Gebrüder Rosenthal, Kaiserstraße, einen schweren Einbruch, Stoffe im Wert von 40 000 Mark. Ich ließ durch den Schutzmann Heuser einen Angestellten der Firma Rosenthal herbeirufen – wie ich vermutet – es waren wirklich die gestohlenen Waren. – Heck drehte sich und wendete sich wie ein Aal, es nützte ihm nichts, erst vor 12 Tagen kam er aus dem Kittchen⁷ und nun geht er schon wieder verschütt,⁸ peinlich für ihn, sehr peinlich, aber gut für uns. – In einem schmierigen Heftchen fand ich die Namen einer ganzen Anzahl schwerer Brüder, zwei davon, den ›Kürassierwilhelm‹ und den ›Pastor‹, hab' ich mir gestern abend noch gelangt. Der ›Kürassierwilhelm‹ sitzt drüben, – zum Verhör bereit – er ist der Schränker⁹ bei dem Stoffdiebstahl, er, und kein anderer. –«

    Rademacher schmunzelte. »Dann lassen Sie den Kerl bitte gleich antreten, ich freue mich diebisch, meinen Landsmann Wilhelm wiederzusehen. Wie oft ist der Kerl wegen Schränken schon rückfällig?«

    »Na – so sieben oder acht Mal. –«

    Muschal hatte inzwischen durch das Telephon einen Befehl weitergegeben, den Inhaftierten vorzuführen.

    »Ist der Alte schon da?« fragte Rademacher leise, als der Wachtmeister den Hörer eingehängt hatte.

    »Ich weiß nicht,« erwiderte Muschal und sah unwillkürlich nach der Nebentür, die das Büro von dem Arbeitszimmer des Inspektor Fischer trennte. »Er wollte, wenn ich nicht irre, heute morgen mal zu Dr. Lutz 'rüber gehen. Er sprach wenigstens gestern davon. –«

    »Dr. Lutz ist gar nicht in Frankfurt,« erwiderte der Kommissar und fuhr auf den fragenden Blick des Wachtmeisters fort, »ich habe gerade vorhin seinen Sekretär Roderich gesprochen. Lutz ist vorgestern mit seinem Auto, samt Chauffeur nach Köln gefahren und wird erst heute abend zurückerwartet.«

    Es klopfte – und auf das Herein des Kommissars trat ein uniformierter Polizeibeamter ein, der einen großen, breitschultrigen Mann in mittleren Jahren eskortierte. Der Schutzmann blieb an der Türe stehen, während der Häftling mit einem halb verlegenen, halb vertraulichen Grinsen dem Kommissar eine linkische Verbeugung machte.

    Dieser sah dem Mann freundlich lächelnd ins Gesicht und sagte gemütlich: »Morjen – Knettke – das is aber scheen, daß Se wieder mal zu mir kommen.«

    Der mit Knettke Angeredete drückte seine Mütze zu einem unförmlichen Knäuel zusammen.

    »Nu heer'n Se, Herr Kommissar,« sagte er »kommen is jut. Ihre Jreifer haben mer jestern hochjenommen, warum wees ick nich, sonst wär ick nich hier – von selbst such ick det Gymnasium¹⁰ nich uff. Darauf können Se schwören.«

    Rademacher wies, immer noch lachend, auf einen Stuhl, der so gestellt war, daß der auf ihm Platznehmende im hellen Licht des großen Fensters saß. »Nu setzen Se sich erst mal jemütlich, Knettke, ich weiß doch, was ich 'nem Landsmann schuldig bin, und dann erzählen Se, wie Se det Ding bei Rosenthal & Cie. geschoben haben, 's ist nur der Ordnung wegen. Personalien nehmen wir erst gar nicht lange auf, Knettke, wir kennen uns ja schon so gut. – Daß Se das Ding bei Rosenthal gedreht haben, wissen wir bereits, Heck, der Gannef¹¹ hat es gestern verslichent,¹² also ich brauche nur der Ordnung halber noch Ihr Geständnis, dann ist die Sache erledigt.«

    Der mit Knettke angeredete Dieb, welcher in Verbrecherkreisen den Spitznamen »Kürassierwilhelm« führte, weil er bei den Halberstädter Kürassieren gedient hatte, ließ den Kommissar, ohne auch nur Miene zu machen ihn zu unterbrechen, ruhig ausreden. Er wußte schon im voraus, daß er verloren war und gab sich gar nicht erst die

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